VwGH 97/09/0275

VwGH97/09/02757.7.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des F in Linz, vertreten durch Dr.Günter Schmid und Dr. Albin Walchshofer, Rechtsanwälte in Linz, Fadingerstraße 15, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 2. Juli 1997, Zl. 63/5-DOK/97, betreffend Suspendierung, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §112 Abs1;
BDG 1979 §112 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand als Bezirksinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 8. Jänner 1998 und dem (über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers) im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juni 1998 wurde über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. April 1999, Zl. 98/09/0235, als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 25. April 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 112 Abs. 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) vom Dienst suspendiert und ausgesprochen, daß damit gemäß § 112 Abs. 4 leg. cit. die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluß der Kinderzulage - auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung verbunden ist.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er stellte darin den Antrag, "den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, daß die vorläufige Suspendierung vom Dienst aufgehoben wird; in eventu wolle der angefochtene Bescheid aufgehoben und der Erstbehörde die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden".

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juli 1997 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und die mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 25. April 1997 verfügte Suspendierung bestätigt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer stehe im Verdacht, er habe als Wachkommandant des Wachzimmers "Stadthafen" in der Nacht vom 7. April 1997 auf den 8. April 1997 seinem Untergebenen Revierinspektor B die Weisung gegeben, mit ihm in einem Dienstkraftwagen in das Animierlokal "Diskret" zu fahren; er habe sich dort in Uniform ca. vier Stunden aufgehalten, während dieser Zeit mehr als drei gespritzte Weißwein getrunken, sich privat mit einer Animierdame unterhalten, anschließend eine Animierdame im Dienstkraftwagen mitgenommen und mit dieser Person ein weiteres Animierlokal aufsuchen wollen; er habe den Wachzimmerrapport nicht korrekt ausgeführt, da die Anwesenheit im Animierlokal als kombinierter Streifendienst eingetragen worden sei; er habe am 9. April 1997 dem Revierinspektor B die Weisung gegeben, mit ihm den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizeidirektion Linz zu verlassen und im Stadtgebiet Leonding eine Erhebung durchzuführen und diese Fahrt auch getätigt; er habe während des angeführten Lokalaufenthaltes dem F rechtswidrig einen Fotoapparat abgenommen, die Filmspule herausgenommen und den Film herausgezogen; er habe im Bereich dieses Lokales (angeblich am Gang) veranlaßt, daß sich eine männliche Person wegen angeblichen Suchtgiftkonsums vollkommen entkleiden habe müssen. Die kriminalpolizeiliche Abteilung der Bundespolizeidirektion Linz führe gegen den Beschwerdeführer Erhebungen wegen des Verdachtes des Mißbrauchs der Amtsgewalt. Aufgrund der vorläufigen Erhebungen bestehe der Verdacht, daß der Beschwerdeführer eine Anzeige wegen Diebstahls gegen M aufgenommen und im Dienstweg vorgelegt habe, wobei dem Beschwerdeführer laut Zeugenaussage habe bekannt sein müssen, daß eine zivilrechtliche Ratenvereinbarung vorgelegen sei, die letzte Rate erst am 15. April 1997 fällig gewesen und die erste Rate pünktlich bezahlt worden sei. Aufgrund der bisher durchgeführten aktenkundigen Erhebungen und Ermittlungen (im besonderen niederschriftliche Einvernahmen von Revierinspektor B am 10. April 1997, von F und P am 11. April 1997) liege der Verdacht der Verletzung von Dienstpflichten durch den Beschwerdeführer begründet vor. Daß bei einem Belassen des Beschwerdeführers im Dienst während des gegen ihn laufenden Disziplinarverfahrens die Ordnung des Dienstbetriebes gefährdet sowie das Vertrauen der Öffentlichkeit in die sachliche und korrekte Wahrnehmung der Aufgaben der Exekutive wesentlich beeinträchtigt würden, liege bei der Art der Verfehlungen auf der Hand. Durch die Medienberichterstattung sei dem Ansehen der Exekutive in der Öffentlichkeit überdies ein schwerer Imageverlust zugefügt worden. Der Verdacht von Dienstpflichtverletzungen sei im gegenständlichen Fall durch konkrete tatsächliche Anhaltspunkte ausreichend erhärtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht suspendiert zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erklärte auf Erstattung einer Gegenschrift im Hinblick auf die Aktenlage und die Begründung der Bescheide beider Instanzen zu verzichten. Sie beantragt, die Beschwerde unter Zuerkennung des Vorlageaufwandes als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Dienstbehörde gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 die vorläufige Suspendierung zu verfügen.

Jede vorläufige Suspendierung ist nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) bereits anhängig, so hat diese bei Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zl. 95/09/0186, und die darin angegebene Judikatur) ist die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist und keine endgültige Lösung darstellt. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden in Disziplinarverfahren zu. Es genügt demnach, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Dies ist dann der Fall, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst aufgrund des im Allgemeinen einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren oder zu verhindern. Kommt nach der Lage des Einzelfalles die Möglichkeit der Verfügung einer Suspendierung in Betracht, gebieten die Rechtsgüter, zu deren Sicherung die Suspendierung vorgesehen ist, eine rasche Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen für ihre Verhängung gegeben sind oder nicht. Im Hinblick auf diese Funktion der Suspendierung können an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Ähnlich wie beim Einleitungsbeschluss (an den ebenfalls Rechtsfolgen geknüpft sind) muss das dem Beamten im Suspendierungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, dass es Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt.

Diesen Anforderungen wird (nicht nur der erstinstanzliche Bescheid sondern auch) der angefochtene Berufungsbescheid der belangten Behörde hinreichend gerecht, ergeben sich doch aus dem im vorgelegten Suspendierungsakt befindlichen Beweismitteln genügend Anhaltspunkte gegen den Beschwerdeführer für die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Dienstpflichtverletzungen.

Insoweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde behauptet, "ein bloßer Verdacht reicht nicht aus, um eine Suspendierung auszusprechen", verkennt er die Rechtslage bzw. wird allein damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dargetan. Entgegen den Beschwerdeausführungen war die Aussage des F nicht entscheidend für die Annahme des gegen den Beschwerdeführer bestehenden Verdachts. Es kann daher unbeantwortet bleiben, ob - wie der Beschwerdeführer meint - F widersprüchliche oder unglaubwürdige Angaben gemacht hat. Der Beschwerdeführer läßt bei Bestreitung eines gegen ihn bestehenden Verdachts die Aussagen des Revierinspektor B vom 10. April 1997 und die Aussage des W vom 11. April 1997 außer acht. Revierinspektor B hat sich in seiner neuerlichen Befragung am 10. April 1997 nämlich entschlossen, "die Vorläufe in der Nacht vom 7.4. auf 8.4. 1997 so zu schildern, wie sie waren" (auf den weiteren Inhalt dieser Aussage im vorgelegten Akt der Erstbehörde wird verwiesen). Aus der Aussage des W ergab sich der hinreichend konkrete Verdacht, daß die vom Beschwerdeführer zur Anzeige gebrachte Straftat tatsächlich nicht begangen worden war und dem Beschwerdeführer bekannt sein mußte, daß seine Meldung vom 9. April 1997 einer sachlichen Grundlage entbehrte. Solcherart ergab sich aber der hinreichend begründete Verdacht gegen den Beschwerdeführer, er habe das Animierlokal "Diskret" nicht aus dienstlichem, sondern aus privatem Interesse besucht und diese Pflichtverletzung nachträglich durch Erstattung einer unrichtigen Strafanzeige zu rechtfertigen versucht. Die in der Beschwerde vorgebrachte Behauptung, am 11. April 1997 sei bereits nur mehr ein "vermeintlicher Verdacht" vorgelegen, ist nach der Aktenlage unrichtig und nicht nachvollziehbar.

Die Verfügung der Suspendierung setzt zufolge § 112 Abs. 1 BDG 1979 unter anderem den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, etwa bei denkbarer Verdunkelungsgefahr im Dienst oder schwerer Belastung des Betriebsklimas (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. März 1999, Zl. 97/09/0093). Dem Beschwerdeführer ist daher darin zu folgen, daß nicht der Verdacht jeder Dienstpflichtverletzung bereits die Verfügung der Suspendierung zu rechtfertigen vermag.

Im Rahmen der demnach erforderlichen Interessenabwägung und Wertung (bzw. Würdigung) der im Verdachtsbereich vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung hat die belangte Behörde nach Lage des Beschwerdefalles jedoch hinreichend dargelegt, daß im vorliegenden Fall die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen die Maßnahme der Suspendierung erforderten, bestand doch unter anderem der begründete Verdacht, der Beschwerdeführer habe während seiner Dienstzeit zu privaten Zwecken ein Animierlokal besucht und diese Pflichtverletzung bewußt durch eine tatsachenwidrige Strafanzeige (vorgetäuschte Amtshandlung) zu rechtfertigen versucht. Bereits diese Vorgangsweise des Beschwerdeführers war - ungeachtet der Frage, ob und inwieweit sie nun tatsächlich in die Öffentlichkeit gedrungen ist - offenkundig geeignet, das Ansehen des Amtes und darüber hinaus auch der Exekutive insgesamt zu gefährden. Sie war überdies auch dazu geeignet, wesentliche Interessen des Dienstes zu gefährden, weil es den dienstlichen Interessen, insbesondere auch an einem reibungslosen Betriebsklima, offensichtlich entgegenläuft, wenn ein Beamter der Exekutive während der Dienstzeit private Animierlokalbesuche unternimmt und danach mit in diesem Lokal angeblich unternommenen Amtshandlungen die Erfüllung seiner Dienstpflichten vorzutäuschen versucht.

Dem angefochtenen Bescheid ist daher nach Lage des Beschwerdefalles ausreichend zu entnehmen, worin die Umstände zu erblicken sind, welche nach § 112 BDG 1979 die Suspendierung des Beschwerdeführers veranlaßt haben. Da diese Umstände auch in rechtlicher Hinsicht geeignet waren, die Suspendierung zu rechtfertigen, war die dagegen gerichtete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 7. Juli 1999

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