Normen
AsylG 2005 §24 Abs1;
AsylG 2005 §24 Abs3;
AsylG 2005 §28 Abs1;
AVG §66 Abs2;
BFA-VG 2014 §17 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs3;
BFA-VG 2014 §21 Abs6a;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
VwGVG 2014 §24;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
VwGVG 2014 §31 Abs3;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017190017.L00
Spruch:
Der Beschluss vom 21. November 2016 wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und der Beschluss vom 24. November 2016 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 4. Oktober 2011 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Er gab an, R S G zu heißen und am 23. Jänner 1983 geboren zu sein. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, seine Eltern seien bereits verstorben. Es gebe infolge dessen einen Grundstückstreit. Sein Onkel habe sich den gesamten Besitz - insbesondere das Grundstück und das darauf befindliche Haus - aneignen wollen. Der Onkel habe den Mitbeteiligten oft geschlagen und mit dem Umbringen bedroht. Das Grundstück laufe "noch auf den Namen des Großvaters". Der Vater des Mitbeteiligten und der Onkel hätten sich gut vertragen gehabt, weshalb das Grundstück nach dem Tod des Großvaters nicht aufgeteilt worden sei. Der Onkel wolle den Mitbeteiligten umbringen, bevor die Anteile verteilt würden, damit er auch den Anteil des Mitbeteiligten bekomme.
2 Das Bundesasylamt wies den Antrag des Mitbeteiligten mit Bescheid vom 11. Oktober 2011 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab. Unter einem erließ die Behörde gegen den Mitbeteiligten gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Mai 2012 gestützt auf §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 keine Folge.
3 Der Mitbeteiligte war im Weiteren unbekannten Aufenthalts. Eine Durchsetzung der Ausweisung ist den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen.
4 In den Verfahrensakten befindet sich (ua.) eine Mitteilung des vom Mitbeteiligten bevollmächtigen Vereins "Österreichische Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe" vom 18. März 2016, wonach der Mitbeteiligte nicht R S G, sondern G S heiße und nicht am 23. Jänner 1983, sondern am 23. Jänner 1978 geboren sei. Unter einem wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Kopie der Geburtsurkunde samt Übersetzung vorgelegt.
5 Am 1. August 2016 stellte der Mitbeteiligte, neuerlich unter dem Namen R S G, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung führte er über Aufforderung, allfällige Veränderungen gegenüber dem ersten Antrag bekanntzugeben, aus, er habe einen Anruf von einem in Indien lebenden Freund erhalten. Der Freund habe ihn informiert, dass er nicht zurückkehren könne, weil er sonst Probleme mit seinem Onkel bekommen würde. Der Onkel werde ihn umbringen.
6 Mit dem am 7. August 2016 ausgefertigten Schreiben räumte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Mitbeteiligten - unter Beifügung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation betreffend Indien - die Gelegenheit ein, "zu den Feststellungen zu(.) Indien" Stellung zu nehmen. Mit weiterem Schreiben vom 8. August 2016 wurde von der Behörde gemäß § 29 Abs. 3 Z 3 AsylG 2005 eine an den Mitbeteiligten gerichtete Verfahrensanordnung ausgefertigt, womit ihm zur Kenntnis gebracht wurde, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag zurückzuweisen, weil entschiedene Sache im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG vorliege. Zudem sei beabsichtigt, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Darüber hinaus brachte die Behörde dem Mitbeteiligten mit den weiteren (vom selben Tag stammenden) Verfahrensanordnungen zur Kenntnis, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen, sowie der periodischen Meldeverpflichtung bei einer näher genannten Polizeiinspektion unterliege. Zudem fertigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch am 8. August 2016 eine Ladung (für den 9. September 2016) zwecks Vernehmung des Mitbeteiligten im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz aus.
7 Am 8. August 2016 ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Polizeiinspektion Koppstraße um Zustellung dieser Schriftstücke an der vom Mitbeteiligten bekanntgegebenen Adresse in Wien 16., an der er laut Zentralem Melderegister auch als aufrecht gemeldet aufschien. Noch am selben Tag erstattete die Landespolizeidirektion Wien, Stadtkommando Ottakring, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Bericht, demzufolge sich bei einer Nachschau an der Adresse herausgestellt habe, dass dort eine andere Familie wohne. Auch die Nachbarn hätten über Befragen bestätigt, dass an der fraglichen Adresse nur die angetroffene Familie wohnhaft sei. Sowohl der an dieser Adresse wohnhaften Familie als auch den Nachbarn sei der Mitbeteiligte unbekannt.
8 Ausfertigungen der oben angeführten Schriftstücke wurden in der Folge dem bevollmächtigten Vertreter des Mitbeteiligten zugestellt.
9 Der Mitbeteiligte hat weder den Termin für die Vernehmung wahrgenommen noch wurde eine Stellungnahme erstattet.
10 Mit Bescheid vom 2. September 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 erteilte die Behörde nicht. Unter einem erließ sie gestützt auf § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Mitbeteiligten nach Indien zulässig sei. Weiters wurde festgestellt, dass nach § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
11 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte in seiner Entscheidung im Wesentlichen darauf ab, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt hervorgekommen sei. Der Mitbeteiligte habe lediglich neuerlich die im Verfahren über seinen ersten Antrag bereits geprüften und als unglaubwürdig eingestuften Umstände geltend gemacht. Sein Vorbringen im Folgeantrag decke sich mit jenem des ersten Antrages. Eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts sei nicht feststellbar. Daher stehe die Rechtskraft des Bescheides vom 11. Oktober 2011 dem neuerlichen Antrag entgegen. Ergänzend führte die Behörde aus, der Mitbeteiligte habe infolge unbekannten Aufenthalts seine Pflichten zur Mitwirkung am Verfahren massiv verletzt und "weitere Ermittlungen der Behörde, z. B. im Rahmen einer Einvernahme," verunmöglicht.
12 Die Zustellung der dem Mitbeteiligten persönlich zuzustellenden Ausfertigung dieses Bescheides (§ 11 Abs. 3 BFA-VG) nahm die Verwaltungsbehörde infolge des unbekannten Aufenthaltes des Mitbeteiligten gemäß §§ 8 und 23 ZustG durch Hinterlegung bei der Behörde ohne vorangegangenen Zustellversuch vor. Eine weitere Ausfertigung wurde dem Vertreter des Mitbeteiligten zugestellt.
13 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte durch seinen Vertreter Beschwerde. Er brachte vor, bei "ausreichend ausführlicher Verfahrensführung" hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass entschiedene Sache nicht vorliege. Der Mitbeteiligte habe eine aktuelle Gefährdungssituation dargelegt. Es hätte zu einer inhaltlichen Prüfung seines Antrages kommen müssen. Das Bundesamt übersehe, dass es von einer Überprüfung des Vorbringens, einer Ermittlungstätigkeit und der Verpflichtung von fallbezogenen Recherchen nicht entbunden gewesen sei. Auch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei nicht gerechtfertigt. Der Mitbeteiligte sei ein "arbeitsamer, freundlicher und integrationswilliger Mensch, der seine Chancen hier in Österreich nützen möchte". Er sei infolge der Tätigkeit als Zeitungszusteller selbsterhaltungsfähig. Er wohne in einer ortsüblichen Unterkunft und sei krankenversichert. Er sei seit fünf Jahren in Österreich aufhältig, habe sich wohlverhalten und verfüge über "beginnende Deutschkenntnisse".
14 Mit Beschluss vom 21. November 2016 wurde der Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Neben der Wiedergabe des Verfahrensganges und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen erschöpft sich die Begründung für die Entscheidung ausschließlich in folgendem Satz:
"Im vorliegenden Fall kann ohne nähere Prüfung des Sachverhalts nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung der beschwerdeführenden Partei eine reale Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde."
Die Revision gegen diesen Beschluss erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
15 In Folge gab das Bundesverwaltungsgericht der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 24. November 2016 gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG statt und behob den bekämpften Bescheid. In seiner Begründung gab das Verwaltungsgericht unter der Überschrift "I. Verfahrensgang und Sachverhalt" (lediglich) den bisherigen Gang des Verfahrens wieder.
In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht - nach Wiedergabe von Gesetzesbestimmungen und unzusammenhängenden textbausteinartigen Zitaten aus Rechtsprechung und Literatur - aus, die Behörde habe nicht einmal ansatzweise ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der Mitbeteiligte sei zwar noch am Tag seiner Antragstellung im August 2016 einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen worden. Eine Vernehmung durch die belangte Behörde habe jedoch zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Der Mitbeteiligte sei daher zu den Gründen seiner weiteren Antragstellung kein einziges Mal befragt worden. "Da jegliche Ermittlung eines vorliegenden Sachverhaltes aus nicht nachvollziehbaren Gründen unterblieben" sei, könne "im derzeitigen Stadium des Verfahrens demzufolge auch nicht gesagt werden, ob sich der wesentliche Sachverhalt gegenüber dem Vorbescheid nicht geändert habe".
16 Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde vom Verwaltungsgericht ohne Begründung allein durch Verneinung der in der genannten Bestimmung enthaltenen Voraussetzungen nicht zugelassen.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidungen erhobene außerordentliche Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach Vorlage der Verfahrensakten und Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:
18 In der Revision wird zur Zulässigkeit geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe seine Pflicht zur Begründung von Entscheidungen verletzt, und zwar selbst unter dem Gesichtspunkt, dass im Provisorialverfahren eine einfachere und kürzere Begründung als bei Entscheidungen in der Hauptsache ausreichen könnte. Die Begründung weise keinen Begründungswert auf. Die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof werde beeinträchtigt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Rechte der EMRK aufgrund welcher Tatsachen verletzt sein könnten oder warum dies nicht ausgeschlossen werden könne. Das Bundesverwaltungsgericht sei somit von der - näher zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
Weiters wird ausgeführt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 3 AsylG 2005 in Bezug auf das Unterbleiben einer Vernehmung. Im vorliegenden Fall habe sich der Mitbeteiligte in Verletzung seiner Mitwirkungspflichten dem Verfahren entzogen, weil er seinen Aufenthaltsort - dieser habe auch nicht festgestellt werden können - nicht bekanntgegeben und Termine nicht wahrgenommen habe. Daher sei die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, es seien Ermittlungen und eine Einvernahme ohne nachvollziehbare Gründe unterblieben, unzutreffend. Aufgrund der Bestimmung des § 24 Abs. 3 AsylG 2005 sei das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl rechtmäßig vorgegangen.
19 Die gegen beide Beschlüsse gerichtete Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
20 Zur Revision gegen den Beschluss vom 21. November 2016:
§ 16 und § 17 BFA-VG (jeweils samt Überschrift) lauten
auszugsweise:
"Beschwerdefrist und Wirkung von Beschwerden
§ 16. (1) ...
(2) Einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der
1. ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen
wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden
ist,
2. ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen
wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht oder
3. eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird,
sowie einem diesbezüglichen Vorlageantrag kommt die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt.
(3) ...
...
(6) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 2 bis 4 nicht anwendbar.
Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 17. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde
gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen
Schutz zurückgewiesen wird und
1. diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden
Maßnahme verbunden ist oder
2. eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht
sowie der Beschwerde gegen eine Anordnung zur
Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG jeweils binnen einer
Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende
Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine
Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den
Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale
Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK
oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten
würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des
Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im
Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit
sich bringen würde.
(2) ...
(3) Bei der Entscheidung, ob einer Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, ist auch auf die unionsrechtlichen Grundsätze der Art. 26 Abs. 2 und 27 Abs. 1 der Dublin-Verordnung und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Unionsrechtes Bedacht zu nehmen.
(4) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 1 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen."
21 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes zu begründen. Dies gilt gemäß § 31 Abs. 3 VwGVG auch für Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes, sofern es sich nicht um bloß verfahrensleitende Beschlüsse handelt.
In der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben.
Lässt eine Entscheidung die Trennung der Begründungselemente in einer Weise vermissen, sodass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund. Gleiches gilt, wenn sich eine solche maßgebliche Beeinträchtigung sonst in einem Mangel an Klarheit bzw. Übersichtlichkeit der Zusammenfassung gründet (vgl. zum Ganzen aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2015, Ra 2015/20/0067, mwN).
22 Diesen Anforderungen wird der Beschluss vom 21. November 2016 nicht gerecht.
23 Mit dem vom Mitbeteiligten in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde sein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen. Unter einem wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Zudem war gegen ihn im Jahr 2013 gemäß § 10 AsylG 2005 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 eine bislang nicht vollzogene Ausweisung rechtskräftig erlassen worden. Solche Ausweisungen gelten gemäß § 75 Abs. 23 zweiter Satz AsylG 2005 als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem ersten Abschnitt des achten Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 und (auch) Z 2 BFA-VG kam daher der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde aufschiebende Wirkung von Gesetzes wegen nicht zu.
24 Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, es seien im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 BFA-VG für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erfüllt.
Eine nähere Begründung, warum im gegenständlichen Fall im Sinn dieser Bestimmung anzunehmen wäre, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten in den Staat, auf den bezogen die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, ist dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen. Die Begründung erschöpft sich darin, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichts die reale Gefahr der Verletzung der genannten Bestimmungen ohne nähere Prüfung des Sachverhalts nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könnte.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu treffen hatte. Das entbindet das Verwaltungsgericht aber nicht, seine Überlegungen in gesetzmäßiger Weise offen zu legen (wobei dabei aber ohnedies von überflüssigen weitwendigen nicht der Begründung dienlichen Ausführungen Abstand zu nehmen ist, vgl. dazu, sich im Rahmen der Begründung auf Entscheidungswesentliches zu beschränken, ausführlich - gerade in Bezug auf die bisherige Praxis des Bundesverwaltungsgerichts - das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2017, Ra 2016/21/0325).
Überdies geht das Verwaltungsgericht - wenngleich nicht ausdrücklich erwähnt, so doch erkennbar - betreffend die Bestimmung des § 24 Abs. 3 AsylG 2005 fallbezogen von einer falschen Prämisse aus (siehe Näheres dazu unten) und übergeht weiters die - von ihm im Provisorialverfahren nicht beanstandeten -
Feststellungen der Verwaltungsbehörde zur Situation im Heimatland des Mitbeteiligten.
25 Zur Revision gegen den Beschluss vom 24. November 2016:
§ 15, § 15a und § 24 AsylG 2005 (jeweils samt Überschrift) lauten (auszugsweise):
"Mitwirkungspflichten von Asylwerbern im Verfahren
§ 15. (1) Ein Asylwerber hat am Verfahren nach diesem
Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er
1. ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und
alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz
erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß
darzulegen;
2. bei Verfahrenshandlungen und bei Untersuchungen durch
einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken. Unfreiwillige Eingriffe in die körperliche Integrität sind unzulässig;
(Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
4. dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht, auch
nachdem er Österreich, aus welchem Grund auch immer, verlassen hat, seinen Aufenthaltsort und seine Anschrift sowie Änderungen dazu unverzüglich bekannt zu geben. Hierzu genügt es, wenn ein in Österreich befindlicher Asylwerber seiner Meldepflicht nach dem Meldegesetz 1991 - MeldeG, BGBl. Nr. 9/1992 nachkommt. Unterliegt der Asylwerber einer Meldeverpflichtung gemäß § 15a, hat die Bekanntgabe im Sinne des ersten Satzes spätestens zeitgleich mit der Änderung des Aufenthaltsortes zu erfolgen. Die Meldepflicht nach dem MeldeG bleibt hievon unberührt;
5. ...
(2) ...
(3) Zu den in Abs. 1 Z 1 genannten Anhaltspunkten gehören
insbesondere
1. der Name des Asylwerbers;
2. alle bisher in Verfahren verwendeten Namen samt Aliasnamen;
3. das Geburtsdatum;
4. die Staatsangehörigkeit, im Falle der Staatenlosigkeit
der Herkunftsstaat;
5. Staaten des früheren Aufenthaltes;
6. der Reiseweg nach Österreich;
7. frühere Asylanträge und frühere Anträge auf
internationalen Schutz, auch in anderen Staaten;
8. Angaben zu familiären und sozialen Verhältnissen;
9. Angaben über den Verbleib nicht mehr vorhandener Dokumente;
10. Gründe, die zum Antrag auf internationalen Schutz
geführt haben, und
11. Gründe und Tatsachen, nach denen das Bundesamt oder das
Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich fragt, soweit sie für das Verfahren von Bedeutung sind.
(4) ..."
"Meldeverpflichtung im Zulassungsverfahren
§ 15a. (1) Fremde im Zulassungsverfahren unterliegen einer periodischen Meldeverpflichtung, wenn
- 1. eine Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 erfolgt oder
- 2. dem Fremden gemäß § 12a Abs. 1 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt und
über den Fremden weder Schubhaft verhängt wurde, noch gegen ihn ein gelinderes Mittel angewandt wird.
(2) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 1 haben sich Fremde, die nicht in einer Betreuungseinrichtung des Bundes versorgt werden, in periodischen, 48 Stunden nicht unterschreitenden, Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Für Fremde, die in einer Betreuungseinrichtung des Bundes versorgt werden, gilt die Abwesenheit von mindestens 48 Stunden von der Betreuungseinrichtung als Verletzung der Meldeverpflichtung. Die Abwesenheit von der Betreuungsstelle ist auf geeignete nachvollziehbare Weise zu dokumentieren. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war."
"Einstellung des Verfahrens
§ 24. (1) Ein Asylwerber entzieht sich dem Asylverfahren, wenn
1. dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht sein
Aufenthaltsort wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflichten gemäß
§ 13 Abs. 2 BFA-VG, §§ 15 oder 15a weder bekannt noch sonst durch
das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht leicht
feststellbar ist oder
2. ...
3. er trotz Aufforderung zu den ihm vom Bundesamt im
Zulassungsverfahren gesetzten Terminen nicht kommt.
(2) ...
(2a) ...
(3) Steht der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest und hat sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen (Abs. 1), steht die Tatsache, dass der Asylwerber vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht bisher nicht einvernommen wurde, einer Entscheidung nicht entgegen."
26 Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass die auf § 21 Abs. 3 BFA-VG gegründete Aufhebung des angefochtenen Bescheides deshalb geboten sei, weil die Behörde bislang kein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Dem legt es tragend die Auffassung zugrunde, die Behörde hätte über den Antrag auf internationalen Schutz nicht ohne Vernehmung des Mitbeteiligten entscheiden dürfen.
27 Damit spricht das Bundesverwaltungsgericht § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG an, wonach der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren - eine solche liegt hier unzweifelhaft vor - stattzugeben ist, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
28 § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stellt darauf ab, dass der Sachverhalt, der als Grundlage für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung zu dienen hat, noch nicht vollständig feststeht. Es handelt sich dabei um eine von § 28 Abs. 3 erster und zweiter Satz VwGVG abweichende Regelung, die auf die Besonderheiten des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens Bedacht nimmt, indem die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung zur Fällung einer zurückverweisenden Entscheidung im Fall einer Beschwerde gegen einen im asylrechtlichen Zulassungsverfahren erlassenen Bescheid allein an die in § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG genannten Voraussetzungen geknüpft ist. Zudem ergibt sich aus der erkennbaren Bezugnahme auf den ersten Satz des § 21 Abs. 3 BFA-VG, dass (auch) mit einer solchen Entscheidung die Rechtsfolge der Zulassung des Asylverfahrens einhergeht. Da das BFA-VG zur Frage der Bindungswirkung einer Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG keine vom VwGVG abweichende Regelung enthält, ist davon auszugehen, dass insoweit die Bestimmung des § 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG zum Tragen kommt, wonach die Behörde an die rechtliche Beurteilung gebunden ist, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist. Gemäß § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 steht die Zulassung des Asylverfahrens einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen. Dies ändert aber nichts an der nach § 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG an sich gegebenen Bindung der Verwaltungsbehörde für das weitere Verfahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 2016, Ra 2016/19/0208, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/19/0072).
29 Die in § 21 Abs. 6a BFA-VG enthaltene Wendung "Unbeschadet des Abs. 7" kann nur so verstanden werden, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Verhandlung (vor dem Verwaltungsgericht) jedenfalls immer dann zu unterbleiben hat, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG vorliegen. In einem solchen Fall stellt sich die Frage, ob nach § 21 Abs. 6a BFA-VG im Rahmen der Ermessensübung von der Durchführung der Verhandlung Abstand genommen werden kann, nicht mehr. Ebenso scheidet dann aber angesichts der im hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, näher angeführten Kriterien zum Verständnis des § 21 Abs. 7 BFA-VG auch die Anwendung des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG von vornherein denklogisch aus, weil es nach den Voraussetzungen für die Abstandnahme der Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG auch erforderlich ist, dass die Verwaltungsbehörde den für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentlichen Sachverhalt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben hat und dieser bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Es kann diesfalls keinesfalls mehr davon gesprochen werden, dass gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG der "vorliegende Sachverhalt so mangelhaft" wäre, dass "die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheinen" würde.
Liegen die Voraussetzungen zur Abstandnahme von einer Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht vor, hat die Beurteilung Platz zu greifen, ob im Sinn des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG "der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint". Trotz des an § 66 Abs. 2 AVG angelehnten Wortlautes kann die dazu ergangene Rechtsprechung zur Auslegung des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG nicht herangezogen werden, weil die letztgenannte Norm - worüber sich der Gesetzgeber ausweislich der Materialen auch im Klaren war - in das mit 1. Jänner 2014 neu geschaffene Rechtsschutzgefüge samt den diesbezüglichen Verfahrensreglungen eingebettet wurde. Zudem erschließt sich im Rahmen der nunmehr geltenden Rechtslage der Inhalt des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG nur unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 6a BFA-VG, weil dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann, er habe zwei einander widersprechende Normen geschaffen.
Der Verwaltungsgerichtshof geht - nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Erläuterungen zu § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG - davon aus, dass immer dann, wenn der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch die Verwaltungsbehörde Ermittlungsmängel anhaften, die nicht vom Bundesverwaltungsgericht in der für die Erledigung des - im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens abzuwickelnden - Beschwerdeverfahrens gebotenen Eile beseitigt werden können, der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattzugeben ist. Eine Verhandlung hat diesfalls zu unterbleiben.
Ist hingegen davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Ermittlungsmängel rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen kann, hat es von einer Beschwerdestattgebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG Abstand zu nehmen und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens - samt der Feststellung allfällig fehlenden Sachverhaltes - selbst vorzunehmen. Dabei hat es sich bei der Beurteilung gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG im Rahmen der Ermessensübung, ob eine Verhandlung durchzuführen ist, neben den bereits oben genannten Umständen auch davon leiten zu lassen, ob die vorhandenen Ermittlungsmängel zweckmäßigerweise durch im Rahmen der Verhandlung vorzunehmende Beweisaufnahmen beseitigt werden können; etwa wenn es gilt, allein die Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers einer näheren Beurteilung zu unterwerfen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/19/0072).
30 Einer behebenden Entscheidung iSd § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG muss sohin auch - unter Überbindung der Rechtsansicht - entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde unterlaufen sind. Zudem hat das Verwaltungsgericht in seiner Begründung offenzulegen, warum es nicht in der Lage ist, die Ermittlungsmängel in der für die Erledigung des - im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens abzuwickelnden Beschwerdeverfahrens - gebotenen Eile zu beseitigen (vgl. in diesem Sinn schon das hg. Erkenntnis vom 21. April 2016, Ra 2016/19/0027, mwN).
31 Das Bundesverwaltungsgericht wirft der Behörde vor, sie habe "nicht einmal ansatzweise" ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der Mitbeteiligte sei nur einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen worden. Eine Vernehmung durch die belangte Behörde habe nicht stattgefunden. Der Mitbeteiligte sei daher zu den Gründen seiner weiteren Antragstellung kein einziges Mal befragt worden. Es sei daher jegliche Ermittlung eines vorliegenden Sachverhaltes "aus nicht nachvollziehbaren Gründen" unterblieben. Deswegen könne auch nicht beurteilt werden, ob sich der wesentliche Sachverhalt geändert habe.
32 Damit blendet das Verwaltungsgericht aber zum einen völlig den - von ihm in der Entscheidung selbst wiedergegebenen - Ablauf des behördlichen Verfahrens und die Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen aus. Zum anderen nimmt sie auf die Bestimmung des § 24 Abs. 3 AsylG 2005 nicht Bedacht.
33 Steht der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest und hat sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen (§ 24 Abs. 1 AsylG 2005), steht gemäß § 24 Abs. 3 AsylG 2005 die Tatsache, dass der Asylwerber vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder vom Bundesverwaltungsgericht bisher nicht einvernommen wurde, einer Entscheidung nicht entgegen. Dass diese Bestimmung im asylrechtlichen Zulassungsverfahren nicht anzuwenden wäre, ergibt sich aus dem Gesetz nicht.
Gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 entzieht sich ein Asylwerber dem Asylverfahren, wenn dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder dem Bundesverwaltungsgericht sein Aufenthaltsort wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflichten gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG, §§ 15 oder 15a AsylG 2005 weder bekannt noch sonst durch das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht leicht feststellbar ist.
Nach § 15 Abs. 1 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er gemäß der Z 4 des § 15 Abs. 1 leg. cit. dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht - auch nachdem er Österreich, aus welchem Grund auch immer, verlassen hat - seinen Aufenthaltsort und seine Anschrift sowie Änderungen dazu unverzüglich bekannt zu geben. Hierzu genügt es, wenn ein in Österreich befindlicher Asylwerber seiner Meldepflicht nach dem Meldegesetz 1991 (MeldeG) nachkommt. Unterliegt der Asylwerber einer Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005, hat die Bekanntgabe im Sinn des ersten Satzes spätestens zeitgleich mit der Änderung des Aufenthaltsortes zu erfolgen. Die Meldepflicht nach dem MeldeG bleibt hievon unberührt.
34 Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn es sich um einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) handelt. Die Befragung kann in den Fällen des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 sowie in den Fällen des § 12a Abs. 3 AsylG 2005, wenn der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt wurde, unterbleiben. § 19 Abs. 2 AsylG 2005 sieht vor, dass ein Asylwerber vom Bundesamt, soweit er nicht auf Grund von in seiner Person gelegenen Umständen nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, zumindest einmal im Zulassungsverfahren und - soweit nicht bereits im Zulassungsverfahren über den Antrag entschieden wird - zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens einzuvernehmen ist. Eine Einvernahme kann unterbleiben, wenn dem Asylwerber ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt (§ 12a Abs. 1 oder 3 AsylG 2005). Weiters kann eine Einvernahme im Zulassungsverfahren unterbleiben, wenn das Verfahren zugelassen wird. § 24 Abs. 3 AsylG 2005 bleibt unberührt.
35 Zwar ist demnach gemäß § 19 Abs. 2 AsylG 2005 ein Asylwerber grundsätzlich im Zulassungsverfahren zumindest einmal vom Bundesamt einzuvernehmen. § 19 Abs. 2 AsylG 2005 legt aber auch fest, dass § 24 Abs. 3 AsylG 2005 unberührt bleibt.
Im gegenständlichen Fall wurde der Mitbeteiligte infolge dessen, dass er (unzweifelhaft) einen Folgeantrag im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 (nach dieser Bestimmung ist "ein Folgeantrag: jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag") gestellt hat, in gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 zulässiger Weise anlässlich der Antragstellung auch zu den näheren Fluchtgründe befragt.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen war der Mitbeteiligte ab jenem Zeitpunkt, in dem weitere Verfahrensschritte, für die an sich seine Mitwirkung gemäß § 15 AsylG 2005 gesetzlich vorgesehen ist, gesetzt werden sollten - fallbezogen insbesondere seine Vernehmung -, unbekannten Aufenthalts. Seinen tatsächlichen Aufenthaltsort und seine tatsächliche Anschrift hat er der Behörde entgegen § 15 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nicht bekanntgegeben. Er war an seiner tatsächlichen Unterkunft auch nicht aufrecht gemeldet (auch eine Meldung nach § 19a MeldeG lag nicht vor). Davon, dass der Aufenthaltsort des Mitbeteiligten leicht hätte festgestellt werden können, ist auch das Bundesverwaltungsgericht nicht ausgegangen.
Es trifft also - entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - zunächst nicht zu, dass es nicht nachvollziehbar wäre, warum die Vernehmung des Mitbeteiligten unterblieben ist. Es erweist sich aber auch die Annahme des Verwaltungsgerichts als nicht zutreffend, dass die Behörde überhaupt jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen hätte. Diese hat nämlich die ihr zur Verfügung stehenden Berichte zur Situation im Heimatland des Mitbeteiligten und jene Angaben, die er in der Erstbefragung, die sich - wie bereits erwähnt - auch (in zulässiger Weise) auf die konkreten Fluchtgründe bezogen hat, getätigt hat, in ihre Entscheidung einbezogen.
36 Ausgehend von den hier vorliegenden Ermittlungsergebnissen ist nun nicht zu sehen, weshalb sich die Behörde im vorliegenden Fall bei ihrer Entscheidung nicht auf die Bestimmung des § 24 Abs. 3 AsylG 2005 hätte berufen dürfen.
Weder gibt es anhand der Angaben des Mitbeteiligten in der Erstbefragung noch in seiner Beschwerde Hinweise dafür, dass er gegenüber dem ersten Antrag auf internationalen Schutz geänderte Fluchtgründe geltend gemacht hat.
Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall nicht zu sehen, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt hinsichtlich der Frage, ob der Folgeantrag des Mitbeteiligten in Bezug auf den Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei, nicht auch ohne die Vernehmung des Mitbeteiligten hätte festgestellt werden können.
Dies gilt auch für die Entscheidung, ob eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache in Bezug auf die Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes zu ergehen hat sowie ob eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist; samt den sonst damit zu verbindenden weiteren Aussprüchen. Auch insoweit ist dem Vorbringen des Mitbeteiligten nichts zu entnehmen, was dem - in Bezug auf die Rückkehrentscheidung selbst bei Richtigkeit seiner auf die Erwerbstätigkeit, Unterkunft und "beginnenden" Deutschkenntnisse bezogenen Angaben - entgegenstehen könnte. Insbesondere ist auch aus dem Inhalt der Beschwerde nicht abzuleiten, dass er die Richtigkeit der Feststellungen der Behörde zur Situation in seinem Heimatland substantiiert entgegengetreten wäre. Soweit es den behördlichen Ausspruch über die amtswegige Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 betrifft, ist zudem schon aus rechtlichen Gründen nicht nachvollziehbar, weshalb es diesbezüglich für die Beurteilung, ob ein solcher Ausspruch überhaupt hätte ergehen dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0101, Pkt. 3.4.2. der Entscheidungsgründe), ergänzender Ermittlungen bedurft hätte.
Somit bestanden entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts keine hinreichenden Gründe, § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG als erfüllt anzusehen.
37 Nach dem Gesagten waren die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, und zwar der Beschluss vom 21. November 2016 gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie der Beschluss vom 24. November 2016 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Wien, am 30. Mai 2017
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