VwGH Ro 2014/17/0126

VwGHRo 2014/17/012624.4.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Revision der E KFT in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 20. März 2014, LVwG-10/74/4-2014, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz, in einem gemäß § 12 Abs 2 VwGG gebildeten Senat

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Normen

12010E056 AEUV Art56;
62012CJ0390 Pfleger VORAB;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
VwGVG 2014 §30;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erstinstanzlichem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 31. Juli 2013 wurde gegenüber der Revisionswerberin die Beschlagnahme von acht Glücksspielgeräten gemäß §§ 52 Abs 1 und 53 Abs 1, 2 und 3 Glücksspielgesetz (GSpG) iVm § 39 Abs 1 VStG angeordnet.

Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Berufung, in welcher Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurde.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG mit 1. Jänner 2014 an die Stelle der belangten Behörde getretenen Landesverwaltungsgerichtes Salzburg wurde der (nunmehr) Beschwerde hinsichtlich der Glücksspielgeräte FA-Nummern 1, 2, 4, 5 und 8 Folge gegeben und der Beschlagnahmebescheid in diesem Umfang aufgehoben (Spruchpunkt I.), hinsichtlich der Glücksspielgeräte FA-Nummern 3, 6 und 7 keine Folge gegeben (Spruchpunkt II.) und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Landesverwaltungsgericht - zum hier erheblichen Spruchpunkt II. seiner Entscheidung - unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 2011, 2011/17/0238, zu FA-Nummer 6, einem so genannten "Fun-Wechsler", aus, entscheidend sei, dass mit dem gegenständlichen Gerät jedenfalls (neben Geldwechselzwecken und/oder der Unterhaltung mit Musikstücken) auch ein Spiel durchgeführt werden könne, bei dem die Entscheidung über Gewinn und Verlust vom Spieler nicht beeinflussbar sei und vom Gerät selbsttätig herbeigeführt werde. Eine zusätzliche Geldwechselfunktion und Abspielmöglichkeit von Musik würden daran nichts ändern. Bei den Geräten mit den FA-Nummern 3 und 7 handle es sich um so genannte "Auszahlungsterminals", welche den Zweck hätten, durch Wechseln von Geld in Guthaben-Bons das Spielen auf anderen Glücksspielgeräten zu ermöglichen. Solche Auszahlungsterminals seien als "sonstige Eingriffsgegenstände" iSd GSpG zu qualifizieren.

Zu Recht sei daher die erstinstanzliche Behörde von dem Verdacht ausgegangen, mit den verfahrensgegenständlichen Geräten werde in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen und somit fortgesetzt gegen die Bestimmung des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen. Dieser Verdacht liege auch noch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung vor. Unionsrechtliche Bedenken verwarf das Landesverwaltungsgericht.

Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision wurde damit begründet, dass im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme und diese Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu in Absehung von einer mündlichen Verhandlung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Inhaltlich stützt sich die Revisionswerberin insbesondere auf die behauptete Unionsrechtswidrigkeit und eine damit einhergehende Unanwendbarkeit aller Bestimmungen des GSpG.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg legte nach Durchführung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - die Verfahrensakten vor.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Revision gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses:

Soweit sich die Revision gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, mit dem der Beschwerde Folge gegeben und der Beschlagnahmebescheid hinsichtlich der Glücksspielgeräte FA-Nummern 1, 2, 4, 5 und 8 aufgehoben wurde, ficht die Revision ein Erkenntnis an, mit dem seiner Beschwerde vollinhaltlich stattgegeben wurde. Der Zulässigkeit einer derartigen Revision steht der Mangel der formellen Beschwer und daher des Rechtsschutzbedürfnisses entgegen (vgl die Beschlüsse des VwGH vom 20. Dezember 2013, 2013/02/0039, und vom 31. August 1995, 95/19/0212), sodass die Revision in diesem Umfang zurückzuweisen ist.

Zur Revision gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses:

Gemäß Art 133 Abs 4 erster Satz B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 25a Abs 1 VwGG im Spruch seines Erkenntnisses mit kurzer Begründung auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. An diesen Ausspruch ist der Verwaltungsgerichtshof jedoch gemäß § 34 Abs 1a VwGG bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht gebunden. Erklärt das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - die Revision für zulässig, so ist bis zu einer etwaigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig ist, davon auszugehen, dass die Revision die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG erfüllt und daher als ordentliche Revision zu behandeln ist (vgl VwGH vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, sowie vom 15. Dezember 2014, Ro 2014/17/0121). Daran vermag auch eine - wie gegenständlich vorliegend - unrichtige Belehrung iSd § 30 VwGVG, wonach eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden könne, nichts zu ändern (vgl zur Unbeachtlichkeit einer zum Spruch in Widerspruch stehenden Begründung wiederum das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014).

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat die Zulässigkeit der Revision damit begründet, dass im Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme und diese in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden sei. Dieser bloß formelhafte Hinweis auf eine nicht näher bezeichnete Rechtsfrage entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 25a Abs 1 VwGG, wonach der Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision kurz zu begründen ist, also die für den Ausspruch maßgeblichen Entscheidungsgründe offen zu legen sind. Auch die weitere Behauptung, wonach die - nicht konkretisierte - zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden sei, lässt jegliche Darstellung dieser Einschätzung, etwa durch Zitierung divergierender Erkenntnisse oder Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes, vermissen (vgl VwGH vom 10. Oktober 2014, Ro 2014/02/0104).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen hat, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl VwGH vom 19. Februar 2015, Ro 2015/21/0002, sowie vom 28. November 2014, Ro 2014/06/0077).

Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen zur Unvereinbarkeit der nationalen Glücksspielbestimmungen mit Unionsrecht eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Im hg Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Ro 2014/17/0121, wurde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen habe, wenn eine in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehene Regelung gegen das Unionsrecht verstoßen sollte und deswegen unangewendet zu bleiben hätte (vgl auch zur Frage der Vereinbarkeit der Getränkesteuer mit dem Gemeinschaftsrecht VwGH vom 19. Juni 2000, 2000/16/0259).

Allerdings wäre, um zu einer derartigen Beurteilung zu gelangen, zunächst die Frage zu beantworten, ob das Unionsrecht im konkreten Fall überhaupt anzuwenden ist, was auf Sachverhalte ohne Auslandsbezug nicht zutrifft (vgl das bereits zitierte hg Erkenntnis vom 15. Dezember 2014 sowie VwGH vom 27. April 2012, 2011/17/0280 und 0281). Bei Bejahung dieser Frage hätte das Verwaltungsgericht, um rechtens eine Beurteilung vornehmen zu können, ob Bestimmungen des Glücksspielgesetzes dem Unionsrecht widersprechen oder nicht, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens konkrete Tatsachenfeststellungen zu treffen, aus denen abzuleiten wäre, dass durch anzuwendende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes vorgenommene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (nicht) gerechtfertigt sind.

Der EuGH hat (zuletzt etwa mit Urteil vom 30. April 2014, Rs C-390/12 ) die unionsrechtliche Zulässigkeit des Glücksspielmonopols nicht nur von der Zielsetzung des Gesetzgebers - Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung - sondern auch von der tatsächlichen Wirkung der Regelungen abhängig gemacht. Im Zuge eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens hätte das Verwaltungsgericht daher insbesondere zu prüfen, ob die Regelungen des Glücksspielgesetzes in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass die Gelegenheit zum Spiel verringert und die damit verbundene Kriminalität bekämpft wird. Dies wäre beispielsweise dann nicht erfüllt, wenn es trotz der restriktiven Ausgestaltung des Glücksspielrechts in den letzten Jahren zu einer Ausweitung der Spielsucht samt der damit verbundenen Probleme gekommen wäre (vgl OGH vom 20. Jänner 2015, 4 Ob 231/14w).

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg befasst sich im konkreten Fall in seinem Erkenntnis mit einer von der Revisionswerberin vermeintlich ins Treffen geführten Unionsrechtswidrigkeit und verwirft diese Bedenken in weiterer Folge. Weder in der Berufung noch in der mündlichen Verhandlung wurde von der Revisionswerberin Unionsrechtswidrigkeit geltend gemacht, auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht dies nicht hervor. Der Verweis des Landesverwaltungsgerichtes auf die von der Revisionswerberin angeblich vertretene Rechtsauffassung dazu ist daher ohne weitere Begründung nicht nachvollziehbar.

Im Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg finden sich weiters keinerlei Feststellungen dazu, ob ein Unionsrechtsbezug gegeben ist. Umso weniger kann daraus der Schluss gezogen werden, es liege keine Unionsrechtswidrigkeit vor, zumal in der Bezeichnung der Person der Revisionswerberin ein Anhaltspunkt für einen möglichen Auslandsbezug erblickt werden kann.

Nicht nachvollziehbar ist auch, wie das Landesverwaltungsgericht Salzburg sodann in seiner formelhaften, nicht auf den Einzelfall bezogenen Begründung zu dem Schluss gekommen ist, es liege keine Unionsrechtswidrigkeit vor. Die Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg zu einer etwaigen Konzessionserlangungsmöglichkeit sind ohne Feststellungen über die Rechtsform der Revisionswerberin und deren Kapitalausstattung nicht nachvollziehbar; einzelne Gesetzeszitate vermögen der Anforderung, zu prüfen, ob das Verbot des Betriebs von Glücksspielautomaten ohne zuvor erteilte behördliche Bewilligung, das eine Beschränkung des durch Art 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zulässig oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl dazu die Wiedergabe insbesondere des Urteils des EuGH vom 30. April 2014, Rs C-390/12 , im bereits zitierten hg Erkenntnis vom 15. Dezember 2014), nicht zu genügen. Da das Landesverwaltungsgericht Salzburg überhaupt keine Feststellungen zu den aufgezeigten Fragen getroffen hat, können diese auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht beurteilt werden.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat in Verkennung der Rechtslage nicht die erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen, um die Vereinbarkeit der anzuwendenden Bestimmungen mit dem Unionsrecht von Amts wegen zu beurteilen. Dadurch hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben ist, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

Von der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art 6 Abs 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II 518/2013 idF BGBl II 8/2014.

Wien, am 24. April 2015

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