VwGH 97/06/0168

VwGH97/06/016817.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der C D und des H D, beide in R, vertreten durch D, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. Juni 1997, Zl. Ve1-550-2495/1-2, betreffend einen Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Reith bei Seefeld, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §56;
BauO Tir 1989 §40;
BauO Tir 1989 §44;
BauRallg;
AVG §38;
AVG §56;
BauO Tir 1989 §40;
BauO Tir 1989 §44;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bei einer am 24. Mai 1995 beim verfahrensgegenständlichen Gebäude der Beschwerdeführer durchgeführten Baukontrolle stellte der Amtssachverständige fest, es würden zur Zeit Bauarbeiten im Dachgeschoß durchgeführt, welche baubehördlich genehmigungspflichtig seien, obwohl hiefür keine Genehmigung vorliege. Es handle sich dabei um den Ausbau von zwei Dachgaupen, welche der Unterbringung von Wohn- und Aufenthaltsräumen dienten. Soweit beschwerdeerheblich, heißt es dann in dem hierüber aufgenommenen Aktenvermerk vom selben Tag weiter, hinsichtlich des Gebäudes gebe es bei der Gemeinde keinen Bauakt, somit auch keine Baupläne und keinen Baubescheid. Das Gebäude mit den Nebenanlagen sei nachweislich schon vor 1984 errichtet worden, sodaß eine Flächenwidmungsplanänderung nicht erforderlich sei, jedoch sei aufgrund des Bestandes ein Feststellungsbescheid zu erlassen. Diesem seien Bestandpläne des ursprünglichen Gebäudes zugrundezulegen, weil hiefür "vermuteter Baukonsens" vorliege. Für alle seit dem Jahr 1984 vorgenommenen Um- und Ausbauarbeiten sei nachträglich um baubehördliche Genehmigung anzusuchen. Die Bauarbeiten seien bis dahin baubehördlich einzustellen. Sollte der Bauwerber nicht innerhalb der Frist von einem Monat ein Bauansuchen einbringen, so sei gemäß § 44 TBO vorzugehen.

Mit Bescheid vom 29. Mai 1995 untersagte der Bürgermeister den Beschwerdeführern gemäß § 40 Abs. 2 TBO die Fortsetzung der Um- und Ausbauarbeiten ab sofort (dabei wird auf die Überprüfung vom 24. Mai 1995 verwiesen).

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13. Juni 1995 Berufung, zu welcher der Amtssachverständige am 6. Juli 1995 Stellung nahm.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 1995 trug der Bürgermeister den Beschwerdeführern unter Hinweis auf "Um- und Ausbauarbeiten des Dachgeschosses" des fraglichen Gebäudes, hinsichtlich derer trotz "Aufforderung" (Hinweis auf den Bescheid vom 29. Mai 1995) kein Bauansuchen eingebracht worden sei, auf, "die vorangeführten, nicht genehmigten baulichen Maßnahmen innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Zustellung dieses Bescheides rückzubauen bzw.

abzutragen".

Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid mit

Schriftsatz vom 12. Jänner 1996 Berufung.

Hierauf wurde ihnen die Stellungnahme des Amtssachverständigen

vom 6. Juli 1995 zur Kenntnis übermittelt, zu welcher sich die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 5. Februar "1988" (richtig wohl: 1996) äußerten. Sie beantragten, beide erstinstanzlichen Bescheide aufzuheben.

Mit Bescheid vom 11. April 1996 wurde die Berufung gegen den Bescheid vom 29. Mai 1995 als unbegründet abgewiesen.

Hierauf erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung gegen die Bescheide vom 29. Mai 1995 und vom 11. April 1996. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. August 1996 wurde die Vorstellung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 29. Mai 1995 als unzulässig zurückgewiesen und gegen den Berufungsbescheid vom 11. April 1996 als unbegründet abgewiesen. Diesbezüglich teilte die Vorstellungsbehörde die Beurteilung der Gemeindebehörden, daß es sich um baubehördlich bewilligungspflichtige Maßnahmen handle, für welche eine Baubewilligung nicht vorliege.

Im weiteren Verfahren vor der Gemeinde erstattete der Amtssachverständige eine neuerliche Stellungnahme vom 25. Oktober 1996. Unter Hinweis auf den Aktenvermerk vom 24. Mai 1995 und seine Stellungnahme vom 6. Juli 1995 führte er aus, daraus gehe "eindeutig hervor", daß im Zuge der Um- und Ausbauarbeiten beim bestehenden Gebäude zwei Dachgaupen nachträglich errichtet worden seien. Diese seien bewilligungspflichtig. Um den ursprünglichen Zustand wiederum herzustellen, seien die Dachgaupen abzutragen und es sei die damit entstehende Öffnung auf Dachgleiche des Bestandsgebäudes wiederum zu verschließen. Da sodann die für Aufenthaltsräume erforderliche lichte Raumhöhe fehle, sei der ursprüngliche Verwendungszweck wiederum vorzusehen. Nähere Ausführungen hiezu ließen sich vom Sachverständigen deshalb nicht machen, weil es für das Gebäude keinen Bauakt gebe und somit auch keine ursprünglich genehmigten Baupläne und keinen Baubewilligungsbescheid.

Mit Berufungsbescheid vom 11. November 1996 wurde der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vom 12. Dezember 1995 dahin ergänzt, daß die beiden Dachgaupen abzutragen und die dadurch entstehende Öffnung auf Dachgleiche des Bestandsgebäudes zu verschließen sei. Nach Abtragung der Dachgaupen seien in den darunterliegenden Räumen zu geringe Raumhöhen für den Aufenthalt von Personen gegeben. Diese Räume seien der ursprünglichen Nutzung zuzuführen und keinesfalls weiter für den Aufenthalt von Personen zu verwenden.

Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, folgte dabei die Berufungsbehörde vor allem der Beurteilung des Amtssachverständigen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, in der sie unter anderem bemängelten, die von den Gemeindebehörden angenommenen Bauarbeiten seien ganz unzureichend beschrieben worden, entgegen der Annahme der Gemeindebehörden und der Sachverständigen entsprächen die derzeit vorhandenen Gaupen dem seinerzeitigen Bestand und seien lediglich saniert worden, der Berufungsbescheid tausche den Entscheidungsgegenstand aus, und überhaupt hätten die Gemeindebehörden keine Feststellungen zur Frage getroffen, daß und in welchem Umfang das Gebäude genehmigt sei, sie hätten sich somit nicht mit der Frage befaßt, von welchem Baukonsens und der damit gegebenen Baugenehmigungen bei welchem Bestand auszugehen seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges zusammengefaßt aus, sie habe bereits im Vorstellungsbescheid vom 20. August 1996 näher dargelegt, weshalb vorliegendenfalls jedenfalls davon auszugehen sei, daß es sich bei den von den Beschwerdeführern gesetzten Maßnahmen, nämlich beim Ausbau des Dachgeschosses, insbesondere der Errichtung von zwei Dachgaupen, eindeutig um Maßnahmen handle, durch welche das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes beeinflußt werde, die somit gemäß § 25 lit. b TBO baubewilligungspflichtig seien. Eine Baubewilligung liege aber nicht vor, weshalb zu Recht die Bestimmung des § 44 Abs. 3 lit. a TBO angewendet worden sei. Dem Einwand der Beschwerdeführer, daß sich im gegenständlichen Gebäude bereits früher Dachgaupen befunden hätten, sei folgendes zu entgegnen: aus dem Gemeindeakt ergebe sich eindeutig, daß für das gesamte Gebäude keine Baugenehmigung vorliege und ebensowenig ein Feststellungsbescheid erlassen worden sei, wonach von einem vermuteten Baukonsens für das Gebäude auszugehen wäre. Es sei daher, wie bereits im Vorstellungsbescheid vom 20. August 1996 angeführt worden sei, das gesamte Gebäude als konsenslos anzusehen. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, es habe sich lediglich um Sanierungsmaßnahmen gehandelt, vermöge daran nichts zu ändern.

Dem Einwand der Beschwerdeführer, die Berufungsbehörde habe ihnen die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 26. Oktober 1996 nicht zur Kenntnis gebracht, sei entgegenzuhalten, daß diese Stellungnahme hinsichtlich des maßgebenden Sachverhaltes wie hinsichtlich "der Tatsachenelemente und Ermittlungsergebnisse" auf den beim Augenschein am 24. Mai 1995 festgestellten Sachverhalt verweise, enthalte somit keine neuen, maßgebenden Sachverhaltselemente. Zu dem am 24. Mai 1995 festgestellten Sachverhalt sei den Beschwerdeführern aber Parteiengehör gewährt worden.

Auch habe die Berufungsbehörde nicht den Entscheidungsgegenstand ausgetauscht, weil bereits im erstinstanzlichen Bescheid der Rückbau bzw. Abbruch sämtlicher nicht bewilligter Um- und Ausbauarbeiten im Dachgeschoß des Gebäudes gemäß § 44 Abs. 3 TBO verfügt worden sei. Dieser Auftrag sei von der Berufungsbehörde zulässigerweise ergänzt worden (wird näher ausgeführt).

Zum Einwand der Beschwerdeführer, das Verfahren sei mangelhaft und unvollständig geblieben, zumal keinerlei Feststellungen dahingehend getroffen worden seien, in welchem Umfang das Objekt baurechtlich genehmigt sei, und auch die Feststellung fehle, von welchem Baukonsens und der damit bestehenden Baugenehmigung bei welchem Bestand auszugehen sei, sei festzuhalten, "daß ein derartiger Feststellungsbescheid nicht Gegenstand des gegenständlichen Verfahrens" sei und daher eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer diesbezüglich geradezu denkunmöglich sei.

Da der Berufungsbescheid vom 11. November 1996 konkret anführe, daß die beiden Dachgaupen abzutragen und die dadurch entstehende Öffnung auf Dachgleiche des Bestandgebäudes zu verschließen sei und darüber hinaus verfügt werde, daß die unter der nunmehrigen Dachgaupen liegenden Räume nach Abtragung der Gaupen ihrer ursprünglichen Nutzung zuzuführen seien, sei entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer "sehr konkret festgestellt" worden, welche Maßnahme von den Beschwerdeführern gesetzt worden seien, ohne die dafür notwendige Bewilligung einzuholen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer sind mit ihrer Auffassung im Recht, daß das Verfahren mangelhaft geblieben ist. Davon ganz abgesehen, daß eine Vorgangsweise nach § 44 TBO eine abgeschlossene Bauführung voraussetzt und bei im Zuge befindlichen Bauarbeiten nach § 40 Abs. 2 TBO vorzugehen ist (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 1990, Zl. 89/06/0046, und vom 19. September 1991, Zl. 90/06/0023), war vorliegendenfalls die Klärung der Frage, von welchem Baukonsens auszugehen sei, nicht entbehrlich. Aufgetragen wurde nämlich die Wiederherstellung eines (aufgrund der Stellungnahme des Sachverständigen vom 25. Oktober 1996, zu welcher Parteiengehör nicht gewährt wurde) - angenommenen - früheren Zustandes. Es mangelt aber an Verfahrensergebnissen zur Beurteilung der Frage, ob dieser angenommene frührere Zustand dem konsentierten (oder als konsentiert zu geltenden) Zustand entspricht. Diesen Mangel haben die Beschwerdeführer zutreffend aufgezeigt; die belangte Behörde hat ihr diesbezügliches Vorbringen gänzlich mißverstanden: es geht hier nicht um die Erlassung eines entsprechenden Feststellungsbescheides, sondern um die Klärung der Frage, von welchem Baukonsens auszugehen ist. Sofern die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertritt, aus dem Gemeindeakt ergebe sich eindeutig, daß für das gesamte Gebäude keine Baugenehmigung vorliege und ebensowenig ein Feststellungsbescheid erlassen worden sei, wonach von einem vermuteten Baukonsens für das Gebäude auszugehen wäre, weshalb daher das gesamte Gebäude als ohne Baugenehmigung anzusehen sei, ist diese Auffassung jedenfalls in dieser Form unzutreffend. Zunächst bedeutet der Umstand, daß weder in den Akten dieses Verwaltungsverfahrens noch sonst bei der Gemeinde eine Baugenehmigung aufgefunden wurde, noch nicht, daß es keine gibt. Aber auch dann, wenn sich diesbezüglich nichts feststellen ließe (entsprechende Anstrengungen sind allerdings nicht aktenkundig), würde das Fehlen eines entsprechenden Feststellungsbescheides nicht bedeuten, daß (schon deshalb) von der Konsenslosigkeit des gesamten Gebäudes auszugehen wäre; vielmehr wären gerade deshalb, weil es an einem derartigen bescheidmäßigen Abspruch mangelt, die Gemeindebehörden verhalten gewesen, diese Frage (als Vorfrage) im Rahmen dieses Verfahrens zu prüfen (zur Frage des "vermuteten Konsenses" siehe die in Hauer, Tiroler Baurecht2, zu § 44 TBO wiedergegebene hg. Judikatur).

Dadurch, daß die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie (schon deshalb) den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung betrifft (wohl versehentlich) überhöht verzeichnete Stempelgebühren.

Wien, am 17. Dezember 1998

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