VwGH Ro 2014/15/0008

VwGHRo 2014/15/000822.5.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Revision der Stadtgemeinde P in P, vertreten durch Dr. Peter Gatternig und Mag. Karl Gatternig, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Renngasse 9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. Dezember 2013, Zl. IVW3-BE-3241501/058-2013, betreffend Wiederaufnahme (Kommunalsteuer 2001 bis 2005) und Festsetzung der Kommunalsteuer 2001 bis 2005 sowie eines Säumniszuschlags (mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
BAO §92;
VwRallg;
AVG §56;
BAO §92;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde P vom 18. Dezember 2007, wurde dem Land Niederösterreich aufgrund einer Kommunalsteuerprüfung des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs "hinsichtlich der in (P) tätigen Dienstnehmer für die Jahre 2001 bis 2005" eines Betriebes gewerblicher Art Kommunalsteuer in Höhe von 6.251,42 EUR zuzüglich Säumniszuschlag vorgeschrieben.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde P vom 2. Juli 2009 wurde aufgrund einer (weiteren) Kommunalsteuerprüfung des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten in Bezug auf denselben Betrieb gewerblicher Art "hinsichtlich der in (P) tätigen Dienstnehmer (VB-Lehrlinge) für die Jahre 2001 bis 2005" eine Kommunalsteuer in Höhe von 100.738,76 EUR zuzüglich Säumniszuschlag vorgeschrieben.

Beide Bescheide des Bürgermeisters der Gemeinde P wurden jeweils im Instanzenzug bekämpft. Die Berufung gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2007 wurde vom Land Niederösterreich mit Schreiben vom 6. Juni 2012 zurückgezogen. Die Berufung gegen den Bescheid vom 2. Juli 2009 blieb unerledigt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde P vom 28. September 2012, wurde schließlich die Wiederaufnahme des mit Bescheid des Bürgermeisters vom 18. Dezember 2007 abgeschlossenen Verfahrens betreffend die Vorschreibung von Kommunalsteuer für die Jahre 2001 bis 2005 in Höhe von 6.251,42 EUR verfügt und dem Land Niederösterreich hinsichtlich der in den Jahren 2001 bis 2005 im Gemeindegebiet tätigen Dienstnehmer Kommunalsteuer in Höhe von 106.990,17 EUR zuzüglich eines Säumniszuschlages vorgeschrieben.

Bezüglich der Wiederaufnahme wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid des Bürgermeisters vom 18. Dezember 2007 sei aufgrund einer Verständigung des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs ergangen. Im Jahre 2009 sei die Gemeinde P vom Finanzamt Lilienfeld St. Pölten vom Ergebnis einer Prüfung beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung verständigt worden, wobei diese Prüfung Vertragsbedienstete und Lehrlinge umfasst habe, das Prüfungsergebnis des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs jedoch nur - wie sich zwischenzeitlich heraus gestellt habe - Beamte. Aufgrund dieser weiteren Prüfung habe der Bürgermeister der Gemeinde P einen Bescheid vom 2. Juli 2009 erlassen, mit dem dem Land Niederösterreich Kommunalsteuer in Höhe von 100.738,76 EUR zuzüglich eines Säumniszuschlages vorgeschrieben worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Berufung und sodann Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde als Vorstellungsbehörde der Vorstellung Folge gegeben und den Bescheid der revisionswerbenden Gemeinde behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde P verwiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Berufung der Mitbeteiligten vom 14. Juli 2009 gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 2. Juli 2009, mit dem aufgrund der Kommunalsteuerprüfung des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten hinsichtlich der in (P) tätigen Dienstnehmer (VB-Lehrlinge) für die Jahre 2001 bis 2005 eine ergänzende Kommunalsteuer in Höhe von EUR 100.738,76 zuzüglich Säumniszuschlag vorgeschrieben worden sei, sei noch immer unerledigt.

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO sei dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig sei. Nachdem aber für den maßgeblichen Zeitraum von 2001 bis 2005 gegenüber der Mitbeteiligten zwei Bescheide (vom 18. Dezember 2007 und vom 2. Juli 2009) erlassen worden seien, von denen aber nur der Bescheid vom 18. Dezember 2007 in Rechtskraft erwachsen sei, sei festzuhalten, dass hinsichtlich des Bescheides vom 2. Juli 2009, der denselben Zeitraum wie der Bescheid vom 18. Dezember 2007 abdecke, die eingebrachte Berufung bis dato keiner Erledigung zugeführt worden sei.

Schon aus diesem Grund sei daher der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet, weil die revisionswerbende Gemeinde zunächst auch das Verfahren betreffend den Bescheid vom 2. Juli 2009 zu Ende führen hätte müssen, indem sie der Berufung Folge geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben hätte müssen, da zum einen nur ein einheitlicher Bescheid gegenüber der Mitbeteiligten hätte erlassen werden dürfen und zum anderen bezüglich des fraglichen Vorschreibungszeitraumes 2001 bis 2005 entschiedene Sache vorgelegen sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1974, 382/74). Erst danach wäre es möglich gewesen, das Verfahren bezüglich des Bescheides vom 18. Dezember 2007 wiederaufzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.

Das an die Stelle der belangten Behörde getretene Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der es die Abweisung der "Beschwerde" als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung hat sich die bescheidmäßige Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe, wenn sich die Selbstbemessung als unvollständig oder unrichtig erweist, auf die gesamte im Bemessungszeitraum zu entrichtende Abgabe und nicht bloß auf eine restliche und nur bestimmte Sachverhalte in Betracht ziehende Abgabenforderung zu erstrecken. Die Abgabe stellt sich als eine einheitliche Steuer dar, die jeweils für einen bestimmten Abgabenbemessungszeitraum entsteht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1990, 89/17/0266; 18. Oktober 2007, 2007/16/0123; oder 28. Mai 2008, 2005/15/0155).

Soweit der Bürgermeister der revisionswerbenden Partei in seinem Bescheid vom 2. Juli 2009 aufgrund einer erneuten Kommunalsteuerprüfung bei der Mitbeteiligten eine ergänzende Kommunalsteuer "hinsichtlich der in (P) tätigen Dienstnehmer (VB-Lehrlinge) für die Jahre 2001 bis 2005" festsetzte, entschied der Bürgermeister als Abgabenbehörde erster Instanz rechtswidrig neuerlich über eine bereits festgesetzte Abgabe und belastete damit seinen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung derogiert jedoch dann, wenn zwei rechtswirksame Bescheide im Widerspruch stehen, der später erlassene Bescheid dem früher erlassenen. Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, vorausgesetzt, tritt der spätere Bescheid zur Gänze an die Stelle des früheren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. September 1994, 94/17/0159, sowie vom 27. Februar 2003, 99/15/0126).

Ohne auf den Umstand einzugehen, dass ein Verfahren wieder aufgenommen worden ist, für das eine Berufung anhängig ist, kann schon deshalb festgestellt werden, dass die belangte Behörde zu Recht zum Ergebnis gekommen ist, dass die Voraussetzungen der Wiederaufnahme nicht vorgelegen sind, weil der Bürgermeister diese auf Umstände gestützt hat, die zum Zeitpunkt des Ergehens des wiederaufzunehmenden Bescheides bereits bekannt waren.

Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 4 VwGbk-ÜG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.

Wien, am 22. Mai 2014

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