VwGH Ro 2016/11/0014

VwGHRo 2016/11/001411.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. Verlassenschaft nach H L und 2. I K T GmbH, beide in W, beide vertreten durch die Doschek Rechtsanwalts GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 29/7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 18. Februar 2016, Zl. VGW-042/013/7306/2015, betreffend Übertretung des AZG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs6 Z1;
VStG §14 Abs2;
VStG §64 Abs5;
VStG §9 Abs7;
VwGG §25a;
VwGG §28 Abs1 Z5;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (soweit bekämpft), in Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 18. Mai 2015 über Herrn Hubert L. als Geschäftsführer der Zweitrevisionswerberin wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (AZG) eine Geldstrafe von EUR 550,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil der von der Zweitrevisionswerberin beschäftigte Fahrer J. K. im Jänner und Februar 2014 die Tagesruhezeiten nicht in näher bezeichneter Weise aufgezeichnet habe. Unter einem korrigierte das Verwaltungsgericht die durch die Tat übertretene Norm (Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 15 Abs. 2 lit. a der VO (EWG) Nr. 3821/85) und die Strafnorm (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

2 Unter Spruchpunkt IV. wiederholte das Verwaltungsgericht die bereits im Strafbescheid enthaltene Anordnung, dass die Zweitrevisionswerberin gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.

3 Schließlich wurde unter Spruchpunkt V. die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zugelassen. Dazu wurde in der Begründung lediglich ausgeführt, dass hinsichtlich der erwähnten "Ergänzung der Übertretungsnorm aber noch keine eindeutige Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes ersichtlich sei".

4 Gegen dieses, nach dem Revisionsvorbringen und der Aktenlage am 9. März 2016 erlassene Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der vorweg ausgeführt wird, der Bestrafte Herr Hubert L. sei am 17. März 2016 ("während aufrechter Revisionsfrist") verstorben.

5 Zur Zulässigkeit der Revision wird ausgeführt, dass es hinsichtlich der gegen Hubert L. verhängten Strafe keine Rechtsnachfolge gebe, da Geldstrafen gemäß § 14 Abs. 2 VStG gegenüber Rechtsnachfolgern nicht verfolgbar und vollstreckbar seien. Aus diesem Grund sei "das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen".

6 Zur Revisionslegitimation der Zweitrevisionswerberin wird auf den Haftungsausspruch gemäß § 9 Abs. 7 VStG verwiesen, durch welchen diese auch nach dem Tod des Hubert L. beschwert und berechtigt sei, sämtliche Einwände gegen das Vorliegen der Verwaltungsübertretung vorzubringen.

Zum Vorliegen einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung wird ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, wozu lediglich auf die Revisionsgründe verwiesen wird.

7 Der Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich des Kreises der Revisionswerber davon aus, dass trotz der mehrdeutigen Bezeichnung des Erstrevisionswerbers im Revisionsschriftsatz ("Hubert L., gestorben am ..., bzw. Verlassenschaft nach Hubert L.") ausschließlich die genannte Verlassenschaft als Erstrevisionswerberin auftritt, weil nicht ernsthaft unterstellt werden kann, dass die Revision durch eine nicht mehr lebende (somit nicht mehr parteifähige) Person erhoben werden soll.

8 Die Revisionslegitimation der Verlassenschaft nach dem verstorbenen Bestraften hängt davon ab, ob diese durch die rechtskräftige Bestrafung im Zeitpunkt der Erhebung der Revision in Rechten verletzt sein konnte. Dies ist hier nicht der Fall, weil das geltend gemachte Recht, nicht bestraft zu werden, ein höchstpersönliches Recht darstellt, in das eine Rechtsnachfolge nicht in Betracht kommt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 20. November 2008, Zl. 2007/09/0364). Die Verlassenschaft ist auch durch die verhängte Geldstrafe (die im Zeitpunkt der Revisionserhebung offensichtlich auch nicht beglichen war; vgl. den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung) nicht belastet, weil diese gemäß § 14 Abs. 2 VStG seit dem Tod des Bestraften nicht mehr zwangsweise eingebracht werden konnte (vgl. auch Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (2. Auflage, 2017), Rz 7 zu § 14). Entsprechendes gilt gemäß § 64 Abs. 5 VStG für den vorgeschriebenen Kostenbeitrag zum Strafverfahren. Aus § 14 Abs. 2 VStG ergibt sich im Übrigen, dass dann, wenn der Bestrafte (wie gegenständlich) erst nach dem Eintritt der Rechtskraft des Straferkenntnisses verstirbt, die in der Revision angesprochene "Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens" aus Anlass des Todes nicht mehr in Betracht kommt.

9 Die Revision der Verlassenschaft ist somit unzulässig. 10 Was den Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 7 VStG

betrifft, so ist dieser dem Verwaltungsstrafverfahren als Partei beizuziehen. Er kann alle Parteirechte einschließlich des Berufungs-(nunmehr: Beschwerde-)rechts ausüben und damit das Straferkenntnis, das ihn im Weg der Haftung dem Grunde und der Höhe nach zu Geldzahlungen verpflichtet, bekämpfen (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Februar 2015, Zl. Ra 2014/11/0019, mit Verweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. November 2000, Zl. 99/09/0002), sodass dessen Revisionslegitimation iSd Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zu bejahen ist.

11 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt (vgl. den hg. Beschluss vom 14. April 2016, Zl. Ro 2016/11/0011, und den dort zitierten Beschluss vom 30. Juni 2015, Zl. Ro 2015/03/0021, mwN).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

12 Das Verwaltungsgericht hat die Zulässigkeit der Revision bloß ganz allgemein damit begründet, dass für die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene "Ergänzung der Übertretungsnorm noch keine eindeutige Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes ersichtlich" sei. Damit wird weder ausgeführt, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Befugnis, die im Straferkenntnis als übertreten bezeichnete Rechtsvorschrift zu korrigieren bzw. zu ergänzen, fehle oder uneinheitlich wäre, noch dass das Verwaltungsgericht von einer diesbezüglichen Rechtsprechung abgewichen sei. Tatsächlich gibt es eine Fülle an hg. Judikatur betreffend die Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, die im Straferkenntnis als verletzt bezeichnete Rechtsvorschrift erforderlichenfalls zu präzisieren oder richtig zu stellen, solange kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt wird (vgl. etwa die bei Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (2. Auflage, 2017), Rz 6 zu § 44a, referierte Rechtsprechung). Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof auch die (durch die gegenständliche Ergänzung der Übertretungsnorm zum Ausdruck gebrachte) Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für Übertretungen des Art. 15 der VO (EWG) Nr. 3821/85 bejaht (vgl. dazu die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 29. März 2011, Zl. 2007/11/0256).

13 Das Verwaltungsgericht hat daher in der Begründung seines Ausspruches gemäß § 25a VwGG eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt.

14 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 14. April 2016, Zl. Ro 2016/11/0011, mwN, und vom 13. Februar 2017, Zl. Ro 2016/11/0026) hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen für jede von ihr - hinausgehend über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes - als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierte Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt.

15 In der Revision findet sich keine gesonderte Darlegung, welcher Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nach Meinung der Zweitrevisionswerberin grundsätzliche Bedeutung zukäme. Vielmehr wird dazu lediglich pauschal auf die Revisionsgründe verwiesen, wodurch dem Präzisierungserfordernis nicht entsprochen wird (vgl. nochmals den bereits zitierten Beschluss, Zl. Ro 2016/11/0011, sowie die hg. Beschlüsse vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001 und vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008).

16 Nach dem Gesagten waren daher sowohl die Revision der Erstals auch der Zweitrevisionswerberin zurückzuweisen.

Wien, am 11. Oktober 2017

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