VwGH Ra 2017/03/0057

VwGHRa 2017/03/005721.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Revisionssache des H S in W, vertreten durch Dr. Heinz-Dietmar Schimanko, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 20, Top 4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 24. Februar 2017, Zl VGW- 103/079/7440/2016-25, betreffend Entziehung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017030057.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis entzog das Verwaltungsgericht Wien im Rechtszug der revisionswerbenden Partei nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 Z 2 WaffG und § 28 Abs 1 VwGVG den dieser im Jahr 2007 ausgestellten Waffenpass. Ferner erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision dagegen für nicht zulässig.

2 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 25a Abs 1 VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.

3 Die vorliegende Revision erweist sich als unzulässig. 4 Zur Rechtslage ist auf die Darstellung in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 2015, Ra 2015/03/0011, und vom 17. Dezember 2014, Ra 2014/03/0038, und vom 30. Juni 2015, Ra 2015/03/0034, hinzuweisen. Die Entziehung einer waffenrechtlichen Urkunde (eines Waffenpasses) gemäß § 25 Abs 3 WaffG stellt - wie dort ua ausgeführt - keine Ermessensentscheidung dar. Vielmehr ist die Behörde bei mangelnder Verlässlichkeit verpflichtet, die waffenrechtliche Urkunde zu entziehen. Mit Entziehung ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall nur ein einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der in § 8 Abs 1 WaffG genannten Verlässlichkeitsvoraussetzungen. Ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart nicht mehr iSd § 8 Abs 1 Z 2 WaffG als sorgfältig bezeichnet werden kann, hängt von objektiven Momenten ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon ausgesprochen, dass die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung der Waffen insbesondere gegenüber einer im gleichen Haushalt lebenden Person besteht. Der Inhaber eines Waffenpasses (oder einer Waffenbesitzkarte) erfüllt seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung gegenüber Personen im privaten Nahebereich nicht, wenn diese Personen zur Waffe jederzeit und ohne Notwendigkeit der Überwindung eines Hindernisses Zugang haben. Daher erfordert die sorgfältige Verwahrung im Sinn des Gesetzes grundsätzlich auch gegenüber einer im selben Haushalt lebenden Person, die Waffe versperrt zu verwahren, wobei in Bezug auf Personen im privaten Nahebereich des Berechtigten die Anlegung eines überspitzten Maßstabes für die erforderliche Sicherung der Waffe gegenüber einen möglichen Zugriff aber nicht in Betracht kommt (vgl idZ VwGH vom 17. Dezember 2014, Ra 2014/03/0038). Ein einmaliges Fehlverhalten kann zur Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit führen, und zwar selbst dann, wenn die Zugriffsmöglichkeit auf die Waffe nur relativ kurze Zeit bestand, wobei weder entscheidend ist, ob ein Zugriff auf die Waffen durch Unberechtigte tatsächlich erfolgte, noch ob die Waffe geladen oder ungeladen aufbewahrt wurde (vgl dazu VwGH vom 1. März 2017, Ra 2017/03/0004, mwH). Zur ordnungsgemäßen Verwahrung (im Besonderen von Faustfeuerwaffen) zählt auch das Wissen um den aktuellen Besitzstand und den Aufbewahrungsort der Waffen (vgl VwGH vom 18. Februar 2015, Ra 2015/03/0011, mwH).

5 Die sich daraus ergebenden Leitlinien hat das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung beachtet.

6 Wenn die Revision darauf hinweist, dass der Revisionswerber auf die in Rede stehende (ihm von einem Dritten zur Verwahrung überlassene) Schusswaffe in einem soliden und nicht leicht aufzubrechenden Schranksafe in der Suite eines Hotels in W verwahrte, hat ihm schon das Verwaltungsgericht zutreffend entgegen gehalten, dass auf dem Boden des insoweit unstrittigen Sachverhalts die andere Person, die die genannte Suite als Hotelgast gemietet hatte, und dort auch den Revisionswerber wohnen ließ (der selbst nicht unmittelbar als Hotelgast galt), von diesem Verwahrungsort der (geladen deponierten) Waffe wusste und auch die Möglichkeit hatte, den besagten Safe von den Hotelbediensteten für sich öffnen zu lassen. Dass der Revisionswerber (wie er vorbringt) der anderen Person "zu sehr vertraute insbesondere an dessen Zusage, die Benutzung des Hotelzimmers sei gesichert", vermag daran nichts zu ändern. Dass diese andere Person zur Öffnung des Safes Hotelpersonal heranziehen hätte müssen, vermag ein Hindernis im genannten Sinn zum Zugang zur Waffe schon deshalb nicht darzustellen, weil dieser Person als registriertem Hotelgast (unstrittig) zur Öffnung des Safes rund um die Uhr entsprechendes Hotelpersonal zur Verfügung stand. Zutreffend merkt das Verwaltungsgericht noch an, dass dem Revisionswerber als Hotelbesitzer diese Möglichkeit der Öffnung eines Zimmersafe in einem Hotel grundsätzlich bekannt sein musste.

7 Damit hat der Revisionswerber den schon für Personen im privaten Nahebereich maßgebenden Standard nach dem WaffG für die Verwahrung von Waffen nicht beachtet, was umso mehr ins Gewicht fällt, als auf dem Boden der Feststellungen der Revisionswerber zwar mit der anderen Person in den selben Hotelräumlichkeiten Unterkunft nahm, zu dieser aber in keinem privaten Naheverhältnis stand.

8 Weiters wurde dem Revisionswerber (wiederum unstrittig) erst bei seiner polizeilichen Vernehmung im September 2015 bekannt, dass die Waffe mehr als drei Monate zuvor bei einem Polizeieinsatz sichergestellt worden war, als das Hotelunternehmen die Suite infolge ausbleibender Zahlungen räumte. In diesem (im Übrigen nicht mehr kurzen) Zeitraum ist der Revisionswerber dem Verbleib der Waffe offensichtlich nicht weiter nachgegangen, weshalb ihm jedenfalls für diese Zeit auch der Verwahrungsort der Waffe nicht bekannt war.

9 Angesichts der derart grob fahrlässigen Vorgangsweise des Revisionswerbers bei der Verwahrung der gegenständlichen Waffe kann sein Sorgfaltsverstoß nicht als bloß geringfügig qualifiziert werden, weshalb ein Absehen von der Entziehung des Waffenpasses iSd § 25 Abs 3 zweiter Satz WaffG nicht in Betracht kommen kann (vgl dazu VwGH vom 30. Juni 2015, Ra 2015/03/0034). Von einem "minderschweren Verwahrungsfehler", wie ihn der Revisionswerber für sich in Anspruch nehmen möchte, kann daher im Revisionsfall keine Rede sein.

10 Dass dem Revisionswerber, wie er selbst vorbringt, nicht bekannt war, dass diese andere Person, mit der er zeitweise in der Suite wohnte, zudem mit einem aufrechten Waffenverbot belegt war, unterstreicht die fahrlässige Vorgangsweise des Revisionswerbers bei der Verwahrung der Waffe. Gerade wenn ihm diese andere Person - wie sich auch aus der Revision ergibt - noch nicht lange bekannt war und er unstrittig mit dieser die Waffe im Hotel besichtigte und gemeinsam Schießübungen durchführen wollte, hätte er der Frage der waffenrechtlichen Verlässlichkeit dieser anderen Person mehr Aufmerksamkeit schenken und sich diesbezüglich Klarheit verschaffen müssen.

11 Schließlich folgte das Verwaltungsgericht - entgegen der Revision - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn es das Verstreichen eines Zeitraumes von fünf Jahren als wesentliche Änderung des für die Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit maßgebenden Sachverhalts ansah (vgl etwa VwGH vom 31. März 2017, Ra 2016/03/0121, mwH). Damit kann der Revisionswerber mit seinem Hinweis, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses seit dem Anlassfall bereits rund 20 Monate vergangen gewesen seien, nichts gewinnen.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Juni 2017

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