VwGH 2012/07/0027

VwGH2012/07/002726.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenwarter, über die Beschwerde der E W in L, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 27. September 2011, Zl. VwSen- 531117/12/Kü/Ba, betreffend Genehmigung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (mitbeteiligte Partei:

H. Gesellschaft m.b.H. in H; weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AWG 2002 §2 Abs6 Z5;
AWG 2002 §43 Abs1 Z1;
AWG 2002 §43 Abs1 Z3;
AWG 2002 §43 Abs1;
AWG 2002;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs2;
GewO 1994 §77;
GewO 1994;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. Jänner 2011 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich der mitbeteiligten Partei die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken Nr. 639 ua, je KG B, Gemeinde L.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, welcher mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. September 2011 keine Folge gegeben wurde.

Die belangte Behörde gab im angefochtenen Bescheid zunächst die ergänzende Stellungnahme des Amtssachverständigen (ASV) für Schalltechnik, die dieser im erstinstanzlichen Verfahren in der mündlichen Verhandlung am 11. November 2010 erstattet hatte, und danach das Berufungsvorbringen wieder. In Folge verwies die belangte Behörde auf eine weitere schriftliche Stellungnahme des ASV für Schalltechnik vom 14. Juli 2011, welche sie angesichts des Berufungsvorbringens von diesem angefordert hatte, und auf eine von der Beschwerdeführerin erstattete Replik vom 11. August 2011.

In ihrer - soweit relevant, hier wiedergegebenen - rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheids führte die belangte Behörde nach Zitierung der einschlägigen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) aus, dass hinsichtlich der - von der Beschwerdeführerin beanstandeten - Situierung eines Mannschaftscontainers sowie der WC-Anlage am Projektareal auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 AWG 2002 zu verweisen sei, wonach im Genehmigungsverfahren die bautechnischen Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes anzuwenden seien. In solchen Fällen entfalle die baubehördliche Bewilligungspflicht. Diese Gesetzeslage führe dazu, dass im Rahmen des abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigungsverfahrens die Frage der Flächenwidmung der in Anspruch genommenen Grundstücke nicht Genehmigungsvoraussetzung sei, zumal in § 43 Abs. 1 und Abs. 2 AWG 2002 die Flächenwidmung nicht als Genehmigungsvoraussetzung genannt sei. Insofern sei über die diesbezüglichen Einwendungen der Beschwerdeführerin sowie über die in diesem Zusammenhang gestellten Anträge kein weiterer Abspruch zu treffen.

Sofern die Beschwerdeführerin - so die belangte Behörde weiter - die Mangelhaftigkeit der Einreichunterlagen einwende, müsse ihr das Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens entgegengehalten werden. So seien die beigezogenen Sachverständigen, die im Vorprüfungsverfahren entsprechende Ergänzungen der Projektunterlagen gefordert hätten, aufgrund der Einreichunterlagen in der Lage gewesen, das Projekt technisch zu beurteilen. Zudem bleibe die Beschwerdeführerin eine nähere Begründung schuldig, worin die Mangelhaftigkeit der Projektunterlagen konkret bestehe. Das Berufungsvorbringen bestehe vielmehr in allgemeinen, nicht weiter belegten Behauptungen. Auch aus früheren Stellungnahmen der Beschwerdeführerin im Genehmigungsverfahren sei nicht konkret ableitbar, worin die Mangelhaftigkeit bestehe. Die Einwände zur Mangelhaftigkeit des schalltechnischen Projekts der TAS-Schreiner gingen ins Leere, zumal diesem sehr wohl die beantragte Deponiefläche von 4,3 ha zugrunde liege. Die Behauptung der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer Flächeninanspruchnahme von 13,7 ha entspreche nicht den Tatsachen.

In weiterer Folge zitierte die belangte Behörde die folgenden gutachterlichen Ausführungen des ASV für Schalltechnik vom 14. Juli 2011:

"Zu den Einwendungen von (Beschwerdeführerin) gegen die Genehmigung der Bodenaushubdeponie in der Gemeinde L der (mitbeteiligten Partei) wird aus schalltechnischer Sicht wie folgt Stellung genommen:

In der Akustik werden zur Beschreibung der schalltechnischen Situation Schallpegel verwendet. Der Schalldruckpegel zum Beispiel ist ein Wert, der den am jeweiligen Ort ermittelten Schalldruck widerspiegelt. Jedoch wird, wie bereits der Zusatz 'Pegel' ausdrückt, nicht der Schalldruck direkt in Pa (Pascal die SI Einheit des Druckes, entspricht N/m2) angegeben sondern ein Verhältnis aus Schalldruck und Bezugsschalldruck (Schalldruck, der vom menschlichen Ohr gerade noch wahrgenommen werden kann) gebildet und diese Verhältniszahl dann logarithmiert. So ergibt sich der Schalldruckpegel in dB. Aus dieser mathematischen Formulierung des Schalldruckpegels lässt sich aber sehr schnell erkennen, dass derartige Pegel nicht mittels der üblichen Addition verknüpft werden können und damit auch grundsätzlich nicht der arithmetische Mittelwert gebildet werden kann. Dies bedeutet, dass für zwei zu gleicher Zeit am gleichen Ort einwirkenden Schallquellen die Schalldrücke zu addieren sind. Da die Angabe aber in Form von Schalldruckpegeln erfolgt ist die sogenannte energetische Addition anzuwenden. Ebenso ist bei einer Mittelwertbildung einer Zeitreihe von Schalldruckpegeln, wie im vorliegenden schalltechnischen Projekt, die sogenannte energetische Mittelung zu verwenden. Dies wurde in diesem Projekt durchgeführt und daraus der energetische Mittelwert von 50 dB für die schalltechnische Ist-Situation zur Tageszeit aus den angegebenen Halbstunden-Werten des Schalldruckpegels korrekt ermittelt. Wäre die Messung nicht in Halbstundenintervalle aufgeteilt worden, sondern eine Messung über die gesamte Zeit durchgeführt worden, so wäre der gleiche Wert von 50 dB gemessen worden.

Grundsätzlich müssen in Österreich Messungen der Schallimmission nach ÖNORM S 5004 durchgeführt werden. In dieser Norm ist unter anderem angeführt, dass nicht nur der Messwert sondern auch die Schallquellen und deren Charakteristik zu beschreiben ist und damit relevant für das Messergebnis ist. Im vorliegenden schalltechnischen Projekt wurde parallel zur Dauermessung über einen Tag (A 6) an einem zweiten Messpunkt (B) eine Kurzzeitmessung durchgeführt. Der Wert in B liegt im Bereich der Halbstundenwerte in A 6. Weiters ist die Beschreibung der Geräusche und Charakteristika durch den Schalltechniker für beide Messpunkte sehr ähnlich. Damit ist es durchaus vertretbar, für beide Messpunkte den gleichen Ist-Wert anzusetzen.

Im Gegensatz dazu wurden im Bereich B nur zwei Kurzzeitmessungen durchgeführt. Diese alleinigen Kurzzeitmessungen sind nicht dazu geeignet, die schalltechnische Ist-Situation umfassend zu beschreiben. Hier spricht man höchstens von orientierenden Messwerten, die aber nicht für eine Beurteilung herangezogen werden sollten.

Aus schalltechnischer Sicht ist im vorliegenden Fall B allein schon auf Grund der Entfernung zum Vorhaben im Vergleich zu B nicht als maßgeblicher Immissionspunkt anzusehen.

Weiters ist festzuhalten, dass ein Wert von 50 dB für die Ist-Situation im Grünland durchaus üblich ist. Es darf nicht vergessen werden, dass im Grünland vor allem landwirtschaftliche Nutzung stattfindet, mit allen dazugehörigen Tätigkeiten, Maschinen und Geräten. Natürlich gibt es auch ruhigere Phasen, doch ist für die Ist-Situation immer der gesamte Beurteilungszeitraum zu betrachten, im vorliegenden Fall der Tageszeitraum von 06.00 - 19.00 Uhr.

Daher sind, wie bereits oben beschrieben, alleine Kurzzeitmessungen nicht geeignet, die schalltechnische Ist-Situation zu ermitteln. Betrachtet man, nur zum Vergleich, die in der ÖNORM S 5021, Schalltechnische Grundlagen für die örtliche und überörtliche Raumplanung und -ordnung, angegebenen Planungsrichtwerte für Immissionen, so zeigt sich, dass für Kategorie 3, Gebiete für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe mit Wohnungen, das vergleichsweise für normales Grünland, für das keine Planungsrichtwerte festgesetzt sind, herangezogen werden kann, zur Tageszeit 55 dB ausgewiesen werden. Für ein ländliches Wohngebiet, Kategorie 2, beträgt der Wert 50 dB.

Das Anschlagen der hinteren Bordwand verursacht Schallpegelspitzen im Bereich von 115-120 dB. Derartige Schallpegelspitzen wurden im vorliegenden Projekt ebenfalls berücksichtigt und berechnet. Die Immissionswerte dieser Schallpegelspitzen liegen im Bereich der Spitzen der Ist-Situation an den relevanten Immissionspunkten. Für die Beurteilung nach den aktuellen Beurteilungsgrundsätzen sind Spitzen nur dann maßgeblich, wenn der Schalldruckpegel der Spitzen um mehr als 25 dB über dem Beurteilungspegel liegt. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Die Geräuschcharakteristik beim Anschlagen der hinteren Bordwand kann keinesfalls mit einem Knall eines Schusses oder einer Explosion verglichen werden. Derartige Vergleiche sind in keiner mir bekannten Literatur zu finden. Ähnliche Geräuschcharakteristika sind in betrieblichen Anlagen öfter zu finden,

wenn Metall auf Metall schlägt und daher keine spezielle, extra und außerhalb der üblichen Beurteilungsgrundsätze zu behandelnde Materie. Weiters können durch ein derartiges Anschlagen keinesfalls in mehreren hundert Metern Entfernung Erschütterungen ausgelöst werden und dadurch die Fenster klirren. Die Energie derartiger Schallereignisse ist dafür vieles zu gering."

Die belangte Behörde führte weiters aus, dass der ASV für Schalltechnik den Einwänden der Beschwerdeführerin, wonach es gänzlich unmöglich sei, dass reines Grünland ohne andere ständige Lärmquellen einen LAEQ Dauerschallpegel von 55 dB aufweise, nachvollziehbar mit dem Verweis auf die ÖNORM S 5021 begegnet sei. Nach dieser könne bei Gebieten für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe mit Wohnungen von einem Planungsrichtwert von 55 dB zur Tageszeit ausgegangen werden. Für ein ländliches Wohngebiet betrage dieser Wert 50 dB. Zudem habe der Sachverständige die technischen Grundlagen für die Lärmberechnungen in ausführlicher Weise dargestellt. Der Sachverständige sei in nachvollziehbarer Weise auf die Einwände im Berufungsvorbringen eingegangen und habe die Lärmsituation nochmals, wie bereits im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren, dargestellt. Wenn die Beschwerdeführerin meine, dass die Lärmmessungen in A 6 (MP1) vor sieben Jahren durchgeführt worden seien und dabei der Schotterabbau L noch aufrecht gewesen sei, sei dem entgegenzuhalten, dass nach Darstellung des Sachverständigen die Messungen der Schallemission nach ÖNORM S 5004 durchzuführen seien und in dieser Norm unter anderem angeführt werde, dass nicht nur der Messwert, sondern auch die Schallquellen und deren Charakteristik zu beschreiben seien. Die subjektive Beschreibung der Bestandssituation beim Messpunkt A 6 (MP1) im schalltechnischen Projekt der TAS-Schreiner zeige, dass die Bestandssituation hauptsächlich durch Naturgeräusche, wie beispielsweise Vogelgezwitscher, Tierlaute aus benachbarter Landwirtschaft, geprägt gewesen sei. Gelegentlich hätten Kfz-Fahrbewegungen bzw. landwirtschaftliche Tätigkeiten wahrgenommen werden können. Auch beim MP2 (B) sei im schalltechnischen Projekt die gleiche subjektive Beschreibung zum Zeitpunkt der Kurzzeitmessungen enthalten gewesen. Die Darstellung im schalltechnischen Projekt der TAS-Schreiner, welche vom Sachverständigen begutachtet und für nachvollziehbar befunden worden sei, könne damit von der Beschwerdeführerin mit ihrem Hinweis auf das Erstellungsdatum des schalltechnischen Projektes sowie den Betrieb der Kiesgrube nicht entkräftet werden.

Zudem sei festzuhalten, dass vom Sachverständigen keine Gleichstellung der Messpunkte 1 und 2 vorgenommen worden sei. Vielmehr werde es im Hinblick auf die Beschreibung der Geräusche und Charakteristika durch den Schalltechniker beim Messpunkt 2, sowie dem Ergebnis, dass die Kurzzeitmessung die Werte der Dauermessung bestätige, für vertretbar erachtet, für beide Messpunkte den gleichen Ist-Wert anzusetzen. Eine Begründung, warum die vom Sachverständigen getroffene Feststellung, wonach B schon alleine aufgrund der Entfernung zum Vorhaben im Vergleich zu B nicht als maßgeblicher Emissionspunkt anzusehen sei, bleibe die Beschwerdeführerin in ihrem Vorbringen schuldig. Allein der Hinweis, dass diese Feststellung jeder gesetzlichen Grundlage entbehre, sei nicht geeignet, die Aussage des Sachverständigen zu entkräften. Zudem sei festzuhalten, dass der Sachverständige seine Einschätzung sehr wohl mit der Entfernung zum Vorhaben begründet habe.

Nicht den Tatsachen entspreche, dass das Anschlagen der hinteren Bordwand des Lkw weder in dem schalltechnischen Projekt noch in den Einreichunterlagen behandelt worden sei. Vielmehr werde vom Sachverständigen ausgeführt, dass die durch diesen Vorgang verursachten Schallpegelspitzen berücksichtigt worden seien und die Immissionswerte dieser Schallpegelspitzen im Bereich der Spitzen der Ist-Situation an den relevanten Immissionspunkten lägen. Nach den aktuellen Beurteilungsgrundsätzen seien Spitzen nur dann maßgeblich, wenn der Schalldruckpegel der Spitzen mehr als 25 dB über dem Beurteilungspegel liege, was gemäß den Ausführungen des Sachverständigen im vorliegenden Fall nicht gegeben sei. Eine Begründung dahingehend, warum diese Annahmen des Sachverständigen nicht rechtskonform seien, bleibe die Beschwerdeführerin schuldig. Auch sei an dieser Stelle anzumerken, dass vom Sachverständigen dieser Punkt keinesfalls pauschal abgehandelt, sondern mit entsprechenden Werten belegt worden sei. Nachvollziehbar stelle der Sachverständige auch dar, dass aufgrund der Energie derartiger Schallereignisse, wie das Anschlagen der hinteren Bordwand an einem Lkw keinesfalls in mehreren 100 m Entfernung Erschütterungen ausgelöst und dadurch Fenster zum Klirren gebracht werden könnten.

Aufgrund der ergänzend durchgeführten Ermittlungen im Berufungsverfahren stehe daher fest, dass die Beschwerdeführerin durch den erstinstanzlichen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt worden sei, weshalb der Berufung keine Folge zu geben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 26. Jänner 2011, B 1310/11-7, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, auf welche die Beschwerdeführerin replizierte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 37 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 43/2007 lautet:

"Behandlungsanlagen

Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste

Behandlungsanlagen

§ 37. (1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde.

(...)"

§ 38 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 9/2011 lautet:

"Konzentration und Zuständigkeit

§ 38. (1) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften - mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren - anzuwenden, die im Bereich des Gas-, Elektrizitätswirtschafts-, Landesstraßen-, Naturschutz- und Raumordnungsrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Hinsichtlich dieser landesrechtlichen Vorschriften hat die Behörde im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden. Die behördlichen Befugnisse und Aufgaben zur Überprüfung der Ausführung einer Behandlungsanlage und der Übereinstimmung mit dem Genehmigungsbescheid, zur Kontrolle, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, zur Gefahrenabwehr, zur nachträglichen Konsensanpassung und zur Vorschreibung und Durchführung von Maßnahmen bei Errichtung, Betrieb, Änderung und Auflassung sind vom Landeshauptmann entsprechend den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes wahrzunehmen. In Angelegenheiten des Landesrechts ist der Landeshauptmann als Mitglied der Landesregierung oberstes Organ der Landesvollziehung.

(1a) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften - mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren - anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Mineralrohstoff-, Strahlenschutz-, Luftfahrt-, Schifffahrts-, Luftreinhalte-, Immissionsschutz-, Rohrleitungs-, Eisenbahn-, Bundesstraßen-, Gaswirtschafts- und Denkmalschutzrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Die Genehmigung oder Nicht-Untersagung ersetzt die nach den genannten bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen. Die behördlichen Befugnisse und Aufgaben zur Überprüfung der Ausführung einer Behandlungsanlage und der Übereinstimmung mit dem Genehmigungsbescheid, zur Kontrolle, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, zur Gefahrenabwehr, zur nachträglichen Konsensanpassung und zur Vorschreibung und Durchführung von Maßnahmen bei Errichtung, Betrieb, Änderung und Auflassung sind vom Landeshauptmann entsprechend den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes wahrzunehmen.

(2) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren sind die bautechnischen Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes anzuwenden; in diesen Fällen entfällt eine baubehördliche Bewilligungspflicht.

(...)"

§ 42 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 34/2006 lautet:

"Parteistellung

§ 42. (1) Parteistellung in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 haben

  1. 1. der Antragsteller,
  2. 2. die Eigentümer der Liegenschaften, auf denen die Anlage errichtet werden soll,

    3. Nachbarn, (...)."

    § 43 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 9/2011 lautet:

    "Genehmigungsvoraussetzungen

§ 43. (1) Eine Genehmigung gemäß § 37 ist zu erteilen, wenn zu erwarten ist, dass die Behandlungsanlage neben den Voraussetzungen der gemäß § 38 anzuwendenden Vorschriften folgende Voraussetzungen erfüllt:

 

1.

Das Leben und die Gesundheit des Menschen werden nicht gefährdet.

2.

Die Emissionen von Schadstoffen werden jedenfalls nach dem Stand der Technik begrenzt.

3.

Nachbarn werden nicht durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise unzumutbar belästigt.

4.

Das Eigentum und sonstige dingliche Rechte der Nachbarn werden nicht gefährdet; unter einer Gefährdung des Eigentums ist nicht die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes zu verstehen.

5.

Die beim Betrieb der Behandlungsanlage nicht vermeidbaren anfallenden Abfälle werden nach dem Stand der Technik verwertet oder ‑ soweit dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist ‑ ordnungsgemäß beseitigt.

5a.

Die Behandlungspflichten gemäß den §§ 15 und 16 und gemäß einer Verordnung nach § 23 werden eingehalten.

6.

Auf die sonstigen öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) wird Bedacht genommen.

  

 

(...)."

In der Beschwerde wird vorgebracht, dass die Einreichunterlagen zum Genehmigungsverfahren der gegenständlichen Erdaushubdeponie insofern mangelhaft seien, als es sich dabei um das - für einen seinerzeit geplanten und bewilligten und mit der gegenständlich bewilligten Erdaushubdeponie örtlich nicht vollständig übereinstimmenden Schotterabbau in der Gemeinde L erstellte - schalltechnische Projekt "R" aus 2004 handle, welches die Immissionssituation auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin nicht abbilde. Zwar habe der ASV für Schalltechnik in der am 11. November 2010 stattgefundenen mündlichen Verhandlung in erster Instanz ein mündliches Gutachten erstattet; er sei dabei aber nur insofern auf die Einwendungen der Beschwerdeführerin eingegangen, als er auf das schalltechnische Projekt "R" verwiesen habe, das keinen einzigen Messpunkt auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin anführe. Auf Basis dieser Einreichunterlagen und des sich darauf beziehenden Gutachtens habe die belangte Behörde nicht beurteilen können, ob gemäß § 43 Abs. 1 AWG 2002 eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit eines Menschen oder eine unzumutbare Belästigung eines Nachbarn vorliege.

Bereits dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.

Zunächst ist im Zusammenhang mit der Parteistellung der Beschwerdeführerin als Nachbarin anzumerken, dass der Nachbarbegriff des § 2 Abs. 6 Z 5 AWG 2002 im Wesentlichen jenem des § 75 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) entspricht. Die Rechtsprechung zu dieser Bestimmung kann daher auch auf das AWG 2002 übertragen werden. Demnach reicht für die Nachbarstellung bereits die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Belästigung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, 2007/07/0045, mwN). Diese Voraussetzung liegt im vorliegenden Fall vor.

Nun enthält das AWG 2002 im Unterschied zur GewO 1994 (vgl. § 77 Abs. 2 GewO 1994, gemäß dem die Zumutbarkeit an der Veränderung der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse zu beurteilen ist) keinen Beurteilungsmaßstab zur Zumutbarkeit der Belästigung iSd § 43 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 (vgl. Scheichl/Zauner/Berl, Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (2015), Rz 8 zu § 43 AWG 2002). Hinsichtlich der Frage, ob ein Vorhaben eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit des Menschen gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 oder eine unzumutbare Belästigung von Nachbarn gemäß § 43 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 darstellt, kann aber auf die GewO 1994 (vgl. dazu auch Bumberger/Niederhuber/Wolfslehner, Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (2014), K 5 zu § 43 AWG 2002) und die dazu ergangene Judikatur zurückgegriffen werden. Dies, da die Vorschriften zu den Genehmigungsvoraussetzungen einer Betriebsanlage nach der GewO 1994 und den Genehmigungsvoraussetzungen einer Behandlungsanlage des AWG 2002 einerseits dieselben Schutzgüter (Leben und Gesundheit des Menschen) betreffen und sich andererseits auch in der verwendeten Diktion des Gesetzestexts stark ähneln (vgl. § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 und § 43 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 sowie § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 und § 43 Abs. 1 Z 3 AWG 2002).

Nach der - auf Genehmigungsvoraussetzungen für Behandlungsanlagen nach § 43 Abs. 1 AWG 2002 übertragbaren - Judikatur zu den Genehmigungsvoraussetzungen für Betriebsanlagen nach der GewO 1994 ist es in dem Fall, dass eine Messung am entscheidenden Immissionspunkt möglich ist, - von Ausnahmefällen abgesehen - unzulässig, die dort zu erwartenden Immissionen aus den Ergebnissen einer Messung an einem anderen Ort zu prognostizieren (vgl. die bei

Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung3 (2011), Rz 38 zu § 77 GewO 1994 wiedergegebene Rechtsprechung sowie zur Frage der unterlassenen Messung der Umgebungslärmsituation das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, 2010/04/0046, mwN).

Auf dem Boden dieser Rechtsprechung ist der Durchführung von Messungen - soweit diese möglich sind - grundsätzlich der Vorrang vor lärmtechnischen Berechnungen einzuräumen.

"Grundsätzlich" bedeutet, dass diese Verpflichtung nicht allgemein besteht, sobald eine Messung (technisch) möglich ist, allerdings kann nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist - wie im hg. Erkenntnis 2010/04/0046 aufgezeigt - auf sachverständiger Grundlage fallbezogen in schlüssiger Weise darzulegen (vgl. dazu im Ganzen das hg. Erkenntnis vom 9. September 2015, Ra 2015/04/0030, mwN).

Dass ein solcher Ausnahmefall vom Grundsatz der Notwendigkeit schalltechnischer Messungen vorliegt, hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall aber nicht dargelegt, sodass der angefochtene Bescheid bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben ist.

Ferner wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits festgehalten, dass die Beurteilung der Lärmeinwirkung auf jenen der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes abzustellen hat, der dem regelmäßigen Aufenthalt der Nachbarn, sei es in einem Gebäude, sei es außerhalb eines Gebäudes dienen kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. September 2005, 2004/04/0131, mwN). Schalltechnische Messungen auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin (B), die in die gutachterliche Beurteilung des ASV bzw. in die Beurteilung der belangten Behörde eingeflossen wären, wurden im gegenständlichen Fall jedoch nicht durchgeführt.

In einem weiteren Vorbringen wird in der Beschwerde bemängelt, die belangte Behörde habe eine von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11. August 2011 übermittelte "schalltechnische Stellungnahme" mit dem Argument unbeachtet gelassen, dass es sich bei dieser Stellungnahme deshalb um kein Gegengutachten handle und somit den Ausführungen des ASV für Schalltechnik nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden sei, weil die Beschwerdeführerin nicht bekannt gegeben habe, wer die Stellungnahme verfasst habe. Die belangte Behörde - so die Beschwerdeführerin - hätte die abgegebene fachliche Stellungnahme jedoch prüfen und sich fragen müssen, ob sie auf gleichem fachlichem Niveau basiere.

Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11. August 2011 übermittelte "schalltechnische Stellungnahme" trotz der Nichtbekanntgabe des Urhebers dieser Stellungnahme auf fachlich gleicher Ebene mit den Ausführungen des schalltechnischen ASV abgegeben wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann dem Gutachten eines Sachverständigen im Verfahren nämlich nicht nur mit einem Gegengutachten entgegengetreten werden. Es ist einer Partei auch ohne Gegengutachten möglich, Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzuzeigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, 2000/07/0013, mwN). Dies ist der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall gelungen.

In der von ihr eingebrachten "schalltechnischen Stellungnahme" fand sich unter anderem das Vorbringen, es sei weder im schalltechnischen Projekt "R" aus 2004 noch seitens des ASV für Schalltechnik begründet worden, warum als Messpunkt 1 für die - dem schalltechnischen Projekt "R" zugrundeliegende - Dauermessung gerade das Objekt an der Adresse "A 6" gewählt worden sei, obwohl dieses Objekt keinen räumlichen Bezug zur genehmigten Erdaushubdeponie aufweise.

Nun geht aus dem von der belangten Behörde mit den Verwaltungsakten vorgelegten schalltechnischen Projekt "R" aus 2004 hervor, dass jener von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Messpunkt 1, an welchem - im Gegensatz zum Messpunkt 2 in B, an dem nur eine Kurzzeitmessung über einen Zeitraum von 15 Minuten erfolgte - eine Dauermessung vorgenommen wurde, im schalltechnischen Projekt wörtlich stets mit "A 6" umschrieben wird. Aus einer mit den Verwaltungsakten vorgelegten Gemeindekarte "L" ist jedoch ersichtlich, dass sich "A 6" - wie von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 11. August 2011 auch ausgeführt - nicht in räumlicher Nähe zur gegenständlichen Erdaushubdeponie befindet.

In den zum schalltechnischen Projekt "R" gehörigen - ebenfalls mit den Verwaltungsakten vorgelegten - Lageplänen wurde der darin aufscheinende Messpunkt 1 aber nicht bei "A 6" eingezeichnet, sondern an einem anderen Ort, nämlich offenbar - wie aus der vorgelegten Gemeindekarte "L" ersichtlich - bei "A 5", welcher sich in der Nähe der genehmigten Erdaushubdeponie befindet.

Daraus folgt aber, dass das vom ASV für Schalltechnik in der mündlichen Verhandlung in erster Instanz erstattete Gutachten ebenso wie dessen schriftliche Ausführungen im Verfahren vor dem UVS vom 14. Juli 2011 auf dem insofern widersprüchlichen schalltechnischen Projekt "R" basierte.

Mit ihrem Vorbringen, dass der im schalltechnischen Projekt "R" mit "A 6" umschriebene Messpunkt 1 offenbar in keinem räumlichen Zusammenhang zur genehmigten Erdaushubdeponie stehe, gelingt es der Beschwerdeführerin im Sinn der dargestellten Rechtsprechung, eine Widersprüchlichkeit und somit eine Unschlüssigkeit des schalltechnischen Projekts "R" und des sich darauf beziehenden Gutachtens des ASV für Schalltechnik vom 11. November 2010 und seiner Ausführungen vom 14. Juli 2011 dahingehend aufzuzeigen, dass der im schalltechnischen Projekt "R" wörtlich umschriebene Messpunkt 1 ("A 6") offenbar nicht mit dem in den Plänen eingezeichneten Messpunkt 1 (offenbar "A 5") übereinstimmt.

Sollte dem schalltechnischen Projekt "R" aus 2004 nämlich tatsächlich "A 6" als Messpunkt 1 zugrunde gelegen sein, wovon der ASV für Schalltechnik sowohl in seinem Gutachten vom 11. November 2010 wie auch in seiner schriftlichen Stellungnahme im Berufungsverfahren auszugehen scheint, ist die seitens der belangten Behörde getroffene Feststellung, dass die Liegenschaft der Beschwerdeführerin ("B") "schon allein aufgrund der Entfernung" zum gegenständlichen Vorhaben im Vergleich zur - näher zur Erdaushubdeponie gelegenen - Liegenschaft "B" nicht als maßgeblicher Immissionspunkt anzusehen sei, ohne nähere Begründung nicht nachvollziehbar. Dies, weil - wie aus der den Verwaltungsakten beigelegten Gemeindekarte "L" ersichtlich - die Liegenschaft "A 6" offenbar weiter von dem gegenständlichen Vorhaben entfernt zu sein scheint als die Liegenschaft der Beschwerdeführerin "B". Auch aus diesem Grund belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

Ferner ist die Beschwerdeführerin auch mit ihrem Vorbringen, es hätte im vorliegenden Fall ein humanmedizinisches Gutachten eingeholt werden müssen, weil ohne ein solches die Genehmigungsvoraussetzungen des § 43 Abs. 1 AWG 2002 nicht beurteilt werden könnten, im Recht.

Auch im Zusammenhang mit diesem Vorbringen kann die zu § 77 GewO 1994 ergangene Judikatur für § 43 Abs. 1 AWG 2002 herangezogen werden. Danach ist die Feststellung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen des § 77 GewO 1994 vorliegen, Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 2014, 2013/04/0095, 0098, vgl. dazu ebenso das hg. Erkenntnis vom 14. September 2005, 2004/04/0224). Den Sachverständigen obliegt es, aufgrund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend der in diesem Zusammenhang in § 77 Abs. 2 GewO 1994 enthaltenen Tatbestandsmerkmale auszuüben vermögen.

Die Auswirkungen der zu genehmigenden Betriebsanlage bzw. der zu genehmigenden Änderung einer genehmigten Betriebsanlage sind dabei unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten, d.h. am belastendsten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2012, 2010/04/0065, vgl. dazu im Ganzen das bereits zitierte Erkenntnis Ra 2015/04/0030).

Die zitierte Judikatur kann auf den gegenständlichen Fall übertragen werden, weil es bei der Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 43 Abs. 1 AWG 2002 ebenso wie in den Bestimmungen zu den Genehmigungsvoraussetzungen einer Betriebsanlage nach § 74 iVm § 77 GewO 1994 einerseits um die Frage der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Menschen und andererseits um die unzumutbare Belästigung von Nachbarn geht. Die Einholung eines humanmedizinischen Gutachtens ist daher notwendig.

Hinsichtlich ihres Vorbringens, dass zur Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 43 Abs. 1 AWG 2002 auch ein luftreinhaltetechnisches Gutachten sowie ein Gutachten zu einer vom gegenständlichen Vorhaben etwaig ausgehenden Feinstaubbelastung eingeholt hätte werden müssen, bleibt die Beschwerdeführerin eine weitergehende Begründung dazu schuldig, weshalb mangels Erstattung eines konkreten Vorbringens die Relevanz des damit geltend gemachten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird.

Ebenso wenig kommt dem Beschwerdevorbringen, der ASV für Schalltechnik habe entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtsfrage beurteilt, ob eine Gefährdung der Gesundheit und des Lebens bzw. eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn im Sinn des § 43 Abs. 1 AWG 2002 vorliege, Berechtigung zu.

Vielmehr hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nach Wiedergabe der - zum widersprüchlichen schalltechnischen Projekt "R" getroffenen - Ausführungen des ASV für Schalltechnik in weiterer Folge auf diesen Ausführungen beruhende, eigene Feststellungen getroffen und ist auf Basis dieser Feststellungen zur rechtlichen Beurteilung gelangt, dass die Beschwerdeführerin nicht in Rechten verletzt worden sei. Zwar fußen die Feststellungen der belangten Behörde auf einem - wie bereits dargelegt - unschlüssigen Gutachten des ASV für Schalltechnik, weshalb der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund aufzuheben war. Die belangte Behörde hat ihre rechtliche Beurteilung aber - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - selbst vorgenommen, weshalb das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin ins Leere geht.

Schließlich rügt die Beschwerdeführerin auch die Platzierung eines Mannschaftscontainers bzw. einer WC-Anlage auf dem Projektareal. In welchen subjektiven Rechten sie sich dadurch als verletzt erachtet, führt sie in der Beschwerde jedoch nicht konkret aus, weshalb auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen war.

Entgegen der Anregung der Beschwerdeführerin sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, einen Antrag auf Aufhebung des Flächenwidmungsplans der Gemeinde L an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. So hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. Jänner 2011, B- 1310/11-7, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt, in der verfassungsmäßige Bedenken gegen die Umwidmung von nahe der Liegenschaft der Beschwerdeführerin gelegenen Liegenschaften von Grünland auf Kiesabbau vorgebracht worden waren. Vor diesem Hintergrund vermag der Verwaltungsgerichtshof die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten verfassungsmäßigen Bedenken nicht zu teilen.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. November 2015

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