VwGH Ra 2018/22/0232

VwGHRa 2018/22/02328.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache der Bezirkshauptmannschaft Villach-Land in 9500 Villach, Meister-Friedrich-Straße 4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 26. Juli 2018, KLVwG-1672/4/2018, betreffend Niederlassungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: D T E, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §53;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §67;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §7;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220232.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 13. April 2018 wies die Bezirkshauptmannschaft Villach-Land (belangte Behörde) den Antrag des Mitbeteiligten, eines Staatsangehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika, sowie die Anträge seiner drei Kinder auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Künstler" (für den Mitbeteiligten) bzw. "Familiengemeinschaft" (für seine Kinder) gestützt auf § 11 Abs. 1 Z 1 und 3, § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 43a Abs. 1 Z 1 und § 46 Abs. 4 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Die belangte Behörde verwies zunächst auf die Novelle BGBl. I Nr. 145/2017, mit der an die Stelle der hier beantragten Aufenthaltsbewilligungen Niederlassungsbewilligungen getreten seien. Sie stellte weiters fest, dass gegen den Mitbeteiligten mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 2. Februar 2018 eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden seien. Dies stelle einen absoluten Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 und 3 NAG dar. Dem Vorbringen des Mitbeteiligten, wonach er gegen den Bescheid des BFA Beschwerde erhoben habe und das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) anhängig sei, hielt die belangte Behörde entgegen, es sei irrelevant, ob ein Antrag auf Aufhebung anhängig sei, solange noch nicht über diesen entschieden und die "Rückführungsentscheidung" aufgehoben worden sei. Die Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen seien daher im Hinblick auf das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abzuweisen.

2 Auf Grund der Beschwerde des Mitbeteiligten hob das Landesverwaltungsgericht Kärnten mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. Juli 2018 den Bescheid der belangten Behörde vom 13. April 2018, insoweit damit der Antrag des Mitbeteiligten abgewiesen worden war, auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück. Unter einem wurden mit Erkenntnis die Beschwerden der drei Kinder des Mitbeteiligten gegen die Abweisung ihrer Anträge als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

Zur Beschwerde des Mitbeteiligten hielt das Verwaltungsgericht fest, die Abweisung des Antrags durch die belangte Behörde sei damit begründet worden, dass gegen den Mitbeteiligten eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung und ein durchsetzbares Einreiseverbot erlassen worden seien. Diesbezüglich habe sich die Sachlage aber insofern geändert, als das BVwG mit Erkenntnis vom 2. Juli 2018 das verhängte Einreiseverbot ersatzlos aufgehoben habe. Da somit der absolute Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 Z 1 NAG nicht mehr vorliege und die vom BVwG bestätigte Rückkehrentscheidung der beantragten Niederlassungsbewilligung nicht entgegenstehe (Verweis auf das Erkenntnis VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0131), sei der bekämpfte Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Die belangte Behörde habe das Verfahren durch Prüfung der in § 43a Abs. 1 NAG angeführten Erteilungsvoraussetzungen fortzuführen.

3 Ausdrücklich nur gegen den mittels Beschluss erfolgten - und somit den Mitbeteiligten betreffenden - Abspruch des Verwaltungsgerichtes richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht - abweichend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - von einer Sachentscheidung Abstand genommen und die Angelegenheit zurückverwiesen. Die belangte Behörde habe gegenständlich ausreichend ermittelt und den Antrag auf Grund des Nicht-Vorliegens der allgemeinen Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 NAG abgewiesen. Zudem habe das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar begründet, weshalb es keine meritorische Entscheidungskompetenz angenommen habe.

6 Vorauszuschicken ist zunächst, dass sich die Revisionswerberin nicht gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtes wendet, es liege zum Zeitpunkt seiner Entscheidung kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 NAG mehr vor.

7 Soweit die Revisionswerberin in ihrem Zulässigkeitsvorbringen ins Treffen führt, dass der absolute Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides gegeben gewesen sei, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 11 Abs. 1 Z 1 NAG wiederholt auf das Vorliegen eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes abgestellt (siehe VwGH 29.2.2012, 2008/21/0202; 10.11.2009, 2009/22/0286). Auch die Erläuterungen (RV 952 B1gNR 22. GP, 121) nehmen - wenn auch in sprachlich unvollständiger Weise - auf rechtskräftig erlassene Maßnahmen Bezug. Ein nicht in Rechtskraft erwachsenes Einreiseverbot ist somit nicht als ein aufrechtes Einreiseverbot im Sinn des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG anzusehen (vgl. diesbezüglich auch VwGH 23.5.2012, 2008/22/0259, mwN, in dem der Verwaltungsgerichtshof - zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichte - festgehalten hat, dass es der Heranziehung des Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG entgegenstand, wenn einer gegen das Aufenthaltsverbot gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist).

Nach den insoweit auch von der Revisionswerberin nicht bestrittenen, mit den Verwaltungsakten in Einklang stehenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss hat der Mitbeteiligte gegen das verhängte Einreiseverbot Beschwerde an das BVwG erhoben, der mit Erkenntnis des BVwG vom 2. Juli 2018 durch Aufhebung des diesbezüglichen Spruchpunktes des Bescheides des BFA vom 2. Februar 2018 auch stattgegeben worden ist. Eine Beschwerde ist - anders als die belangte Behörde offenbar meint - nicht mit einem Antrag auf Aufhebung eines (bereits rechtskräftigen) Einreiseverbotes gleichzusetzen (vgl. zu einem Aufhebungsantrag betreffend ein Rückkehrverbot VwGH 7.5.2014, Ro 2014/22/0011). Ein rechtskräftiges Einreiseverbot lag zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde somit nicht vor.

8 Auf die Frage des Vorliegens des Erteilungshindernisses nach § 11 Abs. 1 Z 3 NAG geht die Revisionswerberin in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht ein. Ausgehend davon ist vorliegend nicht zu prüfen, inwieweit die belangte Behörde die Abweisung des Antrags des Mitbeteiligten tragend auch auf § 11 Abs. 1 Z 3 NAG gestützt hat (im Bescheid vom 13. April 2018 wurde § 11 Abs. 1 Z 1 und 3 NAG als Rechtsgrundlage genannt, allerdings wurde das Vorliegen eines absoluten Versagungsgrundes angenommen und keine, bei Heranziehen des Erteilungshindernisses nach § 11 Abs. 1 Z 3 NAG gebotene Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG durchgeführt) und ob dieses Erteilungshindernis allenfalls weiterhin bestand (das vom Verwaltungsgericht diesbezüglich begründend herangezogene hg. Erkenntnis Ra 2014/22/0131 ist zur Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 70/2015 ergangen).

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass die einzelfallbezogene Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen Auslegung dieser Bestimmung dann keine grundsätzliche Rechtsfrage berührt, wenn sich das vom Verwaltungsgericht erzielte Ergebnis als vertretbar erweist (vgl. VwGH 28.2.2018, Ra 2016/04/0061, Rn. 16; 30.3.2017, Ra 2014/08/0050, jeweils mwN). Eine solche Unvertretbarkeit am Maßstab der insbesondere im hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, dargestellten Grundsätze vermag die Revisionswerberin fallbezogen nicht aufzuzeigen.

10 Die belangte Behörde hat vorliegend (offenbar auf Grund ihrer - zu Unrecht bestandenen - Auffassung zum Vorliegen des Erteilungshindernisses nach § 11 Abs. 1 Z 1 NAG) keine Feststellungen zum Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen insbesondere nach § 11 Abs. 2 NAG sowie zu den besonderen Erteilungsvoraussetzungen (hier) des § 43a NAG getroffen. Auch zu den bei einer Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG (die bei Heranziehen des Erteilungshindernisses nach § 11 Abs. 1 Z 3 NAG geboten gewesen wäre) zu berücksichtigenden Aspekten finden sich nur ansatzweise Ermittlungen. Somit ist es nicht als unvertretbar anzusehen, wenn das Verwaltungsgericht im Ergebnis von besonders gravierenden Ermittlungslücken (vgl. wiederum VwGH Ra 2014/08/0050) bzw. vom Fehlen von für eine Entscheidung in der Sache nach § 28 Abs. 2 VwGVG ausreichenden brauchbaren Ermittlungsergebnissen (vgl. insoweit VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088, mwN) ausgegangen ist.

11 Es ist daher fallbezogen nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht von der - ausnahmsweise vorgesehenen - Möglichkeit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde Gebrauch gemacht hat.

12 Der Revisionswerberin ist zwar zuzugestehen, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Aufhebung und Zurückverweisung insofern sehr knapp ausgefallen ist, als sie sich im Wesentlichen auf einen Hinweis auf die (noch nicht erfolgte und somit nachzuholende) Prüfung der in § 43a NAG angeführten besonderen Erteilungsvoraussetzungen beschränkt.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits festgehalten, dass nur ein relevanter Begründungsmangel zur Zulässigkeit der Revision führt (siehe etwa VwGH 22.3.2018, Ra 2018/11/0020, mwN). Eine Relevanz des behaupteten Begründungsmangels wird im Zulässigkeitsvorbringen der Revision aber nicht dargelegt (siehe zu diesem Erfordernis VwGH 1.6.2017, Ra 2017/06/0088, mwN).

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 8. November 2018

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