VwGH Ro 2015/07/0002

VwGHRo 2015/07/000227.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision des A S in M, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20/P., gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 30. Mai 2014, Zl. LVwG- 2014/37/1263-1, betreffend Antrag auf Akteneinsicht in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach dem AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AufwandersatzV VwGH 2014;
AVG §17 Abs1;
AVG §17;
AVG §8;
AWG 2002 §37 Abs1;
AWG 2002 §42 Abs1 Z2;
AWG 2002 §74;
EMRK Art6 Abs1;
EMRK Art6;
VStG §17;
VStG §24;
VStG §32 Abs1;
VStG §56 Abs2;
VStG §57 Abs1;
VwGG §21 Abs1 Z2;
VwGG §47 Abs2 Z2;
VwGG §48 Abs2;
VwGG §49 Abs2;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §24;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Am 21. Dezember 2009 teilte der Stadtamtsdirektor der Stadtgemeinde Kufstein der zuständigen Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft Kufstein (in weiterer Folge: BH) telefonisch mit, dass auf dem Grundstück Nr. 426, GB T, von einem Unbekannten Bauschutt abgelagert worden sei.

2 Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2009 forderte die BH den Revisionswerber als Eigentümer des Grundstücks Nr. 426 unter Hinweis auf die anzuwendenden Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) auf, den auf dem genannten Grundstück abgelagerten Bauschutt binnen einer Frist von drei Wochen ordnungsgemäß zu entsorgen.

3 Bereits am 9. Dezember 2009 hatte der Revisionswerber bei der Stadtpolizei Kufstein eine verbotene Müllablagerung auf seinem Grundstück angezeigt. Nach Durchführung von Ermittlungen erstattete die Stadtpolizei mit Schreiben vom 24. Jänner 2010 eine Anzeige an die BH.

4 Am 26. Jänner 2010 sprach der Revisionswerber bei der BH persönlich vor und erklärte, den auf seinem Grundstück abgelagerten Bauschutt habe bereits die Stadtgemeinde Kufstein entfernen lassen und ihm dafür einen Betrag in der Höhe von ca. EUR 400,-- in Rechnung gestellt.

5 Aufgrund der Anzeige der Stadtpolizei Kufstein vom 24. Jänner 2010 führte die BH ein Verwaltungsstrafverfahren gegen einen vom Revisionswerber verschiedenen Beschuldigten durch.

6 Mit Eingabe vom 10. Februar 2014 beantragte der Revisionswerber Einsicht in die Akten des genannten Verwaltungsstrafverfahrens. Begründend führte er dazu aus, er habe für die Entfernung des Bauschuttes einen Betrag in der Höhe von EUR 444,54 auslegen müssen. Dieser Betrag hätte allerdings dem Verursacher, einer Person namens S., auferlegt werden müssen. Er beabsichtige nun, auf zivilrechtlicher Grundlage den genannten Betrag von S. zurückzufordern und habe daher ein rechtliches subjektives Interesse am Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens.

7 Die BH lehnte mit Schreiben vom 20. Februar 2014 die Gewährung der beantragten Akteneinsicht ab.

8 Mit Schreiben vom 6. März 2014 beantragte der Revisionswerber erneut die Einsicht in die Akten des genannten Verwaltungsstrafverfahrens.

9 Mit Bescheid vom 17. März 2014 wies die BH den Antrag des Revisionswerbers vom 6. März 2014 auf Akteneinsicht als unbegründet ab, weil - zusammengefasst - kein rechtliches Interesse und keine Parteistellung des Revisionswerbers gemäß § 8 AVG vorliege. Unter anderem wurde im Bescheid ausgeführt, der Revisionswerber habe in seinem ersten Antrag auf Akteneinsicht vom 10. Februar 2014 eine Person namens S. als Verursacher der Ablagerung genannt und angegeben, den von ihm ausgelegten Betrag von EUR 444,54 auf privatrechtlicher Grundlage von S. zurückfordern zu wollen. In dem einzigen Akt, der dem Antragsinhalt weitgehend entsprochen habe, sei - so die BH - nicht S. sondern eine andere Person als Beschuldigter geführt worden. Der Revisionswerber habe somit kein rechtliches subjektives Interesse am Ausgang des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens nachweisen können.

10 In seiner dagegen beim Landesverwaltungsgericht Tirol (in weiterer Folge: LVwG) eingebrachten Beschwerde brachte der Revisionswerber im Wesentlichen vor, die BH hätte bereits über den ersten Antrag auf Akteneinsicht des Revisionswerbers vom 10. Februar 2014 mit Bescheid entscheiden müssen. Da dem Revisionswerber als Liegenschaftseigentümer durch die BH die Verpflichtung auferlegt worden sei, den Bauschutt zu entfernen, und ihm zudem seitens der Stadtgemeinde Kufstein die Bezahlung der Entfernung aufgetragen worden sei, sei er Partei des Verfahrens im Sinne des § 8 AVG. Die Kosten für die Entfernung des Bauschuttes hätten von jener Person getragen werden müssen, welche für die Ablagerung des Bauschuttes verantwortlich gewesen sei. Durch die rechtswidrige Ablagerung des Bauschuttes durch eine dritte Person ohne Erlaubnis des Revisionswerbers sei dieser in seinem subjektiven Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden. Der Revisionswerber habe daher am Verfahrensausgang des Verwaltungsstrafverfahrens, in dem Akteneinsicht beantragt worden sei, ein rechtliches Interesse. Durch den an ihn ergangenen Entfernungsauftrag und die Abwicklung des Verwaltungsstrafverfahrens habe die BH über Eigentum des Revisionswerbers verfügt. Daraus leite sich eine im Privatrecht begründete Parteistellung ab. Dem Antrag auf Akteneinsicht hätte aus diesem Grund stattgegeben werden müssen. Analog zu § 42 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 genieße der Eigentümer jener Liegenschaft, auf welcher die Bauschuttablagerung vorgenommen worden sei, Parteistellung. Da der Revisionswerber trotz zweimaliger schriftlicher Anfrage keine Auskunft über den angeführten Akt erhalten habe, habe die BH entgegen der im Auskunftspflichtgesetz normierten Pflicht gehandelt.

11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. Mai 2014 wies das LVwG die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

12 In seiner Begründung hielt das LVwG im Wesentlichen fest, ausgehend von

13 § 17 Abs. 4 AVG sei die BH verpflichtet gewesen, die Ablehnung des Antrages des Revisionswerbers auf Einsicht in den Akt mittels Bescheid auszusprechen. Dieser Verpflichtung sei die BH mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 17. März 2014 nachgekommen. Aus dem Umstand, dass die BH auf den Antrag des Revisionswerbers vom 10. Februar 2014 lediglich mit einem formlosen Schreiben reagiert habe, lasse sich keine Rechtswidrigkeit des nunmehr angefochtenen Bescheides ableiten. Die belangte Behörde habe mit dem Bescheid vom 17. März 2014 abschließend über den Antrag auf Einsicht in den in Rede stehenden Verwaltungsstrafakt entschieden und damit eine das gesamte Begehren des Revisionswerbers umfassende Entscheidung getroffen.

14 Bei der Frage, ob Akteneinsicht in einem abgeschlossenen Verfahren gewährt werde, komme es darauf an, ob der die Akteneinsicht begehrenden Person in diesem beendeten Verwaltungsverfahren Parteistellung iSd § 8 AVG im Zusammenhalt mit allfälligen materiengesetzlichen Bestimmungen zugekommen sei oder wäre.

15 Der Revisionswerber habe die Einsicht in die Aktenteile des erwähnten Verwaltungsstrafverfahrens begehrt; die sonstigen Aktenteile seien ihm bekannt. Gegenstand des auf das AWG 2002 gestützten Verwaltungsstrafverfahrens sei eine unzulässige Bauschuttablagerung im Jahr 2009 auf dem im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Grundstück Nr. 426 gewesen. Der Revisionswerber sei allerdings nicht Beschuldigter in diesem Verwaltungsstrafverfahren gewesen.

16 Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2009 habe die BH den Revisionswerber aufgefordert, den abgelagerten Bauschutt binnen einer Frist von drei Wochen zu entfernen. Gleichzeitig habe die BH die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens und die Erlassung eines Behandlungsauftrages nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 (in der damals geltenden Fassung BGBl. I Nr. 115/2009) angedroht. Da die Entfernung dieses Bauschuttes von der Stadtgemeinde Kufstein veranlasst worden sei, habe die BH in weiterer Folge keinen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 erlassen.

17 Die BH habe zwar wegen der unzulässigen Bauschuttablagerung ein Verwaltungsstrafverfahren nach dem AWG 2002 durchgeführt. Der Revisionswerber sei allerdings nicht Beschuldigter und somit auch nicht Partei dieses Verfahrens gewesen.

18 Ferner habe die BH dem Revisionswerber nicht aufgetragen, die Kosten für die Entfernung des abgelagerten Bauschuttes zu übernehmen. Die dafür angefallenen Kosten habe der Revisionswerber nach eigenen Angaben über Aufforderung der Stadtgemeinde Kufstein bezahlt. Auch aus der Kostentragung ergebe sich nicht die für die Gewährung der Akteneinsicht in den genannten Verwaltungsstrafakt erforderliche Parteistellung des Revisionswerbers.

19 § 42 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 - die nunmehr geltende Fassung BGBl I Nr. 97/2013 entspreche der Fassung BGBl. I Nr. 115/2009 - räume den Eigentümern jener Liegenschaften, auf denen die Abfallbehandlungsanlage errichtet werden solle, Parteistellung in einem Genehmigungsverfahren nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 ein. Daraus lasse sich keine Parteistellung in einem Verwaltungsstrafverfahren begründen, das nicht gegen den Revisionswerber, sondern eine andere natürliche Person geführt worden sei.

20 Schlussfolgernd hielt das LVwG fest, aus § 8 AVG in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des AWG 2002 lasse sich eine Parteistellung des Revisionswerbers im Hinblick auf den begehrten Akt nicht begründen. Auch die Übernahme der Kosten für die Entfernung des Bauschuttes begründe keine Parteistellung des Revisionswerbers, weil ihn dazu die Stadtgemeinde Kufstein und nicht die BH aufgefordert habe. Das LVwG verkenne nicht, dass eine unzulässige Bauschuttablagerung geeignet sei, in das privatrechtlich geschützte Eigentum einzugreifen. § 17 AVG räume allerdings das Recht auf Einsicht nur Parteien eines anhängigen oder abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens ein. Die Frage der Parteistellung sei nicht anhand allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze sondern auf der Grundlage des § 8 AVG in Verbindung mit den jeweils anzuwendenden materiell-rechtlichen Vorschriften zu klären. Ausgehend davon sei die Parteistellung des Revisionswerbers bezogen auf sein Begehren zu verneinen. Das Recht auf Auskunft gemäß Art. 20 Abs. 4 B-VG und den Auskunftspflichtgesetzen des Bundes und der Länder räume nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen Anspruch auf Akteneinsicht ein.

21 Der Revisionswerber habe gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG den Antrag auf Durchführung einer Verhandlung gestellt. Im gegenständlichen Fall - so das LVwG - sei der Sachverhalt unstrittig. Gegenteiliges habe auch der Revisionswerber nicht behauptet. Gegenstand der Beschwerde sei im Wesentlichen die Rechtsfrage, ob die BH die vom Revisionswerber begehrte Akteneinsicht in Anwendung des § 17 AVG zu Recht verweigert habe. Es sei somit nicht von einer Rechtsfrage von besonderer Komplexität auszugehen. Eine mündliche Verhandlung sei im gegenständlichen Fall zur Klärung des Sachverhalts nicht notwendig. Der Gegenstand der zu lösenden Rechtsfrage sei bereits durch den Antrag des Revisionswerbers, den angefochtenen Bescheid und die Ausführungen in der Beschwerde ausreichend dargelegt. Diesbezüglich sei eine zusätzliche Klärung im Rahmen einer mündlichen Erörterung nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG, um von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen, lägen vor.

22 Das LVwG ließ die ordentliche Revision lediglich im Hinblick auf § 24 Abs. 4 VwGVG zu, weil es diesbezüglich an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Hingegen habe sich das LVwG bei der Anwendung des § 17 AVG und des Tiroler Auskunftspflichtgesetzes an der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert. In diesem Zusammenhang sei daher nicht von einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auszugehen, die eine ordentliche Revision zulässig machte.

23 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 18. September 2014, E 887/2014-4, die Behandlung der vom Revisionswerber gegen das Erkenntnis des LVwG vom 30. Mai 2014 erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In seiner Begründung führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, ob im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgelegen seien und ob der Revisionswerber gemäß § 8 AVG iVm den einschlägigen Bestimmungen des AWG 2002 in dem seinen Antrag auf Akteneinsicht betreffenden Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung gehabt habe, nicht anzustellen.

24 Gegen das Erkenntnis des LVwG richtet sich nun die vorliegende ordentliche Revision mit dem Antrag auf Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

25 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht verzichtete auf eine Revisionsbeantwortung, beantragte jedoch im Zuge der Aktenvorlage an das LVwG, dem Bund die erwachsenen Prozesskosten im gesetzlichen Ausmaß zu ersetzen.

26 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

27 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

28 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

29 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die Gründe der Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. den hg. Beschluss vom 24. September 2015, Ro 2015/07/0011 ua, mwN).

30 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 2016, Ra 2014/07/0060, mwN).

31 Ferner liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist (vgl. dazu die hg. Beschlüsse vom 28. Mai 2014, Ro 2014/07/0053, und vom 29. Juni 2016, Ra 2016/05/0052, 0053, mwN).

32 Zu ihrer Zulässigkeit verweist die vorliegende Revision auf die vom LVwG zur Begründung der Zulässigkeit aufgeworfene Rechtsfrage, nämlich auf das Fehlen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 4 VwGVG.

33 Überdies wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ausgeführt, es liege - entgegen der Ansicht des LVwG - eine weitere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor. So mangle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwiefern einem Grundstückseigentümer oder generell einer vom Beschuldigten verschiedenen Person Parteistellung und damit Akteneinsicht in einem Verwaltungsstrafverfahren zukomme. Eine derartige Rechtsprechung sei im Hinblick auf die Rechtssicherheit, Rechtseinheit und Rechtsentwicklung von wesentlicher Bedeutung, zumal diese Entscheidung nicht nur für das Verfahren nach dem AWG 2002, sondern auch in anderen Verwaltungsstrafverfahren eine wesentliche Rolle spielen könne. Selbst im Strafrecht erhalte das Opfer Akteneinsicht bzw. könne es sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anschließen. Es sei daher unverständlich, dass im AWG 2002 keine Möglichkeit bestehe, als Liegenschaftseigentümer "Kenntnisse über die Tätigkeiten auf seiner Liegenschaft oder über den Verfahrensstand im Strafverfahren gegen den Täter" zu erhalten.

34 Die Revision erweist sich aus nachstehenden Gründen als unzulässig:

35 Gemäß § 24 erster Satz VStG gilt, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, das AVG auch für das Verwaltungsstrafverfahren.

36 Das Recht auf Akteneinsicht kommt gemäß § 17 AVG den Parteien eines anhängigen oder abgeschlossenen Verfahrens unabhängig davon zu, zu welchem Zweck die Akteneinsicht begehrt wurde. Bei der Frage, ob Akteneinsicht in einem abgeschlossenen Verfahren gewährt wird, kommt es darauf an, dass der die Akteneinsicht begehrenden Person in diesem beendeten Verwaltungsverfahren Parteistellung im Sinne des § 8 AVG in Zusammenhang mit allfälligen materiengesetzlichen Bestimmungen zugekommen ist oder wäre. Ob einer Person in einem bestimmten Verfahren Parteistellung zukommt, regelt grundsätzlich § 8 AVG im Zusammenhang mit den jeweils zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 2013, 2012/10/0002, und das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, 2012/05/0011, jeweils mwN; zur Verknüpfung von Akteneinsicht und Parteistellung vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 17. März 2016, Ro 2014/11/0012, und den hg. Beschluss vom

37 25. November 2015, Ra 2015/10/0126, jeweils mwN). 38 Parteien eines Verwaltungsstrafverfahrens sind kraft

ausdrücklicher Bestimmungen des VStG der Beschuldigte (vgl. § 32 Abs. 1 VStG), der Privatankläger (vgl. § 56 Abs. 2 VStG) und der Privatbeteiligte (vgl. § 57 Abs. 1 VStG). Zusätzlich ergibt sich aus § 17 VStG eine Parteistellung des vom Beschuldigten verschiedenen Eigentümers eines vom Verfall bedrohten Gegenstandes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2009, 2009/04/0104 ua, mwN).

39 Der Revisionswerber begehrt Akteneinsicht in einem Verfahren, in dem er nicht als Beschuldigter im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stand. Es liegt auch kein Fall eines Privatanklagedeliktes im Sinne des § 56 Abs. 1 VStG vor. Dass der Revisionswerber Eigentümer eines vom Verfall bedrohten Gegenstands und somit gemäß § 17 Abs. 1 VStG Partei eines allfälligen Verwaltungsstrafverfahrens wäre, ist nach Lage des Falles ebenso wenig zu erkennen.

40 Eine allfällige auf § 57 Abs. 1 VStG gründende Parteistellung in einem Verwaltungsstrafverfahren wird vom Revisionswerber in seiner Zulässigkeitsbegründung nicht ausdrücklich behauptet. Er spricht konkret (lediglich) die Frage der Parteistellung "des Grundstückseigentümers" und "generell" einer vom Beschuldigten verschiedenen Person im Verwaltungsstrafverfahren (nach dem AWG 2002) an bzw. nimmt Bezug auf die Stellung "des Opfers" im "Strafrecht", das sich dort als Privatbeteiligter anschließen könne. Erst in den Revisionsgründen wird vorgebracht, der Revisionswerber habe "einen berechtigten privatrechtlichen Anspruch gegenüber dem Beschuldigten des Verwaltungsstrafverfahrens".

41 Nach § 57 Abs. 1 VStG ist, soweit die Behörde nach einzelnen Verwaltungsvorschriften im Straferkenntnis auch über die aus einer Verwaltungsübertretung abgeleiteten privatrechtlichen Ansprüche zu entscheiden hat, der Anspruchsberechtigte Partei im Sinne des AVG (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis 2009/04/0104 ua). Das AWG 2002 enthält jedoch keine derartigen Verwaltungsvorschriften, die die Behörde dazu verpflichten, auch über die aus einer Verwaltungsübertretung wegen des unerlaubten Ablagerns von Bauschutt abgeleiteten privatrechtlichen Ansprüche zu entscheiden. Eine derartige Vorschrift stellt auch nicht die in der Revision angesprochene, die subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers für Behandlungsaufträge regelnde Bestimmung des § 74 AWG 2002 (in der Revisionsbegründung wird irrtümlich § 73a AWG 2002 genannt) dar. Ein entsprechender Behandlungsauftrag (Bescheid) gemäß § 73 iVm § 74 AWG 2002 an den Revisionswerber als Liegenschaftseigentümer ist im gegenständlichen Fall auch gar nicht ergangen.

42 Ferner wird nach dem klaren Wortlaut der in der Beschwerde genannten Bestimmung des § 42 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 eine Parteistellung des Liegenschaftseigentümers in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002, nicht jedoch in einem gegen einen Dritten geführten Verwaltungsstrafverfahren festgelegt.

43 Schließlich mangelt es vorliegend auch an einer dem § 75 Abs. 3 AWG 2002 (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. September 2004, 2004/07/0120) vergleichbaren Bestimmung, nach der der Ausgang des hier in Rede stehenden Verwaltungsstrafverfahrens gegen eine dritte Person die Rechtssphäre des Revisionswerbers derart berührte, das daraus gemäß § 8 AVG in Verbindung mit § 24 VStG dessen Parteistellung in diesem Verwaltungsstrafverfahren abzuleiten wäre.

44 Angesichts der zitierten Judikatur und der eindeutigen Rechtslage, die die Möglichkeit der Akteneinsicht mangels Parteistellung des Revisionswerbers in dem in Rede stehenden Verwaltungsstrafverfahren nach dem AWG 2002 ausschließt, wurde in der Revision insoweit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.

45 Es fehlt aber auch nicht an Rechtsprechung zu § 24 Abs. 4 VwGVG, auf den die Zulassungsbegründung der Revision ebenso Bezug nimmt.

46 Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen. Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kommt ein Entfall der Verhandlung somit dann nicht in Betracht, wenn Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem LVwG ist daher durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" iSd Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung von einer Person eingeräumten Unionsrechten (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl. das Erkenntnis vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/07/0061, mwN).

47 Der vorliegende Fall fällt nicht in den Anwendungsbereich der GRC. Weiters ist gegenständlich nicht zu ersehen, inwiefern das Recht auf Einsicht in die Akten des gegen eine dritte Person geführten Verwaltungsstrafverfahrens, in dem dem Revisionswerber - wie dargelegt - keine Parteistellung zukam, ein ziviles Recht oder eine strafrechtliche Anklage betreffend den Revisionswerber im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK zum Gegenstand hätte (vgl. zur Akteneinsicht auch das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2012, 2012/09/0002). Gegenteiliges ergibt sich nach dem oben Gesagten auch nicht aus dem Vorbringen des Revisionswerbers, seine "Parteistellung" gründe sich auf einen privatrechtlichen Anspruch gegenüber dem für ihn unbekannten Beschuldigten des Verwaltungsstrafverfahrens und dieser unbekannte Dritte habe den Revisionswerber dadurch in seinem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt, dass er Bauschutt auf einer im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Liegenschaft abgelagert habe. Schon deshalb geht das Revisionsvorbringen, Art. 6 EMRK hätte "aufgrund mangelnder Möglichkeit in den Akt einzusehen" die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gefordert, fehl.

48 Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 47 GRC bzw. des Art. 6 EMRK ist es weiterhin Sache des Revisionswerbers, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/01/0241, mwN).

49 Der Revisionswerber legt jedoch nicht dar, was er in einer mündlichen Verhandlung vorgebracht hätte bzw. inwiefern die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einer für ihn günstigeren Entscheidung geführt hätte. Er behauptet lediglich die Lückenhaftigkeit des vom LVwG festgestellten Sachverhaltes, ohne jedoch anzugeben, worin dieser Mangel konkret bestehe. Soweit der Revisionswerber ausführt, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätten er und ein Polizist der Stadtpolizei Kufstein, welcher eine Anzeige des Revisionswerbers betreffend die Schuttablagerung auf dessen Grundstück entgegen genommen habe, vernommen werden können, legt er keinen tauglichen Beweisantrag und auch nicht dar, zu welchem Ergebnis eine solche Befragung geführt hätte.

50 Dem Revisionswerber gelingt es somit nicht, die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels und damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG darzutun.

51 Die Revision war daher zurückzuweisen.

52 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Der Antrag der belangten Behörde auf Ersatz der Prozesskosten war abzuweisen, weil die belangte Behörde keine Revisionsbeantwortung erstattet hat und das Gesetz einen Ersatz eines Vorlageaufwandes für die Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG nicht vorsieht.

Wien, am 27. April 2017

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