VwGH Ro 2014/06/0010

VwGHRo 2014/06/00104.8.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision des A E in F, vertreten durch Mag. Peter Mayerhofer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Domplatz 16, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 13. Dezember 2013, Zl. FA18E-80.30-372/2002- 143, betreffend Rückübereignung (mitbeteiligte Partei: Land Steiermark, Landesstraßenverwaltung, 8010 Graz, Stempfergasse 7), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1435;
ABGB §365;
AVG §8;
LStVwG Stmk 1964 §48;
LStVwG Stmk 1964 §49;
LStVwG Stmk 1964 §50;
StGG Art5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. Mai 2002 wurde gemäß §§ 48 bis 50 des Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 und unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 für die Ausführung des Straßenbauvorhabens an der Landesstraße Nr. 379 im Baulos "Fstraße - Flughafen" unter anderem das Grundstück Nr. 248/1, EZ 1601, KG L, des Revisionswerbers mit der Bezeichnung "255 m2 Restflächeneinlöse" unter Festsetzung einer Entschädigung dauernd und lastenfrei zugunsten des Landes Steiermark, Landesstraßenverwaltung, enteignet.

Mit im Akt befindlicher Eingabe vom 8. Jänner 2007 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf bescheidmäßige Rückübereignung der nicht benötigten Restfläche im Ausmaß von 255 m2 des Grundstückes EZ 1601, Grundstück Nr. 248/1, KG L. Anzumerken sei, dass der Revisionswerber niemals einen Antrag auf Restflächeneinlöse gestellt habe. Das Projekt sei mittlerweile zur Gänze umgesetzt worden, und die Restfläche sei nicht zum Bau der Landesstraße benötigt worden.

Am 4. Oktober 2013 fand über den Rückübereignungsantrag vor der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung statt. Nach dem Verhandlungsprotokoll herrschte Einigkeit darüber, dass die Restfläche des Grundstückes Nr. 248/1 nicht für den Straßenbau benötigt worden sei. Es habe sich jedoch nach Fertigstellung und Endvermessung gezeigt, dass es sich lediglich um eine Fläche von 202 m2 handle, die nunmehr die Grundstücksnummer 248/5 trage.

Mit dem in Revision gezogenen Bescheid wurde gemäß Art. 5 Staatsgrundgesetz (StGG) dem "Antrag" des Revisionswerbers "auf bescheidmäßige Rückübereignung der nicht benötigten Restfläche" des Grundstückes Nr. 248/1, EZ 1601, KG L, im Ausmaß von 202 m2 "stattgegeben". Der "darüber hinausgehende Antrag im Ausmaß von 53 m2" wurde "abgewiesen". Für die Rückübereignung der Fläche im Ausmaß von 202 m2 wurde bestimmt, dass dem Land Steiermark, Landesstraßenverwaltung, ein Betrag von EUR 30.512,10 zu leisten ist.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Steiermärkische Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 kenne das Rechtsinstitut der Rückübereignung nicht. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei aber auf Grund des Art. 5 StGG jeder bescheidmäßig verfügten Enteignung in der Wurzel der Vorbehalt immanent, dass sie rückgängig zu machen sei, wenn der öffentliche Zweck nicht verwirklicht werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. In der Folge gaben der Revisionswerber und die mitbeteiligte Partei weitere Äußerungen ab.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Revision wird im Wesentlichen bestritten, dass der Revisionswerber einen Antrag auf Rückübereignung gestellt habe. Außerdem sei die Aufhebung des Enteignungsbescheides als contrarius actus durchzuführen, das bloße "Stattgeben eines Antrages auf Rückübereignung" würde dazu führen, dass der Revisionswerber damit nicht wieder ipso iure Eigentümer wäre, sondern für den Eigentumserwerb ein eigener Rückübertragungsakt notwendig wäre (Verweis auf die Entscheidung des OGH, Zl. 5 Ob 231/98a). Die Landesstraßenverwaltung habe am 23. Dezember 2003 ein Übereinkommen mit der F GesmbH geschlossen, wonach die Restfläche Nr. 248/5 vom "Eigentümer" Land Steiermark an die F GesmbH für einen Betrag von EUR 25.301,44 ins Eigentum übertragen werde, wobei die F GesmbH immer wieder anführe, dass sie zumindest außerbücherliche Eigentümerin des Grundstückes Nr. 248/5 sei. Diese Umstände habe die belangte Behörde nicht beachtet und festgestellt. Sollten sie zutreffen, wäre das Land Steiermark gar nicht in der Lage, die Restfläche in das Eigentum des Revisionswerbers zurück zu übertragen, das Land Steiermark müsste vielmehr eine finanzielle Entschädigung leisten. Durch das Verhalten der Behörde seien dem Revisionswerber auch andere Nutzungen und Vorteile entgangen, jedenfalls sei es unzulässig, ihm eine Rückzahlung von EUR 30.000,-- aufzutragen, wenn ihm im Hinblick auf das oben genannte Übereinkommen zwischen dem Land und der F GesmbH sein Eigentumsrecht an dem Restgrundstück überhaupt nicht rückübertragen werden könne. Der Sachverhalt sei diesbezüglich ergänzungsbedürftig, und es seien auch entsprechende Feststellungen zu treffen. Ferner hätte festgestellt werden müssen, ab wann jedenfalls klar gewesen sei, dass die Restfläche für die Straße nicht benötigt werde. Ab diesem Zeitpunkt sei nämlich das Land Steiermark von sich aus verpflichtet gewesen, die Restfläche in das Eigentum des Revisionswerbers zurück zu übertragen und hätte damit nicht fast zehn Jahre zuwarten dürfen. Die F GesmbH sei außerbücherliche Eigentümerin des Restgrundstückes. Zumindest seit 2003 bzw. 2004 sei bekannt gewesen, wenn nicht schon früher, dass die Fläche für den Straßenbau nicht gebraucht werde, und der Revisionswerber hätte ab diesem Zeitpunkt nach entsprechender Rückübertragung Nutzen ziehen können. Er habe diverse Verträge mit einer Ankünderfirma abgeschlossen, das diesbezügliche Entgelt werde ihm bis heute vorenthalten und behauptet, dass es der F GesmbH zustehe, da diese wirtschaftliche Eigentümerin sei. Auch andere Vorteile seien dem Revisionswerber vorenthalten worden. Das Land sei ab dem Zeitpunkt, wo es gewusst habe, dass die Restfläche nicht benötigt werde, unredlicher Besitzer und habe sämtliche sich daraus ergebenden Rechtsfolgen zu tragen. Der Revisionswerber hätte ab dem Zeitpunkt, in dem festgestanden sei, dass die Restfläche nicht benötigt werde, entsprechende Nutzungen vornehmen können und Vorteile aus einer Vermietung bzw. Verpachtung für Werbeflächen etc. ziehen können. Der ihm entstandene Schaden überwiege bei weitem den auferlegten Rückzahlungsbetrag von EUR 30.000.--.

Das Vorbringen des Revisionswerbers, er habe nie einen Antrag auf Rückübereignung gestellt, ist aktenwidrig. Der diesbezügliche Antrag vom 8. Jänner 2007 befindet sich im Akt. Es erübrigt sich daher darauf einzugehen, ob eine Rückübereignung - die, wenn ein Gesetz (wie hier) das Rechtsinstitut der Rückübereignung nicht kennt, auf Grund des Art. 5 StGG durchzuführen ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. März 2000, B 1856/98, Slg. Nr. 15.768) - eines Antrages bedarf oder ob sie gegebenenfalls auch von Amts wegen durchzuführen ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat, wie dies der Revisionswerber mit Recht ins Treffen führt, im genannten Erkenntnis vom 15. März 2000 unter Verweis auf seine Vorjudikatur auch ausgeführt, dass der mangels weiterer einfachgesetzlicher Regelung der Rückübereignung unmittelbar anwendbare Art. 5 StGG bei Nichtrealisierung des Enteignungszweckes die rückwirkende Beseitigung des Enteignungsbescheides gebietet. Die Rechtskraft des Enteignungsbescheides steht der Aufhebung deshalb nicht im Wege, weil der Vorbehalt der Rückgängigmachung von der Rechtskraft mitumfasst ist. Eine Aufhebung hat rückwirkend (ex tunc) zu erfolgen, wobei sich alle weiteren Fragen nach den Regeln des Privatrechtes richten (vgl. dazu auch Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht III, 2. Auflage, S. 181, Rz 42.237; vgl. ferner das hg. Erkenntnis vom 30. September 1992, Zl. 90/03/0003).

Zutreffend verweist der Revisionswerber auf die Entscheidung des OGH vom 29. September 1998, 5 Ob 231/98a, in der der OGH ausgeführt hat, dass mit der Rechtskraft des den Enteignungsbescheid rückwirkend aufhebenden Bescheides der seinerzeitige Übertragungsakt weggefallen und der seinerzeit Enteignete wieder Eigentümer der enteigneten Sache ist. Der seinerzeitige Enteigner habe die Liegenschaft jetzt ohne Titel inne. Er müsse sie daher demjenigen herausgeben, der den besseren Titel habe, das sei der frühere Eigentümer. Sollte sich die Rückstellung in natura nach privatrechtlichen Grundsätzen als unmöglich erweisen, weil Dritte gutgläubig Rechte an den Grundstücken erworben hätten und zur Rückgabe nicht bereit seien, sodass der seinerzeitige Enteigner nicht in der Lage sei, die Grundstücke zurückzuerlangen, werde er dem seinerzeit Enteigneten Geldersatz zu leisten haben. In diesem Zusammenhang komme es wesentlich auf die Redlichkeit des seinerzeitigen Enteigners an.

Aus all dem folgt, dass dem Revisionswerber insofern Recht zu geben ist, als die Enteignungsbehörde die Anforderungen des Art. 5 StGG im Falle einer Rückübereignung nur dadurch erfüllt, dass sie den seinerzeitigen Enteignungsbescheid mit ex tunc-Wirkung aufhebt. Im vorliegenden Fall wurde durch den Bescheidspruch dies aber nicht zum Ausdruck gebracht, und auch aus der Begründung geht nicht hervor, dass damit der seinerzeitige Enteignungsbescheid in einem bestimmten Ausmaß (wobei auch dieses mangels näherer Konkretisierung - etwa durch Bezugnahme auf einen Plan - im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend festgelegt ist, es also nicht hinreichend bestimmt ist, auf welche konkrete Grundfläche sich die "Rückübereignung" bzw. vor allem auch die "Abweisung" des Rückübereignungsantrages bezieht) mit ex tunc-Wirkung aufgehoben wird. Schon im Sinne der Rechtssicherheit im Hinblick auf die Folgen der Rückübereignung erweist sich der angefochtene Bescheid daher im Lichte des Art. 5 StGG als rechtswidrig, zumal der "Rückübereignungsantrag" im angefochtenen Bescheid quasi wie ein "Enteignungsantrag" behandelt wird.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VwGbk-ÜG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 4. August 2015

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