VwGH Ro 2014/17/0049

VwGHRo 2014/17/004929.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Fries, über die Revision des H J in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 5. Dezember 2013, UVS-113/50/12-2013, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

12010E056 AEUV Art56;
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB;
62012CJ0390 Pfleger VORAB;
AVG §39 Abs2;
EURallg;
GSpG 1989 §52;
GSpG 1989;
VStG §25 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RO2014170049.J00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund einer am 12. Juli 2011 durchgeführten Kontrolle der Finanzpolizei wurde dem Revisionswerber mit Aufforderungsschreiben zur Rechtfertigung der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 2. Juli 2012 vorgeworfen, er habe es als gemäß § 9 Abs 1 VStG "nach außen befugtes Organ" der AJ GmbH zu verantworten, dass seit zumindest 11. Juli 2011 bis zum 12. Juli 2011 das für die Durchführung von Glücksspielen in Form von verbotenen Ausspielungen an einem konkret bestimmten Ort aufgestellte Gerät FA Nr 9 "Global Tronic" gegen Entgelt zur Verfügung gestellt worden und so selbstständig und nachhaltig eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen entfaltet worden sei. Er habe als Unternehmer iSd § 2 Abs 2 Glücksspielgesetz (GSpG) gehandelt und § 52 Abs 1 Z 1 GSpG übertreten.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 18. April 2013 wurde wegen des oben dargestellten Vorwurfs gegenüber dem Revisionswerber gemäß § 52 Abs 1 Z 1 GSpG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 480 Stunden) verhängt.

Der Revisionswerber berief sich in seiner gegen dieses Straferkenntnis gerichteten Berufung unter anderem auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und führte aus, dass eine Bestrafung nach § 52 GSpG dem Unionsrecht widerspreche. Im Urteil C-64/08 in der Rechtssache Engelmann habe der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die Konzessionsvergabe im österreichischen Glücksspielrecht nicht dem unionsrechtlichen Transparenzgebot entspreche. Der Umstand, dass der Revisionswerber keine Konzession besitze, dürfe deshalb nicht zum Anlass für die Verhängung einer Sanktion gegen ihn genommen werden. Zudem habe der Europäische Gerichtshof im Urteil C-347/09 in der Rechtssache Dickinger und Ömer ausgesprochen, dass bei der Beschränkung der Grundfreiheiten durch die österreichische Monopolregelung von den nationalen Behörden zu prüfen sei, ob sie tatsächlich dem Anliegen entspreche, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen und ob kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im betreffenden Mitgliedstaat ein Problem darstellen. Dies sei auch für reine Inlandssachverhalte, in denen das Unionsrecht nicht zur Anwendung komme, maßgeblich, da in diesem Fall eine verfassungswidrige Inländerdiskriminierung vorliegen könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg das bekämpfte Straferkenntnis. Der Unabhängige Verwaltungssenat übernahm den Spruch des erstinstanzlichen Bescheids vollinhaltlich und ergänzte ihn um die Wortfolge "zur Vertretung" (nach dem Zitat des § 9 Abs 1 VStG) sowie um folgenden Satz: "Sie waren daher im Sinne des § 52 Abs 1 Z 1 (4. Tatbild) GSpG an gegenständlicher verbotener Ausspielung unternehmerisch beteiligt." Außerdem fügte die Berufungsbehörde dem Spruch Feststellungen zur Funktionsweise des gegenständlichen Glücksspielgeräts hinzu und schrieb dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor.

Hinsichtlich der vom Revisionswerber vorgebrachten Bedenken betreffend die Unionsrechtskonformität der Monopolregelung allgemein und der Anwendbarkeit der §§ 52 bis 54 GSpG im Speziellen, führte der Unabhängige Verwaltungssenat aus, es sei aus der vom Revisionswerber angeführten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes nicht abzuleiten, dass das Gemeinschaftsrecht der Anwendung jeglicher nationaler Vorschrift auf dem Gebiet des Glücksspielwesens entgegenstehe. Zudem seien die nationalen Regelungen zur Konzessionsvergabe mit Rücksicht auf das unionsrechtlich gebotene Transparenzgebot abgeändert worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Das gemäß § 9 Abs 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) iVm Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG mit 1. Jänner 2014 an die Stelle des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg getretene Landesverwaltungsgericht Salzburg legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Bei der vorliegenden Rechtssache handelt es sich auf Grund der am 10. Dezember 2013 erfolgten Abfertigung und am 20. Jänner 2014 vollzogenen Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Revisionswerber um einen Fall iSd § 4 Abs 2 iVm § 2 Abs 1 und 3 VwGbk-ÜG.

Richtet sich die Revision - wie vorliegend - gegen den Bescheid einer unabhängigen Verwaltungsbehörde, ist sie unzulässig, wenn die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht vorliegen. Dies ist vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen. Eine solche Revision hat gesondert die Gründe zu enthalten, warum die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG vorliegen. Für ihre Behandlung sind die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt der Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung die Revision als unzulässig zurückgewiesen werden kann (vgl § 4 Abs 5 VwGbk-ÜG).

Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schon das Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision, dass hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe gegen eine gesetzliche Strafbemessungsgrenze verstoßen wurde, begründet die Zulässigkeit der Revision. Zwar führt das bloße Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn die Rechtslage eindeutig ist, nicht bereits zum Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl VwGH vom 28. Mai 2014, Ro 2014/07/0053). Allerdings liegt fallbezogen eine Konstellation vor, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl VwGH vom 24. September 2014, Ro 2014/03/0061).

Zunächst ist hinsichtlich des Vorbringens des Revisionswerbers zur Unzulässigkeit einer Bestrafung gemäß § 52 GSpG wegen Widerspruchs des Glücksspielmonopols zur unionsrechtlich verankerten Dienstleistungsfreiheit Folgendes auszuführen:

Im hg Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Ro 2014/17/0121, wurde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen habe, wenn eine in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehene Regelung gegen das Unionsrecht verstoßen sollte und deswegen unangewendet zu bleiben hätte (vgl auch zur Frage der Vereinbarkeit der Getränkesteuer mit dem Gemeinschaftsrecht VwGH vom 19. Juni 2000, 2000/16/0259).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinen Urteilen vom 15. September 2011, Rs C-347/09 (Dickinger und Ömer), und vom 30. April 2014, Rs C-390/12 (Pfleger), die unionsrechtliche Zulässigkeit des Glücksspielmonopols nicht nur von der Zielsetzung des Gesetzgebers - Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung - sondern auch von der tatsächlichen Wirkung der Regelungen abhängig gemacht. Im Zuge eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens hätte der Unabhängige Verwaltungssenat daher insbesondere zu prüfen gehabt, ob die Regelungen des Glücksspielgesetzes in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass die Gelegenheit zum Spiel verringert und die damit verbundene Kriminalität bekämpft wird. Dies wäre beispielsweise dann nicht erfüllt, wenn es trotz der restriktiven Ausgestaltung des Glücksspielrechts in den letzten Jahren zu einer Ausweitung der Spielsucht samt der damit verbundenen Probleme gekommen wäre (vgl VwGH vom 24. April 2015, Ro 2014/17/0126).

Zwar hat der Unabhängige Verwaltungssenat zu den in der Berufung vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken teilweise Stellung genommen. Diese Ausführungen bezogen sich jedoch überwiegend auf die Änderung der österreichischen Rechtslage, um eine dem unionsrechtlichen Transparenzgebot entsprechende nationale Konzessionsvergabe im Glücksspielbereich zu schaffen. Zutreffend hat der Unabhängige Verwaltungssenat darüber hinaus allgemein festgehalten, dass auf Grund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht sämtliche nationale Vorschriften auf dem Gebiet des Glücksspielwesens unangewendet zu bleiben haben, wenn nur eine Regelung auf diesem Gebiet nicht unionsrechtskonform ist, sondern nur jene Rechtsvorschriften, die im Widerspruch zum Unionsrecht stehen. Damit ist aber noch nichts über die allfällige Unionsrechtswidrigkeit einer Bestrafung nach dem Glücksspielgesetz ausgesagt. Der Unabhängige Verwaltungssenat unterließ es in weiterer Folge, sich fallbezogen mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Bestrafung des Revisionswerbers nach § 52 GSpG dem Unionsrecht widerspricht. Dabei ist die Aussage des EuGH in seinem Urteil vom 30. April 2014, Rs C-390/12 (Pfleger, Rn 64), zu beachten, wonach der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art 56 AEUV nicht vereinbar ist.

Der Unabhängige Verwaltungssenat traf weder Feststellungen dazu, ob im gegenständlichen Fall überhaupt ein Unionsrechtsbezug gegeben war, sodass Unionsrecht unmittelbar anwendbar wäre, noch, ob die Monopolregelung, insbesondere hinsichtlich ihrer tatsächlichen Wirkung, den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht. Wäre das Unionsrecht im konkreten Fall nicht anwendbar, hätte sich der Unabhängige Verwaltungssenat mit den aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung des § 52 GSpG wegen Inländerdiskriminierung auseinanderzusetzen gehabt (vgl zB VfGH vom 5. Dezember 2006, G 121/06 ua, sowie OGH vom 17. Februar 2015, 4 Ob 230/14y).

Der Unabhängige Verwaltungssenat ist durch das Unterlassen geeigneter Feststellungen seiner Pflicht, die Anwendbarkeit von Unionsrecht im gegenständlichen Fall einerseits und die anzuwendenden Bestimmungen des Glücksspielgesetzes hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Unionsrecht andererseits vom Amts wegen zu beurteilen, nicht in gesetzmäßiger Weise nachgekommen. Dadurch wurde das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.

In Bezug auf das die Zulässigkeit der Revision begründende Vorbringen ist auszuführen, dass gemäß § 16 Abs 2 1. Satz VStG die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen darf.

Da aufgrund einer Verwaltungsübertretung iSd § 52 Abs 1 Z 1 GSpG nur eine Geldstrafe und keine Freiheitsstrafe ausgesprochen werden kann, darf das Höchstmaß der dafür verhängten Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 Abs 2 1. Satz VStG zwei Wochen nicht übersteigen. Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 480 Stunden (das entspricht 20 Tagen) verstößt gegen diese Strafbemessungsgrenze und belastet den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Strafhöhe ebenfalls mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Gründen aufgrund der Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, sodass sich ein Eingehen auf die in der Revision weiters vorgebrachten Erwägungen erübrigt.

Von der vom Revisionswerber beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art 6 Abs 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Salzburg Genüge getan.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455/2008 (§ 4 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014).

Wien, am 29. Mai 2015

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