VwGH Ra 2016/04/0007

VwGHRa 2016/04/000720.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revisionen 1) der K GmbH in K (protokolliert zu hg. Ra 2016/04/0007), vertreten durch die Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, und 2) der Kärntner Landesregierung (protokolliert zu hg. Ra 2016/04/0017) gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 16. Dezember 2015, KLVwG-2573/2/2015, betreffend zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten nach dem Kärntner Elektrizitätsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Kärntner Landesregierung; mitbeteiligte Partei: W G in V, vertreten durch die Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG), zu Recht erkannt:

Normen

ElektrizitätsG Krnt 1969 §18;
ElektrizitätsG Krnt 1969 §20 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
ElektrizitätsG Krnt 1969 §18;
ElektrizitätsG Krnt 1969 §20 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der erstrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag der zweitrevisionswerbenden Partei auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Zur Vorgeschichte ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2015, 2013/05/0196 bis 0198, zu verweisen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof unter anderem auf Grund der Beschwerde der mitbeteiligten Partei die Bescheide des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 1. August 2013 betreffend die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten nach dem Kärntner Elektrizitätsgesetz (K-EG) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die in den Bescheiden vom 1. August 2013 jeweils umschriebenen Dienstbarkeitsrechte der erstrevisionswerbenden Partei zur Sicherung der Errichtung, des Bestandes, des Betriebes und der Instandhaltung der mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 22. Mai 2012 gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG sowie §§ 3 und 7 K-EG erteilten Bau- und Betriebsbewilligung für das Projekt "220/110-kV-Netzabstützung Villach" eingeräumt worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe diesen Bescheid vom 22. Mai 2012 mit Erkenntnis vom 29. September 2015, 2012/05/0118, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Mit der Aufhebung des Bescheides vom 22. Mai 2012 durch das Erkenntnis 2012/05/0118, der ex-tunc-Wirkung zukomme, liege im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide betreffend die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten kein rechtskräftiger Genehmigungsbescheid für die verfahrensgegenständliche Leitungsanlage mehr vor, auf den die Behörde die verfügten Eigentumsbeschränkungen stützen könnte. Schon aus diesem Grund seien die angefochtenen Bescheide aufzuheben gewesen.

2 2. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 16. Dezember 2015 hat das in das fortgesetzte Verfahren eingetretene Landesverwaltungsgericht Kärnten (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge gegeben, den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 28. Jänner 2013, mit dem auf den näher bezeichneten Grundstücken der mitbeteiligten Partei zwangsweise Dienstbarkeitsrechte eingeräumt und Entschädigungen dafür festgesetzt wurden, aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Kärntner Landesregierung zurückverwiesen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

3 In der Begründung verwies das Verwaltungsgericht auf seinen Beschluss vom 14. Dezember 2015, mit dem es den anhängigen Beschwerden im elektrizitätsrechtlichen Genehmigungsverfahren für die gegenständliche Leitungsanlage Folge gegeben und die Entscheidung an die Kärntner Landesregierung zurückverwiesen hatte. Da somit in der elektrizitätsrechtlichen Angelegenheit keine Entscheidung in der Sache ergangen sei und im Rahmen des neuerlich durchzuführenden Ermittlungsverfahrens die Behördenzuständigkeit zu klären sein werde, sei der Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 28. Jänner 2013 betreffend die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten aufzuheben und an die Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen gewesen. Auf Grund der fehlenden rechtskräftigen Genehmigung der gegenständlichen Leitungsanlage, auf die sich der Bescheid betreffend die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten nach dem K-EG stützen könnte, in Verbindung mit der nicht geklärten Behördenzuständigkeit für das Genehmigungsverfahren habe vom Verwaltungsgericht eine meritorische Entscheidung nicht vorgenommen werden können.

Dem Verwaltungsgericht sei überdies eine materielle Behandlung des gegenständlichen Beschwerdefalles verwehrt, weil der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. September 2015, 2012/05/0073, den UVP-Feststellungsbescheid des Umweltsenates vom 20. Februar 2012 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben habe und das in der Folge zuständige Bundesverwaltungsgericht am 9. Dezember 2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und im Rahmen dieser die Aufhebung des angefochtenen UVP-Feststellungsbescheides der Kärntner Landesregierung vom 7. September 2011 und die gleichzeitige Zurückverweisung zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides an die Kärntner Landesregierung mit Beschluss mündlich verkündet habe.

4 3. Gegen diesen Beschluss richten sich die vorliegenden (außerordentlichen) Revisionen, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurden.

5 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht (zur Erstrevision) und die mitbeteiligten Partei (zu beiden Revisionen) erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung. Die erstrevisionswerbende Partei brachte eine Replik zur Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei ein. II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:

6 1. Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revisionen unter anderem vor, der angefochtene Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Verwaltungsgericht der Ansicht gewesen sei, dass schon das Fehlen von Ermittlungen bezüglich eines einzelnen Aspektes die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertige. Bei Beachtung der Judikatur zu § 28 VwGVG wäre davon auszugehen, dass auf Grund der korrekten Lösung der Mehrzahl der Beweisthemen im Verfahren der belangten Behörde eine Aufhebung und Zurückverweisung unzulässig sei. Es liege auch eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wonach jede Behörde und somit auch jedes Gericht seine Zuständigkeit zu prüfen habe. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, seine eigene Zuständigkeit schlüssig und nachvollziehbar hinsichtlich einer etwaigen UVP-Pflicht zu prüfen und zu begründen. Schließlich habe sich der Verwaltungsgerichtshof noch nicht explizit zur Frage geäußert, wie von den Verwaltungsgerichten vorzugehen sei, wenn sie mehrere aufeinander aufbauende Bescheide zu prüfen haben, von denen der erste auf einem mangelhaften Ermittlungsverfahren beruhe. Im Übrigen komme der Frage, was die Verwaltungsgerichte tun müssten, wenn sich Ermittlungen der Behörde in Hinblick auf eine allfällige UVP-Pflicht als unzureichend erweisen, über den Anlassfall hinausreichende Bedeutung zu.

2. Die Revisionen sind zulässig und auch berechtigt. 7 2.1. § 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes

(VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:

"Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

  1. 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
  2. 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts

    durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) bis (8) (...)"

8 2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen das Verwaltungsgericht den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufheben und die Sache zurückverweisen kann (vgl. grundlegend das Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, sowie die Erkenntnisse vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005, vom 26. Mai 2015, Ra 2014/01/0205, und vom 9. September 2015, Ra 2014/04/0031).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis Ro 2014/03/0063 ausgesprochen, dass sich die Anwendbarkeit der Zurückverweisungsbestimmung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht auf die von § 28 Abs. 2 VwGVG erfassten Fälle erstreckt. Eine Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde kommt erst dann in Betracht, wenn die in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vorliegen. Die Voraussetzungen der Z 1 und 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG sind angesichts der Zielsetzung (meritorische Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte) weit zu verstehen. Damit wird dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung bzw. dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer (durch Vermeidung der Eröffnung eines neuerlichen Rechtszuges gegen die dann abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung) entsprochen.

Demnach ist Zielsetzung des § 28 VwGVG, dass angesichts des in dieser Bestimmung insgesamt verankerten Systems die Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt § 28 VwGVG, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis, Ro 2014/03/0063).

9 2.3. Das Verwaltungsgericht begründet die Zurückverweisung im Wesentlichen damit, dass ihm eine materielle Behandlung des Beschwerdefalles verwehrt sei, weil eine rechtskräftige Genehmigung der verfahrensgegenständlichen Leitungsanlage fehle und die Behördenzuständigkeit für das Genehmigungsverfahren nicht geklärt sei.

10 Damit hat das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt.

Die Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG setzt voraus, dass die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Im vorliegenden Fall trifft es zwar zu, dass ein rechtskräftiger Genehmigungsbescheid für die verfahrensgegenständliche Leitungsanlage fehlt und die Frage der UVP-Pflicht des gegenständlichen Vorhabens durch die Aufhebung des UVP-Feststellungsbescheides offen und somit auch die Zuständigkeit ungeklärt ist. Es sind hinsichtlich dieser Punkte jedoch keine notwendigen Ermittlungen der Kärntner Landesregierung als Behörde im gegenständlichen Verfahren betreffend die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten nach dem K-EG zu tätigen, weshalb die Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (im maßgeblichen Zeitpunkt) nicht vorliegt.

Im vorliegenden Fall ist vielmehr allein entscheidend, dass kein rechtskräftiger Genehmigungsbescheid für die verfahrensgegenständliche Leitungsanlage vorliegt, auf den die mit dem angefochtenen Bescheid verfügten Eigentumsbeschränkungen gestützt werden könnten. Das Verwaltungsgericht hätte daher in der Sache entscheiden und den Bescheid vom 28. Jänner 2013, mit dem auf den näher bezeichneten Grundstücken der mitbeteiligten Partei zwangsweise Dienstbarkeitsrechte eingeräumt und Entschädigungen dafür festgesetzt wurden, ersatzlos beheben müssen. Auf die Frage der UVP-Pflicht kommt es hier nicht an.

11 3. Indem die belangte Behörde dies verkannte, den Bescheid aufhob und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Kärntner Landesregierung zurückverwies, belastete sie ihren Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

12 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Der von der zweitrevisionswerbenden Partei (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) geltend gemachte Aufwandersatz war nicht zuzuerkennen, weil nach § 47 Abs. 4 VwGG unter anderem in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG für den Revisionswerber kein Anspruch auf Aufwandersatz besteht.

Wien, am 20. April 2016

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