Normen
AVG §56;
BauO NÖ 1996 §23;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §37 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §56;
BauO NÖ 1996 §23;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §37 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Beschwerdeführer ist Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 2356, KG. B. Mit am 15. Juni 2012 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingelangtem Ansuchen vom 14. Juni 2012 beantragte der Beschwerdeführer die Feststellung, dass die Wohnung Top 5 zur Nutzung als Wohnung gemäß dem angeschlossenen - im Verwaltungsakt nicht (mehr) aufliegenden - Plan baubewilligt worden sei. Begründend führte er aus, er habe die Wohnung 1993 gekauft, sie stehe in seinem Wohnungseigentum. Im Kaufvertrag aus dem Jahr 1993 werde festgehalten, dass auf Grund der Bescheinigung der mitbeteiligten Marktgemeinde auf der besagten Liegenschaft fünf selbstständige Räumlichkeiten bestünden, die gemäß den baubehördlich genehmigten Plänen selbstständige Einheiten bildeten. Auch im Bauakt fänden sich Indizien dafür, dass eine Baubewilligung für die Nutzung als Wohnung erteilt worden sei. So ergebe sich aus Verhandlungsprotokollen aus den Jahren 1981/1982, dass gegen die Erteilung der Baubewilligung für die Vergrößerung des bestehenden Betriebs- und Wohnobjektes keine Bedenken bestanden hätten. Die Mehrheitseigentümerin der Liegenschaft habe Mag. S. mit der Erstellung eines Nutzwertgutachtens für die Begründung von Wohnungseigentum beauftragt. Darin heiße es, dass dem Nutzwertgutachten die von der Baubehörde genehmigten Pläne zugrunde lägen und zwei Wohnungen (u.a. die verfahrensgegenständliche Top 5) als baubewilligt begutachtet worden seien. Daraufhin habe die mitbeteiligte Marktgemeinde "die § 12-Bestätigung" ausgestellt, womit bestätigt worden sei, dass entsprechend dem genannten Nutzwertgutachten auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft fünf selbstständige Räumlichkeiten ausgewiesen seien. Zudem habe die mitbeteiligte Marktgemeinde in ihrem Schreiben vom 15. Juni 2005 selbst angeführt, dass die Baubewilligung für die Wohnung offenbar erteilt worden sei. Nebenbei werde bemerkt, dass im gesamten Areal auf Grund der Widmung Bauland-Betriebsgebiet eine Baubewilligung für die Nutzung als Wohnung seit den Sechzigerjahren nicht zulässig sei. Die Behörde habe aber jahrzehntelang Genehmigungen für die Nutzung als Wohnungen ausgestellt, zumal in diesem Areal zahlreiche Personen wohnten, wobei es in manchen Häusern keine Betriebe gebe.
2 Der Feststellungsbescheid sei für den Beschwerdeführer die einzige Möglichkeit, die vormals erteilte Baubewilligung, die aus dem Akt verschwunden sei, zu sanieren. Der Beschwerdeführer habe auf Grund der "fehlerhaften" Bewilligung, die vorgelegen sei, die in Rede stehende Wohnung gekauft. Die mitbeteiligte Marktgemeinde habe mit der Ausstellung der § 12-Bestätigung an der Täuschung des Beschwerdeführers mitgewirkt, es läge eine Baubewilligung für eine Wohnung vor. Die andere Wohnungseigentümerin im Objekt habe ihn bei der mitbeteiligten Marktgemeinde angezeigt und versuche nun, ihm das ihm eingeräumte Recht zu nehmen. Der Feststellungsbescheid sei auch die einzige Möglichkeit, sich gegen den Missbrauch durch die Miteigentümerin zu wehren.
3 In einem ergänzenden Schreiben des Beschwerdeführers vom 22. Juni 2012 an die mitbeteiligte Marktgemeinde verwies er weiters auf einen Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom April 2006 und auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes vom Mai 2007, nach deren Ausführungen betreffend die Wohnung Top 5 die dargestellte Widmung "der bau- und gewerberechtlichen Widmung" dieses Objektes entspreche.
4 Mit Bescheid vom 10. Juli 2012 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Antrag gemäß §§ 18 sowie 56 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG in Verbindung mit § 23 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (im Folgenden: BO) als unzulässig zurück. Er führte im Wesentlichen aus, dass gemäß § 23 BO für ein Gebäude eine Bewilligungspflicht nach der BO gegeben sei, wobei in einem derartigen Bescheid auch festzulegen sei, für welchen Zweck ein Gebäude bzw. Gebäudeteil errichtet worden sei. Liege eine Baubewilligung nicht vor, so wäre diese nachzuholen. Wenn es um die Frage gehe, ob zwischen der erteilten Baubewilligung und dem konkret errichteten Gebäude eine Divergenz bestehe, käme ein baubehördliches Auftragsverfahren zum Tragen. An Hand der vorliegenden Bescheide könne geprüft werden, welche Bewilligung wofür erteilt worden sei. Daher könne schon vom Ansatz her ein Feststellungsbescheid gar nicht zum Tragen kommen.
5 Mit Bescheid vom 10. September 2012 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Die Berufungsbehörde teilte die Ansicht der erstinstanzlichen Behörde. Für die Erlassung eines Feststellungbescheides sei im vorliegenden Fall kein Raum. Die Einholung der beantragten Beweise sei nicht erforderlich gewesen, weil auch dann, wenn alle Angaben nachgewiesen seien, kein Feststellungsbescheid zu erlassen wäre. Die BO sehe keinen Feststellungsbescheid vor, sondern einen Rechtsgestaltungsbescheid für die Baubewilligung oder einen Leistungsbescheid für die Behebung von Bauordnungswidrigkeiten.
6 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Niederösterreichische Landesregierung (im Folgenden: Landesregierung) die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Begründend wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens, von Rechtsvorschriften und von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Wesentlichen ausgeführt, im gegenständlichen Fall sei ein Feststellungsbescheid nicht das notwendige letzte und einzige Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung. Die Frage, ob für das gegenständliche Objekt eine Baubewilligung erteilt worden sei, könne im Rahmen eines baupolizeilichen Auftragsverfahrens geklärt werden. Die Berufungsbehörde habe daher zu Recht die diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers abgewiesen.
7 Im Übrigen verwies die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 97/06/0168, in welchem der Verwaltungsgerichtshof festgestellt habe, der Umstand, dass weder in den Akten des Verwaltungsverfahrens noch sonst bei der Gemeinde eine Baugenehmigung aufgefunden worden sei, bedeute noch nicht, dass es keine gebe. Aber auch wenn sich diesbezüglich nichts feststellen ließe, würde das Fehlen eines entsprechenden Feststellungsbescheides nicht bedeuten, dass (schon deshalb) von der Konsenslosigkeit des gesamten Gebäudes auszugehen wäre; vielmehr wären gerade deshalb, weil es an einem derartigen bescheidmäßigen Abspruch mangelte, die Gemeindebehörden verhalten, diese Frage (als Vorfrage) im Rahmen des Abbruchverfahrens zu prüfen.
8 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
9 Die Landesregierung hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Marktgemeinde - in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Gemäß § 79 Abs. 11 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 sind auf das vorliegende, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden.
12 Im vorliegenden Beschwerdefall kommt die BO, LGBl 8200-0, in der Fassung LGBl. 8200-20 zur Anwendung.
Die maßgeblichen Bestimmungen der BO lauten auszugsweise:
"§ 23 Baubewilligung
(1) Die Baubehörde hat über einen Antrag auf Baubewilligung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.
Eine Baubewilligung ist zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 7 angeführten Bestimmungen besteht.
Bei gewerblichen Betriebsanlagen gilt § 20 Abs. 1, letzter Satz, sinngemäß. Liegt ein Widerspruch vor, ist die Baubewilligung zu versagen. Die Baubewilligung umfaßt das Recht zur Ausführung des Bauwerks und dessen Benützung nach Fertigstellung, wenn eine Bescheinigung nach § 30 Abs. 2 Z. 3 vorgelegt wird. ...."
"§ 35 Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag
...
(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn
...
3. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und
o das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder o der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung
erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Fristen ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.
...
(3) Wenn es zur Vermeidung von Gefahren für Menschen und Sachen oder von unzumutbaren Belästigungen notwendig ist, hat die Baubehörde die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der Anzeige (§ 15) zu ersehenden Verwendungszweck mit Bescheid zu verbieten."
"§ 37 Verwaltungsübertretungen
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, sofern ... , wer
1. ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (§14) ohne
rechtskräftige Baubewilligung ausführt oder ausführen läßt oder ein so errichtetes oder abgeändertes Bauwerk benützt,
...
(2) Übertretungen nach
1. Abs. 1 Z. 1, 5 und 10 sind mit einer Geldstrafe von EUR 365,- bis zu EUR 7.300,-, zugleich für den Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 2 Wochen,
...
zu bestrafen.
..."
13 Der Beschwerdeführer bringt vor, dass der gegenständlich begehrte Feststellungsbescheid die einzige Möglichkeit sei, die vormals erteilte Bewilligung, welche offensichtlich aus dem Akt verschwunden sei, zu sanieren. Die Baubewilligung könne nun nicht mehr erteilt werden, weil die erforderliche Widmung nicht gegeben sei. Es sei denkunmöglich, dass der Beschwerdeführer mit einem baupolizeilichen Verfahren seine Rechte wahren könne. Die beantragte Nutzwertfestsetzung erfolge gemäß dem "WEG 2002" auf Grund der Baubewilligung. Wenn diese für die Top 5 nicht vorgelegt werde, werde das Wohnungseigentum bei der drohenden Neufestsetzung für diese Top "verschwinden". Dadurch drohe dem Beschwerdeführer ein erheblicher Schaden, weil er das Wohnungseigentum an der Top 5 verlieren würde. Der gegenständliche Feststellungsbescheid sei daher die einzige Möglichkeit "diese Entfernung" der Baubewilligung zu sanieren. Eine Bewilligung für eine Wohnung könne nicht mehr erteilt werden, weshalb die Erlassung des begehrten Bescheides zur Rechtssicherheit erforderlich sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
14 Gesetzlich ist ein Feststellungsbescheid für die Frage des Bestehens eines baurechtlichen Konsenses nicht ausdrücklich vorgesehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides, wenn er im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, dann zulässig, wenn dessen Erlassung im öffentlichen Interesse oder insofern im Interesse der Partei liegt, als dies für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Ein rechtliches Interesse einer Partei an einer bescheidmäßigen Feststellung ist also dann gegeben, wenn der Feststellungsbescheid für die Partei ein geeignetes Mittel zur Beseitigung aktueller oder zukünftiger Rechtsgefährdung ist. Der Feststellung muss somit in concreto die Eignung zukommen, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch die Gefährdung eines subjektiven Rechtes des Antragstellers zu beseitigen. Unzulässig ist ein Feststellungsbescheid insbesondere dann, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 2. August 2016, Zl. Ro 2014/05/0017, mwN).
15 Die Rechtsprechung zum Feststellungsbescheid lässt somit erkennen, dass diese Bescheidform lediglich einen subsidiären Rechtsbehelf darstellt, der nur zur Anwendung kommen kann, wenn andere Möglichkeiten, die maßgebende Rechtsfrage zu klären, nicht vorhanden oder nicht zumutbar sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2011, Zl. 2008/05/0200, mwN).
16 Der Beschwerdeführer hat im Verfahren unter Vorlage zahlreicher Beweismittel behauptet, es sei eine Baubewilligung zur Nutzung der in Rede stehenden Top 5 als Wohnung erteilt worden, welche allerdings in Verstoß geraten sei. Er verfolgt mit seinem Feststellungsantrag die Klarstellung seines Rechtes, die betreffende Top 5 als Wohnung benützen zu dürfen, für die Zukunft. Dem Beschwerdeführer ist daher ein rechtliches Interesse an der Klärung der Frage zuzubilligen, ob die in seinem Wohnungseigentum stehende Top 5 baurechtlich zur Nutzung als Wohnung bewilligt wurde (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 17. April 2012, Zl. 2009/05/0313. mwN). Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer auf Grund der zum Zeitpunkt seines Feststellungsantrages ungeklärten Rechtslage der Gefahr der Bestrafung (vgl. § 37 Abs. 1 Z 1 BO) ausgesetzt war (vgl. das Erkenntnis vom 24. Oktober 2013, Zl. 2010/07/0171, mwN).
17 Im Rahmen eines baupolizeilichen Auftragsverfahrens - worauf die Landesregierung im angefochtenen Bescheid verwiesen hatte - wäre zwar (auch) die Frage zu klären, ob für ein Bauwerk ein entsprechender Konsens vorliegt. Im Beschwerdefall stellt ein baupolizeiliches Auftragsverfahren für den Beschwerdeführer aber keine andere Möglichkeit zur Klärung der strittigen Frage, ob für die Top 5 ein Konsens zur Wohnnutzung besteht, dar, weil ein solches Verfahren im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Feststellungsantrag unstrittig nicht anhängig war.
18 Indem die Landesregierung die Zulässigkeit des vom Beschwerdeführer gestellten Feststellungsantrages somit zu Unrecht verneint hatte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
19 Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008
Wien, am 13. Dezember 2016
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