VwGH 2008/05/0200

VwGH2008/05/020015.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1.) des K M, 2.) der J M, beide in M, und vertreten durch Dr. Edith Egger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Gänsbacherstraße 6/I, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. August 2008, Zl. RU1-BR-982/001-2008, betreffend Feststellungsbegehren in einer Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde M), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §56;
AVG §38;
AVG §56;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. Im Zug einer Kommunikation über die beabsichtigte Schaffung von Parkplätzen an der Westseite der H in M vor den Häusern Nr. 31 bis Nr. 45 verwies die mitbeteiligte Stadtgemeinde gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin auf den Baubewilligungsbescheid vom 15. Dezember 1927. Nach Punkt 2 dieses Bescheides seien die beschwerdeführenden Parteien als Rechtsnachfolger einer gemeinnützigen Kleingartensiedlungsgenossenschaft verpflichtet, über jederzeitiges Verlangen und auf eigene Kosten einen zwei Meter breiten, zu Vorgartenzwecken überlassenen Straßengrund zu räumen und die Einfriedung in die gesetzliche Baulinie zu versetzen. Punkt 2 dieses Bescheides lautet:

"2.) Die Ueberlassung eines 2'00 breiten Straßengrundes für Vorgartenzwecke erfolgt gegen einen noch festzulegenden Anerkennungszins, jedoch ist die Genossenschaft für sich und ihre Rechtsnachfolger verpflichtet, über jederzeitiges Verlangen auf eigene Kosten den Grund zu räumen und die Einfriedung in die gesetzliche Baulinie zu versetzen."

Daraufhin beantragten die beschwerdeführenden Parteien mit Schreiben vom 28. Juni 2007 die Erlassung eines Feststellungsbescheids mit dem Inhalt, dass die mitbeteiligte Stadtgemeinde ihnen gegenüber seit 1960 keinerlei Ansprüche aus dem Bescheid vom 15. Dezember 1927 gestellt hätte, dass die beschwerdeführenden Parteien für die Dauer von mehr als 40 Jahren den gutgläubigen uneingeschränkten Besitz an Genuss an der Liegenschaft EZ 3340, KG M, ausgeübt hätten, und dass die mitbeteiligte Stadtgemeinde ein allenfalls aus dem Bescheid ableitbares Recht nicht ausgeübt hätte; ferner, dass dieser Bescheid gegenüber den beschwerdeführenden Parteien und ihren Rechtsnachfolgern keinerlei Rechtswirkung entfalten könne, sowie dass sich aus diesen Tatsachen ergebende allfällige Berichtigungen von Vermessungs- und Katasterplänen oder Berichtungen des Grundbuchs zu Lasten der mitbeteiligten Stadtgemeinde gehen würden.

Da die Baubehörde erster Instanz ihrer Entscheidungspflicht nicht rechtzeitig nachkam, stellten die beschwerdeführenden Parteien mit Schreiben vom 14. Jänner 2008 einen Devolutionsantrag an den Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde.

B. Mit Bescheid vom 8. Mai 2008 gab der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Devolutionsbehörde dem Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Übergang der Entscheidungspflicht Folge, wies aber den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides als unzulässig zurück.

Ein Feststellungsbescheid sei dann unzulässig, wenn eine neuerliche Sachentscheidung in einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache beantragt würde, mit einem Feststellungsbescheid könne nicht die Auslegung eines rechtskräftigen Bescheides angestrebt werden, ferne sei ein Feststellungsbescheid auch in den Fällen unzulässig, in denen es sich um die Lösung einer Vorfrage handle, die in einem anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahren zu entscheiden sei; eben deshalb sei hinsichtlich der Vollstreckbarkeit der verfahrensgegenständlichen Auflage nach dem Bescheid aus 1927 auf ein allfällig durchzuführendes Verwaltungsvollstreckungsverfahren zu verweisen. Die Frage der Kostentragungspflicht aus einer allfälligen Berichtigung von Vermessungs- und Katasterplänen sowie aus einer allfälligen Berichtung des Grundbuches sei nicht in einem Verwaltungsverfahren zu klären, gleiches gelte für die Geltendmachung von Ersitzungsansprüchen.

C. In der dagegen erhobenen Vorstellung wurde eingewendet, der Bescheid vom 15. Dezember 1927 sei nicht geeignet, vollstreckt zu werden. Er weise die auch damals verlangten formalen Mindesterfordernisse für einen Bescheid nicht auf. Dem "Bescheid" mangle es an den formalen Voraussetzungen Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung. Von Seiten der beschwerdeführenden Partei könne zudem nicht eruiert werden, ob dieses Schriftstück jemals zugestellt worden sei. Bezüglich der im Bescheid getroffenen Festlegung, dass "die Überlassung eines 2,00, breiten Straßengrundes für Vorgartenzwecke" erfolge, könne wohl niemand ernsthaft behaupten, dass die Zahl '2,00' ohne weitere Maßbezeichnung für einen genau definierten Grünstreifen stehen könne. Es sei daher unrichtig, dieses als Bescheid bezeichnete Nullum als "rechtskräftig entschiedene Sache" zu qualifizieren. Unrichtig sei weiters, dass die jeweiligen Eigentümer des gegenständlichen Grundstücks mit Bescheid vom 15. Dezember 1997 rechtskräftig verpflichtet worden seien, über jederzeitiges Verlangen einen genau definierten Grünstreifen zu räumen und die Einfriedung auf eine genau definierte Baulinie zu versetzen. Ferner sei es purer Rechtsmissbrauch, zukünfig - wie in Aussicht gestellt - Baubewilligungen nicht zu erteilen, wenn der Bauwerber nicht "freiwillig" einen Teil seines Grundstückes räume bzw. den gesondert nicht vollstreckbaren "Bescheid" in Form einer Auflage bei (zukünftigen) baubehördlichen Bewilligungen umzusetzen. Die Vorgangsweise der mitbeteiligten Stadtgemeinde, Liegenschaftseigentümer bei zukünftigen Bauvorhaben unter Zugzwang zu setzen, wenn sie aus wirtschaftlichen Überlegungen mit aller höchster Wahrscheinlichkeit langwierige Verwaltungsverfahren scheuten, hätte die beschwerdeführenden Parteien dazu bewogen, einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides zu stellen. Die mitbeteiligte Stadtgemeinde verkenne die Qualifikation des von den beschwerdeführenden Parteien beantragten Feststellungsbescheides, weil es sich vorliegend nicht um einen subsidiären Rechtsbehelf handle. Es sei den Beschwerdeführern gerade nicht möglich, im Rahmen eines anderen Verfahrens ihre Rechtsansprüche geltend zu machen. Dadurch, dass es die mitbeteiligte Stadtgemeinde tunlichst vermeide, das von ihr als Bescheid bezeichnete Schriftstück einer Vollstreckung zu unterziehen, dies aber androhe, nehme sie den Beschwerdeführern die Möglichkeit, im Rahmen eines anderen Verfahrens ihre Rechte zu klären. Die beschwerdeführenden Parteien seien auch nicht in der Lage, gerichtlich durchsetzbare Ersitzungsansprüche geltend zu machen, weil sie als alleinige Eigentümer im Grundbuch eingetragen seien und Belastungen jedweder Art, die auf einen Anspruch der mitbeteiligten Stadtgemeinde schließen lassen könnten, dort nicht ersichtlich seien. Es sei demnach zulässig und im rechtlichen Interesse der beschwerdeführenden Parteien gelegen, die Rechtsverhältnisse für die Zukunft darzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung der Beschwerdeführer zu beseitigen. Würde die mitbeteiligte Stadtgemeinde tatsächlich über einen rechtskräftigen Bescheid verfügen, so wäre sie jederzeit in der Lage, diesen zu vollstrecken. Mit dem in Vorstellung gezogenen Bescheid habe die mitbeteiligte Stadtgemeinde eingeräumt, dass es rechtliche Bedenken hinsichtlich der Vollstreckbarkeit des von ihr als Bescheid bezeichneten Schriftstückes gebe. Wäre sich die mitbeteiligte Stadtgemeinde ihres Rechtsanspruchs so sicher, wie sie dies in ihrem Devolutionsbescheid darlege, so wäre es zudem wirtschaftlich sinnvoll gewesen, den gesamten Straßenzug bis zur Grenzgasse einer Neugestaltung zu unterziehen und nicht nur den Abschnitt F-Gasse bis Ngasse.

D. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien gegen den Bescheid der Stadtgemeinde M vom 8. Mai 2008 gemäß § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Ein Feststellungsbescheid stelle einen subsidiären Rechtsbehelf dar, der nur zur Anwendung kommen könne, wenn andere Möglichkeiten, die maßgebende Rechtsfrage zu klären, nicht vorhanden seien. Ein Feststellungsbescheid als Rechtsbehelf sei jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden könne. Zu ihrem Vorbringen betreffend zukünftige Baubewilligungen seien die Beschwerdeführer auf § 12 der NÖ-Bauordnung 1996 (BO) hinzuweisen. Unter anderem bestimme diese Norm, dass die Eigentümer verpflichtet seien, Grünflächen, die zwischen den Straßenfluchtlinien lägen und nicht mit einem Gebäudeteil bebaut seien, in das öffentliche Gut abzutreten, wenn die Änderung von Grundstücksgrenzen (ausgenommen in Aufschließungszonen) oder die Herstellung von Einfriedungen angezeigt werde, oder eine Baubewilligung in Bauland für einen Neu- oder Zubau eines Gebäudes (ausgenommen Gebäude für öffentliche Ver- und Entsorgungseinrichtungen mit einer bestimmten Größe), oder für die Herstellung einer Einfriedung auf öffentlichen Verkehrsflächen, oder für die Herstellung einer Abstellanlage für Kraftfahrzeuge auf bisher unbebauten Grundstücken, erteilt werde. Die vorliegend strittige Rechtsfrage könne im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahrens, nämlich in einem solchen Grundabtretungsverfahren basierend auf dem in Frage stehenden Bescheid vom 14. Dezember 1927, oder aber in einem etwaigen Verfahren zur Durchsetzung dieses Bescheides, entschieden werden. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides als subsidiärer Rechtsbehelf sei vorliegend daher nicht zulässig gewesen. E. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens bei und erstattete die Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

F. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gegenstand der Beschwerde ist der beschriebene Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Erlassung eines Feststellungsbescheides in Bezug auf den Bescheid aus dem Jahr 1927.

Auf dem Boden der hg. Rechtsprechung kommt mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für die begehrte Feststellung im Beschwerdefall nur die Erlassung eines auf allgemeinen Verfahrensgrundsätzen beruhenden Feststellungsbescheides in Betracht. Derartige Feststellungsbescheide können nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von Verwaltungsbehörden nur im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit und nur dann erlassen werden, wenn die Feststellung entweder im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei liegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen (vgl. dazu sowie zum Folgenden das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2007, Zl. 2007/05/0220, mwH). Gegenstand eines derartigen Feststellungsbescheides kann grundsätzlich nur die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses sein; darüber hinaus kann die Behörde in einem Feststellungsverfahren weder über die Anwendbarkeit von gesetzlichen Vorschriften noch über ihre Auslegung oder über das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen spruchmäßig entscheiden. Auch die rechtliche Qualifikation eines Sachverhaltes kann nicht Gegenstand eines Feststellungsbescheides sein. Das Vorhandensein privater Interessen reicht nicht aus, im Verwaltungsverfahren die Erlassung eines Feststellungsbescheides zu begehren. Unzulässig ist ein Feststellungsbescheid insbesondere dann, wenn ein in eine andere Richtung laufendes Verwaltungsverfahren den Rahmen für eine diesbezügliche Entscheidung bietet. Eine Vorfrage, die im Zuge eines Verwaltungsverfahrens zu lösen ist, kann nicht aus diesem Verfahren herausgegriffen werden und zum Gegenstand eines selbständigen Feststellungsbescheides gemacht werden. Die Rechtsprechung zum Feststellungsbescheid lässt somit den Grundsatz erkennen, dass diese Bescheidform lediglich einen subsidiären Rechtsbehelf darstellt, der nur zur Anwendung kommen kann, wenn andere Möglichkeiten, die maßgebende Rechtsfrage zu klären, nicht vorhanden oder (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 4. November 1992, Zl. 86/17/0162, Slg. Nr. 13.732/A) nicht zumutbar sind .

Wenn die belangte Behörde zum Ergebnis kam, dass vorliegend andere Möglichkeiten bestehen, die maßgebende Rechtsfrage zu klären, und das vorliegende Feststellungsbegehren daher unzulässig erscheint, kann ihr auf dem Boden dieser Rechtslage nicht entgegen getreten werden. Sowohl ein allfälliges Verwaltungsverfahren betreffend eine Grundabtretung bei Verkehrsflächen iSd § 12 BO als auch ein allfälliges Verfahren zur Räumung des nach dem Standpunkt der mitbeteiligten Stadtgemeinde auf der Grundlage eines Bescheides aus dem Jahr 1927 bloß zur Nutzung überlassenen 2 m breiten Straßengrundes stehen - wie im bekämpften Bescheid zutreffend festgehalten - zur Klärung der maßgebenden Rechtsfrage zur Verfügung. Derartige Verfahren dienen u.a. auch zur Klärung der Frage, ob der Grünstreifen - was die beschwerdeführenden Parteien bezweifeln - in dem Schriftstück aus 1927 hinreichend bestimmt umschrieben ist. Dass ein Verfahren nach § 12 BO bislang - wie die Beschwerde meint - nicht zur Debatte gestanden habe, tut dieser Klärungsmöglichkeit keinen Abbruch. Gleiches gilt für den Hinweis, dass die mitbeteiligte Stadtgemeinde nach Meinung der beschwerdeführenden Parteien nicht dran denke, ein Grundabtretungsverfahren auf Grund des Schriftstückes aus dem Jahr 1927 in die Wege zu leiten.

Auch mit ihrem Vorbringen, es könne nur im Wege der Erlassung des Feststellungsbescheides Rechtssicherheit bezüglich der maßgeblichen Rechtsfrage hergestellt werden, weil die mitbeteiligte Stadtgemeinde dann, wenn die beschwerdeführenden Parteien bezüglich ihrer Liegenschaft in der Zukunft Baubewilligungen beantragen würden, letztere auf eine Grundabtretung drängen würde, sind die Beschwerdeführer auf § 12 BO hinzuweisen, der (wie schon erwähnt) die Verpflichtung der Abtretung von bestimmten Grundflächen an das öffentliche Gut anlässlich der Änderung von Grundstückgrenzen, bei der Herstellung von Einfriedungen bzw. der Erteilung bestimmter Baubewilligungen im Bauland stipuliert.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 15. Juni 2011

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