VwGH Ra 2016/12/0121

VwGHRa 2016/12/012121.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision des H S in S, vertreten durch Mag. Helmut Hohl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 15/1/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. November 2016, Zl. W106 2120209-1/28E, betreffend Versetzung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Personalamt Graz der Österreichischen Post AG), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §38 Abs2 idF 2012/I/120;
BDG 1979 §38 Abs3 idF 2012/I/120;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §38 Abs2 idF 2012/I/120;
BDG 1979 §38 Abs3 idF 2012/I/120;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht seit 1. Juli 1981 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe PT 3, Dienstzulagengruppe 1 ernannt und der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen. Seit dem Jahr 2003 leitete er die Postfiliale G.

2 Mit Wirkung vom 4. Mai 2015 wurde er auf den Arbeitsplatz eines Filialleiters der (kleineren) Postfiliale S.

(Verwendungsgruppe PT 3, Dienstzulagengruppe 3) dienstzugeteilt. Dem lag zu Grunde, dass die Dienstbehörde die Postfiliale G. als "Knotenfiliale" eingerichtet, die Planstelle ihres Leiters (nunmehr: Knotenleiters Post in der Filiale) neu ausgeschrieben und nicht mit dem Revisionswerber, sondern mit seinem Mitbewerber K. besetzt hatte.

3 Mit Bescheid vom 12. November 2015 versetzte die Dienstbehörde den Revisionswerber gemäß § 38 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) mit Wirksamkeit vom 1. Dezember 2015 zur Postfiliale S. und sprach aus, dass er dort nunmehr dauernd auf einem Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe PT 3, Dienstzulagengruppe 3 (Leiter eines Postamtes II/4a) verwendet werde.

Das wurde mit der Organisationsänderung durch Umsetzung des Knotenkonzeptes im Bereich Vertrieb - Filialen sowie damit verbundenen tiefgreifenden organisatorischen Anpassungen und personellen Veränderungen begründet. Ein Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe PT 3, Dienstzulagengruppe 1 sei weder vakant, noch stehe ein solcher in absehbarer Zeit zur Verfügung. Die Verwendung in der Postfiliale S. sei insgesamt das gelindeste zur Verfügung stehende Mittel und die für den Revisionswerber schonendste Variante.

4 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), in der er - unter anderem - geltend machte, der Aufgabenbereich seines Arbeitsplatzes als Leiter der Postfiliale G. sei mit dem Aufgabenbereich des nunmehrigen Arbeitsplatzes "Knotenleitung Post in der Filiale" (weitgehend) identisch (gewesen).

Im Verfahren vor dem BVwG beantragte er in diesem Zusammenhang mit Eingabe vom 7. September 2016 zum Nachweis, dass näher bezeichnete Prozentangaben der Dienstbehörde zu Änderungen des jeweiligen Aufgabenbereiches unrichtig seien, bereits seit dem 1. November 2014 in der Postfiliale G. - wie auch in der Folge - im Echtzeitbetrieb gearbeitet worden sei, sich seitdem der Tätigkeits- und Verantwortungsbereich nicht geändert habe, sowie dafür, dass sich bei Einführung des Knotenkonzeptes im Mai 2014 gegenüber dem ursprünglichen Tätigkeitsbereich kaum etwas, "jedenfalls nicht mehr als um 14,5 %", geändert habe, die Einvernahme seines damaligen Stellvertreters (bis zum Zeitpunkt der Versetzung) an der Postfiliale G., Peter Z., als Zeugen.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 38 BDG 1979 als unbegründet ab. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Begründend traf das BVwG nach Wiedergabe der eingangs dargestellten unstrittigen Tatsachen auszugsweise folgende Feststellungen (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Die Österreichische Post AG hat im Bereich Vertrieb Filialen durch die Einführung eines Knotenkonzeptes eine grundlegende Organisationsänderung vorgenommen, die tief greifende organisatorische Anpassungen und personelle Veränderungen mit sich brachte. Das Knotenkonzept sieht vor, dass innerhalb einer von der Geschäftsfeldleitung ermittelten Region eine zentral gelegene Filiale mit den Aufgaben einer Knotenfiliale betraut wird. Eine Knotenfiliale zeichnet sich dadurch aus, dass dem Knotenleiter die direkte Personal- und Kostenverantwortung für weitere Postfilialen übertragen sind. Ein sogenannter Knotenbereich umfasst durchschnittlich 8 bis 10 Postfilialen. Der Knotenbereich der Knotenfiliale G. besteht aus insgesamt 8 Filialen.

Es wird als erwiesen festgestellt, dass das geplante Knotenkonzept zunächst in einer Testphase erprobt wurde. Diese Testphase begann Ende 2013 in Westösterreich. Der Knotenbereich G. wurde ab Mai 2014 in die Testphase einbezogen. Die Mitarbeit des Revisionswerbers in der Testphase begann mit diesem Zeitpunkt. ...

Die Behauptung des Revisionswerbers, ihm wäre bereits im Frühjahr 2014 (= mit Beginn seiner Mitarbeit in der Pilotphase) der Arbeitsplatz eines ‚Knotenleiters Post in der Filiale' ... auf

Dauer übertragen worden, konnte nicht verifiziert werden. ... Eine

bescheidmäßige Betrauung des Revisionswerbers mit dem Arbeitsplatz eines Knotenleiters ist nie ergangen.

Ebenso konnte die Behauptung des Revisionswerbers nicht verifiziert werden, dass sich sein bisheriger Arbeitsplatz als Teamleiter nicht wesentlich vom Arbeitsplatz eines Knotenleiters unterschieden hat. ..."

Daraus schloss das BVwG unter Darlegung des geänderten und - insbesondere im Umfang der Personalverantwortung - erweiterten Aufgabenbereiches, dass infolge der durch das Knotenkonzept im Jahr 2015 erfolgten Organisationsänderung, wobei nunmehr insbesondere sämtliche Personaleinsatzentscheidungen "dezentral im Knoten getroffen" werden, der bisherige Arbeitsplatz des Revisionswerbers als Leiter der Postfiliale G. untergegangen sei.

Eine Einvernahme des beantragten Zeugen Peter Z. ist unterblieben. Dazu merkte das BVwG in der Begründung seines

Erkenntnisses (lediglich) an: "Der geladene Zeuge ... ist

krankheitsbedingt nicht erschienen."

7 Rechtlich argumentierte das BVwG, die Einführung des Knotenkonzeptes habe die Auflassung des bisherigen Arbeitsplatzes des Revisionswerbers bewirkt. Dies begründe das wichtige dienstliche (betriebliche) Interesse an seiner Abberufung vom bisherigen Arbeitsplatz und der Zuweisung einer neuen Dauerverwendung. Eine rechtswidrige oder willkürliche Vorgangsweise der Dienstbehörde bzw. die Wahl einer anderen als der für den Beamten schonendsten Variante sei nicht zu erkennen.

Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil das BVwG im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden habe und dabei überdies eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu beantworten gewesen sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

 

Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage, Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die vor dem BVwG belangte Behörde und Äußerung des Revisionswerbers hiezu in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Revision erweist sich infolge eines wesentlichen Verfahrensfehlers des BVwG als zulässig, sie ist aus diesem Grund auch berechtigt:

9 § 38 Abs. 1 bis 4 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 120/2012, lautet:

"Versetzung

§ 38. (1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird.

(2) Die Versetzung ist von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. Während des provisorischen Dienstverhältnisses ist eine Versetzung auch ohne wichtiges dienstliches Interesse zulässig.

(3) Ein wichtiges dienstliches Interesse liegt insbesondere vor

1. bei Änderungen der Verwaltungsorganisation,

2. bei der Auflassung von Arbeitsplätzen,

3. bei Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einer anderen

Dienststelle, für den keine geeigneten Bewerberinnen oder Bewerber vorhanden sind,

4. wenn die Beamtin oder der Beamte nach § 81 Abs. 1 Z 3 den zu erwartenden Arbeitserfolg nicht aufgewiesen hat oder

5. wenn über die Beamtin oder den Beamten eine

Disziplinarstrafe rechtskräftig verhängt wurde und wegen der Art und Schwere der von ihr oder ihm begangenen Dienstpflichtverletzung die Belassung der Beamtin oder des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint.

(4) Bei einer Versetzung an einen anderen Dienstort von Amts

wegen sind die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse

des Beamten zu berücksichtigen. Eine solche Versetzung ist -

ausgenommen in den Fällen des Abs. 3 Z 4 und 5 sowie in jenen

Fällen, in denen abweichend vom Abs. 3 Z 5 noch keine

rechtskräftige Disziplinarstrafe verhängt worden ist - unzulässig,

wenn sie

1. für die Beamtin oder den Beamten einen wesentlichen

wirtschaftlichen Nachteil bedeuten würde und

2. eine andere geeignete Beamtin oder ein anderer

geeigneter Beamter derselben Dienststelle und derselben Verwendungsgruppe zur Verfügung steht, bei der oder dem dies nicht der Fall ist."

10 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 4. September 2012, 2009/12/0171, und vom 30. April 2014, 2013/12/0190, jeweils mwN) kann eine Organisationsänderung im Sinn des festgestellten Sachverhaltes ein wichtiges dienstliches Interesse für eine Versetzung nach § 38 Abs. 3 BDG 1979 begründen. Allerdings darf ein Arbeitsplatz durch eine Organisationsänderung - unabhängig von Bezeichnungsänderungen und auch unabhängig von seiner Zuordnung zu einer bestimmten Organisationseinheit - nur dann als weggefallen angesehen werden, wenn sich in Bezug auf ihn die Agenden mindestens im Ausmaß von 25 % geändert haben.

11 Läge nach der Änderung dieselbe Dienststelle vor (vgl. im Übrigen etwa das hg. Erkenntnis vom 17. April 2013, 2012/12/0125), wäre dem Revisionswerber zuzustimmen, dass dann, wenn trotz einer erfolgten Organisationsänderung der Arbeitsplatz in seinem wesentlichen Inhalt unverändert erhalten geblieben sein sollte, kein "wichtiges dienstliches Interesse" aus dem Titel der Organisationsänderung für seine Versetzung gegeben wäre.

12 Die Beantwortung der Frage der Identität des Arbeitsplatzes setzt nicht bloß die Aufzählung verschiedener Tätigkeiten, sondern auch deren Gewichtung nach dem Arbeitsumfang voraus. Sollte lediglich ein unerheblicher Teil der Aufgaben des alten Arbeitsplatzes (weniger als etwa ein Viertel des Arbeitsumfanges) geändert worden sein, so wird von der im Wesentlichen gegebenen Identität mit dem neuen Arbeitsplatz auszugehen sein. Sollte hingegen eine solche Identität nicht gegeben sein, hätte der Revisionswerber kein Recht darauf, künftig auf dem von ihm angestrebten Arbeitsplatz (der erwähnten "Knotenleitung Post in der Filiale" G.) verwendet zu werden.

13 Zum zentralen Beweisthema des Ausmaßes der Änderung dieser Arbeitsplatzaufgaben hat der Revisionswerber - was auch die Revisionsbeantwortung inhaltlich einräumt - die zeugenschaftliche Einvernahme seines Stellvertreters in der Postfiliale G., Peter Z., beantragt, die vom BVwG nicht durchgeführt wurde. Dies rügt die Revision zu Recht als Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

14 Zwar obliegt es regelmäßig der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob eine beantragte Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0090, vom 23. Februar 2016, Ra 2016/01/0023, und zuletzt vom 21. Februar 2017, Ra 2017/12/0004, mwN).

15 Eine solche Fehlbeurteilung ist fallbezogen allerdings zu bejahen, ist Beweisanträgen doch grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des begehrten Beweises, dessen Durchführung möglich ist, im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 8. Jänner 2015, Ra 2014/08/0064; allgemein Hengstschläger/Leeb, AVG, § 48, Rz 7 bis 10, mwN aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

16 Das Absehen von der Einvernahme eines Zeugen, weil dieser "krankheitsbedingt nicht erschienen" sei, nimmt weder auf die Erforderlichkeit noch die dauerhafte Unmöglichkeit der Beweisaufnahme konkret Bezug. Es ist daher einem begründungslosen Hinwegsetzen über einen gestellten - und nicht von vornherein untauglichen - Beweisantrag gleichzuhalten, was sich als unzulässig erweist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2016, Ra 2016/11/0038).

17 Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Durchführung der beantragten Zeugenbefragung abweichende Feststellungen zu den jeweiligen Arbeitsplatzaufgaben vor und nach der genannten Organisationsänderung ermöglicht und damit ein anderes Verfahrensergebnis bewirkt hätte, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

18 Von der Durchführung der vom Revisionswerber beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus dem Grund des § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.

19 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013. Neben dem Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes konnten Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer sowie für die Äußerung zur Revisionsbeantwortung nicht zuerkannt werden.

Wien, am 21. März 2017

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