VwGH Ro 2014/01/0030

VwGHRo 2014/01/003020.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision der G S in W, vertreten durch Dr. Ulla Gräfin von Deym, Rechtsanwältin in 1020 Wien, Praterstraße 68, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 8. Juli 2013, Zl. MA 35/IV - S 72/2012, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
StbG 1985 §17 Abs3;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 8. Juli 2013 wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 Abs. 1 ff und 12 Z 3 iVm § 17 Abs. 3 und § 10a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.

2 Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe im Zuge des Ermittlungsverfahrens angegeben, an einer erheblichen Behinderung iSd § 17 Abs. 3 StbG zu leiden, sodass ihre Volljährigkeit der Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 12 Z 3 StbG nicht entgegenstünde. Als Nachweis dafür sei kraft gesetzlicher Normierung ein Zeugnis eines inländischen Amtsarztes erforderlich. Ein solches habe mangels Mitwirkung der Revisionswerberin aber nicht erstellt werden können. So sei die Revisionswerberin weder zum amtsärztlichen Untersuchungstermin am 3. August 2012 noch zum Termin am 9. November 2012 erschienen. Erst der Ladung zum amtsärztlichen Untersuchungstermin am 5. Dezember 2012 habe die Revisionswerberin Folge geleistet. Im Rahmen dieser Untersuchung sei eine weitere Begutachtung durch einen Facharzt für erforderlich erachtet worden. Zu der für den 15. Februar 2013 vereinbarten fachärztlichen Zusatzbegutachtung sei die Revisionswerberin jedoch erneut nicht erschienen. Auch den Ersatztermin am 10. April 2013 habe sie nicht eingehalten. Mit Schreiben vom 19. April 2013 sei dem bevollmächtigten Vertreter der Revisionswerberin mitgeteilt worden, dass mangels Mitwirkung der Revisionswerberin das gesetzlich geforderte Zeugnis des inländischen Amtsarztes zum Nachweis der erheblichen Behinderung nicht erstellt werden könne und wurde dazu Parteiengehör gewährt. In seiner Stellungnahme vom 6. Juni 2013 habe der bevollmächtigte Vertreter der Revisionswerberin lediglich mitgeteilt, dass sich diese wegen dringlicher behördlicher Notwendigkeiten im Februar 2013 nach Süditalien begeben und sich seither nicht mehr gemeldet habe. Da sich die Revisionswerberin nach ihren eigenen Angaben erst seit Februar 2012 im Bundesgebiet aufgehalte, erfülle sie auch keinen anderen Einbürgerungstatbestand.

3 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. Juni 2014, B 1044/2013-11, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat. In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, es sei nicht willkürlich, anzunehmen, dass eine mehrfach nicht wahrgenommene Vorladung zur amtsärztlichen Untersuchung den gemäß § 17 Abs. 3 StbG erforderlichen amtsärztlichen Nachweis aus der Revisionswerberin zurechenbaren Gründen verhindere.

4 Die Revisionswerberin brachte nach Aufforderung eine Verbesserung in Form einer Revision nach § 4 VwGbk-ÜG ein.

5 Das Verwaltungsgericht Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

6 Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Vorauszuschicken ist, dass in sinngemäßer Anwendung des § 4 VwGbk-ÜG vorzugehen ist, wenn der VfGH - wie im vorliegenden Fall - eine Bescheidbeschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung nach Ablauf des 31. Dezember 2013 an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, sodass die Beschwerde als Revision gilt und für deren Behandlung nach § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (abgesehen von der nicht in Betracht kommenden Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG) sinngemäß anzuwenden sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2015, Ro 2014/01/0035).

8 Das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2013 (StbG), lautet auszugsweise:

"§ 12. Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er

(...)

3. die Staatsbürgerschaft nach § 17 durch Erstreckung der Verleihung nur deshalb nicht erwerben kann, weil der hierfür maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) bereits Staatsbürger ist

(...).

(...)

§ 17. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Voraussetzungen der §§ 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 sowie 16 Abs. 1 Z 2 zu erstrecken auf

(...)

4. die Wahlkinder des Fremden,

sofern die Kinder minderjährig, ledig und nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach §§ 32 oder 33 Fremde sind.

(...)

(3) Die Voraussetzung der Minderjährigkeit entfällt bei einem behinderten Kind, wenn die Behinderung erheblich ist und das Kind mit dem für die Erstreckung der Verleihung maßgebenden Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt oder diesem die Sorgepflicht für das Kind obliegt und er seiner Unterhaltspflicht nachkommt. Als erheblich behindert im Sinne dieser Bestimmung gelten Personen, die infolge eines Leidens oder Gebrechens in ihrer körperlichen oder geistigen Fähigkeit so wesentlich beeinträchtigt sind, dass sie einer besonderen Pflege oder eines besonderen Unterhaltsaufwandes bedürfen und voraussichtlich dauernd nicht fähig sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die erhebliche Behinderung ist durch ein Zeugnis eines inländischen Amtsarztes nachzuweisen.

(...)"

9 Der belangten Behörde ist nicht entgegen zu treten, wenn sie im angefochtenen Bescheid zur Auffassung gelangt, dass eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die volljährige Revisionswerberin schon deshalb nicht in Betracht komme, weil eine erhebliche Behinderung im Sinne des § 17 Abs. 3 StbG nicht durch ein amtsärztliches Zeugnis nachgewiesen worden sei.

10 Soweit in der Revision gerügt wird, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und das Vorbringen der Revisionswerberin zu ihrer Behinderung und ihrem psychischen Gesundheitszustand nicht entsprechend gewürdigt, wird damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids nicht aufgezeigt.

11 Nach § 17 Abs. 3 letzter Satz StbG ist die erhebliche Behinderung durch das Zeugnis eines inländischen Amtsarztes nachzuweisen. Dies beseitigt bei der Feststellung der erheblichen Behinderung die Unbeschränktheit der Beweismittel und schränkt die freie Beweiswürdigung der Behörde ein (vgl. dazu Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II (1990), 249). Eine Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit der Angaben der Revisionswerberin zu ihrer Beeinträchtigung ist folglich gesetzlich nicht vorgesehen.

12 Da für die Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens die Mitwirkung des Fremden zwingend erforderlich ist (vgl. zur Mitwirkungspflicht nach § 4 StbG etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2014, 2013/10/0151), kann der belangten Behörde kein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorgeworfen werden. Die Revisionswerberin ist den fachärztlichen Untersuchungsterminen ferngeblieben und hat auch nicht in Aussicht gestellt, wann die Begutachtung durchgeführt werden könnte. In Ermangelung dieser Expertise konnte der Amtsarzt kein Zeugnis über die behauptete Behinderung ausstellen. Die Unmöglichkeit der (positiven) Feststellung der anspruchsbegründenden Tatsachen geht zu Lasten der Revisionswerberin.

13 Auch mit dem Vorbringen, die belangte Behörde sei ihrer Manuduktionspflicht nicht nachgekommen, wird kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt. Die Revisionswerberin behauptet nicht, dass die belangte Behörde sie nicht auf die Erforderlichkeit der fachärztlichen Untersuchung zur Erstellung des amtsärztlichen Zeugnisses hingewiesen hätte. Vielmehr bringt die Revisionswerberin vor, die belangte Behörde hätte sie zur Vorlage weiterer Unterlagen und Beweismittel auffordern müssen. Mit diesem Vorbringen wird ein Verfahrensfehler aber schon deshalb nicht aufgezeigt, weil gemäß § 17 Abs. 3 StbG der Nachweis einer erheblichen Behinderung nur durch das Zeugnis eines inländischen Amtsarztes erbracht werden kann.

14 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG iVm § 4 VwGbk-ÜG als unbegründet abzuweisen.

15 Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2014, Ro 2014/01/0016).

16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz für die Aktenvorlage gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Aufwandersatzverordnung 2008 (vgl. § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG iVm § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am 20. Dezember 2016

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