VwGH 99/13/0259

VwGH99/13/025929.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde der S GmbH in W, vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien I, Kohlmarkt 5, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 9. September 1999, Zl MD-VfR-S 16/99, betreffend Haftung für Kommunalsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §14 Abs1 lita;
LAO Wr 1962 §12 Abs1 Z1;
BAO §14 Abs1 lita;
LAO Wr 1962 §12 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Auf eine entsprechende Anfrage des Magistrates der Stadt Wien teilte die beschwerdeführende GmbH am 5. August 1998 mit, das Lokal in Wien, B-Straße 12 (in dem von der Beschwerdeführerin ein gastronomisches Unternehmen betrieben wird), sei am 1. März 1996 gemietet worden. Es sei geschlossen worden und Ende Mai 1996 nach einem Totalumbau wieder eröffnet worden. Der mit dem Hauseigentümer am 6. März 1996 abgeschlossene Mietvertrag war angeschlossen.

In einer weiteren Eingabe vom 4. September 1998 wurde die Auffassung vertreten, die Beschwerdeführerin sei nicht Rechtsnachfolger der G. GmbH (die die bezeichneten Räumlichkeiten vordem innegehabt hatte). Es sei von der G. GmbH kein Inventar erworben worden; es seien auch keine Mietrechte übernommen, sondern mit dem Hauseigentümer ein gesonderter Mietvertrag abgeschlossen worden.

Auf einen weiteren Vorhalt der Abgabenbehörde wurde von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23. September 1998 mitgeteilt, das Betriebsinventar sei zum Teil von Hermann U. gekauft worden. Mit einer Eingabe vom 6. November 1998 wurden Rechnungen über die im Gastlokal von der Beschwerdeführerin getätigten Investitionen vorgelegt.

Schließlich wurde mit einem Schriftstück vom 23. Dezember 1998 der zwischen der Beschwerdeführerin und Hermann U. abgeschlossene Kaufvertrag vom 29. Februar 1996 vorgelegt. Dieser Vertrag lautet auszugsweise:

".I.

Herr Hermann U ist Mieter von Geschäftsräumlichkeiten im Bestandobjekt B Straße 12, 1010 Wien. In diesen Räumlichkeiten wurde ein Restaurant in Form eines Bierlokales betrieben. Sämtlichen Geschäftseinrichtungen und Inventar dieses Objektes steht im Eigentum von Herrn Hermann U.

.II.

Festgestellt wird, dass Herr Hermann U nicht sein Unternehmen verkauft. Es werden daher weder Kochrezepte, Warenvorräte oder Kundenlisten noch andere Unternehmensbestandteile, soweit sie nicht Gegenstand dieses Vertrages sind, an die Dr. I W Ges.m.b.H. verkauft. Es wird kein Mietrecht übertragen und es werden keine Dienstnehmer übernommen.

.III.

Gegenstand dieses Vertrages sind nur:

  1. 1.) die Geschäftseinrichtung
  2. 2.) Design- und Planunterlagen
  3. 3.) die Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes

Zur Klarstellung wird festgehalten, dass die in der Beilage ./A verzeichneten Gegenstände von der Dr. I W Ges.m.b.H. gekauft werden.

.IV.

Herr Hermann U ist Eigentümer der gesamten Geschäftseinrichtung (insbesondere: Theke, Stühle, Sessel, Wandverkleidungen, Lampen und Kücheneinrichtungen) laut Beilage ./A. Herr Hermann U erklärt, den Kaufgegenstand von Rechten dritter Personen freizustellen, sodass er in das freie und uneingeschränkte Eigentum der Käuferin übergeht.

Die Käuferin erklärt, die oben bezeichnete Geschäftseinrichtung samt Montage und Einbaukosten um den einvernehmlich vereinbarten Kaufpreis von S 1,550.000,-- zuzüglich USt. unter Verzicht auf Gewährleistungsansprüche zu kaufen und zu übernehmen.

Als Übernahmszeitpunkt wird der Tag der Vertragsunterfertigung vereinbart. Festgehalten wird, dass der Kaufpreis bereits treuhändig bei RA Dr. W erlegt wurde und nach vollständiger und einwandfreier Übergabe sowie Freistellung der Geschäftseinrichtung durch die A Bank sowie Bezahlung des Mietzinsrückstandes an den Verkäufer ausbezahlt werden kann.

Der Verkäufer, Herr Hermann U, hat das Geschäftslokal samt Einrichtung und Design, insbesondere der Gestaltung der Bartheke, Farbauswahl, etc. durch Herrn Arch. Dipl.-Ing. P planen und erstellen lassen. Herr Arch. Dipl.-Ing. P hat die diesbezüglichen Kosten mit S 228.075,-- zuzüglich USt in Rechnung gestellt.

Unter Abzug der Kosten für die Bauüberwachung werden nunmehr sämtliche vom Verkäufer erworbene Architektur- und Designleistungen sowie die dazu gehörenden Pläne an die Käuferin verkauft und übergeben, wobei diesbezüglich ein Kaufpreis von S 250.000,-- zuzüglich USt vereinbart wird.

.V.

Die Vertragsteile vereinbaren eine Konkurrenzklausel. Herr Hermann U verpflichtet sich, auf die Dauer von zwanzig Jahren in Wien 1, B Straße, bzw. im Umkreis von 300 Metern um das verkaufsgegenständliche Lokal kein Konkurrenzunternehmen zu eröffnen, zu betreiben, sich direkt oder indirekt an einem solchen zu beteiligen, oder einem Konkurrenzunternehmen innerhalb dieses Umkreises mit Rat und Tat, entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung zu stehen. Dieses Konkurrenzverbot wird mit S 1,700.000,-

- zuzüglich USt bewertet.

Unabhängig von diesem Konkurrenzverbot ist es jedoch dem Verkäufer gestattet, außerhalb des 300 Meter Bereiches gastwirtschaftliche Betriebe jeder Art zu führen, sein bisheriges Personal dort einzustellen, seine bisherigen Kochrezepte zu verwenden und uneingeschränkt einer gastronomischen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

.VI.

Kaufpreis:

   

1.)

die Geschäftseinrichtung

S

1,550.000,--

2.)

Design- und Planunterlagen

S

250.000,--

3.)

die Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes

S

1,700.000,--

  

S

3,500.000,--

 

zuzüglich 20 % USt

S

700.000,--

  

S

4,200.000,--

Der Kaufpreis ist bei Unterfertigung des Kaufvertrages fällig.

..."

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 15. Jänner 1999 wurde die Beschwerdeführerin im Sinne des § 12 Abs 1 WAO zur Haftung unter anderem für Kommunalsteuerschuldigkeiten der G. GmbH herangezogen. In der Begründung dieses Bescheides wurde die Auffassung vertreten, durch den Abschluss des Kaufvertrages vom 29. Februar 1996 sei die Beschwerdeführerin in die Lage versetzt worden, den Betrieb fortzuführen. Dadurch sei die gesamte Verfügungsgewalt über das Lokal erreicht worden.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde zum Sachverhalt festgestellt, mit dem Kaufvertrag vom 29. Februar 1996 sei nur ein Teil der Geschäftseinrichtung, und zwar der kleinere Teil erworben worden. Außerdem wurde sinngemäß ausgeführt, Hermann U. habe kein Unternehmen betrieben, die Beschwerdeführerin habe kein Personal und keine Warenvorräte übernommen. Die Beschwerdeführerin habe einen anderen Unternehmenszweig ausgeübt. Es seien weder Kundenlisten noch ein Kundenstock übernommen worden. Die Beschwerdeführerin sei nicht in Mietrechte eingetreten. In der Berufung wurde schließlich die Einvernahme des Hermann U. beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung verwies die belangte Behörde insbesondere auf den Kaufvertrag vom 29. Februar 1996, nach dem für die Geschäftseinrichtung und das Inventar ein Betrag von S 4,200.000,-- entrichtet worden sei. Nach den vorgelegten Rechnungen sei in der Folge ein Betrag von ca. S 1,000.000,-- investiert worden, wobei das Erscheinungsbild von einem Bierlokal in ein Cafe-Restaurant im Stile eines typischen Wiener Lokals ("Stadtheuriger") umgewandelt worden sei. Dabei habe es sich nicht um Investitionen, die der Herstellung der Betriebsfähigkeit gedient hätten, sondern vielmehr um Adaptierungsarbeiten gehandelt, die dem geänderten Lokalstil Rechnung tragen sollten. Durch den Erwerb der Lokaleinrichtung vom ehemaligen Geschäftsführer der G GmbH sei die Beschwerdeführerin in die Lage versetzt worden, das Unternehmen fortzusetzen. Der Beweisantrag auf Einvernahme des Hermann U. als Zeugen sei abzuweisen, da im Wesentlichen von der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführerin ausgegangen worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 WAO der Erwerber für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen, sowie für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter "Übereignung" im hier maßgebenden Zusammenhang die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht anzusehen; es kommt also nicht auf eine besondere zivilrechtliche Gestaltung an. Maßgebend ist somit der - wenn auch nicht unmittelbare - Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht vom Vorgänger auf den Erwerber. Von einem solchen Übergang kann dabei auch dann gesprochen werden, wenn der Erwerber des Unternehmens vom Vormieter einen neuen Mietvertrag mit dem Bestandgeber abschließt (vgl die hg Erkenntnisse vom 25. Mai 2000, Zl 2000/16/0238, und vom 11. Juli 2000, Zl 99/16/0465).

Im Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde demgegenüber im Wesentlichen auf den Kaufvertrag gestützt, mit dem Hermann U. - nach dem angefochtenen Bescheid der "ehemalige" Geschäftsführer des Rechtsträgers des vormals in den in Rede stehenden Räumlichkeiten betriebenen Gastronomieunternehmens, der G. GmbH - die Geschäftseinrichtung und das Inventar verkauft hatte. Mag es sich bei diesen den Gegenstand des Kaufvertrages vom 29. Februar 1996 bildenden Sachen an sich auch um die wesentlichen Grundlagen eines Gastronomieunternehmens gehandelt haben (vgl neuerlich das hg Erkenntnis vom 11. Juli 2000, Zl 99/16/0465, mit zahlreichen weiteren Hinweisen), so wird von der Beschwerdeführerin doch - von der belangten Behörde unwidersprochen - darauf verwiesen, dass Hermann U. kein Unternehmen betrieben hat, welchem Umstand eine maßgebliche Bedeutung beizumessen ist:

Nach dem Kaufvertrag vom 29. Februar 1996, auf den die belangte Behörde die Geltendmachung der Haftung stützt, standen die in Rede stehenden, eine wesentliche Grundlage eines gastronomischen Unternehmens bildenden Sachen im Eigentum des (ehemaligen) Geschäftsführers Hermann U. Welche Rechtsbeziehungen bezüglich dieser Sachen zwischen Hermann U. und der G. GmbH bestanden, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt. Die Abgabenbehörden haben keine Feststellungen darüber getroffen, dass der Vorgänger, auf dessen Betrieb sich die haftungsgegenständlichen Abgaben gründen, der Beschwerdeführerin die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die wesentlichen Unternehmensgrundlagen verschafft hat bzw. zur Verschaffung der Verfügungsmacht beigetragen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, 96/15/0126).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. In dem nach dieser Verordnung pauschalierten Schriftsatzaufwand ist dabei die Umsatzsteuer bereits enthalten.

Wien, am 29. November 2000

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