VwGH Ra 2014/08/0050

VwGHRa 2014/08/005030.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der Wiener Gebietskrankenkasse (als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht), vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2014, W178 2012051-1/3E, betreffend Beitragsrückforderung nach § 69 ASVG (mitbeteiligte Partei: e GmbH in  Wien, , vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 14; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2014080050.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Verwaltungsgericht den Bescheid der Revisionswerberin - mit dem der Antrag der Mitbeteiligten auf Rückerstattung von ungebührlich entrichteten Beiträgen nach § 69 Abs. 1 ASVG abgewiesen wurde - gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Revisionswerberin zurück.

Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, die Revisionswerberin habe sich mit den von der Mitbeteiligten im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen - wonach die Geschäftszweige der Arbeitskräfteüberlassung und des Kleintransportgewerbes als "Mischbetrieb" bzw. durch organisatorisch und fachlich getrennte Betriebsabteilungen an verschiedenen Standorten ausgeübt worden seien und wie diese Tätigkeiten im Näheren (vor allem mit Blick auf die im § 4 Abs. 2 AÜG angeführten Kriterien) ausgestaltet gewesen seien - überhaupt nicht auseinandergesetzt und keinerlei diesbezügliche Ermittlungen durchgeführt. Im Übrigen sei der Bescheid - in näher erörterten Punkten - widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.

Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig.

2.2. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird.

3.1. Die Revisionswerberin macht als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Hinweis auf das Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063) abgewichen, indem es davon ausgegangen sei, dass die unvollständige Sachverhaltsermittlung durch die Behörde zu einem Vorgehen nach § 28 Abs. 3 VwGVG berechtige.

3.2. Zu den für kassatorische Entscheidungen nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG geltenden Voraussetzungen ist auf das (schon erwähnte) hg. Erkenntnis Ro 2014/03/0063 zu verweisen (§ 43 Abs. 2 VwGG). Der Verwaltungsgerichtshof hat darin - im Hinblick auf den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte - ausgeführt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden kann und eine Zurückverweisung zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nur dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 16. Oktober 2015, Ra 2015/08/0042, und vom 12. Jänner 2016, Ra 2014/08/0028).

3.3. Vorliegend ist von einem solchen Fall, in dem von der - ausnahmsweise vorgesehenen - Möglichkeit der Aufhebung des Bescheids und der Zurückverweisung der Angelegenheit nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG Gebrauch gemacht werden kann, auszugehen.

Die Mitbeteiligte hat im Rahmen des Parteiengehörs zu den Ergebnissen der Beitragsprüfung eine schriftliche Stellungnahme vom 5. März 2014 abgegeben und darin substanzielle Einwendungen gegen die von der Revisionswerberin in Aussicht gestellte Nachverrechnung erhoben. Die Mitbeteiligte hat insbesondere vorgebracht, dass sie sowohl im Bereich des Kleintransports als auch im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung gewerblich tätig sei und ein "Mischbetrieb" vorliege bzw. diese Tätigkeiten durch organisatorisch und fachlich getrennte Betriebsabteilungen an verschiedenen Standorten ausgeübt würden, sodass verschiedene Kollektivverträge anzuwenden seien. Sie hat in dem Zusammenhang auch - im Hinblick auf eine allenfalls vorzunehmende Beurteilung nach § 4 Abs. 2 AÜG - die Ausgestaltung der Tätigkeiten ihrer Dienstnehmer im Kleintransportbereich näher beschrieben.

Die Revisionswerberin hat in Reaktion auf diese Einwendungen lediglich auf ihren - als kurze Gegenäußerung zu verstehenden - "Erhebungsbericht" vom 20. März 2013 hingewiesen, im Übrigen jedoch zu dem Vorbringen - obwohl es für die Beurteilung des Falls von zentraler Bedeutung ist und eine eingehende Überprüfung vor allem im Tatsachenbereich erfordert - überhaupt keine Ermittlungen, insbesondere keine niederschriftlichen Einvernahmen von Beweispersonen, durchgeführt (auch dem besagten Erhebungsbericht lagen erkennbar keine näheren Ermittlungen zugrunde). Sie hat damit die Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit der Einräumung rechtlichen Gehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG verfolgt, unterlaufen.

Im Hinblick darauf kann aber im Sinn der oben aufgezeigten Rechtsprechung fallbezogen durchaus von krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken ausgegangen werden. Es stellt daher keine unvertretbare Rechtsansicht dar, wenn das Verwaltungsgericht in der konkreten Konstellation die Möglichkeit für eine Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG als gegeben erachtete.

3.4. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon ausgesprochen, dass die Frage, ob das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG angesichts der einzelfallbezogenen Verfahrenskonstellation in jeder Hinsicht korrekt angewendet hat, keine grundsätzliche Rechtsfrage darstellt (vgl. den hg. Beschluss vom 25. Jänner 2017, Ra 2016/12/0109).

4. Insgesamt wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. März 2017

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