VwGH Ro 2015/09/0004

VwGHRo 2015/09/000421.4.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Revision des Disziplinaranwalts beim Bundesministerium für Justiz in 1070 Wien, Museumstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Jänner 2015, Zl. W136 2014190-1/2E, betreffend Suspendierung nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz; weitere Partei: Bundesminister für Justiz; mitbeteiligte Partei: B F in W, vertreten durch Mag. Matthias Prückler, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 16/8), den Beschluss gefasst:

Normen

BDG 1979 §112;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;
BDG 1979 §112;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106, 40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die im Jahr 1984 geborene, als Justizwachebeamte in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Mitbeteiligte wurde mit Bescheid der Vollzugsdirektion vom 10. September 2014 vorläufig vom Dienst suspendiert, da sie im Verdacht stand, Suchtmittel zu konsumieren und mit Suchtmittel zu handeln.

Die belangte Disziplinarkommission sprach mit Bescheid vom 3. Oktober 2014 gemäß § 112 Abs. 1 und 3 BDG 1979 aus, dass die Mitbeteiligte nicht endgültig suspendiert werde. Sie begründete dies damit, dass nach der Aktenlage derzeit lediglich von einem Suchtmitteleigenkonsum der Mitbeteiligten auszugehen und die Verdachtslage keineswegs als gravierend anzusehen sei, um eine Suspendierung zu rechtfertigen; derzeit werde von einer problemlosen Wiedereingliederung der Mitbeteiligten in den Dienstbetrieb ausgegangen.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid vom Disziplinaranwalt beim Bundesministerium für Justiz erhobene Beschwerde ab, bestätigte die Entscheidung der belangten Disziplinarkommission und erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig.

Zur Begründung der Entscheidung führte es im Wesentlichen aus, dass die Mitbeteiligte eingestanden habe, zwischen Jänner und Mai 2014 gemeinsam mit dem Justizwachebeamten J ausschließlich an ihrer oder dessen Wohnadresse mehrmals Cannabis in Form von Joints konsumiert zu haben, welches sie einige Male von ihm sowie einmal in einer Diskothek erworben habe; sie habe dieses Verhalten, das sie nach ihren Angaben eingestellt habe, auf ein privates (Beziehungs‑)Problem zurückgeführt. Sie habe nie in Ausübung des Dienstes Suchtgift konsumiert und nichts über Schmuggelvorgänge von Handys und Suchtgift durch J in die Justizanstalt X gewusst. Nach der Aktenlage würden sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die Mitbeteiligte zum Suchtgifthandel des Justizwachebeamten beigetragen habe. Der Fall unterscheide sich damit von der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 2005, 2005/09/0052, zugrundeliegenden Suspendierung eines Justizwachebeamten, der im Verdacht stand, in Zeiten seiner durch Erkrankung gerechtfertigten Dienstabwesenheit in Lokalen Suchtmittel konsumiert zu haben. Das hier vorgeworfene außerdienstliche Verhalten der Mitbeteiligten habe im Gegensatz zu jenem Fall de facto keine Außenwirkung erlangt, weshalb eine Belassung der Mitbeteiligten im Dienst ohne Gefährdung dienstlicher Interessen durchaus möglich erscheine, dies insbesondere auch deshalb, weil es nach der Aktenlage keinen Hinweis darauf gebe, dass sie das inkriminierte Verhalten nicht bereits vor nunmehr sieben Monaten eingestellt habe.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist. Sie stellt keine endgültige Lösung dar. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, 89/09/0082, vom 14. September 1988, 88/09/0046, vom 10. September 1989, 89/09/0075, vom 5. April 1990, 90/09/0008, vom 19. Oktober 1990, 90/09/0120, sowie zuletzt vom 23. Mai 2002, 2001/09/0238, mwN). Ein Verdacht kann immer nur aufgrund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, 89/09/0113, sowie vom 20. November 2001, 2000/09/0133). Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen (so z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1990, 89/09/0107, vom 25. April 1990, 89/09/0163, oder vom 7. Juli 1999, 97/09/0275). Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst aufgrund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1990, 90/09/0112, oder vom 27. Oktober 1999, 97/09/0204).

Die Verfügung der Suspendierung setzt den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, z. B. bei schwerer Belastung des Betriebsklimas (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1993, 92/09/0238). Für eine Suspendierung sind greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung von ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite erforderlich (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 25. März 2010, 2010/09/0055, vom 30. Mai 2011, 2010/09/0231, und vom 25. Jänner 2013, 2012/09/0154, mit ausführlichen weiteren Nachweisen).

Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung dieser Judikaturgrundsätze die Verdachtslage auf Grundlage des gegebenen Ermittlungsstandes gewürdigt. Es bestehen keine Bedenken, wenn es als Ergebnis seiner nachvollziehbaren Begründung das beschriebene (länger zurückliegende und nicht prolongierte) außerdienstliche Fehlverhalten der Justizwachebeamtin, welches keinerlei Hinweise auf eine erkennbare Außenwirkung enthält, als nicht so gravierend erachtet, dass es einer Belassung der Mitbeteiligten im Dienst entgegenstünde, und eine Suspendierung als nicht gerechtfertigt sah.

Das vom Revisionswerber wiederholt ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 2005, 2005/09/0052, betraf dagegen die Suspendierung eines Justizwachebeamten, der im Verdacht stand, in Zeiten seiner durch Erkrankung gerechtfertigten Dienstabwesenheit in Lokalen zumindest zweimal Suchtmittel (Speed) konsumiert zu haben, und somit ungeachtet des den Sachverhalt verkürzt wiedergebenden Rechtssatzes ("Angehörige von Wachkörpern (deren Aufgaben unter anderem darin besteht, die Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen zu verhindern bzw. verurteilte Straftäter zu bewachen), welche Suchtmittel konsumieren und solcher Art selbst gerichtlich strafbare Taten begehen, verletzen das Ansehen dieser Wachkörper und wesentliche Interessen des Dienstes.") den andersgelagerten Fall einer in der Öffentlichkeit gesetzten außerdienstlichen Dienstpflichtverletzung, wobei sich aus der evidenten Außenwirkung des Verhaltens zwangsläufig die für eine Suspendierung (nach § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979) notwendige Gefährdung des Verlustes des Ansehens des Amtes oder wesentlicher dienstlicher Interessen ergab.

Dass - womit das Bundesverwaltungsgericht seinen Zulassungsausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründet - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, "ob jede Art der außerdienstlichen Konsumation eines Suchtmittels iSd Suchtmittelgesetzes grundsätzlich eine die Suspendierung iSd § 112 BDG 1979 notwendig erscheinen lassende Dienstpflichtverletzung darstelle", fehlt, begründet für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn von Art 133 Abs. 4 B-VG. Auch in der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren der Mitbeteiligten auf Ersatz der "ERV-Gebühr" findet darin keine Deckung.

Wien, am 21. April 2015

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