Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2;
WaffG 1996 §8 Abs6 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs6 Z2;
WaffG 1996 §8 Abs6;
WaffV 02te 1998 §3 Abs1;
WaffV 02te 1998 §3 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030046.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 A. Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis entzog das Verwaltungsgericht auf dem Boden des § 25 WaffG dem Revisionswerber die ihm am 21. Dezember 1996 ausgestellte Waffenbesitzkarte und den ihm am 18. Februar 1997 ausgestellten "als Waffenpass bezeichneten Ausweis" (§ 28 Abs. 3 iVm § 8 Abs. 1 WaffG).
2 B. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
3 C. Nach Sinn und Zweck der Regelungen des WaffG ist angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses bei der Prüfung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit iSd § 8 WaffG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. dazu und zum Folgenden etwa VwGH 13.8.2014, Ra 2014/03/0018; 18.2.2015, Ra 2015/03/0011, VwSlg. 19.053 A; 26.4.2016, Ra 2016/03/0038; 21.6.2017, Ra 2017/03/0057; 7.2.2018, Ra 2018/03/0011).
4 Mit Entziehung einer waffenrechtlichen Urkunde ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, dass ein Urkundeninhaber nicht mehr das Zutreffen der in § 8 Abs. 1 WaffG genannten Voraussetzungen gewährleistet. Die Entziehung einer waffenrechtlichen Urkunde (wie hier einer Waffenbesitzkarte bzw. eines Waffenpasses) gemäß § 25 Abs. 3 WaffG stellt keine Ermessensentscheidung dar. Vielmehr ist die Behörde bei mangelnder Verlässlichkeit verpflichtet, die waffenrechtliche Urkunde zu entziehen. Ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart nicht mehr als sorgfältig iSd § 8 Abs. 1 Z 2 WaffG bezeichnet werden kann, hängt von objektiven Momenten ab. Zur ordnungsgemäßen Verwahrung von Faustfeuerwaffen gehört jedenfalls auch das Wissen um den aktuellen Besitzstand und den Aufbewahrungsort der Waffen. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon ausgesprochen, dass die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung der Waffen insbesondere gegenüber einer im gleichen Haushalt lebenden Person besteht. Der Inhaber eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte erfüllt seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung gegenüber Personen im privaten Nahebereich nicht, wenn diese Personen zur Waffe jederzeit und ohne Notwendigkeit der Überwindung eines Hindernisses Zugang haben. Daher erfordert die sorgfältige Verwahrung im Sinn des Gesetzes grundsätzlich auch gegenüber einer im selben Haushalt lebenden Person, die Waffe versperrt zu verwahren, wobei in Bezug auf Personen im privaten Nahebereich des Berechtigten die Anlegung eines überspitzten Maßstabes für die erforderliche Sicherung der Waffe gegenüber einem möglichen Zugriff aber nicht in Betracht kommt. Auch hier kann ein einmaliges Fehlverhalten zur Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit führen, und zwar selbst dann, wenn die Zugriffsmöglichkeit auf die Waffe nur relativ kurze Zeit bestand, wobei weder entscheidend ist, ob ein Zugriff auf die Waffe durch Unberechtigte tatsächlich erfolgte, noch ob die Waffe geladen oder ungeladen aufbewahrt wurde.
5 § 8 Abs. 6 WaffG erlegt dem Betroffenen eine besondere Mitwirkungsverpflichtung bei der Feststellung seiner waffenrechtlichen Verlässlichkeit auf. Ist die Feststellung des für die Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhalts aus Gründen, die in der von der Überprüfung betroffenen Person liegen, nicht möglich, so folgt aus § 8 Abs. 6 erster Satz WaffG die unwiderlegliche Rechtsvermutung der waffenrechtlichen Unverlässlichkeit. § 8 Abs. 6 WaffG trägt dem Umstand Rechnung, dass der Verpflichtung der Behörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erheben und festzustellen (§ 39 Abs. 2 AVG), die Pflicht der Parteien korrespondiert, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken; dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirken der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen. Weigert sich der von der Überprüfung Betroffene, die Waffen iSd § 8 Abs. 6 Z 1 WaffG vorzuweisen bzw. die sichere Verwahrung der Waffen unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 6 Z 2 leg. cit. nachzuweisen, wozu in beiden Fällen auch die Gewährung eines Zutritts zum Aufbewahrungsort erforderlich ist, dann kommt die unwiderlegliche Vermutung des § 8 Abs. 6 zweiter Satz WaffG zum Tragen. Ohne Gewährung des Zutrittes bzw. bei einer Verweigerung oder einer Vereitelung der Verwahrungskontrolle ist die Feststellung des für die Verlässlichkeit maßgebenden Sachverhaltes aus Gründen, die in der Person des Revisionswerbers liegen, regelmäßig nicht möglich.
6 D. Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat das Verwaltungsgericht die sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebenden Leitlinien nicht verlassen. Die gegenständliche Revision erweist sich daher als unzulässig.
7 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass am 30. Dezember 2016 an der Wohnadresse des Revisionswerbers eine von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Bezirkshauptmannschaft (BH) angeordnete waffenrechtliche Überprüfung durch die Polizeiinspektion B durchgeführt worden sei. Den Beamten sei von der Ehefrau des Revisionswerbers die Tür geöffnet worden, während der Revisionswerber vom ersten Stock des Hauses über die Treppe heruntergekommen sei. Den einschreitenden Beamten sei an der Haustür vom Revisionswerber mitgeteilt worden, dass sie vor der Haustür warten müssten. Die Beamten hätten daraufhin (mit Zustimmung des Revisionswerbers) im Vorhaus gewartet. Der Revisionswerber habe die Notwendigkeit des Wartens damit begründet, dass er den Schlüssel zum Waffentresor versteckt hätte und seine Frau das Versteck nicht sehen dürfte. Daraufhin sei der Revisionswerber gemeinsam mit seiner Frau in die Küche gegangen und habe die Tür hinter sich und seiner Frau geschlossen. Nach etwa zwei Minuten hätte ein Beamter an die Küchentür geklopft und sei in die Küche eingetreten. Der Revisionswerber sei dem Beamten aus seinem rechts gelegenen Büro entgegen gekommen und habe seinen ungeladenen, näher bezeichneten Halbautomaten in Händen gehalten. Der Revisionswerber habe den Beamten aufgefordert, in das Büro zur waffenrechtlichen Kontrolle zu kommen. Dort seien die beiden Revolver des Revisionswerbers mit ausgeklappten Trommeln auf der Fensterbank gelegen. In einem im Büro befindlichen Tresor sei der Schlüssel gesteckt und die Tresortüre sei angelehnt gewesen. Es habe nicht festgestellt werden können, ob die genannten Waffen beim Eintreffen der Beamten versperrt gewesen oder wie vorgefunden, herumgelegen seien. Die Ehefrau des Revisionswerbers, die über keine waffenrechtlichen Dokumente verfüge, lebe mit dem Revisionswerber im gemeinsamen Haushalt und habe sich während der Amtshandlung (wie auch unmittelbar davor) in der Küche aufgehalten, die unmittelbar neben dem Büro liege. Sie habe dabei Zugang zum Büro gehabt. Dieser Darstellung wird in der Revision nicht konkret entgegengetreten.
8 Nach den sich aus der dargestellten Rechtslage ergebenden Leitlinien verlangt die waffenrechtliche Überprüfung der sicheren Verwahrung des aktuellen Besitzstandes, dass den Kontrollorganen der Zutritt zu dem Ort gewährt wird, an welchem die Waffen versperrt aufbewahrt werden. Dem wurde im vorliegenden Fall schon deshalb nicht entsprochen, weil (unstrittig) den kontrollierenden Polizeibeamten Waffen in einem unversperrten Zustand präsentiert wurden. Von daher versagt der Hinweis des Revisionswerbers, er hätte vor dem Eintreffen der Beamten seine Waffen sehr wohl im Tresor verwahrt.
9 Wenn das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung von dem besagten Sachverhalt ausgegangen ist, der (wie erwähnt) in der Revision nicht konkret in Abrede gestellt wird, lässt sich entgegen der Revision nicht erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache iSd § 24 Abs. 4 VwGVG hätte erwarten lassen. Damit stand der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest, weshalb diesbezüglich weder Fragen seiner Ergänzung noch Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten (vgl. VwGH 26.1.2017, Ra 2016/07/0061; 26.4.2016, Ra 2016/03/0038). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Übrigen auch mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. EGMR 18.7.2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; EGMR 8.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä/Estland; vgl. ferner etwa VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0050; 19.9.2017, Ra 2017/01/0276).
Wenn das Verwaltungsgericht den Begriff "Waffenpass" durch die Wendung "als Waffenpass bezeichneter Ausweis" erfasste, wurde der Revisionswerber schließlich in keinem Recht verletzt.
10 E. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufkommen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
11 Das Verwaltungsgericht war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Wien, am 9. Mai 2018
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)