VwGH 2000/16/0259

VwGH2000/16/025919.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der S GesmbH in W, vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien I, Kohlmarkt 5, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 9. September 1999, Zl. MD-VfR-S 16/99, betreffend Dienstgeberabgabe und Getränkesteuer für die Zeit vom 1. Jänner 1995 bis 9. März 1996, zu Recht erkannt:

Normen

61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §248;
EURallg;
LAO Wr 1962 §193 Abs3;
VwRallg;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §248;
EURallg;
LAO Wr 1962 §193 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird betreffend Dienstgeberabgabe und Getränkesteuer wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Begründung

Mit Bescheid der MA 4 Referat 7 vom 15. Jänner 1999 wurde folgender Spruch gefällt:

"Die S Gastronomiebetriebs GmbH. wird auf Grund des § 12 Abs. 1 und §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der geltenden Fassung, zur Zahlung der für die Zeit von 1. Jänner 1995 bis 9. März 1996 im Betrieb in Wien 1, Bäckerstraße 12, entstandenen Getränke- und Kommunalsteuer/Dienstgeberabgabeschuld der Vorgängerin, G Gastronomiebetriebs GmbH., im Betrage von

107.616,10 S

herangezogen und gleichzeitig gemäß § 171 WAO aufgefordert, diesen Betrag binnen einem Monat nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten."

Dagegen berief die Beschwerdeführerin, wobei sie abgesehen von Argumenten, die ihrer Ansicht nach gegen eine Übereignung des Unternehmens im Ganzen iS des § 12 Abs. 1 WAO sprechen, "vorsichtshalber" auch den Haftungsbetrag dem Grunde und der Höhe nach bestritt. Zum Beweis dafür, dass keinesfalls ein Unternehmen im Ganzen übereignet worden sei, beantragte die Beschwerdeführerin die zeugenschaftliche Vernehmung des Verkäufers von Teilen der Betriebseinrichtung Hermann Urbanetz.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, ging von einer Übereignung des Unternehmens im Ganzen aus und wies den Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen Urbanetz mit der Begründung ab, sie sei "im Wesentlichen" ohnehin der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführerin gefolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, dass sie nicht zur Haftung herangezogen wird.

Die belangte Behörde machte von der ihr gebotenen Möglichkeit einer Klaglosstellung keinen Gebrauch, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor (und zwar im hg. Verfahren 99/13/0259, das betreffend die Haftung für Kommunalsteuer gesondert geführt wird) und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wer zur Berufung gegen einen Haftungsbescheid (§ 171 WAO) befugt ist, kann nach § 193 Abs. 1 WAO innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Abgabenbescheid (§ 146 WAO) berufen, wenn ein solcher bereits ergangen ist oder die Abgabe erstmals durch den Haftungsbescheid festgesetzt wurde.

Wurde die Abgabe durch Selbstbemessung (§§ 149 und 150 WAO) festgesetzt, so steht gemäß § 193 Abs. 3 WAO auch dann, wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist, dem zur Berufung gegen den Haftungsbescheid Befugten noch innerhalb der Berufungsfrist das Recht zur Berichtigung der Abgabenerklärung zu. Durch eine solche Berichtigungserklärung wird die Verjährung neu in Lauf gesetzt.

§ 191 Abs. 2 und 4 WO gilt sinngemäß.

Wenn der Gesetzgeber normiert, der Haftungspflichtige habe im Fall der Selbstbemessungsabgabe das Recht zur Berichtigung der Abgabenerklärung, dann ist ihm auch in der Weise Kenntnis von den Abgabenerklärungen, den Revisionsberichten und den erforderlichen Unterlagen zu verschaffen, um ihn in die Position des seinerzeitigen Steuerschuldners zu versetzen und ihm die Möglichkeit der Abgabe einer Berichtigung vom damaligen Steuerschuldner abgegebenen Abgabenerklärung zu geben. Ist er auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht in der Lage, eine solche Berichtigung vorzunehmen, dann kann ihm nicht mit Recht der Vorwurf der Unterlassung einer solchen Berichtigung gemacht werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2000, Zl. 99/16/0284 und das vom heutigen Tag, Zl. 2000/16/0199).

Mit Rücksicht darauf, dass die belangte Behörde selbst im angefochtenen Bescheid einräumt, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung den Abgabenanspruch der Höhe und dem Grund nach bekämpft hat, ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin damit eine Berichtigungserklärung abgegeben hat und darf ihr der Umstand, dass diese Berichtigungserklärung nicht weiter konkretisiert ist, im Sinne der oben zitierten Judikatur nicht zum Nachteil gereichen. Damit war aber die belangte Behörde aufgerufen, auch die von Amts wegen zu klärende Frage einer Vereinbarkeit der Getränkesteuer mit dem Gemeinschaftsrecht einer Entscheidung zuzuführen, weil die von der Beschwerdeführerin - wenn auch vage - vorgenommene Berichtigung jedenfalls einen Rechtsbehelf im Sinne des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 darstellt. Zum Begriff "Rechtsbehelf" wird auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2000/16/0296, verwiesen.

Indem die belangte Behörde im Wege der Bestätigung des Spruches der Abgabenbehörde erster Instanz die Vorschreibung eines Haftungsbetrages vornahm, der für einen Zeitraum nach dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften auch Getränkesteuer umfasst, hat sie (mangels spruchmäßiger Trennbarkeit) ihren Bescheid jedenfalls betreffend Getränkesteuer mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 30. März 2000, Zlen. 2000/16/0116 und 0117).

Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, dass die Unterlassung der Einvernahme des beantragten Zeugen Hermann Urbanetz jedenfalls einen relevanten Verfahrensmangel darstellt, weil dieser Zeuge nach dem Inhalt der Beschwerde gerade zum Beweis dafür geführt wurde, dass die Beschwerdeführerin von der im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides bezeichneten Vorgängerin kein Inventar übernommen hat. Gerade die Übernahme von Inventar ist aber nach der von der belangten Behörde selbst zu Recht zitierten hg. Rechtsprechung das essentielle Element der Übereignung eines Unternehmens im Ganzen.

Mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Judikatur klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Die Kostenentscheidung bleibt der hg. Entscheidung über die Beschwerde betreffend Kommunalsteuer im Verfahren 99/13/0259 vorbehalten.

Wien, am 19. Juni 2000

Stichworte