Normen
B-VG Art133 Abs4;
FinStrG §31 Abs1;
FinStrG §33 Abs1;
FinStrG §33 Abs2 lita;
VwGG §28 Abs1 Z4;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RO2015160029.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Unbestritten ist, dass der Revisionswerber in Wien das Unternehmen eines Massagesalons und Escort-Service betrieb. Für die Monate Jänner bis August 2005 erstattete er Umsatzsteuervoranmeldungen in der Höhe von insgesamt EUR 2.852,14. Im November 2006 fand im Unternehmen eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum Jänner bis August 2005 statt. Mit "Verständigung gem. § 82 (1) iVm § 14 (3) FinStrG" vom 16. Oktober 2007 setzte das Finanzamt 4/5/10 als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Revisionswerber davon in Kenntnis, dass gegen ihn in Ansehung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 20. November 2006 finanzstrafrechtliche Vorerhebungen geführt würden. Er werde zu gegebener Zeit Gelegenheit zur Rechtfertigung erhalten.
Mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. Februar 2013 bestätigte der unabhängige Finanzsenat u.a. die Festsetzung von Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2005, ausgehend von Umsätzen zu 20% von EUR 419.789,59, mit EUR 73.161,14. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. September 2013, 2013/13/0034, gemäß § 33a VwGG ab.
Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 2014 sprach der Spruchsenat beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Organ dieses Finanzamtes als Finanzstrafbehörde den Revisionswerber schuldig, im Bereich des Finanzamtes Wien 8/16/17 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis August 2005 in der Höhe von EUR 44.800,-- bewirkt zu haben, wobei er den Eintritt der Verkürzungen nicht nur für möglich, sondern auch für gewiss gehalten habe, wodurch er das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG begangen habe. Er wurde hiefür nach § 33 Abs. 5 FinStrG unter Bedachtnahme auf § 23 Abs. 3 leg. cit. mit einer Geldstrafe von EUR 18.000,-- bestraft; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 45 Tagen festgesetzt. Gemäß § 185 FinStrG wurde der Revisionswerber zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von EUR 500,-- verpflichtet.
Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. April 2015 änderte das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis den Spruch des Erkenntnisses erster Instanz gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG dahingehend ab, dass der Revisionswerber schuldig erkannt werde, vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis August 2005 jeweils in der Höhe von EUR 5.600,-- pro Monat (zusammen EUR 44.800,--) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und damit acht Abgabenverkürzungen nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG bewirkt zu haben. Gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 16.000,-- verhängt und gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 40 Tagen festgesetzt. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wurden die Kosten des verwaltungsbehördlichen und des verwaltungsgerichtlichen Strafverfahrens gemäß § 185 Abs. 1 lit a FinStrG mit EUR 500,-- bestimmt. Weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision hinsichtlich der Rechtsfrage, ob die Unterlassung der Erlassung eines Einleitungsbescheides verfahrensgegenständlich einen wesentlichen Verfahrensfehler darstelle oder nicht, zulässig sei.
Begründend erwog das Gericht nach Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2015, soweit für das Revisionsverfahren von Belang:
"Überlegungen des BFG zum Verfahrensrecht und der Prüfung der Verjährungsfrage:
...
Die Verständigung gemäß § 82 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 3 FinStrG vom 16. Oktober 2007 stellt eine Verfolgungshandlung gegen den Bf. (gegen eine bestimmte Person als den eines Finanzvergehens Verdächtigen) dar. Aus der Anführung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 20. November 2006 ergibt sich der zeitliche Rahmen 1-8/2005 und der Tatverdacht hinsichtlich von Vergehen in Voranmeldungszeiträumen. Damit ist hinsichtlich der Finanzvergehen nach§ 33 Abs. 2 lit. a FinStrG für die Zeiträume 1-8/2005 ein Finanzstrafverfahren gegen den Bf. innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des§ 31 Abs. 2 FinStrG anhängig geworden.
Nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2. BAO i. V. § 31 Abs. 1 letzter Satz FinStrG ist festzustellen, dass die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Umsatzsteuer 2005 mit Ablauf des Jahres 2005 begonnen hat. Demnach tritt die absolute Verjährung (§ 31 Abs. 5 FinStrG) hinsichtlich von Vergehen zu Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate 1-8/2005 erst mit Ablauf des Jahres 2015 ein.
Das Verfahren nach§ 33 Abs. 1 lit. a i.V.m. 13 FinStrG wurde mit der Einvernahme des Beschuldigten nach den Bestimmungen der StPO am 19. November 2013 anhängig.
Diese Einvernahme lag jedoch außerhalb der fünfjährigen Verfolgungsverjährungsfrist, daher ist hinsichtlich des Vergehens der versuchten Verkürzung der Jahresumsatzsteuer 2005 keine Strafbarkeit mehr gegeben (Strafaufhebungsgrund der Verfolgungsverjährung).
In seinem Urteil eines verstärkten Senates vom 21.11.1991 (14 Os 127/90) ging der OGH von seiner bisherigen Rechtsansicht einer echten Realkonkurrenz zwischen § 33 Abs. 2 lit. a und § 33 Abs. 1 FinStrG ab und begründete dies damit, dass die Hinterziehung der Umsatzsteuer im Voranmeldungsstadium eine (mitbestrafte) Vortat darstelle, die die Hinterziehung der veranlagten Jahresumsatzsteuer als Haupttat erst ermöglicht oder erleichtert.
Dieser Rechtsansicht schloss sich auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom 11.11.1992, 92/13/0179 an.
Im Erkenntnis des VwGH vom 21.9.2009, 2009/16/0083, wird zu dieser Rechtsfrage genauer ausgeführt:
'Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Strafbarkeit einer Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG dann ausgeschlossen, wenn eine Strafbarkeit infolge der nachfolgenden Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 leg. cit. wegen des gleichen Umsatzsteuerbetrages für denselben Zeitraum kein Hindernis entgegensteht, weil in einem solchen Fall die Tathandlung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG als eine - durch die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 nachbestrafte - Vortat zu betrachten ist (...).
Unbeschadet des Umstandes, dass es sich bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer bestimmter Voranmeldungszeiträume um eine mit der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer eines diese Voranmeldungszeiträume (mit)umfassenden Veranlagungszeitraumes nachbestrafte Vortat handelt, werden die beiden Taten durch zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirklichte unterschiedliche Sachverhalte begangen, wodurch die in § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG umschriebenen Tatbestände erfüllt werden. Dabei entsprechen nicht nur zu verschiedenen Zeitpunkten verwirklichte Sachverhalte den verschiedenen Tatbildern, sondern auch in der Qualifikation unterschiedlichen subjektiven Tatbeständen, weil für die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG der qualifizierte Vorsatz der Wissentlichkeit (dolus principalis) erforderlich ist, während zur Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) ausreicht.'
Einer Strafbarkeit wegen des Versuches der Verkürzung der Jahresumsatzsteuer 2005 steht das Hindernis der Verfolgungsverjährung entgegen, daher ist die Verkürzung im Voranmeldungsstadium nicht als konsumierte Vortat zu sehen.
Zudem war der gegenständliche Verkürzungsbetrag laut Umsatzsteuersonderprüfung, da die Umsatzsteuernachschau bereits vor Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2005 abgeschlossen war, der Abgabenbehörde vor einer Durchführung einer Jahresveranlagung bekannt und war zudem die Abgabennachforderung mit Rechtsmittel angefochten worden, demnach konnte es der Bf. - wie der UFS und das BFG mehrmals in gleichgelagerten Fällen judiziert haben - auch nicht mehr ernstlich für möglich halten, dass (außerhalb einer Rechtsmittelentscheidung) eine Abgabenfestsetzung unterhalb der Abgabenhöhe der Umsatzsteuernachschau bewirkt werden könnte. Die subjektive Tatseite für einen Versuch der Verkürzung der Jahresumsatzsteuer ist im Umfang der bereits entdeckten Verkürzungen nicht mehr möglich, der Bf. konnte es nur noch hinsichtlich übersteigender Beträge ernstlich für möglich halten, eine Abgabenverkürzung bewirken zu können.
Die Finanzstrafbehörde war somit berechtigt, das mit Verfolgungshandlung vom 16. Oktober 2007 anhängig gemachte Verfahren nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG für die Zeiträume 1- 8/2005 weiterzuführen.
...
Eine wissentliche Verkürzung einer Umsatzsteuervorauszahlung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG stellt ein vorsätzliches Finanzvergehen dar, demnach hätte nach § 83 Abs. 2 FinStrG unverzüglich nach dem Beschluss nach § 202 Abs. 1 FinStrG der Staatsanwaltschaft Wien vom 28. März 2014 ein Einleitungsbescheid ergehen müssen, was jedoch unterblieben ist.
Erst mit FinStrG-Novelle 2007, BGBl I 2007/44 gültig ab 1.1.2008 kam die Passage: 'Die Verständigung bedarf eines Bescheides, wenn das Strafverfahren wegen Verdachts eines vorsätzlichen Finanzvergehens, ausgenommen einer Finanzordnungswidrigkeit, eingeleitet wird.' in das Finanzstrafgesetz und mit FinStrG-Nov 2010, BGBl I 2010/104 gültig ab 1.1.2011 verlor dieser Bescheid eine Überprüfungsmöglichkeit im Beschwerdeverfahren.
Welche Beschuldigtenrechte soll ein nicht rechtsmittelfähiger Bescheid einräumen? Dazu ein Auszug aus den historischen Standardbegründungen in Beschwerdeverfahren gegen Einleitungsbescheide:
...
Diese Vorgaben für einen Einleitungsbescheid erfüllt die Stellungnahme der Amtsbeauftragten vom 22. April 2014 in materieller Sicht. Dem Beschuldigten wurde mit diesem Schreiben mitgeteilt, dass die Finanzstrafbehörde ihn beschuldige als Einzelunternehmer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen für den Zeitraum 1-8/2005 eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Höhe von EUR 44.800,00 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und damit ein Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen zu haben. Diese Anschuldigung wird auf Seite 2 bis 4 der Stellungnahme mit Ausführungen zur Umsatzsteuernachschau und dem bisherigen Geschehen im Finanzstrafverfahren begründet.
Der Bf. wurde in der Folge zwei Mal vor dem Spruchsenat als Beschuldigter gehört und sein Verteidiger hat eine schriftliche Stellungnahme zum Tatvorwurf nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG an den Spruchsenat eingebracht.
Zwischen der Stellungnahme der Amtsbeauftragten und der Erkenntniserlassung durch den Spruchsenat lag letztlich ein Zeitraum von fast 6 Monaten, somit ist dem Bf. auch ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Verfügung gestanden, seine Verteidigungsrechte nach der konkretisierten Anschuldigung zu Vergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG entsprechend wahrnehmen zu können.
Eine Beeinträchtigung berechtigter Parteieninteressen kann damit in der Unterlassung der Befolgung der Verfahrensvorschrift der Erlassung eines Einleitungsbescheides nicht gesehen werden. Diese Unterlassung stellt demnach nach Ansicht des BFG einen unwesentlichen Verfahrensfehler dar.
Zur Prüfung des Schuldspruches durch den Spruchsenat ist zunächst dem Vorbringen in der Beschwerde beizupflichten, dass nicht ein Vergehen, sondern acht Vergehen zu prüfen sind, da sich eine Tat nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG auf die wissentliche Verkürzung einer Umsatzsteuervorauszahlung eines Tatzeitraumes, in diesem Fall bei monatlicher Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen, eines Monats bezieht.
Zum objektiven Tatbestand:
Den durch den Bf. mittels Voranmeldungen einbekannten Zahllasten hinsichtlich des von ihm betriebenen Begleitservice und Massagestudio stehen die Ergebnisse einer Umsatzsteuersonderprüfung gegenüber.
Auszug aus der Berufungsentscheidung zu RV/3326-W/08:
'Das geprüfte Unternehmen war im überprüften Zeitraum nach eigenen Angaben und nach den Feststellungen des Finanzamtes zumindest mit 'Begleitungen' (Escortservice) und 'Massagen' beschäftigt.
Im Zuge der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurden durch das geprüfte Unternehmen trotz mehrmaliger Aufforderung Unterlagen, die ursprünglich vorhanden waren, oder zur Ermöglichung des Geschäftsbetriebes vorhanden gewesen sein müssen, nicht vorgelegt.
...
Entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung, Zuschätzung von EUR 200.000,00 für Begleitungen und EUR 24.000,00 für Massagen wurde am 20.11.2006 ein Festsetzungsbescheid betreffend Umsatzsteuer 1-8/2005 erlassen, was eine Nachforderung von EUR 44.800,00 nach sich zog.'
...
Es ist nunmehr zu prüfen, ob diese abgabenbehördliche Schätzung als qualifizierte Vorprüfung auch für Zwecke des Finanzstrafverfahrens übernommen werden kann:
Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen wird zunächst auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verwiesen:
Die Schätzung der Abgabenbemessungsgrundlagen hindert zwar grundsätzlich die Annahme einer Abgabenhinterziehung nicht, jedoch trägt die Finanzstrafbehörde die Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung. Eine Abgabenhinterziehung kann nur dann angenommen werden, wenn sich nach entsprechender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschuldigten sagen lässt, dass seine Verantwortung nach menschlichem Ermessen nicht richtig sein kann. Dabei reicht die Tatsache, dass Geschäftsvorgänge nicht in die Buchhaltung aufgenommen wurden und Mängel der Aufzeichnungen festzustellen waren, für sich alleine nicht, Verkürzungsvorsatz anzunehmen, weil es vielmehr der Feststellung bedarf, welche finanzstrafrechtlich zu verantwortenden Vorgänge zu den festgestellten Abgabenverkürzungen geführt haben (...).
Die Schätzung der beeinträchtigten Abgaben kann eine durchaus tragfähige Grundlage für die Entscheidung in Finanzstrafsachen bilden. Die Finanzstrafbehörde trägt jedoch - anders als im Abgabenverfahren - die Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung (...).
Feststeht, dass der Bf. seit dem Jahr 2000 die Vermittlung von selbständigen Begleitpersonen und Massagetätigkeit als Einzelunternehmer betrieben hat (Aktenlage und seine Angaben).
Dazu erliegen im Arbeitsbogen Kopien von Einstellungsurkunden der A (siehe S 78, 80, 85, 95, 105, 112, 116, 126, 131, 142 des Arbeitsbogens), wobei in der Folge jedoch festgehalten wird, dass selbständige Begleitpersonen (Gewerbeschein) beschäftigt werden. Unter Punkt 8 wird festgehalten, dass es der Agentur obliegt, welche Personen vermittelt werden und ausschließlich mit einem Mitarbeiter der Agentur verrechnet wird und weitere Kundenkontakte nur über die Agentur abgewickelt werden.
Der Bf. hat dazu erklärt, dass er ein Muster dieser Verträge durch seine Tätigkeit im Hotel von einem Gast erhalten hat.
Das Unternehmen des Bf. erbrachte somit im Tatzeitraum eine Vermittlungsleistung, ihm sind alle für die Begleitung angefallenen Entgelte als Umsätze zuzurechnen.
...
Der Bf. bewarb die Dienste der Begleitagentur auf den in der abgabenrechtlichen Berufungsentscheidung bereits genannten domains. Aufgrund des im Einstellungspapier festgestellten Geschäftsablaufes hatte der Kunde zunächst mit der Begleitagentur in Kontakt zu treten. Eine direkte Kontaktaufnahme des Kunden mit einer Begleitperson war nicht vorgesehen. Wollte der Kunde eine Leistung des Begleitservice in Anspruch nehmen, musste er auf jeden Fall mit dem Unternehmen des Bf. Kontakt aufnehmen.
Somit beschränkte sich die Tätigkeit des Bf. nicht auf die bloße Herbeiführung eines zwischen der Begleitdame und dem Kunden stattfindenden Leistungsaustausches.
Von der Begleitagentur wurde festgelegt, ob das Geschäft zustande kam und welche Begleitperson den Auftrag übernehmen sollte. Nachdem die Begleitperson durch das Unternehmen des Bf. entsprechend informiert worden war, erschien sie zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Treffpunkt.
Nach den Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung hat der Bf. somit als Einzelunternehmer die gegenständlichen Leistungen im eigenen Namen erbracht und sind die Gesamtentgelte der Umsatzsteuer zu unterziehen.
Zu den vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Unterlagen ist festzuhalten, dass im Arbeitsbogen (S 17 bis 40) handschriftliche Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben für alle 8 Prüfungsmonate erliegen.
Des Weiteren erliegen auf den Seiten 41 bis 44 des Arbeitsbogens Kopien eines Monatskalenders, auf dem in der entsprechenden Datumsspalte ebenfalls handschriftliche Eintragungen aufscheinen, die nach identer Handschrift aussehen und die Einnahmen wie in der Einnahmen/Ausgabenrechnung enthalten.
Dazu gibt es im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Einlassungen, durch wen und wann diese 'angeblichen' Grundaufzeichnungen erstellt wurden (siehe Vorhalt in der mündlichen Verhandlung vor dem BFG). Der letztlich angepassten Angabe des Bf., dass dies die Handschrift seiner Frau sei, wird Glauben geschenkt. Auffällig ist, dass diese Kopien danach aussehen, als wäre durchgehend ein und dasselbe Schreibwerkzeug verwendet worden, was für eine Nacherstellung spricht.
In der Folge wird auf die in der Einnahmen/Ausgabenrechnungen enthaltenen Eingänge und Ausgaben des Unternehmens detailliert eingegangen.
Für Jänner 2005 sind beispielsweise 33 Begleitungen mit unterschiedlichen Einnahmen pro Begleitung im Rahmen von EUR 117,00 bis EUR 964,07 (mit der Bezeichnung inkl.) und 11 Massagen erfasst, die jeweils mit EUR 73,00 (mit der Bezeichnung inkl.) eingetragen sind.
Dazu hat der Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem BFG ausgesagt, dass Massageleistungen stets EUR 73,00 gekostet haben, bei Kreditkartenbezahlungen sich die eingetragenen unrunden Beträge ergeben haben und bei Barumsätzen nur der Betrag erfasst worden sei, der dem Unternehmen verblieben sei.
Allein diese angebliche Vorgangsweise, dass bei Massageumsätzen und Kreditkartenumsätzen jeweils der gesamte kassierte Betrag auch in das Rechenwerk des Unternehmens Eingang gefunden haben soll, nicht jedoch bei Bargeschäften im Begleitservice, macht die vorgelegten Erlösaufzeichnungen unglaubhaft. Wer tatsachlich die Unterschrift auf den Kassaeingangsbelegen (S 47 des Arbeitsbogens) zu Massageumsätzen geleistet hat, konnte im Verfahren nicht geklärt werden, daraus ergibt sich jedoch, dass jedenfalls eine weitere Person außer dem Bf. und seiner Frau Inkassos vorgenommen hat.
Das geprüfte Unternehmen hat mittels der 8 Umsatzsteuervoranmeldungen einen Gesamtumsatz von EUR 47.749,48 erklärt, d.h., dass der durchschnittliche monatliche Umsatz bei ca. EUR 6.000,00 gelegen wäre. Neben den Telefonkosten für Produkte verschiedener Anbieter weist die Einnahmen/Ausgabenrechnung auch Kosten für die A. Werbeagentur auf (siehe Blatt 49 bis 52 des Arbeitsbogens), allein im Monat Jänner 2005 waren dies EUR 4.383,21. Dem steht ein erklärter Umsatz für diesen Monat von EUR 6.675,73 gegenüber.
In Summe wurden für die 8 Monate Prüfungszeitraum allein an die A. Werbeagentur EUR 26.886,54 für Werbung ausgegeben (zur Erinnerung bei einem angeblichen Umsatz von EUR 47.749,48).
Schon die Ausgaben für Werbemaßnahmen und das Betreiben von drei domains zeigen auf, dass die erklärten Umsätze auch in keiner wirtschaftlich vernünftig zu bezeichnenden Relation dazu stehen. Dass 80 % der erzielten Umsätze für Werbemaßnahmen aufgegangen sein sollen, wie der Bf. vor dem BFG behauptet hat, ist - obwohl in dieser Branche unzweifelhaft hohe Werbekosten anfallen nicht glaubhaft.
Zu den im gesamten Zeitraum einheitlichen Preisen für Massagen (nur zwei Mal gibt es Eintragungen mit einem etwas höheren Preis) ist auf die dem entgegenstehende Angebotspalette auf den Seiten 169-171 zu verweisen. Demnach konnte man montags bis sonntags zwischen 10 Uhr und 22 Uhr klassische Massage, IQ Massage, Regeniumcare Massage, Boostermassage, Power-Napping, Tantra-indische Massage und Thaibodymassage buchen. Und alles kostet immer EUR 73,00?
Der Bf. hat dazu vor dem BFG ausgesagt, dass die Terminvereinbarung auch zu Massagen telefonisch erfolgt sei, seine Damen jedoch keine entsprechende Ausbildung aufgewiesen hatten und daher die beworbenen Leistungen nicht in dem angebotenen Spektrum erbracht worden seien.
Die hohen Werbungskosten sind jedoch leichter in Relation zu den 60 Frauennamen zu bringen, die auf der Rückseite von Seite 6 des Arbeitsbogens notiert wurden und den 21 verschiedenen Bezeichnungen in den Werbeaufträgen (Seite 49 bis 53 des Arbeitsbogens).
Auch zu den 60 Frauennamen wurden unterschiedliche Bezeichnungen der Damen gewählt: Ladies, Vip, Platinum und World Models.
Dazu wurde während des gesamten Verfahrens vorgebracht, dass das Unternehmen nicht 60 Personen unter Vertrag gehabt habe und ein und dieselbe Person mit verschiedenen Bezeichnungen beworben worden sei.
Der Bf. hat lediglich die Beschäftigung von 12 Damen durchschnittlich bejaht. Auf Seite 62 des Arbeitsbogens sind Namen, Geburtsdaten und Anschriften von 9 Frauen genannt, dazu hat der Bf. zugestanden, diese Personen dem Betriebsprüfer namhaft gemacht zu haben.
Von Majdanova V. erliegt unter Seite 78 auch ein undatierter Einstellungsvertrag als Begleitdame der A.
Auf Seite 80 befindet sich ein Einstellungsvertrag von Paula M. vom 19.6.2005, auf Seite 85 ein wiederum undatierter
Einstellungsvertrag von Ildiko T., auf Seite 95 ein undatierter
Einstellungsvertrag von Sabrina H., auf Seite 105 ein Einstellungsvertrag mit Liubov V. vom 20.5.2005, auf Seite 106 ein
undatierter Einstellungsvertrag mit Romana R., auf S 126 ein
undatierter Einstellungsvertrag mit Mariana B., auf S 131 ein
undatierter Einstellungsvertrag mit Monika B. und auf Seite 142 ein undatierter Einstellungsvertrag mit Carina J.
Monika B. hat am 15. März 2006 vor dem Betriebsprüfer ausgesagt, dass sie im Jahr 2005 Ende Mai Anfang Juni bei der V E Agentur (Name des Bf.) vorgesprochen und in den nachfolgenden ein bis zwei Wochen zwei Aufträge erhalten habe.
Bei einem dieser Aufträge habe sie mit einem zweiten Mädchen nach Wiener Neustadt zu einem Kunden fahren müssen. Dazu sei sie vom Agenturchauffeur (45 jähriger Österreicher) zu Hause abgeholt worden. Sie habe den Gesamtbetrag von EUR 180,00 kassiert und dem Chauffeur gegeben. Im Auto habe sie davon EUR 40,00 erhalten. Das zweite Mädchen habe auch EUR 40,00 bekommen.
Beim Auftrag in Wien sei sie von ihrem Lebensgefährten hingebracht worden. In diesem Fall habe sie EUR 290,00 kassiert. Diesen Betrag habe sie der Chefin gebracht und EUR 110,00 erhalten. Die beiden Aufträge seien bar kassiert worden.
Bei Mädchen, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien, spreche der Chauffeur mit den Kunden und kassiere das Geld. Mit den Mädchen werde erst später im Auto oder in der Agentur abgerechnet. Sie habe keine weiteren Aufträge erhalten, da die Chefin den Aufkleber ihrer eigenen neuen Agentur gesehen und sie ordinär beschimpft habe.
Sie könne sich nicht daran erinnern, ob es im Büro der Agentur auf dem Schreibtisch der Chefin eine Mädchenkartei mit grünen Karteikarten gegeben habe. Nach ihrer Erfahrung könne sie sagen, dass das Verhältnis zwischen Kreditkarten und Barumsätzen bei 5 zu 95% liege.
In der vorgelegten Einnahmen- Ausgabenrechnung scheinen im angesprochenen Zeitraum weder eine Eintragung von EUR 180,00 noch eine von EUR 290,00 auf und auch keine korrespondierenden Eintragungen zu den dem Unternehmen verbliebenen Anteilen. Die Angaben spiegeln auch nicht das vom Bf. behauptete Verteilungsverhältnis 55% Dame, 45 % Unternehmen wieder, jedoch wird die Kreditkartenquote von dieser Begleitdame niedriger angegeben als in der Umsatzsteuersonderprüfung angesetzt wurde.
Es wurde in der Niederschrift zwar unrichtig V E genannt, aber die Agentur des Bf. steht richtig auf der Ladung und sein Name wurde nach der Agenturbezeichnung genannt, zudem hat er dem Prüfer den Namen der einvernommenen Dame genannt, daher ist glaubhaft, dass sie, wenn auch nur sehr kurzfristig für das Unternehmen tätig war.
Da sie selbst eine Agentur betrieben hat, ist der Senat davon ausgegangen, dass sie die Branchengepflogenheiten kannte, daher werden ihre Angaben zum Verhältnis Bargeschäfte und Kreditkartengeschäfte als zutreffend bewertet.
Carina J. hat ebenfalls vor dem Betriebsprüfer ausgesagt, dass sie ab Juli 2005 bis 2. August 2008 (Anmerkung:
August 2008 kann ebenfalls nicht zutreffen, weil die NS am 10.5.2006 aufgenommen wurde, demnach kann nur August 2005 gemeint sein.) beim Unternehmen des Bf. sowohl als Masseurin als auch als Begleitdame gearbeitet habe.
Als Masseurin habe sie zwischen 10 Uhr und 20 Uhr an der Adresse G.-gasse anwesend sein und auf Kunden warten müssen. Sie sei 4 bis 5 Tage dort gewesen und habe durchschnittlich pro Tag zwei Kunden gehabt. Es sei so gut wie immer zu sexuellen Handlungen gekommen. Die Tarife seien zu dieser Zeit wie folgt gewesen: 1 Stunde Massage ohne sexuelle Handlung EUR 90,00, davon seien ihr EUR 50,00 verblieben, Massage mit Geschlechtsverkehr EUR 145,00, davon seien ihr EUR 90,00 verblieben, Massage mit Französisch EUR 130,00, wovon ihr EUR 50,00 verblieben seien und Massage mit Handendspannung EUR 109,00, wovon ihr EUR 70,00 verblieben seien.
Bereits vor der Massage sei mit der entsprechenden Telefonistin abgerechnet worden.
Es habe drei Telefonistinnen und die Chefin gegeben, die abwechselnd an den Telefonen gesessen seien. Die Arbeitszeiten der Telefonistinnen seien von 6 Uhr bis 20 Uhr bzw. von 20 Uhr bis 6 Uhr gewesen. Die Telefone seien rund um die Uhr besetzt gewesen. Von allen Massagekunden, die sie gehabt habe, hätten nur 2 bis 3 mit Kreditkarte bezahlt, die anderen in bar.
Bei den Begleitungen sei sie von der Telefonistin angerufen und vom Chauffeur abgeholt worden. Sie habe das Geld kassiert und mit dem Chauffeur abgerechnet. Durchschnittlich seien ihr EUR 50,00 bis EUR 60,00 verblieben. Unter dem Titel A habe eine Stunde von EUR 150,00 aufwärts gekostet. Es habe auch billigere Tarife aufgrund von Inseraten in den Tageszeitungen gegeben, die sich auf EUR 90,00 belaufen haben. In allen Fällen habe eine weitere Stunden EUR 90,00 gekostet. Von den 15 bis 20 Escortkunden habe kein Einziger mit Kreditkarte bezahlt.
Aus dieser Niederschrift ergibt sich, dass allein 4 Personen Telefondienste geleistet haben und eine weitere Person Chauffeurdienste. Der Bf. war 2006 32 Jahre und damit im selben Alter wie die Dame, die den Chauffeur auf 45 Jahre geschätzt hat, demnach war dies eine andere Person, was der Bf. vor dem BFG auch zugestanden hat.
Beide Damen gaben die Kreditkartenumsätze in einer nahezu geringfügigen Größenordnung an, was dafür spricht, dass eine Annahme von 10 % Kreditkartenumsätzen als sehr großzügig geschätzt anzusehen ist.
Auch die Angaben von Carina J. sind nicht in eine Relation zu den im Arbeitsbogen erliegenden handschriftlichen Aufzeichnungen zu angeblichen Einnahmen des Bf. und seinen Angaben zu den Einheitspreisen für Massageleistungen zu bringen.
Aus ihren Angaben können grob Rückschlüsse auf ihr aus dieser Tätigkeit im Juli 2005 in dem Unternehmen des Bf. bezogenes Einkommen gezogen werden. Grob geschätzt auf 4 Wochen, 20 Massagen x 50 = 1.000 und 17 Begleitungen x 55 = 935 für Begleitungen, demnach hätte sie knapp unter 2.000 Euro bezogen, was ein Einkommen von fast einem Drittel des für diesen Monat angegebenen Umsatzes ausgemacht hätte. Bei einem Verteilungsverhältnis von 55% Einnahme der Dame und 45% Einnahme des Bf. hätte sie demnach schon allein ca. 2/3 des erklärten Umsatzes erwirtschaftet, was somit bildhaft vor Augen führt, dass die erklärten Umsätze in keiner Relation zum tatsachlichen Geschäftsumfang stehen.
Die beiden einvernommenen Damen wurden durch den Bf. namhaft gemacht, es ist nicht ersichtlich, dass sie einen Grund gehabt hätten ihn zu belasten. Ihre Angaben sind daher zur Beweiswürdigung hinsichtlich des tatsachlichen Umfanges des Geschäftsbetriebes des Bf. heranzuziehen.
Überlegungen zur Übernahme der Schätzung der Massageumsätze für Zwecke des Strafverfahrens:
Die Zeugin spricht von 2 Massagen/Tag, womit ihr eben allein im Juli ca. 1.000 Euro verblieben sein dürften, dem steht ein erklärter Umsatz des Unternehmens aus diesem Titel von EUR 912,50 entgegen.
Bei Gesamtumsätzen von EUR 5.873,33 in 8 Monaten aus dem Titel Massagen rechnet sich eine Öffnungszeit von täglich 10 bis 22 Uhr und eine Besetzung mit 4 Telefonistinnen unzweifelhaft nicht.
Dass Kunden von dem großen Angebotsspektrum im Internet angezogen, telefonisch darüber aufgeklärt werden, dass lediglich Einheitsmassagen um EUR 73,00 erbracht werden können und dennoch dieses Unternehmen als Leistungserbringer wählen, ist doch nur damit erklärbar, dass andere als die beworbenen Zusatzleistungen erwartet bzw. wohl auch in Aussicht gestellt wurden. Für den von Carina J. angegebenen Geschäftsumfang von zwei Kunden/Tag erscheinen auch die beschriebenen Räumlichkeiten des Unternehmens als ausreichend, wobei mangels valider Aufzeichnungen naturgemäß auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass Massageleistungen nicht auch außerhalb der Unternehmensräumlichkeiten erbracht wurden.
Schon allein eine Kalkulation von 243 Tagen x 146 (2 Massagen zu EUR 73,00 wie vom Bf. als Einheitspreis behauptet) ergäbe einen Umsatz von EUR 35.478,00, also wesentlich mehr als von der Betriebsprüfung angesetzt (24.000 + 5.873,33 = EUR 29.873,33), daher kann die abgabenbehördliche Schätzung auch unter den strengeren Prämissen eines Finanzstrafverfahrens unbedenklich übernommen werden, da diese Beträge jedenfalls als Untergrenze einer Abgabenverkürzung in diesem Bereich anzusehen sind. Unter Berücksichtigung der Aussagen der beiden einvernommenen Damen und unter Würdigung der vorliegenden Unterlagen zu den Unternehmensdaten ist die Zuschätzung bezüglich der Massageumsätze von EUR 24.000,00 auch für Zwecke des Strafverfahrens als objektiver Tatbestand heranzuziehen.
Überlegungen zur Übernahme der Schätzung der Begleitumsatze für Zwecke des Strafverfahrens:
Dass fast 61 % der Begleitungen mit Kreditkarte bezahlt worden sein sollen, steht in einem krassen Gegensatz zu den Angaben der Begleitdamen und zu den Gepflogenheiten in dieser Branche, die wie auch der Bf. in seinem Vorbringen im Abgabenfestsetzungsverfahren stets betont hat auf äußerste Diskretion setzt, was nun mal bei Bargeldzahlungen in einem anderen Ausmaß gegeben ist als bei Zahlungen mit Kreditkarte, wo Zahlungen durch Ausweis der Zahlungsempfänger überprüfbar sind.
Gänzlich unglaubhaft ist in diesem Zusammenhang die Verfahrenseinlassung des Bf., dass er bei Kreditkartenbezahlung den Damen ihren Anteil auch erst nach Zahlungseingang bei seinem Unternehmen ausbezahlt haben will. Bei behaupteten fast 61% Kreditkartenzahlungen hätten demnach die Damen einen Gutteil ihres Einkommens erst zeitversetzt erhalten, was nicht in Einklang mit der hohen Personalfluktuation in dieser Branche steht. Niemand, der nur ein paar Wochen oder Monate in einer Agentur beschäftigt ist, wartet jeweils so lange auf einen so hohen Anteil seines Honorars. Es mag schon zutreffen, dass die Kreditkartenerlöse mit Stammkunden erzielt wurden, aber ihr Anteil am Gesamterlös des Unternehmens des Bf. kann nicht in der behaupteten Höhe bestehen.
Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Aufzeichnungen und Angaben des Bf. auch die Erlöse aus dem Begleitservice betreffend nicht richtig sein können, weswegen die Schätzungsberechtigung gegeben ist.
Weitere Eckdaten zur Ausgaben-Einnahmenseite:
Werbung laut eigenen Unterlagen EUR 26.886,54, Telefonkosten für 5 Anbieter laut eigenen Unterlagen EUR 2.694,82, Miete pro Monat EUR 693,07 für das Unternehmenslokal, Strom in Summe 1.173,60, Kosten für 4 Telefonistinnen und einen Fahrer, eigene Lebenshaltungskosten des Bf. und seiner Frau, die nach den Angaben des Bf. im Tatzeitraum kein anderes Einkommen gehabt hat, jedoch ein Auto und die Miete für den Wohnsitz in der G.-Str. von EUR 380,00 bezahlt haben soll.
Der Bf. hat vor dem BFG vorgebracht, dass er im Jahr 2005 auch im Hotel am Stubenring gearbeitet habe, wobei durch den Verteidiger ergänzt wurde, dass dies für einen Bulgaren damals in einem Angestelltenverhältnis rechtlich nicht zulässig gewesen sei. Tatsachlich ergibt sich aus der Datenbank der Finanzverwaltung auch kein Einkommen des Bf. aus unselbständiger Arbeit im Jahr 2005 (Einkommen in den Jahren 2003 und 2004 wurde ebenfalls nur aus Gewerbebetrieb und dies in der Höhe von nicht ganz EUR 9.000,00 für 2004 erklärt). Es ist daher davon auszugehen, dass die Lebenshaltungskosten des Bf. und seiner Gattin zumindest weitestgehend aus den Erlösen seines Unternehmens gedeckt wurden.
Nachdem der Bf. wenn dann schwarz im Hotel gearbeitet hat, sind allenfalls aus dieser Tätigkeit erzielte Einnahmen und Beschäftigungszeiten im Hotel nicht erhebbar.
Überlegungen zum Geschäftsumfang im Begleitservice:
Es gibt keine vollständigen Karteikarten über die Daten der beschäftigten Damen und keine überprüfbaren Unterlagen zu den erbrachten Leistungen und erzielten Leistungserlösen, nur Eckdaten, aus denen Rückschlüsse auf die Größe des Betriebes und Angaben der im Abgabenverfahren befragten Damen, aus denen Rückschlüsse auf die Einsatzfrequenzen der Damen gezogen werden können.
Allein für August 2005 gibt es 150 Werbeschaltungen, Seite 6 Rückseite des Arbeitsbogens 60 Frauennamen, mindestens 21 verschiedene Namensbezeichnungen bei der A. Werbeagentur.
VwGH 2009/16/0190 v. 17.10.2012: Im Finanzstrafverfahren trifft die Finanzstrafbehörde die Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung in dem Sinn, dass der geschätzte Betrag mit der Wirklichkeit solcherart übereinstimmt, dass die Verantwortung des Beschuldigten auch hinsichtlich der Höhe der Verkürzung so unwahrscheinlich ist, dass sie nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden kann (...).
Bei einer Schätzung durch eine Finanzstrafbehörde genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt
(...).
Die tatsächliche Abgabenvorschreibung aus dem Titel Begleitumsätze liegt unter acht Begleitungen am Tag bei Ansatz des Durchschnittswertes an Honoraren laut Betriebsunterlagen.
Erscheint es nach Abhaltung des Beweisverfahrens glaubhaft, dass der Bf. einen Umsatz von zumindestEUR 241.711 (+ USt, von EUR 290.053,20) erzielt hat?
Um ca. EUR 36.000,00/Monat zu erzielen, könnte bei entsprechenden Preisen auch der zeitgleiche Einsatz der 12 durch den Bf. einbekannten Damen genügen, wie eine Hochrechnung basierend auf den Angaben der beiden befragten Damen und die Daten zu anderen Unternehmen dieser Branche zeigen. Dass mehr Personen beworben erscheinen, als zeitgleich in einem Begleitservice arbeiten, wird zugestanden, da eben in dieser Branche häufig Agentur gewechselt wird, was sich ebenfalls aus den Angaben der beiden einvernommenen Damen ergibt.
Mehr als dass eine Person drei Mal unter verschiedenen 'Unternehmen' inseriert wurde, lässt sich jedoch aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Ausdrucken auch nicht ableiten. Eine gleichzeitige Beschäftigung von Vertragspartnerinnen des Bf. in anderen Unternehmen im Jahr 2005 ergibt sich daraus nicht.
In der Rechtsdatenbank Findok sind zwei Erkenntnisse des UFS ersichtlich, die ebenfalls Umsätze im Zusammenhang mit Begleitservicetätigkeit behandeln. Demnach wurde bei einem Begleitservice einer Thailänderin eine nach der Textierung der Berufungsentscheidung ähnliche Vertragsgestaltung gewählt wie sie im Unternehmen des Bf. bestand. Dieses Unternehmen hatte zwei domains und hat für das Jahr 2005 bereits unter reiner Ansetzung eines Agenturanteiles (44 %) vor Prüfungsbeginn EUR 182.640,00 als erzielten Umsatz gemeldet (RV/2048-W/09 v.7.2.2011). Der Gesamtumsatz dieses Unternehmens lag daher im halben Jahr fast doppelt so hoch wie beim Bf. nunmehr nach der Prüfung errechnet und vorgeschrieben wurde.
Aus der zweiten Entscheidung RV/2126-W/13 v. 20.9.2013 ergibt sich, dass die Finanzverwaltung beruhend auf Aussagen einvernommener Damen von Mindestverdienstsummen einer Begleitdame von EUR 2.500,00/Monat ausgeht.
Diese beiden Entscheidungen liefern weitere Indizien dafür, dass die Angaben der verfahrensgegenständlich einvernommenen Damen nicht als überzogen anzusehen sind.
Der Bf. irrt insoweit, als in der Beschwerdeschrift vorgebracht wird, dass es keine Berechtigungen zur Annahme gebe, eine Begleitdame habe 8 Begleitungen/Tag erbracht und die Behörde bzw. nunmehr das Finanzgericht habe dies zu beweisen. Insgesamt wird der Geschäftsumfang so angenommen, dass durchschnittlich in etwa 8 Begleitungen durch in einem Vertragsverhältnis mit dem Bf. stehenden Damen erbracht worden sein müssen. Dies können wie sowohl die Aufzeichnungen des Bf. nahelegen, als auch die Damen ausgesagt haben auch Begleitdienste mehrerer Damen zu einem Auftrag gewesen sein.
In einem Finanzstrafverfahren können den Entscheidungsträgem nicht die Verpflichtungen des Abgabepflichtigen zum Nachweis der durch ihn wann und in welchem Umfang eingesetzten Damen übertragen werden, im Finanzstrafverfahren ist es allein die Aufgabe, eine bestimmte Verkürzungshöhe bei einer Tat festzustellen. Eine verbindliche Feststellung, wie viele Damen wie viele Begleitungen erbracht haben, ist zum Tatnachweis nicht erforderlich und kann naturgemäß auch bei unvollständigem Belegmaterial eines Unternehmens und Schätzungsberechtigung niemals erbracht werden.
Die Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschuldigten hat für den Senat ergeben, dass seine Verantwortung nach menschlichem Ermessen nicht richtig sein kann. Die vorliegenden Aufzeichnungen zu erzielten Umsätzen entsprechen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.
Die Schätzungen der abgabenbehördlichen Prüfung können, da sie sowohl unter dem Aspekt des Umfanges des durch Unterlagen dargestellten Werbeaufwandes als auch unter dem Aspekt der Ausgabenseite für Werbung, der zumindest zeitweiligen Beschäftigung von Telefonistinnen, die eine Erreichbarkeit der Agentur rund um die Uhr sicher gestellt hat und eines Fahrers sowie der Lebenshaltungskosten des Bf. und seiner Gattin und üblicher Honorare der Begleitdamen (die errechenbaren EUR 2.000,00 von Carina J. dürften sehr vorsichtig eher unterbewertet beziffert worden sein) und den Aussagen der beiden einvernommenen Damen zutreffend erscheinen, auch für die Zwecke des Finanzstrafverfahrens als objektiver Tatbestand übernommen werden.
Der Senat ist in freier Beweiswürdigung der Aktenlagen und der Aussagen zu dem Schluss gekommen, dass der Bf. jedenfalls in dieser Größenordnung Umsätze seines Unternehmens nicht deklariert und damit Umsatzsteuervorauszahlungen verkürzt hat.
Anders als in dem vom Verteidiger angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.5.1998, 96/15/0260, an der damals bekämpften Berufungsentscheidung vom Verwaltungsgerichtshof ausgesetzt wurde, liegt in diesem Fall keine reine Schätzung nach einem äußeren Betriebsvergleich vor. In die Überlegungen zur Prüfung der Strafbarkeit von bewirkten Verkürzungen sind sehr wohl Unternehmensdaten eingeflossen und das Vorbringen des Bf. wurde einer umfangreichen Beweiswürdigung im Sinne einer Haltbarkeit seiner Behauptungen im Vergleich zur Aktenlage, den Angaben der bei ihm beschäftigten Damen und Eckdaten anderer Begleitagenturen unterzogen.
Seine Einschätzung, dass der Werbeaufwand fast 2/3 des Umsatzes ausgemacht hat, kann allenfalls so uminterpretiert werden, dass die Gesamtausgaben des Unternehmens für Werbeaufwand, Bürokosten, Honorare der Damen, Entlohnung des zusätzlich eingesetzten Fahrers und des gesamten Telefondienstes und Fahrtspesen in etwa in dieser Größenordnung angesiedelt gewesen sein mögen und dem Bf. ein niedrigeres Einkommen als in der Folge durch das Finanzamt geschätzt verblieben sein mag, es war jedoch verfahrensgegenständlich wie eingangs ausgeführt lediglich die Umsatzsteuer 1-8/2005 Prüfgegenstand.
Zu OGH 14.3.2014, 13 Os 10/13 k hält der Oberste Gerichtshof zum Tatbegriff fest: Das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG wird durch dort pönalisiertes Verhalten (Zuwiderhandeln gegen die Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und zur fristgerechten Entrichtung der entsprechenden Umsatzsteuervorauszahlungen) in Bezug auf Voranmeldungszeiträume begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich eines jeden solchen Zeitraums eine selbständige Tat im materiellen Sinn (§ 21 Abs. 1 FinStrG) vorliegt. Durch das pauschale Nennen eines Gesamthinterziehungsbetrags für die Voranmeldungszeiträume Februar bis Dezember 2009 werden die einzelnen Taten nicht hinreichend konkretisiert (RIS-Justiz RS0118311; jüngst 13 Os 15/13z). Dass es in einem dieser Zeiträume allenfalls zu keiner Umsatzsteuerverkürzung gekommen ist (in welchem Fall diesbezüglich ein Freispruch zu fällen wäre), ist auf Basis der getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen.
Auf Basis der getroffenen Feststellungen zur Geschäftstätigkeit des Bf. ist auszuschließen, dass es in einem der 8 Tatzeitpunkte nicht zu einer Abgabenverkürzung gekommen ist.
Da einer Schätzung naturgemäß ein Unsicherheitsfaktor anhaften muss, wird beim monatsweisen Ansatz von einer gleichmäßigen Verkürzung in allen Monaten ausgegangen und keine Bezugsrechnung zu dem nicht aussagekräftigen Rechenwerk des Bf. zu der von ihm behaupteten Umsatzhöhe vorgenommen.
Da beispielsweise die für Februar ausgewiesenen Erlöse höher sind als die für März, schien eine Berücksichtigung unterschiedlicher Monatslängen mangels Umsatzrelevanz nicht geboten.
Subjektive Tatseite:
Zur subjektiven Tatseite ist festzustellen, dass der Bf. weder ordnungsgemäße Aufzeichnungen über die Personen, die für sein Unternehmen Massage- und Begleitleistungen erbracht haben noch über die tatsächlich erzielten Umsätze erstellt hat und somit die monatlich gemeldeten ausgesprochen geringen Zahllasten in keiner Relation zu den tatsachlich erzielten Umsätzen stehen.
Er hatte mangels valider Berechnungsgrundlagen zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten keine Vorstellung von der Höhe der tatsächlich durch sein Unternehmen erzielten Erlöse, seinen Unternehmensausgaben und die durch ihn verkürzten Abgaben.
Ein 'Billigsegment' unter EUR 100,00 wie von einer der befragten Damen ausgesagt und laut Aktenlage beworben, stellte der Bf. zunächst in Abrede, dann ergänzte er, dass in diesem Bereich den Kunden zusätzliche Fahrtkosten verrechnet worden seien, worüber wiederum die Unternehmensaufzeichnungen keine Auskünfte bieten.
Hinsichtlich der subjektiven Tatseite, der wissentlichen Verkürzung einer Abgabe ist auch nur gefordert, dass eine Verkürzung für gewiss gehalten wird. Der Tatvorsatz muss sich nicht auf die Höhe des Verkürzungsbetrags beziehen (...), wohl aber auf die Unrichtigkeit, auf der die Verkürzung beruht.
Die infolge der Judikatur des OGH in § 33 Abs. 5 FinStrG vorgenommene legistische Klarstellung, was unter der in der Finanzverwaltung schon seit Jahrzehnten gebräuchlichen Bezeichnung strafbestimmender Wertbetrag zu verstehen ist, bedeutet, dass hinsichtlich einer Strafbemessung lediglich von dem Verkürzungsbetrag auszugehen ist, hinsichtlich dessen eine schuldhafte Verkürzung vorliegt.
Diese Unterscheidung erlangt beispielsweise dann Bedeutung, wenn lediglich hinsichtlich eines Teiles einer Abgabennachforderung für einen Zeitraum eine schuldhafte Verkürzung, für andere Teile jedoch eine Abgabenvorschreibung aufgrund von schuldlosen Fehlern oder anderslautenden Rechtsansichten vorgenommen wird, was verfahrensgegenständlich jedoch nicht vorliegt.
Der Bf. hat somit nach Ansicht des BFG die bewirkten Verkürzungen im Gesamtausmaß für gewiss gehalten und ihm war auch bewusst, dass die abgegebenen Voranmeldungen nicht den tatsächlichen Geschäftsumfang darlegen (zumindest auch Eventualvorsatzes in Bezug auf die Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe der korrekten Umsatzsteuervoranmeldungen). Die subjektive Tatseite für Vergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG ist demnach erfüllt.
Gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG wird die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des für den Strafrahmen maßgeblichen Verkürzungsbetrages (der ungerechtfertigten Abgabengutschrift) geahndet. Dieser umfasst nur jene Abgabenbeträge (ungerechtfertigte Gutschriften), deren Verkürzung im Zusammenhang mit den Unrichtigkeiten bewirkt wurde, auf die sich der Vorsatz des Täters bezieht.
Grundlage für die Strafbemessung ist gemäß § 23 Abs. 1 FinStrG die Schuld des Täters.
Gemäß § 23 Abs. 2 FinStrG sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen, wobei im Übrigen die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches gelten.
Bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von EUR 44.800,00 hat der Spruchsenat eine Geldstrafe von EUR 18.000,00 ausgesprochen. Dies entspricht 20,08% der Strafdrohung.
Bei der Strafbemessung für den Bf. berücksichtigte der Spruchsenat laut Erkenntnis die Unbescholtenheit und das lange Zurückliegen der Tat als mildernd. Als erschwerend keinen Umstand.
Gemäß § 23 Abs. 3 FinStrG sind bei der Bemessung der Geldstrafe auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.
Das Unternehmen des Bf. ist nicht mehr aktiv. Über das Vermögen des Bf. wurde am 1.7.2014 das Konkursverfahren eröffnet. Die Schlussabrechnung wurde am 16. Dezember 2014 genehmigt und der Konkurs nach teilweiser Befriedigung der Massegläubiger am 12. Jänner 2015 aufgehoben.
Hinsichtlich Umsatzsteuer 2005 haftet der gesamte nach der Prüfung nachgeforderte Betrag weiterhin aus. Dazu sowie zu weiteren Abgabenschuldigkeiten von insgesamt EUR 391.093,00 ist die Einbringung ausgesetzt. Es ist daher hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Verkürzungsbetrages von einem dauerhaften Abgabenausfall auszugehen.
Der Bf. hat nach seinen Angaben vor dem BFG derzeit ein Einkommen von EUR 360,00 und Sorgepflichten für eine Tochter.
Mangels verwertbarer Anhaltspunkte für ein höheres Einkommen des Bf. (der ausgesagte Betrag würde nicht einmal den von ihm für seine vorherige Wohnung angegebenen Mietzins decken und der Bf. hat keine Verfahrenshilfe beantragt) wird daher wie auch schon im Verfahren vor der Finanzstrafbehörde von engen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen. Auffällig ist dabei auch die im Zuge der Verhandlung bekannt gegebene geplante Ortsabwesenheit des Bf. vom 14.4.2015 bis 10.9.2015 im Zusammenhang mit seiner Sorgepflicht für ein schulpflichtiges Kind. Demnach sind wohl auch Betreuungskosten für seine Tochter zu finanzieren.
Unberücksichtigt blieb bisher das langjährige Wohlverhalten seit der Tat und die nicht von dem Bf. zu vertretende überlange Verfahrensdauer, dem steht erschwerend der mehrmalige Tatentschluss entgegen. Der zusätzliche Milderungsgrund und der Erschwerungsgrund gleichen einander aus, während für die überlange Verfahrensdauer ein gesondert ausgewiesener Abschlag vorgenommen wird.
Das Strafverfahren gegen den Bf. wurde mit Verständigung vom 16. Oktober 2007 anhängig, jedoch ist wegen des Rechtsmittelverfahrens gegen die Abgabenvorschreibung das verfahrensgegenständliche erstinstanzliche Erkenntnis erst am 1. Oktober 2014 erlassen worden. Diese lange Verfahrensdauer hat der Bf. nicht zu verantworten, daher wird ein Abschlag von EUR 2.000,00 vorgenommen und die Geldstrafe neu mit EUR 16.000,00 bemessen.
Die obigen Ausführungen zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen gelten auch für die Ausmessung der im Spruch ersichtlichen Ersatzfreiheitsstrafe, wobei es, wie wiederum zahlreichen Entscheidungen in der Findok zu entnehmen ist, der langjährigen Spruchpraxis des UFS und auch der des BFG entspricht, dass für EUR 400,00 Geldstrafe ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe bemessen wird.
Die nunmehr ausgesprochene Geld- und Ersatzfreiheitstrafe entsprechen nach dem Dafürhalten des erkennenden Senates den spezial- und generalpräventiven Erfordernissen und sind im Bereich der einschlägigen Spruchpraxis bei dauerhaften Abgabenverkürzungen angesiedelt. Die Höhe der verhängten Strafen soll damit einerseits den Bf. von weiteren diesbezüglichen Verfehlungen abhalten und andererseits potentielle Nachahmungstäter abschrecken.
Kostenentscheidung
Die Verfahrenskosten gründen sich auf § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG, wonach pauschal ein Kostenersatz im Ausmaß von 10% der verhängten Geldstrafe, maximal aber ein Betrag von EUR 500, 00 festzusetzen ist.
Zahlungsaufforderung
...
Zur Zulässigkeit der Revision
Zur Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Unterlassung der Erlassung eines Einleitungsbescheides verfahrensgegenständlich als unwesentlicher Fehler zu bewerten war oder ob in wortgetreuer Befolgung der diesbezüglichen Bestimmung des Finanzstrafgesetzes in dieser Fallkonstellation einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung ein Einleitungsbescheid zu erlassen gewesen wäre und der Schuldspruch unter Verletzung zwingender verfahrensrechtlicher Bestimmungen zustande gekommen ist, wird die ordentliche Revision zugelassen."
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der sich der Revisionswerber in folgenden "subjektivöffentlichen Rechten verletzt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG)" erachtet:
"? Im Recht darauf, nicht wegen Hinterziehung von Vorauszahlungen an USt für die Monate Jänner bis August 2005 jeweils in Höhe von EUR 5.600 (zusammen daher: EUR 44.800) gemäß § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig gesprochen (verurteilt) zu werden.
? Im Recht darauf, nicht wegen Hinterziehung eben dieser USt-Vorauszahlungen gemäß § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstrafe von EUR 16.000 bzw gemäß § 20 Abs 1 FinStrG zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 40 Tagen verurteilt zu werden.
? Im Recht darauf, aus demselben Grund nicht zum Ersatz der mit EUR 500 bestimmten Kosten des verwaltungsbehördlichen und des - gerichtlichen Strafverfahrens verpflichtet zu werden.
? Im Recht darauf, wegen bereits eingetretener Verjährung der Strafbarkeit der USt für die Monate Jänner bis August 2005 nicht bestraft zu werden.
? Im Recht auf Einstellung des Finanzstrafverfahrens mangels Vorliegens der Voraussetzungen für einen Schuldspruch."
Er beantragt, das angefochtene Erkenntnis in seinem gesamten Inhalt aufzuheben.
Der Bundesminister für Finanzen erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er hinsichtlich der vom Gericht für die Zulassung der Revision genannten Rechtsfrage die Abweisung der Revision als unbegründet, hinsichtlich der übrigen in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen deren Zurückweisung als unzulässig unter Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG) ist nach Abs. 4 leg. cit. nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache
1. eine Geldstrafe von bis zu EUR 750,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und
2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu EUR 400,-- verhängt wurde.
Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG hat die Revision die Bezeichnung der Rechte zu enthalten, in der der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte).
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der "ordentlichen" (d.h. vom Verwaltungsgericht nach § 25a Abs. 1 VwGG für zulässig erklärten) Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa den Beschluss vom 9. September 2015, Ro 2015/16/0028, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes legt der Revisionspunkt den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens fest und steckt den Rahmen ab, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses gebunden ist. Ist der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich. Die Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses, aber auch der Zulässigkeit einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof hat daher im Rahmen des Revisionspunktes zu erfolgen und sich auf das dort geltend gemachte Recht zu beschränken (vgl. den Beschluss vom 26. August 2015, Ra 2015/16/0075).
Soweit die vorliegende Revision in Übereinstimmung mit dem Ausspruch des Gerichtes über die Zulässigkeit der Revision hinsichtlich der Rechtsfrage, ob die Unterlassung eines förmlichen Einleitungsbescheides einen wesentlichen Verfahrensfehler darstelle oder nicht, einleitend ihre Zulässigkeit behauptet und die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses in der unrichtigen Beurteilung der Verständigung vom 16. Oktober 2007 als nach dem FinStrG ausreichend rügt, kann eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage unterbleiben, weil sich der Revisionswerber in den von ihm bezeichneten Revisionspunkten in keinem konkreten korrespondierenden Recht verletzt erachtet. Eine Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses in seiner Beurteilung der Verständigung vom 16. Oktober 2007 hat daher zu unterbleiben.
Die vorliegende Revision sieht ihre Zulässigkeit weiters darin, dass ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG trotz Ergehen eines Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2005 erfolgt sei. Die Hinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG werde, wenn in der Folge für den gleichen Umsatzsteuerbetrag und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen der Hinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG zumindest versucht werde, von letzterem konsumiert. Allerdings werfe die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Fragen auf, weil die Straflosigkeit einer "nachbestraften Vortat" an die Bedingung einer Ahndung nach § 33 Abs. 1 FinStrG geknüpft werde. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei methodisch fragwürdig. Die Strafbarkeit für die Verkürzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2005 nach § 33 Abs. 1 FinStrG sei, wie das Gericht ausgeführt habe, bereits verjährt. Dem sei uneingeschränkt zuzustimmen. Die Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes, der eine "nachbestrafte Vortat" nur bei einer nachfolgenden Verurteilung wegen Verkürzung der Jahresumsatzsteuer annehme, decke nur den Regelfall ab, nicht hingegen auch den Sonderfall, dass für die Jahres-Umsatzsteuer bereits Verjährung der Strafbarkeit eingetreten sei und einer Verurteilung dieses Hindernisses in Form dieses Strafaufhebungsgrundes entgegen stehe. Dem Grundgedanken der Scheinkonkurrenz entspreche es, nur das primäre Gesetz anzuwenden und das verdrängte gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Diese Überlegung gelte für den Schuldspruch und für die Verjährung gleichermaßen. Auch insoweit komme der "Verdrängungsansatz" zum Tragen: Sei das verdrängende Delikt (hier: § 33 Abs. 1 FinStrG) bereits verjährt, so lebe die Strafbarkeit des verdrängten Delikts (hier: § 33 Abs. 2 lit a FinStrG) nicht wieder auf.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ziehen die Beurteilung des Gerichts, wonach eine Strafbarkeit der Verkürzung an Umsatzsteuer für das Jahr 2005 im Grunde des § 33 Abs. 1 FinStrG bereits verjährt sei, nicht in Zweifel. Das Gericht sah, wie eingangs wiedergegeben, eine Strafbarkeit für die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG infolge der eingetretenen Verfolgungsverjährung hinsichtlich des Vergehens nach § 33 Abs. 1 FinStrG wegen des Versuchs der Verkürzung der Jahresumsatzsteuer 2005 für gegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zu der von der Revision aufgeworfenen, vom wiedergegebenen Revisionspunkt erfassten Rechtsfrage bislang nicht explizit geäußert.
Gemäß § 31 Abs. 1 FinStrG erlischt die Strafbarkeit eines Finanzvergehens durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört. Gehört zum Tatbestand ein Erfolg, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dessen Eintritt zu laufen. Sie beginnt aber nie früher zu laufen als die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Abgabe, gegen die sich die Straftat richtet.
Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung weiters schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von den § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.
Die Vergehen nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit a FinStrG stehen zueinander in Realkonkurrenz.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (beginnend mit dem Urteil eines verstärkten Senates vom 21. November 1991, 14 Os 127/90) wird das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG, wenn in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Betrag und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG versucht wird, von letzterem konsumiert.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Strafbarkeit einer Abgabenhinterziehung im Sinn des § 33 Abs. 2 lit a FinStrG dann ausgeschlossen, wenn einer Strafbarkeit infolge der nachfolgenden Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 leg. cit. wegen des gleichen Umsatzsteuerbetrages für denselben Zeitraum kein Hindernis entgegensteht, weil in einem solchen Fall die Tathandlung im Sinn des § 33 Abs. 2 lit a leg. cit. als eine - durch die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 nachbestrafte - Vortat zu betrachten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 2001, 2000/14/0109 = Slg. 7.580/F, vom 3. September 2008, 2008/13/0076, vom 4. Februar 2009, 2007/15/0142, sowie vom 21. September 2009, 2009/16/0083 = Slg. 8.472/F).
Unbeschadet des Umstandes, dass es sich bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer bestimmter Voranmeldungszeiträume um eine mit der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer eines dieser Voranmeldungszeiträume (mit)umfassenden Veranlagungszeitraumes nachbestrafte Vortat handelt, werden die beiden Taten durch zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirklichte unterschiedliche Sachverhalte begangen, wodurch die in § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit a FinStrG umschriebenen Tatbestände erfüllt werden. Dabei entsprechen nicht nur die zu verschiedenen Zeitpunkten verwirklichten Sachverhalte den verschiedenen Tatbildern, sondern auch in der Qualifikation unterschiedlichen subjektiven Tatbeständen, weil für die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG der qualifizierte Vorsatz der Wissentlichkeit (dolus principalis) erforderlich ist, während zur Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) ausreicht (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 21. September 2009 mwN).
Um unionsrechtlich (Art. 50 GRC) oder verfassungsrechtlich (Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK - vgl. Ratz in Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 - WK, Rz 31 vor §§ 28 bis 31 StGB mwN) unzulässige oder bloß als unbillig empfundene (vgl. Ratz aaO Rz 26 vor §§ 28 bis 31 StGB) Doppelbestrafungen mehrerer strafbarer Handlungen, die zueinander in einer Nahebeziehung einer Ideal- oder Realkonkurrenz stehen, zu vermeiden, wird statt eines echten Zusammentreffens nur eine scheinbare Konkurrenz der strafbaren Handlungen angenommen.
Realkonkurrierende strafbare Handlungen verjähren grundsätzlich jede für sich gesondert (vgl. Marek in WK2, Rz 12 zu § 57, sowie Tischler in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Rz 12 zu § 57).
Bei Konsumation einer Nachtat (scheinbare Realkonkurrenz) wird die Meinung vertreten, dass die Verdrängung der Nachtat durch Verjährung der Haupttat nicht tangiert werde (Burgstaller,
Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393 ff und 459 ff, insbes. 465 f; Marek, aaO, Rz 13 zu § 57, unter Hinweis auf Ratz, aaO, Rz 74 vor §§ 28 bis 31; Tischler, aaO).
Abgesehen davon, dass die zitierten (sowie weitere, in der Revision zitierte) Meinungen die Regelung des § 57 StGB im Auge haben, die sich jedoch in ihrem Regelungsgehalt sowohl von ihrem Wortlaut als auch von ihrer Systematik her von § 31 FinStrG unterscheidet, und nur die Konstellation der Konsumation der Nachtat behandeln, würde eine für die Konstellation realkonkurrierender Finanzvergehen aufrechterhaltene Annahme einer Verdrängung der (nicht mehr nachbestraften) Vortat durch die verjährte Nachtat den Telos für die Annahme einer solchen Verdrängung, nämlich die Vermeidung unbillig empfundener Doppelbestrafungen, verfehlen, weil durch die Verjährung der Nachtat eine solche Doppelbestrafung ohnehin nicht mehr in Betracht kommen kann. Der Verwaltungsgerichtshof findet daher auch in der vorliegenden Revision keinen Anlass, von seiner ständigen, eingangs zitierten Rechtsprechung abzugehen, dass die Strafbarkeit einer Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG dann (und nur dann) ausgeschlossen ist, wenn einer Strafbarkeit infolge der nachfolgenden Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 leg. cit. wegen des gleichen Umsatzsteuerbetrages für denselben Zeitraum kein Hindernis entgegensteht.
Da im vorliegenden Revisionsfall der Strafbarkeit für die in Rede stehenden Umsatzsteuerbeträge für die verfahrensgegenständlichen Monate Jänner bis August 2005 im Zusammenhang mit der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG das Hindernis der Verjährung nach § 31 Abs. 1 FinStrG entgegen steht, ist die Strafbarkeit der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG nicht ausgeschlossen.
Der in diesem Punkt zulässigen Revision kommt daher keine Berechtigung zu.
Die Revision führt weiter ins Treffen, dass sich das Gericht die Schätzung aus dem Abgabenverfahren zu Eigen gemacht habe. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Vorwurf kann allerdings schon deshalb unterbleiben, weil die Revision die eingangs wiedergegebenen, eingehenden und originären, über die bloße Übernahme einer Schätzung hinausgehenden Überlegungen des Gerichts zur Untermauerung der Tatsachenannahmen ("Überlegungen zur Übernahme der Schätzung der Begleitumsätze für Zwecke des Strafverfahrens") schlichtweg übergeht.
Weiters rügt die Revision Mängel der Beweiswürdigung und in der Anlegung eines "falschen Beweismaßes" durch das Gericht.
Kein Erfolg beschieden ist dieser Verfahrensrüge, die sich zwar in der Wiedergabe von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) und von Lehre verbreitert, ohne allerdings in den eingehenden, eingangs wiedergegebenen Erwägungen des Gerichts etwa eine Überschreitung der freien Beweiswürdigung durch eine Unschlüssigkeit aufzuzeigen (vgl. den Beschluss vom 26. August 2015, Ra 2015/16/0070).
Soweit die Revision offensichtlich auch eine Unangemessenheit der Strafe unter dem Titel "zu geringer Abschlag für die überlange Verfahrensdauer" moniert, vermag sie allein mit dem Hinweis darauf, dass Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage noch nicht vorliege, damit keine Zulässigkeit Revision zu beanspruchen, weil der Handhabung des vom Gericht im Revisionsfall explizit berücksichtigten Milderungsgrundes der Verfahrensdauer keine über den Einzelfall hinausweisende Bedeutung zukommt.
Inwieweit die unter den Revisionspunkten angesprochene Verpflichtung zum Kostenersatz irgendeine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG anspricht, führt die Revision überhaupt nicht aus.
Die vorliegende Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Ein Spruch über den Aufwandersatz hat zu unterbleiben, weil der die Revisionsbeantwortung erstattende Bundesminister für Finanzen nicht gemäß § 22 VwGG in das Verfahren eingetreten und daher nicht Partei des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist (vgl. die Beschlüsse vom 1. Juli 2015, Ro 2014/12/0055 und Ro 2014/12/0068).
Wien, am 22. Oktober 2015
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