Normen
AsylG 2005 §35 Abs4;
AsylG 2005 §35;
BFA-VG 2014 §1;
BFA-VG 2014 §13 Abs4;
FrÄG 2015;
FrPolG 2005 §26;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180131.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind alle Staatsangehörige Afghanistans und stellten am 24. November 2015 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: ÖB Islamabad) Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Darin machten sie geltend, dass der Ehemann der Erstrevisionswerberin und Vater der minderjährigen zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien (im Folgenden: Bezugsperson) mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2014 in Österreich den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten habe.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) übermittelte der ÖB Islamabad mit Schreiben vom 21. März 2016 für alle revisionswerbenden Parteien eine "Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005". Darin führte das BFA aus, dass die Gewährung des Status eines Asyl- bzw. subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei und begründete dies damit, dass eine gültige Eheschließung zwischen der Erstrevisionswerberin und der Bezugsperson nicht festgestellt werden könne, weshalb keine Familienangehörigeneigenschaft iSd § 35 Abs. 5 AsylG 2005 vorliege. In einem beiliegenden Aktenvermerk legte das BFA auch die näheren Gründe der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose dar, wies die ÖB Islamabad jedoch an, diesen nicht auszuhändigen. Mit Schreiben vom 13. April 2016 übermittelte die ÖB Islamabad den revisionswerbenden Parteien eine Aufforderung zur Stellungnahme, in der ihnen die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA in Bezug auf die Stattgabe eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten samt dieser - nicht näher ausgeführten - Begründung zur Kenntnis gebracht wurde. Die revisionswerbenden Parteien erstatteten daraufhin mit Schreiben vom 10. Mai 2016 dazu eine Stellungnahme, verwiesen darauf, dass von der Erstrevisionswerberin alle Eheschließungsdokumente vorgelegt worden seien und legten neuerlich die Eheschließungsdokumente vor. In dieser Stellungnahme verwiesen die revisionswerbenden Parteien auch darauf, dass sie sich bereit erklärten, ihre Familieneigenschaft zur Bezugsperson mittels DNA-Gutachten nachzuweisen, falls an dieser Familieneigenschaft gezweifelt werde, und beantragten "eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG".
3 Im Gefolge der replizierenden Mitteilung des BFA vom 3. Juni 2016 an die ÖB Islamabad teilte diese mit Schreiben vom 15. Juni 2016 den revisionswerbenden Parteien mit, dass das BFA bei seiner negativen Wahrscheinlichkeitsprognose bleibe. Aus der beigelegten Mitteilung des BFA geht begründend hervor, dass sich im Zuge der Prüfung des bestehenden Familienverhältnisses "bei einer Gegenüberstellung der Angaben (Antrag, Zeugeneinvernahme, Angaben im Bezugsakt der Bezugsperson, etc.)" gravierende Widersprüche ergeben hätten. Das behauptete Familienverhältnis sei daher nicht erwiesen. Zudem sei die Bezugsperson laut ZMR- und GVS-Auszügen seit dem 31. März 2016 nicht mehr in Österreich gemeldet und habe somit nicht einvernommen werden können; sie habe sich dem Verfahren entzogen.
4 Dem traten die revisionswerbenden Parteien in ihrer Stellungnahme vom 26. Juli 2016 entgegen und brachten erneut zusammengefasst vor, dass die Ehe in Afghanistan geschlossen und alle Eheschließungsdokumente vorgelegt worden seien. Aus dieser Ehe seien auch zwei Kinder, nämlich die Zweitrevisionswerberin und der Drittrevisionswerber, hervorgegangen. Sollte an der Familieneigenschaft der Antragsteller zur Bezugsperson gezweifelt werden, erklärten sich die revisionswerbenden Parteien bereit, diese mittels DNA-Gutachten nachzuweisen und beantragten eine Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG. Zudem bestritten sie unter Vorlage einer Meldebestätigung vom 17. November 2014 und eines aktuellen ZMR-Auszugs vom 26. Juli 2016, dass sich die Bezugsperson dem Verfahren entzogen habe, vielmehr sei sie durchgehend an der angegebenen Adresse gemeldet und erreichbar gewesen.
5 Nach Übermittlung der Stellungnahme an das BFA teilte dieses der ÖB Islamabad mit Schreiben ("Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005") vom 3. August 2016 mit, dass die Gewährung des Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten (weiterhin) nicht wahrscheinlich sei, und begründete dies wiederum damit, dass die "Angaben des Antragstellers zur Familienangehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005" in mehrfacher Hinsicht jenen der Bezugsperson im Asylverfahren widersprächen. In der beigelegten Stellungnahme ergänzte das BFA weiters, dass sich die Bezugsperson seit September 2008 in Österreich befinde und am 31. März 2016 den EU-Raum verlassen habe. Im Zeitraum vom 31. März 2016 bis 26. Juli 2016 habe sie sich nachweislich nicht im EU-Raum befunden und sich somit dem Verfahren entzogen. Sie habe dadurch ihrer Mitwirkungspflicht nicht entsprochen.
6 Gegen den ihre Anträge abweisenden Bescheid der ÖB Islamabad vom 1. September 2016 erhoben die revisionswerbenden Parteien mit Schreiben vom 28. September 2016 Beschwerde, in der sie im Wesentlichen beanstandeten, der Bescheid enthalte keine genaue Begründung, warum die Gewährung desselben Schutzes wie jenes der Bezugsperson nicht wahrscheinlich sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 4. November 2016 wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab und begründete dies damit, dass die österreichischen Vertretungsbehörden nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gebunden seien und demnach keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten. Ein Begründungsmangel liege schon angesichts dieser ergänzenden Begründung nicht vor.
Die Revisionswerber brachten daraufhin bei der ÖB Islamabad einen Vorlageantrag ein, der dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt wurde.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde der Revisionswerber gemäß § 35 AsylG 2005 ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Begründend führte das BVwG aus, dass gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des Familienverhältnisses in der behaupteten Form bestünden und legte ausführlich dar, aufgrund welcher konkreten Widersprüche es nicht vom Vorliegen einer Ehe zwischen der Bezugsperson und der Erstrevisionswerberin ausgehe. Darüber hinaus verwies es auf die im Akt einliegenden Nachweise, denen zufolge die Bezugsperson nicht durchgehend gemeldet gewesen sei und stellte fest, dass die Bezugsperson gegen ihre Meldepflicht und gegen ihre Mitwirkungspflicht verstoßen habe. Art. 8 EMRK sei durch die Entscheidung nicht verletzt, weil - kurz zusammengefasst - Familienzusammenführung nicht zwangsläufig im Wege der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten erfolgen müsse, sondern auch ein Aufenthaltstitel nach fremdenrechtlichen Bestimmungen zum Zweck des Familiennachzugs in Betracht komme.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, dass die Widersprüche in den Angaben zur Eheschließung erstmals im Erkenntnis des BVwG vorgehalten worden seien. Dies widerspreche dem Überraschungsverbot und verletze das Recht auf Parteiengehör, weshalb eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegeben sei. Darüber hinaus fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fragen, ob eine Belehrung über die Möglichkeit einer DNA-Analyse gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG auf jeden Fall ergehen müsse, bevor der Antrag der minderjährigen Kinder abgelehnt werde, und ob die Bezugsperson zur Mitwirkung am Verfahren nach § 35 AsylG 2005 verpflichtet sei, obwohl sie keine Verfahrenspartei darstelle.
9 Die ÖB Islamabad erstattete eine Revisionsbeantwortung und brachte darin zusammengefasst vor, dass den revisionswerbenden Parteien eine ausführliche Stellungnahme des BFA übermittelt und mehrmals die Gelegenheit eingeräumt worden sei, sich dazu zu äußern. Daher liege keine Verletzung des Parteiengehörs vor. Die Beweiswürdigung des BVwG sei nicht zu beanstanden. Damit fehle den in der Revision aufgeworfenen Fragen in Bezug auf die Möglichkeit einer DNA-Analyse nach § 13 Abs. 4 BFA-VG und auf eine allfällige Verletzung der Mitwirkungspflicht der Bezugsperson an Relevanz. Darüber hinaus sei die Bestimmung des § 13 Abs. 4 BFA-VG nur in Verfahren vor dem BFA, nicht jedoch in einem vor der jeweiligen Vertretungsbehörde geführten Verfahren nach § 35 AsylG 2005 iVm § 26 FPG anzuwenden.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision ist zulässig und begründet, weil sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bisher noch nicht mit der Bestimmung des § 13 Abs. 4 BFA-VG näher auseinanderzusetzen hatte.
12 § 13 Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:
"Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält."
13 In der Stammfassung enthielt der erste Satz des § 13 Abs. 4 BFA-VG noch keinen expliziten Verweis auf § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005):
"Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht beruft,..."
14 Zur Bestimmung des § 13 Abs. 4 BFA-VG wurde in den Gesetzesmaterialien zur Stammfassung (ErläutRV 1803 BlgNR 24. GP 17) Folgendes ausgeführt:
"Fremde berufen sich in Verfahren oftmals auf ein Verwandtschaftsverhältnis, das in weiterer Folge zu Vorteilen führt (z.B. Anwendung der Sonderbestimmungen zum Familienverfahren gemäß §§ 34 und 35 AsylG 2005, Zuständigkeiten nach der Dublin-Verordnung), das aber nicht durch unbedenkliche Urkunden nachgewiesen werden kann. Die DNA-Analyse - ähnlich einem ‚Vaterschaftstest' - würde einen derartigen unbedenklichen Nachweis ermöglichen. Analog zur bereits bestehenden Regelung des § 29 Abs. 2 und 3 NAG wird daher in § 13 Abs. 3 (Anm.: offensichtlich gemeint § 13 Abs. 4) Fremden, die sich auf ein Verwandtschaftsverhältnis berufen, auch in Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit zur Vornahme einer freiwilligen DNA-Analyse zum Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses eröffnet. Klarerweise wird dadurch nicht vom amtswegigen Ermittlungsgrundsatz (unter Beachtung der Mitwirkungspflichten des Fremden) abgegangen und kommt diese Bestimmung daher nur dann in Betracht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis auf Grund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vom Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht angezweifelt wird. Das ‚Ermöglichen' durch das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht verlangt lediglich eine organisatorische Hilfestellung bei der Durchführung einer DNA-Analyse und umfasst jedenfalls nicht deren Kosten. Diese hat der Fremde selbst zu tragen. Selbstverständlich ist dieses Instrument nur dann einzusetzen, wenn es der Fremde selbst wünscht, er ist jedoch über diese Möglichkeit zu informieren. Die DNA-Analyse darf vom Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht nicht generell zur Überprüfung eines Verwandtschaftsverhältnisses verlangt werden. Es wird auch klargestellt, dass das fehlende Verlangen des Fremden nach einer solchen Analyse keine mangelnde Mitwirkung am Verfahren darstellt. Das gleiche wird naturgemäß auch für das Nicht-Einbringen des Analyseergebnisses gelten. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat daher in seiner Entscheidung nach den allgemeinen Beweiswürdigungsregeln in der Begründung darzulegen, warum es einen Sachverhalt für (nicht) vorliegend hält."
15 In weiterer Folge wurde in den Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl. I Nr. 70/2015 (ErläutRV 582 BlgNR 25. GP 5) klargestellt:
"Durch die Aufnahme des Verweises auf Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 wird ein redaktionelles Versehen bereinigt. Diese Verfahren waren bereits vor Inkrafttreten der Änderungen mit 1. Jänner 2014 erfasst. Siehe dazu die Erläuternden Bemerkungen zu § 13 Abs. 4 BFA-VG in der Regierungsvorlage zum Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG (1803 d.B. XXIV. GP)."
16 Gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 ist auf Verfahren gemäß § 35, die bereits - wie vorliegend der Fall - vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Abs. 5 leg. cit. blieb bis zur Novelle des BGBl. I Nr. 145/2017 unverändert.
17 § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) in der vorliegend maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 100/2005 idF vor Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.
(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteile (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten
oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat."
18 Soweit in der Revisionsbeantwortung die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 13 Abs. 4 BFA-VG im Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde bestritten wird, ist dem Folgendes entgegenzuhalten: § 13 Abs. 4 BFA-VG verweist (nunmehr) ausdrücklich auch auf Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005; wie sich aus den angeführten Materialien ergibt, wurde durch diesen Einschub ein Redaktionsversehen beseitigt. Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass im Rahmen des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 die Spezialnorm des § 13 Abs. 4 BFA-VG anzuwenden ist, und zwar im Fall von Zweifeln an einem Abstammungsverhältnis nicht nur durch das BFA und das BVwG, sondern auch durch die österreichische Vertretungsbehörde.
Diese stellt nämlich aufgrund des Materiengesetzes (§ 35 AsylG 2005), welches in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 wiederum auf § 26 FPG verweist, die zuständige bescheiderlassende Behörde in Verfahren über die Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 dar und hat dementsprechend auch die in diesem Verfahren einschlägigen verfahrensrechtlichen Bestimmungen anzuwenden. Die anzuwendenden Verfahrensvorschriften für die Tätigkeit der österreichischen Vertretungsbehörden erschöpfen sich entgegen der in der Revisionsbeantwortung der belangten Behörde geäußerten Ansicht auch nicht zwangsläufig in Regelungen nach dem
11. Hauptstück des FPG, zumal auch § 1 BFA-VG zum Anwendungsbereich des BFA-VG anordnet, dass weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 (und dem FPG) von den allgemeinen Bestimmungen zum Anwendungsbereich des BFA-VG unberührt bleiben.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits festgehalten, dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vorsieht, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung) vorgesehen ist, welches vor dem BVwG angefochten und dort überprüft werden kann (VwGH 1.3.2016, Ro 2015/18/0002). Die österreichische Vertretungsbehörde ist somit genauso Teil des Systems und Bestandteil des behördlichen Verfahrens wie das BFA und hat in diesem besonderen Verfahren, welches aus einer auf eine vorgelagerte bindende Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA folgenden anfechtbaren Enderledigung der österreichischen Vertretungsbehörde besteht, somit die dafür normierten Verfahrensbestimmungen anzuwenden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass eine DNA-Probenentnahme und -untersuchung seitens der Antragsteller im Ausland in der Regel wohl nur im Wege der Vertretungsbehörde durchführbar sein wird.
20 Was nun die inhaltlichen Anforderungen, die sich aus § 13 Abs. 4 BFA-VG ergeben, anlangt, ist Folgendes auszuführen:
Wie in den angeführten Materialien klar zum Ausdruck gebracht wird, wird durch die Bestimmung des § 13 Abs. 4 BFA-VG nicht vom amtswegigen Ermittlungsgrundsatz (unter Beachtung der Mitwirkungspflicht des Fremden) abgegangen. Sie kommt daher nur zur Anwendung, wenn es einem Fremden nicht gelingt, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen und hinsichtlich der Ergebnisse des bisherigen Ermittlungsverfahrens Zweifel bestehen.
21 Daraus folgt als logischer erster Schritt, dass die Behörde bzw. das BVwG einem Fremden bestehende, konkrete Zweifel an einem behaupteten Abstammungsverhältnis mitzuteilen haben. Darüber hinaus haben sie dem Fremden auf sein Verlangen eine DNA-Analyse gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG "zu ermöglichen"; dieser ist auch über diese Möglichkeit zu belehren. Die in der Bestimmung angesprochene "Ermöglichung" der DNA-Analyse zum Nachweis des Verwandtschaftsverhältnisses kann im Lichte der Gesetzesmaterialien nur so verstanden werden, dass sie eine organisatorische Hilfestellung der Behörde bzw. des Gerichts bei der Durchführung der DNA-Analyse mitumfasst, nicht jedoch die Übernahme der Kosten. Diese Regelung verfolgt klar den Zweck, es einem Fremden auf sein Verlangen auf einfache Weise zu ermöglichen, bestehende Zweifel an einem Verwandtschaftsverhältnis mittels DNA-Analyse auszuräumen, sofern er sich zur Übernahme der Kosten bereiterklärt. Daher sind einem Fremden im Rahmen dieser organisatorischen Hilfestellung die praktischen Modalitäten - etwa wo er sich zu welchen Zeiten zur DNA-Analyse einzufinden hat und welche Kosten damit verbunden sind - bekannt zu geben.
22 Umgelegt auf den vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass weder in den Mitteilungen des BFA bzw. dem Bescheid der ÖB Islamabad noch im Erkenntnis des BVwG begründet wird, warum es sich bei der Zweit- und dem Drittrevisionswerber nicht um die minderjährigen Kinder der Bezugsperson handeln solle. Im angefochtenen Erkenntnis wird lediglich das Bestehen einer Ehe hinsichtlich der Erstrevisionswerberin bezweifelt, ohne das behauptete Abstammungsverhältnis zu der Zweitrevisionswerberin bzw. dem Drittrevisionswerber zu behandeln. Schon aus diesem Grund leidet das Erkenntnis an einem relevanten Begründungsmangel.
23 Darüber hinaus wurden die zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien nicht über bestehende, konkrete Zweifel an ihrem Abstammungsverhältnis zur Bezugsperson informiert, obwohl sie sich ausdrücklich dazu bereiterklärten, allfällige Zweifel im Rahmen einer DNA-Analyse auszuräumen. Bevor ein Antrag gemäß § 35 AsylG 2005 aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis abgewiesen wird, hat jedenfalls gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg: "hat ihm (...) zu ermöglichen"; "ist (...) zu belehren"). Im vorliegenden Fall, in dem die beiden minderjährigen Revisionswerber bereits während des gesamten Verfahrens vor der österreichischen Vertretungsbehörde und dem BFA wiederholt ihre Bereitschaft erklärten, allfällige Zweifel an ihrem Verwandtschaftsverhältnis durch die Vornahme eines DNA-Tests zu zerstreuen und eine "entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG" beantragten, kann dieses "Ersuchen um Belehrung" aus dem Kontext nur so verstanden werden, dass die revisionswerbenden Kinder um eine behördliche organisatorische Hilfestellung im oben wiedergegebenen Sinn, somit eine Anleitung betreffend der Modalitäten der Durchführung einer DNA-Analyse ersuchten.
24 Aus den vorgelegten Verfahrensakten ist nicht ersichtlich, dass den zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien eine derartige organisatorische Hilfestellung gewährt wurde, zumal sie nicht einmal mit Zweifeln am behaupteten Abstammungsverhältnis konfrontiert wurden. Insoweit liegt ein Verstoß gegen die Regelung des § 13 Abs. 4 BFA-VG vor. Da die minderjährige Zweitrevisionswerberin und der minderjährige Drittrevisionswerber als Kinder der Bezugsperson jedenfalls Familienangehörige nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 wären, kann diesem Verfahrensmangel auch nicht die Relevanz abgesprochen werden.
25 Das angefochtene Erkenntnis war daher hinsichtlich der Zweitrevisionswerberin und des Drittrevisionswerbers gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Somit war auf das übrige Revisionsvorbringen zur Frage der Mitwirkungspflicht der Bezugsperson nicht weiter einzugehen.
26 Vor diesem Hintergrund war das angefochtene Erkenntnis aber auch hinsichtlich der Erstrevisionswerberin aufzuheben. Sollte es nämlich im fortgesetzten Verfahren im Zuge der DNA-Gutachtensergebnisse erweislich sein, dass die zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien, die nach der Verfahrenslage unbestritten als die Kinder der Erstrevisionswerberin erachtet wurden, die Kinder der Bezugsperson sind, könnte die Frage der Glaubwürdigkeit der behaupteten Eheschließung zwischen der Bezugsperson und der Erstrevisionswerberin neu zu beurteilen sein.
27 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.
28 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Februar 2018
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