VwGH Ra 2018/02/0276

VwGHRa 2018/02/027623.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revisionen von 1. R in E, 2. w. Gesellschaft m.b.H in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 9. April 2018, Zlen. VGW- 002/V/079/1482/2017-1 und VGW-002/V/079/1483/2017, betreffend Übertretung wettrechtlicher Bestimmungen (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta;
AVG §56;
AVG §8;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art144;
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §2 Abs1;
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §2 Abs2;
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §2 Abs3 Z2;
VStG §44a Z2 impl;
VStG §7;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §7 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020276.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 5. Dezember 2016 wurde der Erstrevisionswerberin ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 Z 2 des Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, StGBl. Nr. 388/1919 (GTBW-G), vorgeworfen. Der Spruch des Straferkenntnisses lautete wie folgt:

"Sie haben als handelsrechtliche Geschäftsführerin der (Zweitrevisionswerberin) und somit als gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (...) zur Vertretung nach außen berufenes Organ dieser Gesellschaft zu verantworten, dass diese am 18.02.2016, um 10:40 Uhr in W (...) durch das zur Verfügung - Stellen von einem betriebsbereiten Wettterminal (...) an Herrn J. E. bei der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten sowie Wettkundinnen und Wettkunden für Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, wie z.B. Fußballspiele (z.B. (...)), mitgewirkt hat, obwohl Herr J. E. über eine dafür erforderliche Bewilligung der Wiener Landesregierung nicht verfügt hat (...).".

5 Über die Revisionswerberin wurde eine Geldstrafe von EUR 2.100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt.

6 Ferner wurde die Zweitrevisionswerberin gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung für die über die Erstrevisionswerberin verhängte Geldstrafe zur ungeteilten Hand verpflichtet.

7 Der dagegen von der Erst- und der Zweitrevisionswerberin erhobenen Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Wien (LVwG) mit Erkenntnis vom 9. April 2018 hinsichtlich der Strafhöhe insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 1.900,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 87 Stunden) herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen; dies im Wesentlichen mit der Maßgabe, dass die Wortfolge "durch das zur Verfügung - Stellen von einem betriebsbereiten Wettterminal (...) an Herrn J. E." durch die Wortfolge "durch das Zurverfügungstellen eines betriebsbereiten Wettterminals (...) an Herrn J. E. verbunden mit dem Anspruch auf eigene entgeltliche Wettvertragsabschlüsse mit vermittelten Wettkundinnen und Wettkunden" und die Wortfolge "bei der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten sowie Wettkundinnen und Wettkunden" durch die Wortfolge "bei der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden" ersetzt wurden.

8 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen von den Revisionswerbern erhobenen Beschwerden mit Beschluss vom 12. Juni 2018, E 1970/2018, ab und trat die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9 In der Zulässigkeitsbegründung der gegen das Erkenntnis des LVwG vom 9. April 2018 erhobenen Revision bringt die Zweitrevisionswerberin zunächst vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ihr überhaupt Beschwerdelegitimation zugekommen sei, wenn das den Haftungsausspruch gemäß § 9 Abs. 7 VStG enthaltende Straferkenntnis ihr nicht (wirksam) zugestellt wurde. Die Erst- und die Zweitrevisionswerberin führen weiter ins Treffen, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob das Verbot der Wettkundenvermittlung ohne zuvor erteilte Bewilligung nach dem GTBW-G in der Fassung LGBl. Nr. 26/2015 unionsrechtswidrig gewesen sei, weil es die durch Art. 16 der Grundrechtecharta der Europäischen Union kodifizierte unternehmerische Freiheit in unverhältnismäßiger Weise beschränkt habe, zumal der Gesetzgeber die Tätigkeit der bewilligungslosen Wettkundenvermittlung ohne Übergangsfrist verboten habe und dem kein entsprechend starkes öffentliches Interesse zugrunde gelegen sei. Es liege zudem keine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob der Tatbestand der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkunden durch das bloße Vorhandensein eines Wettterminals erfüllt worden sei, ohne dass der Wettterminal zum Überprüfungszeitpunkt von Wettkunden auch tatsächlich benutzt worden sei. Darüber hinaus werde diesbezüglich ein Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht. Außerdem mangle es an Judikatur zur Frage, ob der Tatbestand der Mitwirkung an der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkunden bereits durch das bloße Zurverfügungstellen eines Wettterminals erfüllt werde. Die vom LVwG vorgenommene Spruchkorrektur widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

10 Das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 5. Dezember 2016 enthielt zwar einen Haftungsausspruch gemäß § 9 Abs. 7 VStG, wurde aber nur der Erst- und nicht der Zweitrevisionswerberin (wirksam) zugestellt.

11 Dem Haftungspflichtigen kommt im Verwaltungsstrafverfahren gegen das Organ Parteistellung zu (vgl. VwGH 21.11.2000, 99/09/0002). Ausgehend davon ist der den Haftungsausspruch enthaltende Strafbescheid (auch) gegenüber dem Haftungspflichtigen zu erlassen. Der Haftungspflichtige kann in diesem Mehrparteienverfahren gemäß § 7 Abs. 3 VwGVG auch dann gegen den ihm nach seinem Inhalt zur Kenntnis gelangten Strafbescheid Beschwerde erheben, wenn der Strafbescheid ihm bisher nicht zugestellt worden ist (vgl. VwGH 30.3.2017, Ro 2015/03/0036; 17.12.2004, 2000/03/0231). Dabei gibt der Haftungspflichtige zu erkennen, auf die Zustellung des Strafbescheides zu verzichten (vgl. VwGH 15.6.2018, Ro 2017/11/0006). Das LVwG hat die Beschwerde der Zweitrevisionswerberin sohin zu Recht als zulässig angesehen und den verwaltungsbehördlichen Haftungsausspruch inhaltlich überprüft.

12 Grundrechte, die durch die Grundrechtecharta der Europäischen Union garantiert sind, sind verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, die vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen sind (vgl. VfGH 14.3.2012, U 466/11). Dementsprechend begründet nicht schon das Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die ausdrücklich zur Verfassungsmäßigkeit bestimmter gesetzlicher Regelungen Stellung nimmt, eine Rechtsfrage nach Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/20/0234). Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde der Revisionswerber in gegenständlicher Angelegenheit bereits abgelehnt (vgl. VfGH 12.6.2018, E 1970/2018).

13 Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass von einer Vermittlung von Wettkunden schon dann auszugehen ist, wenn Wettterminals aufgestellt oder betrieben werden (vgl. VwGH 1.2.2018, Ra 2018/02/0031, 0032). Demnach ist es ausreichend, wenn der Wettterminal - wie hier - zum Überprüfungszeitpunkt (betriebsbereit) aufgestellt war. Der Betrieb des Wettterminals vor der Überprüfung durch den Magistrat der Stadt Wien ergibt sich zweifelsfrei aus den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen.

14 Nach § 2 Abs. 3 Z 2 GTBW-G unterliegt derselben Strafe, wer bei der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden betreffend der im § 2 Abs. 1 leg. cit. angeführten Wetten mitwirkt. § 2 Abs. 3 Z 2 GTBW-G enthält eine Regelung der Tatbeteiligung und ordnet an, dass der unmittelbare Täter und der sonstige Tatbeteiligte die Verwirklichung der Tat - mit gleicher Strafdrohung - zu verantworten haben. Täter durch sonstigen Tatbeitrag ist, wer die Verwirklichung des Tatbestands durch den unmittelbaren Täter ermöglicht oder erleichtert (vgl. VwGH 26.5.2014, 2010/17/0123). Die Zurverfügungstellung eines betriebsbereiten Wettterminals stellt in diesem Sinne zweifelsfrei eine Tatbegehung durch sonstigen Tatbeitrag bzw. eine Mitwirkung an den im § 2 Abs. 1 leg. cit. angeführten Wetten dar.

15 Insofern erübrigt sich aber eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das LVwG zur Ergänzung der Wortfolge "durch das zur Verfügung - Stellen von einem betriebsbereiten Wettterminal (...) an Herrn J. E." im Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 5. Dezember 2016 durch die Wortfolge "mit dem Anspruch auf eigene entgeltliche Wettvertragsabschlüsse mit vermittelten Wettkundinnen und Wettkunden" mit Blick auf die Regelungen der Verfolgungsverjährung in § 31 VStG befugt war.

16 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. Oktober 2018

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