VwGH Ra 2016/03/0121

VwGHRa 2016/03/012131.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des S K in L, vertreten durch Giesinger, Ender, Eberle & Partner, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Hirschgraben 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 21. November 2016, Zl. LVwG-449-4/2016-R2, betreffend Ausstellung einer Waffenbesitzkarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §52;
B-VG Art133 Abs4;
StPO §190 Z1;
VwGG §34 Abs1;
WaffG 1996 §21;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs7;
WaffG 1996 §8;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz, mit dem sein Antrag auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte abgewiesen worden war, keine Folge gegeben. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

4 Nach Darlegung des Verfahrensganges und des wesentlichen Beschwerdevorbringens stellte das Verwaltungsgericht - soweit entscheidungswesentlich - fest, dass der Revisionswerber am 17. Februar 2016 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz wegen der Ausstellung einer Waffenbesitzkarte vorgesprochen habe. Dabei sei es zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und der Sekretärin sowie der stellvertretenden Sachbearbeiterin gekommen; im Zuge der Diskussion sei der Revisionswerber "immer aufbrausender" - lauter - geworden.

Aufgrund einer Anzeige sei von der Staatsanwaltschaft Feldkirch ein Strafantrag eingebracht worden, wonach der Revisionswerber am 17. März 2015 an einem näher bezeichneten Ort als Lenker eines PKW zwei vor ihm auf der Straße mit einem Pferd laufenden Fußgängerinnen (M. S. und A. S.) mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen der Fahrbahn genötigt habe, indem er mit dem Fahrzeug unter abruptem Bremsen auf die Frauen zugefahren sei, dabei den Motor aufheulen habe lassen, mit Dauerhupen das Pferd aufgescheucht habe, die Fußgängerinnen mit den Worten angeschrien habe, sie mögen sofort verschwinden, ansonsten er sie zusammenfahren werde und schließlich mit der Stoßstange das linke Bein von M. S. touchiert habe. Außerdem habe er durch die geschilderte Fahrweise M. S. vorsätzlich am Körper verletzt, indem er mit seinem PKW gegen ihr linkes Bein gefahren sei, wodurch sie Prellungen am linken Knie erlitten habe. Das Strafverfahren wegen der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sei mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 1. Oktober 2015 gemäß § 203 in Verbindung mit § 199 StPO unter Bestimmung einer Probezeit vorläufig eingestellt worden. Der Revisionswerber sei verpflichtet worden, an M. S. 300,-- EUR Schmerzengeld zu bezahlen. Mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 18. Oktober 2016 sei dieses Strafverfahren nach Ablauf der Probezeit gemäß § 199 in Verbindung mit § 203 Abs 4 StPO endgültig eingestellt worden.

Beim genannten Vorfall habe M. S. ein Pferd auf einer Riedstraße geführt. Beim Annähern mit seinem PKW habe der Revisionswerber deshalb wiederholt die Hupe betätigt. Als er den PKW gezielt in Richtung des Pferdes gelenkt habe, habe sich M. S. schützend vor dieses gestellt. In der Folge sei der Revisionswerber mit dem Fahrzeug gegen das Knie von M. S. gefahren, die dabei eine Prellung des Knies erlitten habe. Der Revisionswerber habe weiterhin mehrmals lange die Hupe betätigt und M. S. sowie deren Tochter A. S. beschimpft.

Ein weiteres Strafverfahren gegen den Revisionswerber wegen des Verdachtes eines Vergehens nach § 83 StGB sei von der Staatsanwaltschaft Feldkirch am 27. Jänner 2014 gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt worden.

Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, dass es sich aufgrund der im Akt des LG Feldkirch enthaltenen Videoaufnahme vom Vorfall vom 17. März 2015 ein eindrückliches Bild darüber verschaffen habe können, wie sich der Revisionswerber bei diesem Vorfall verhalten habe. Im Hinblick auf die Umstände bei der Vorsprache in der Bezirkshauptmannschaft Bregenz folgte das Verwaltungsgericht - mit näherer Begründung - dem Vorbringen der Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft, dies in Abwägung mit dem Vorbringen eines vom Revisionswerber namhaft gemachten Zeugen, der "ein paar Sekunden" vor dem Revisionswerber das Büro der Sachbearbeiterin verlassen habe.

In rechtlicher Hinsicht kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der Revisionswerber aufgrund der beiden genannten Vorfälle nicht verlässlich im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG sei.

5 In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten außerordentlichen Revision bringt die Revision zur Begründung der Zulässigkeit zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach die gesamte Geistes- und Sinneshaltung des Antragstellers einer eingehenden Prüfung zu unterziehen sei (Hinweis auf VwGH vom 28. März 2006, 2005/03/0101 und vom 21. November 2011, 2010/03/0058). Entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs habe das Verwaltungsgericht einzelne Sachverhaltselemente aufgegriffen, die "weder im Straf- noch im Verwaltungsstrafverfahren festgestellt" worden seien, und gründe seine Entscheidung darauf, ohne die Gesamtheit der Umstände einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

Weiters gründe das Verwaltungsgericht seine Entscheidung bloß auf den Verdacht, wonach der Revisionswerber eine Person genötigt und am Körper verletzt habe; ein Verdacht sei aber keine Tatsache und für die Verneinung der Verlässlichkeit unzureichend. Entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei auch das Wohlverhalten des Revisionswerbers zwischen dem ihm vorgeworfenen Sachverhalt und dem Zeitpunkt der Verhandlung von dem Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden (der Revisionswerber verweist diesbezüglich auf VwGH vom 21. August 1990, 88/04/0036, das allerdings die erforderliche Zuverlässigkeit für die Ausübung eines - damals - konzessionierten Gewerbes betrifft).

Schließlich lägen auch keine gravierenden Umstände vor, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Annahme fehlender Verlässlichkeit führen können (der Revisionswerber verweist dabei auf exzessive Gewalt gegen die Ehegattin: VwGH vom 1. Juli 2005, 2005/03/0025; Neigung zu tätlichen Aggressionen gegenüber körperlich Schwächeren und unbefugtes Führen einer Faustfeuerwaffe: VwGH vom 23. November 1988, 88/01/0200, sowie Lenken eines Kraftfahrzeugs in alkoholisiertem Zustand und Mitführen einer geladenen Schusswaffe: VwGH vom 28. März 2006, 2005/03/0246).

6 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht keine Gesamtbetrachtung vorgenommen habe. Es hat dabei jedoch - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH vom 31. März 2005, 2005/03/0030, zur Entziehung einer Waffenbesitzkarte wegen mangelnder Verlässlichkeit) - darauf hingewiesen, dass dies nicht ausschließt, dass die anzustellende Verhaltensprognose bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluss rechtfertigen kann, der Betroffene biete keine hinreichende Gewähr, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde. Das Verwaltungsgericht hat bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit des Revisionswerbers auch die von ihm für das Vorliegen der Verlässlichkeit ins Treffen geführten Umstände (insbesondere seine - zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes mehr als 25 Jahre zurückliegenden - Einsätze "als UNO-Soldat" sowie das von ihm beigebrachte Gutachten im Sinne des § 8 Abs 7 zweiter Satz WaffG) berücksichtigt.

7 Soweit der Revisionswerber meint, das Verwaltungsgericht stütze seine Entscheidung auf einen bloßen Verdacht der Nötigung und Körperverletzung, und in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass der Diversion kein Schuldeingeständnis zugrunde liege, ist festzuhalten, dass für den Revisionswerber aus der Einstellung eines gerichtlichen Strafverfahrens, allenfalls (wie im hier vorliegenden Fall) nach diversionellem Vorgehen, nichts gewonnen werden kann, weil diese Entscheidung für die Waffenbehörde keine Bindungswirkung entfaltet (VwGH vom 30. Jänner 2014, 2013/03/0154, dort zur Verhängung eines Waffenverbots).

Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt, auf den es seine Beurteilung der Verlässlichkeit im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG gestützt hat, zwar zunächst unter Bezugnahme auf den Strafantrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch dargestellt, im Folgenden aber selbst, insbesondere unter Berücksichtigung einer "eindrücklichen" Videoaufnahme, festgestellt. Ausgehend von diesem Sachverhalt ist das Verwaltungsgericht dabei zum Ergebnis gekommen, dass der Revisionswerber beim fraglichen Vorfall Gewalt gegen eine Person ausgeübt und sein Kraftfahrzeug "quasi als Waffe verwendet" hat, was den Schluss rechtfertige, er könne auch Schusswaffen gegen Personen verwenden, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Vor diesem Hintergrund ist das Verwaltungsgericht nicht von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wenn es - auch unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VwGH vom 27. September 2001, 2000/20/0119 (diesem lag ein Vorfall zugrunde, bei dem der damalige Beschwerdeführer einer Person, die durch ein abgestelltes Fahrzeug die Einfahrt in ein Grundstück erschwert hatte, einen Faustschlag gegen das linke Auge versetzt hatte), sowie unter Berücksichtigung des (für sich genommen noch keine Zweifel an der Verlässlichkeit begründenden) "immer aufbrausender" werdenden Verhaltens des Revisionswerbers anlässlich einer Vorsprache bei der Waffenbehörde - im konkreten Fall das Vorliegen der Verlässlichkeit des Revisionswerbers verneint hat. Dass anderen vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen Sachverhalte zugrunde lagen, in denen ein nach Ansicht des Revisionswerbers gravierenderes Fehlverhalten zur Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit führte, vermag daran nichts zu ändern.

8 Auch soweit der Revisionswerber darauf verweist, dass das Verwaltungsgericht sein Wohlverhalten seit dem Vorfall vom 17. März 2015 nicht berücksichtigt habe, zeigt er keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verstreichen eines Zeitraums von fünf Jahren regelmäßig als wesentliche Änderung des für die Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes anzusehen (vgl etwa VwGH vom 21. Oktober 2011, 2009/03/0019, mwH). Im vorliegenden Fall liegt zwischen dem Vorfall vom 17. März 2015 und der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes nur ein Zeitraum von weniger als zwei Jahren; zudem werden vom Revisionswerber auch keine außergewöhnlichen Umstände aufgezeigt, die im konkreten Fall einen kürzeren Wohlverhaltenszeitraum angezeigt erscheinen ließen.

9 Der Revisionswerber macht in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision weiter geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Behörde die Befugnis zukomme, sich über die Beurteilung des Sachverständigen, der ein Gutachten nach § 8 Abs 7 zweiter Satz WaffG erstellt hat, hinwegzusetzen.

10 Auch damit zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf:

Nach § 8 Abs 1 Z 1 WaffG ist ein Mensch verlässlich, wenn (unter anderem) keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird. Zur erstmaligen Prüfung der Verlässlichkeit haben Antragsteller, die nicht Inhaber einer Jagdkarte sind, gemäß § 8 Abs 7 WaffG ein Gutachten darüber beizubringen, ob sie dazu neigen, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Der klare Wortlaut des Gesetzes bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Ergebnis dieses - vom Antragsteller beizubringenden - Gutachtens die Waffenbehörde dahingehend binden könnte, dass sie von der Verlässlichkeit des Antragstellers auszugehen hätte, auch wenn sie - wie im vorliegenden Fall - Tatsachen feststellt, die im Sinne des § 8 Abs 1 Z 1 WaffG die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird.

11 Schließlich behauptet der Revisionswerber in der Begründung zur Zulässigkeit der Revision auch uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der einerseits judiziere, dass eine Einstellung eines Strafverfahrens "Tatsachen im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG bilden könne" (die Revision verweist dazu auf VwGH vom 20. Juni 2012, 2009/03/0051), andererseits judiziere der Verwaltungsgerichtshof, dass ein bloßer Verdacht nicht zum Ausschluss der waffenrechtlichen Verlässlichkeit führen könne (die Revision verweist auf VwGH vom 17. März 1980, 95/79).

12 Der Revisionswerber verkennt mit diesem Vorbringen grundlegend, dass - auch nach der von ihm zitierten Rechtsprechung - nicht die Einstellung eines Strafverfahrens (sondern die von der Behörde festzustellende Handlung des Betroffenen, die allenfalls Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen war) eine Tatsache darstellen kann, die die Annahme rechtfertigt, dass der Betroffene Waffen missbräuchlich verwenden werde. Die behauptete Rechtsprechungsdivergenz liegt daher nicht vor.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 31. März 2017

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