VwGH Ra 2016/17/0214

VwGHRa 2016/17/021427.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems in 4560 Kirchdorf an der Krems, Garnisonstraße 1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 25. März 2016, LVwG-410993/6/Kof/MSt - LVwG-410994/3, LVwG- 411035/6/Kof/MSt - LVwG-411036/3, LVwG-411038/3/Kof/MSt, betreffend Zurückweisung von Beschwerden in Angelegenheit einer Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Parteien:

1. Finanzamt Kirchdorf-Steyr-Perg in 4560 Kirchdorf an der Krems, Garnisonstraße 1, 2. C B in K, 3. P GmbH in W und 4. A GmbH in E bei L, die zweit- bis viertmitbeteiligten Parteien vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/Top 11), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Mit einem als Bescheid bezeichneten Schriftstück vom 10. September 2015 wurde gegenüber den zweit-, dritt- und viertmitbeteiligten Parteien gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 52 Abs. 3 Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme von drei näher bezeichneten Glücksspielgeräten angeordnet sowie die vorläufige Beschlagnahme hinsichtlich eines weiteren Gerätes aufgehoben.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) die Beschwerden der mitbeteiligten Parteien gegen die Beschlagnahme der Glücksspielgeräte mit der Begründung als unzulässig zurück, dass ein behördlicher Bescheid nicht vorliege, und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Begründend führte es unter Verweis auf den Einleitungssatz des Spruches des genannten Schreibens: "Vom Bezirkshauptmann des

Bezirkes Kirchdorf an der Krems ... ergeht folgender Spruch:" aus,

dass diese aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht von der Bezirkshauptmannschaft, sondern vom Bezirkshauptmann ergangen sei. Der Bezirkshauptmann sei nicht selbst Behörde, sondern stehe an der Spitze der Bezirkshauptmannschaft und sei somit nur Behördenleiter. Die Entscheidung des Bezirkshauptmannes sei somit ein "Nichtbescheid", weshalb die Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen seien.

4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems als belangter Behörde gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

5 Zur Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, dass nach näher genannter Judikatur des VwGH nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen sei, ob ein behördlicher Akt als Bescheid zu qualifizieren sei; es müsse für jeden erkennbar sein, dass es sich um einen Bescheid handle. Dabei komme der Fertigungsklausel besonderes Gewicht zu. Aus der genannten Rechtsprechung folge, dass in jenen Fällen, in denen einmal die Behörde, ein anderes Mal der der Behörde beigegebene Hilfsapparat im Bescheid genannt worden sei, die Bezeichnung der Behörde unproblematisch sei. Bei einer objektiven Betrachtung könne kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei dem im Verfahren vor dem LVwG bekämpften Akt um einen Bescheid handle, sodass ein Abweichen von der Judikatur des VwGH vorliege.

6 Die zweit-, dritt- und viertmitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die Zurückin eventu die Abweisung der Revision sowie den Ersatz des Schriftsatzaufwands beantragten.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision erweist sich aufgrund des Abweichens von der Judikatur des VwGH zur Qualifikation einer behördlichen Erledigung als Bescheid als zulässig; sie ist auch berechtigt:

9 Für die Beurteilung eines Schriftstückes als Bescheid ist entscheidend, dass "erkennbar" ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde. Erst das vollständige Fehlen jedes Hinweises auf die Behörde, die die Erledigung erlassen hat, schließt es aus, diese einer Behörde zuzurechnen, mithin, sie als "behördliche Erledigung" (hier: als Bescheid) zu qualifizieren. Die Frage, welcher Stelle ein behördlicher Abspruch zuzurechnen ist, kann dabei ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten beurteilt werden, also danach, ob für jedermann (demnach auch für den Verwaltungsgerichtshof) erkennbar ist, dass es sich um einen Bescheid handelt und daher auch, welcher Behörde das betreffende Schriftstück zuzurechnen ist, unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten (vgl. etwa VwGH vom 3.10.1996, 96/06/0111, VwGH vom 18.11.1998, 98/03/0273, sowie VwGH vom 17.10.2008, 2007/12/0049, jeweils mwN).

10 An welcher Stelle des Bescheides die Behörde genannt ist, ist für die rechtliche Qualifikation der Erledigung als Bescheid irrelevant (vgl. wiederum VwGH vom 17.10.2008, 2007/12/0049).

11 Im vorliegenden Fall wurde die Erledigung "Für den Bezirkshauptmann" gezeichnet und unter Verwendung des (elektronischen) Briefpapiers der Behörde samt Anführung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems (im Fettdruck), der Adresse, der Email-Adresse und der Internet-Domain dieser Behörde in der Kopfzeile der ersten Seite der Erledigung ausgefertigt. Auch in der Rechtsmittelbelehrung des zu beurteilenden Schreibens wird die "Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems" im Zusammenhang mit dem Hinweis der schriftlichen Einbringung der Beschwerde ausdrücklich genannt. Darüber hinaus wird die genannte Bezirkshauptmannschaft als Anlaufstelle für schriftliche Anliegen in der Briefleiste am unteren Seitenende der letzten Seite angeführt und zudem die Kundenzeiten sowie die Amtsstunden der Behörde aufgelistet.

12 Der Einleitungssatz des Spruches der behördlichen Erledigung wird wie folgt formuliert: "Vom Bezirkshauptmann des Bezirks Kirchdorf an der Krems als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung ergeht folgender Spruch:".

13 Der Bezirkshauptmann steht an der Spitze der monokratisch organisierten Bezirkshauptmannschaft. Alle Bescheide werden vom Bezirkshauptmann (oder in seinem Auftrag) erlassen (vgl. VwGH vom 17.11.2008, 2008/17/0190). Der Bezirkshauptmann ist aber nicht Behörde, sondern nur das entscheidende Organ; Behörde ist die Bezirkshauptmannschaft (vgl. VwGH vom 13.10.1993, 93/02/0123, VwGH vom 27.6.1995, 95/11/0203 sowie VwGH vom 11.5.2017, Ra 2015/04/0094).

14 Voraussetzung für die Zurechnung einer Erledigung an eine monokratisch organisierte Behörde wie die Bezirkshauptmannschaft ist die Genehmigung der Erledigung entweder durch den Leiter der Behörde selbst, oder durch einen zumindest abstrakt approbationsbefugten Organwalter (vgl. VwGH vom 21.4.2016, Ra 2016/11/0017, mwN).

15 Ein "Für den Bezirkshauptmann" gefertigter Bescheid, der die Bezirkshauptmannschaft selbst in seiner Kopfzeile anführt ändert demnach unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Umstände nichts an der Zurechnung des Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft. Eine behördliche Zuständigkeit des Bezirkshauptmannes selbst besteht nämlich nicht. Daran vermag auch die Fertigungsklausel "Für den Bezirkshauptmann" nichts zu ändern, zumal der Bezirkshauptmann den Willen der monokratischen Behörde Bezirkshauptmannschaft bildet (vgl. VwGH vom 17.11.2008, 2008/17/0190).

16 Es lag daher im Revisionsfall ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdort an der Krems vor. Über die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerden der zweit- bis viertmitbeteiligten Parteien hätte das LVwG daher aus diesem Grund eine inhaltliche Entscheidung treffen müssen.

17 Indem das LVwG jedoch die Beschwerden in Verkennung der Rechtslage mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückgewiesen hat, belastete es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zu beheben war.

18 Ein Zuspruch von Aufwandersatz kam gemäß § 47 Abs. 3 und 4 VwGG nicht in Betracht.

Wien, am 27. Oktober 2017

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