VwGH Ra 2014/01/0205

VwGHRa 2014/01/020526.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer, Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision des Y A in Z, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 2014, Zl. W168 1433188-1/5E, betreffend §§ 3 und 8 Asylgesetz 2005, (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24;
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;
AVG §37;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24;
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 23. April 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2013 wies das Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) (I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (II.) ab und sprach gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 die Ausweisung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia aus (III.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG statt, behob den Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück.

Hiezu führte das Verwaltungsgericht aus, das Bundesasylamt habe zwar Ermittlungsschritte gesetzt und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Vorbringen des Revisionswerbers eingeholt, aber dennoch sei die Frage der behaupteten Zugehörigkeit des Revisionswerbers zur Minderheit der Galgale unbeantwortet geblieben. Die Schlüsse, die die Behörde aus der Anfragebeantwortung gezogen habe, würden einer nachprüfenden Kontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht nicht standhalten. Die Ermittlungen seien lückenhaft, die Beweiswürdigung unschlüssig. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Behörde festgestellt habe, dass der Revisionswerber "aus dem Süden Somalias, vermutlich aus Mogadishu" stamme. Es sei nicht klar, wie die Behörde zur Feststellung käme, dass die Angehörigen des Revisionswerbers weiterhin in Somalia leben würden, obwohl er doch angegeben habe, einer Minderheit aus Jowhar anzugehören und keinen Kontakt zu seinen Angehörigen zu haben. Die Behörde habe keine Abklärungen zum Vorbringen, dass der Revisionswerber diskriminiert und durch Al-Shabaab bedroht worden sei, gemacht. Die Behörde habe nicht ausreichend einzelfallbezogen nachgefragt bzw. keine landesspezifischen Abklärungen getroffen. Die Familienverhältnisse seien aktenwidrig festgestellt worden.

Eine mündliche Verhandlung habe nach § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen können.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision führt zur Zulässigkeit gemäß § 28 Abs. 3 VwGG aus, das Verwaltungsgericht habe durch seine Entscheidung, die Sache an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen, seine meritorische Entscheidungspflicht verletzt. Das Verwaltungsgericht sei dabei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063) abgewichen. Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht erfüllt.

Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

Gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt seit seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, zu § 28 VwGVG - unter Hinweis auf die einschlägigen Gesetzesmaterialien - die Auffassung, dass in dieser Bestimmung ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (vgl. aus der hg. Rechtsprechung das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2015, Zl. Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. aus der hg. Rechtsprechung das hg. Erkenntnis vom 12. November 2014, Zl. Ra 2014/20/0029, mwN).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor:

Das Bundesasylamt hat im vorliegenden Fall eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner Zugehörigkeit zu den Galgale, zu seinem Herkunftsort, zu Gegebenheiten in der behaupteten Herkunftsregion sowie zu Modalitäten der behaupteten Ausreise aus Somalia eingeholt und den Revisionswerber dazu ergänzend einvernommen.

Damit ist nicht ersichtlich, dass die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt, oder bloß ansatzweise ermittelt hat, oder dass sie (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Soweit sich das Verwaltungsgericht darauf beruft, dass es nur eine nachprüfende Kontrolle habe, ist auf den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte zu verweisen.

Wenn das Verwaltungsgericht darauf verweist, dass die aus der Anfragebeantwortung gezogenen Schlüsse einer Nachprüfung nicht standhielten, die Beweiswürdigung unschlüssig sei und Feststellungen des Bundesasylamtes mit dem Vorbringen des Revisionswerbers nicht in Einklang zu bringen bzw. aktenwidrig seien, so werden damit keine Ermittlungslücken im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung, sondern Mängel der Beweiswürdigung angesprochen, auf die eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht gestützt werden kann.

Soweit des Verwaltungsgericht die Zurückverweisung damit begründete, die Feststellungen der Verwaltungsbehörde wären unzureichend, ist zu erwidern, dass das Verwaltungsgericht in diesem Fall im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte weiter ermitteln und das Ergebnis dieser Ermittlungen einer meritorischen Entscheidung zu Grunde legen müssen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 12. November 2014, Zl. Ra 2014/20/0029, mwN).

Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Da der Revisionswerber von der Entrichtung der Eingabegebühr befreit wurde, war das den Ersatz dieser Gebühr betreffende Mehrbegehren abzuweisen.

Wien, am 26. Mai 2015

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