VwGH 99/15/0126

VwGH99/15/012627.2.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Ulrich Sinnißbichler, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Akademiestraße 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom 29. April 1999, Zl. RV-319.97/1-7/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung (Einkommensteuer 1977 bis 1986), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §273;
BAO §289;
BAO §79;
BAO §97 Abs1;
VwRallg;
ABGB §273;
BAO §289;
BAO §79;
BAO §97 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers (vertreten durch seinen Sachwalter) gegen die dem Sachwalter zugestellten Einkommensteuerbescheide 1977 bis 1986 als unzulässig zurück. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, beim Beschwerdeführer seien im Verlaufe einer polizeilichen Kontrolle Überbringersparbücher und Juxtenbons mit einem Einlagestand in Millionenhöhe sichergestellt worden. Im Zuge einer anschließend durchgeführten Hausdurchsuchung sei es zur Beschlagnahme weiterer Bankunterlagen gekommen, die diesmal auf den Namen des Beschwerdeführers lauteten. Der Beschwerdeführer habe auf Anfrage erklärt, dass er die Sparguthaben und Wertpapiere, soweit sie auf Überbringer lauteten, für verschiedene Personen innehabe, deren Namen er jedoch nicht preisgeben könne, ohne einen Vertrauensbruch zu begehen. In den Einkommensteuerbescheiden 1977 bis 1986 vom 27. April 1988 habe das Finanzamt die Erträge auch der Überbringer-Sparbücher und der Überbringer-Juxtenbons dem Beschwerdeführer zugerechnet. Dieser habe mit Vollmacht vom 16. Mai 1988 den Wirtschaftstreuhänder HG bevollmächtigt, ihn in steuerlichen Angelegenheiten zu vertreten. Gegen die Einkommensteuerbescheide 1977 bis 1986 sei vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers Berufung eingelegt worden, welche mit Berufungsentscheidung vom 29. Juni 1989 abgewiesen worden sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei mit Erkenntnis vom 14. Mai 1991, 89/14/0195, als unbegründet abgewiesen worden.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 18. September 1996 sei Rechtsanwalt Dr. S zum Sachwalter des Beschwerdeführers bestellt worden. Ihm obliege die Vertretung des Beschwerdeführers in rechtlichen Angelegenheiten und bei Ämtern und Behörden sowie die Verwaltung des laufenden Einkommens und Verwendung des Vermögens.

Auf Antrag des Sachwalters Rechtsanwalt Dr. S habe ihm das Finanzamt am 4. April 1997 die (an den Beschwerdeführer gerichteten) Einkommensteuerbescheide 1977 bis 1986 zugestellt. Der Sachwalter habe in der Folge für den Beschwerdeführer Berufung gegen diese Bescheide eingebracht.

In der Begründung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Salzburg vom 18. September 1996, mit welchem Dr. S zum Sachwalter bestellt worden ist, sei, so werde in der Berufung vorgebracht, auf ein Sachverständigengutachten des Univ. Prof. Dr. GH vom 29. März 1992 verwiesen worden. Danach hätte sich der Beschwerdeführer vom 11. bis zum 16. Jänner 1982 an der neurologischen Abteilung der Landesnervenklinik aufgehalten. Die Untersuchung hätte ergeben, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt eine hochgradige neurotische Persönlichkeitsabwandlung, welche hinsichtlich ihres Schweregrades einer Psychose gleichkomme, vorgelegen sei. Daraus sei abzuleiten, dass der Beschwerdeführer bereits seit 1981 nicht mehr handlungs- und geschäftsfähig gewesen sei. Dem Polizeibericht zufolge habe der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Anhaltung am 25. Oktober 1984 einen verwirrten und unorientierten Eindruck gemacht. Dieses Krankheitsbild bestehe nach wie vor und habe sich insofern entwickelt, als nach dem Gutachten im Sachwalterbestellungsverfahren (Gutachten des Dr. EG vom 10. April 1996) der Berufungswerber unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leide, welche das Ausmaß der Psychosewertigkeit erreicht habe. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage, die Dinge des täglichen Lebens zu regeln und seine Krankheit zu erkennen. Ebenso wenig sei er kritikfähig, sodass es für ihn nicht einsichtig sei, ob bzw. welche Mitteilungen er Behörden gegenüber gemacht habe. Auf Grund der mangelnden Einsicht sei er nicht in der Lage, die von der Behörde gewünschten Angaben zu machen. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch die Weigerung des Beschwerdeführers, auf Anfrage der Abgabenbehörden den Namen der Eigentümer der Überbringersparbücher und Juxtenbons bekannt zu geben, zu sehen. Der Zustand der Zurechnungsunfähigkeit stelle für den Beschwerdeführer eine Unmöglichkeit zur Offenlegung des Namens der tatsächlichen Eigentümer dar. Dies dürfe nicht zu Lasten des Beschwerdeführers ausschlagen. Die Abgabenbehörden hätten nicht ohne nähere Prüfung und Begründung die Überbringersparbücher sowie die Juxtenbons dem Beschwerdeführer zurechnen und daraus eine Einkommensteuerpflicht ableiten dürfen. Der bloße Umstand, dass beim Beschwerdeführer Überbringersparbücher und Juxtenbons vorgefunden worden seien, reiche nicht aus, ihm dieses Vermögen zuzurechnen. Aus dem beruflichen Werdegang des Beschwerdeführers sei die Anhäufung eines derart großen Vermögens, wie es bei ihm vorgefunden worden sei, nicht nachvollziehbar.

Im Berufungsverfahren habe der Sachwalter des Beschwerdeführers ergänzend vorgebracht, jede Handlung seit der Polizeikontrolle am 25. Oktober 1984 sei einem Geschäftsunfähigen gegenübergesetzt worden und daher nichtig. Alle gegenüber dem Beschwerdeführer ergangenen Bescheide seien nichtig, dies gelte auch für das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes. Der Beschwerdeführer sei zwar während des Abgabenverfahrens durch einen steuerlichen Vertreter und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen. Er habe diese berufsmäßigen Parteienvertreten bevollmächtigt. Die jeweiligen Vollmachten seien allerdings unwirksam gewesen, weil sie von einem Geschäftsunfähigen erteilt worden seien. Die Parteienvertreter hätten somit ohne wirksame Vollmacht gehandelt. Die Geschäftsunfähigkeit des Beschwerdeführers sei der Abgabenbehörde zwar nicht bekannt gewesen und auch nicht bekannt gegeben worden. Der Steuerberater und der Rechtsanwalt seien aber bei Eingehen eines Vollmachtsverhältnisses nicht verpflichtet zu prüfen, ob die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers gegeben sei. Auch der Verwaltungsgerichtshof sei nicht verpflichtet von sich aus zu prüfen, ob die Geschäftsunfähigkeit eines Beschwerdeführers gegeben sei. Somit seien alle bisherigen Zustellungen unwirksam gewesen, erst die Zustellung der mit Berufung bekämpften Einkommensteuerbescheide an den Sachwalter sei wirksam erfolgt. Daher sei seine Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide nicht verspätet. Der Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 18. September 1996 betreffend die Bestellung des Sachwalters wirke zwar nicht zurück. Es sei jedoch entscheidend, dass der Beschwerdeführer bereits seinerzeit, im Zeitpunkt der Bescheidzustellung (an ihn) faktisch geschäftsunfähig gewesen sei.

Nach Ansicht der belangten Behörde liege ein Zurückweisungsgrund vor, wenn über ein und dieselbe Sache schon rechtskräftig entschieden worden sei, wenn also res iudicata vorliege (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1991, 90/13/0043). Dem Einwand des für den Beschwerdeführer einschreitenden Sachwalters, dass der Beschwerdeführer schon seit 1981, insbesondere im Zeitpunkt der Zustellung der jeweiligen Bescheide, faktisch nicht handlungs- und geschäftsfähig gewesen sei, sei Folgendes entgegenzuhalten:

Wie sich aus der Begründung des Beschusses des Bezirksgerichtes Salzburg vom 18. September 1996 betreffend die Sachwalterbestellung ergebe, beziehe der Beschwerdeführer seit 1. April 1980 auf Grund eines beim Schiedsgericht der Sozialversicherung durchgeführten Verfahrens eine Berufsunfähigkeitspension. Am 29. März 1982 habe Universitätsprofessor Dr. GH ein Sachverständigengutachten erstellt. Es gebe auch noch andere fachärztliche Gutachten. Im Hinblick darauf habe die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten mit Schreiben vom 22. April 1984 die Einleitung eines Sachwalterbestellungsverfahrens angeregt. Dieses sei im Jahre 1985 eingeleitet worden. Das Sachwalterbestellungsverfahren sei jedoch in der Folge vom Bezirksgericht Salzburg mit Beschluss vom 1. August 1985 eingestellt worden. Auch als der Beschwerdeführer am 30. August 1985, also ca. einen Monat nach Einstellung des Sachwalterbestellungsverfahrens, beim Richter vorgesprochen habe und sich dieser ein persönliches Bild von ihm habe machen können, sei das Sachwalterbestellungsverfahren nicht wieder aufgenommen worden. Erst im Jahre 1995, also ca. zehn Jahre später, sei von Amts wegen ein Sachwalterbestellungsverfahren eingeleitet und ein Sachwalter bestellt worden. Das Bestehen der Geschäftsfähigkeit sei eine Vorfrage im Abgabenverfahren. Es bestehe eine Bindung an im Außerstreitverfahren getroffene Entscheidungen über privatrechtliche Fragen. Wenn das Gericht das eingeleitete Sachwalterbestellungsverfahren eingestellt habe, sei auch die Abgabenbehörde an diese Entscheidung gebunden. Es möge zutreffen, dass der Beschwerdeführer, wie sich dies aus dem Sachverständigengutachten des Univ. Prof. Dr. GH vom 29. März 1982 ergebe, an einer hochgradigen Persönlichkeitsabwandlung, die einer Psychose gleichkomme, gelitten habe. Dies schließe jedoch nicht aus, dass er damals, insbesondere während des Abgabeverfahrens, in der Lage gewesen sei, seine Geschäfte (wie z.B. die Erteilung einer Vollmacht) selbständig und ohne Nachteil für sich selbst zu erledigen. Im genannten Gutachten werde auch ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus neurologischer Sicht nahezu voll arbeits- und berufsfähig sei. Der für den Beschwerdeführer einschreitende Sachwalter behaupte zwar die mangelnde Geschäftsfähigkeit des Beschwerdeführers im seinerzeitigen Abgabenverfahren, habe jedoch keinen Nachweis dafür erbracht, dass der Beschwerdeführer tatsächlich unfähig gewesen sei, bestimmte rechtsgeschäftliche Handlungen vorzunehmen. Der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 18. September 1996 über die Bestellung des Sachwalters nehme auch auf das Sachverständigengutachten des Dr. EG vom 10. April 1996 Bezug. In diesem Gutachten werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner intellektuellen Ausstattung zwar in der Lage sei, die Tragweite einer Vollmacht zu erfassen, dass er jedoch auf Grund der Störung der Realitätskontrolle nicht mehr in der Lage sei, die Notwendigkeit der Ausstellung einer Vollmacht rechtzeitig zu erfassen. Demnach sei der Beschwerdeführer aber trotz seines Krankheitsbildes in der Lage, die Tragweite der Erteilung einer Vollmacht und somit den Inhalt und die mit der Erteilung zusammenhängenden Rechtswirkungen zu erfassen und zu erkennen. Wenn der Beschwerdeführer schon bei Erstellung des Gutachtens im April 1996, also Jahre nach den abgeschlossenen Abgabenverfahren, in der Lage gewesen sei, die Tragweite der Erteilung einer Vollmacht zu erkennen, sei er dies auch während des seinerzeitigen Abgabenverfahrens gewesen. Die Tragweite der Erteilung einer Vollmacht zu erfassen, bedeute auch, dass der Beschwerdeführer im seinerzeitigen Abgabenverfahren den jeweiligen berufsmäßigen Parteienvertreter (Steuerberater, Rechtsanwalt) rechtswirksam Vollmacht erteilt habe. Im Übrigen werde zu dem im Sachverständigengutachten des Dr. EG vom 10. April 1996 geschilderten Krankheitszustand ausgeführt, dass auf Grund eines in den Jahren 1995 und 1996 vorhandenen Krankheitsbildes nicht auf die Schwere und das Ausmaß der Krankheit während der - viele Jahre zurückliegenden - seinerzeitigen Abgabenverfahren geschlossen werden könne. Ein Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer bei der Erteilung der jeweiligen Vollmacht geschäftsfähig gewesen sei, liege darin, dass sowohl der steuerliche Vertreter als auch der Rechtsanwalt ein Verhalten gesetzt hätten, das auf diese Tatsache schließen lasse. Es möge zutreffen, dass steuerliche Vertreter und Rechtsanwälte beim Eingehen eines Vollmachtsverhältnisses die Geschäftsfähigkeit nicht zu überprüfen hätten, jedoch sei davon auszugehen, dass ein Steuerberater oder ein Rechtsanwalt gar kein Interesse habe, freiwillig ein Vollmachtsverhältnis einzugehen, wenn er nach dem äußeren Verhalten seines Vollmachtgebers erkennen könne, dass dieser geschäftsunfähig sei. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass ein Steuerberater bzw. Rechtsanwalt bei Eingehen eines Vollmachtsverhältnisses die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers bzw. die Gültigkeit des Vollmachtsverhältnisses nicht überprüfe. Dazu komme, dass im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung das Sachwalterschaftsverfahren vom Bezirksgericht Salzburg eingestellt gewesen sei und sich das Gericht nicht dazu veranlasst gesehen habe, ein solches Verfahren wieder einzuleiten. Zudem sei weder vom Steuerberater noch vom Rechtsanwalt jemals die Geschäftsunfähigkeit des Beschwerdeführers eingewendet worden. Der Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 18. September 1996 über die Sachwalterbestellung wirke konstitutiv und damit nicht rückwirkend. Dazu komme, dass die vom Masseverwalter behauptete seinerzeitige Geschäftsunfähigkeit es nicht ausschließe, dass der Beschwerdeführer "in einem lichten Augenblick" geschäftsfähig gewesen sei. Nach Ansicht der belangten Behörde sei der Beschwerdeführer seinerzeit prozessfähig gewesen. Er habe - zumindest über seine steuerlichen Vertreter - Prozesshandlungen im Abgabenverfahren setzen und alle Einwendungen vorbringen können.

Dass die seinerzeitigen Abgabenbescheide wirksam zugestellt worden seien, sei auch daraus zu erkennen, dass der Beschwerdeführer seinerzeit dagegen Berufung bzw. Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe und somit die Erhebung der jeweiligen Rechtsbehelfe für notwendig erachtet habe. Daraus sei zu ersehen, dass auch die rechtsgeschäftliche Einsicht und die entsprechende Fähigkeit des Beschwerdeführers im seinerzeitigen Abgabenverfahren gegeben gewesen sei.

Der angefochtene Bescheid enthält weitere Ausführungen der belangten Behörde zum Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer nicht über ein entsprechendes Vermögen verfügt habe. Dabei verweist die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer Eigentümer eines nicht unbeträchtlichen Grundvermögens gewesen sei und es nicht auszuschließen sei, dass eine Person, welche über derartiges Grundvermögen verfüge, auch Eigentümer anderer Wertanlagen sei.

Abschließend wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, entscheidend sei, dass in derselben Sache ein Abgabenverfahren durchgeführt worden sei und dass der Grundsatz "ne bis in idem" nicht dadurch durchbrochen werde, dass im Nachhinein, also Jahre nach dem abgeschlossenen Verfahren, die Geschäftsunfähigkeit des Abgabepflichtigen eingewendet werde, zumal ein Gericht erst Jahre nach dem abgeschlossenen Abgabenverfahren ein Sachwalterbestellungsverfahren eingeleitet habe, das mit einer Sachwalterbestellung mit Wirkung für die Zukunft geendet habe. Die Berufung sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer im Recht auf eine Sachentscheidung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen, so ist ihr gemäß § 273 Abs. 1 ABGB auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu bestellen.

Ein im Jahr 1985 beim Bezirksgericht Salzburg unter der Geschäftszahl 3 SW 16/85 eingeleitetes Sachwalterschaftsverfahren wurde mit Beschluss vom 1. August 1985 eingestellt, nachdem es dem Gericht nicht möglich war, die persönliche Anhörung des Beschwerdeführers herbeizuführen. Eine solche negative Entscheidung des Pflegschaftsgerichts ist zwar dahingehend bindend, dass im Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters (§ 273 ABGB) nicht vorgelegen sind (vgl Maurer/Tschuggel, Das österreichische Sachwalterrecht in der Praxis2, 339). Allerdings gehört zu den Bestellungsvoraussetzungen auch, dass zu besorgende Angelegenheiten vorliegen, sodass selbst für den Zeitpunkt der Entscheidung eine Bindung nur vor dem Hintergrund der dem Pflegschaftsgericht bekannten zu besorgenden Angelegenheiten gegeben ist. Für andere Zeitpunkte kann eine Bindungswirkung der negativen Entscheidung ohnedies nicht gegeben sein.

Der Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 18. September 1996, 3 P 3296/95b-64, über die Bestellung eines Sachwalters hat konstitutive Wirkung für die Zeit ab seiner Erlassung. Hinsichtlich jener Rechtshandlungen, die eine Person vor der Bestellung des Sachwalters gesetzt hat, ist von der Behörde zu prüfen, ob dieser Person schon damals die Prozessfähigkeit gefehlt hat, ob sie somit bereits damals nicht mehr in der Lage gewesen ist, Bedeutung und Tragweite der Verfahren und der sich in diesen ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen derartiger Verfahren entsprechend zu verhalten (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Mai 2000, 99/14/0225).

Im gegenständlichen Fall erweist sich die Entscheidung der belangten Behörde aus folgenden Gründen als jedenfalls inhaltlich rechtswidrig:

Ist der Beschwerdeführer bei Zustellung der Einkommensteuerbescheide 1977 bis 1986 an ihn (Ausfertigungsdatum 27. April 1988) prozessfähig gewesen, so waren diese Bescheide im Rechtsbestand, war auch später noch die Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers gegeben, war die Berufungsentscheidung vom 29. Juni 1989 über die gegen diese Einkommensteuerbescheide eingebrachte Berufung im Rechtsbestand, als das Finanzamt am 4. April 1997 neuerlich den Beschwerdeführer betreffende Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1977 bis 1986 durch Zustellung an den Sachwalter erließ.

Dem neuerlichen Abspruch in derselben Sache (Einkommensteuer 1977 bis 1986) durch die Zustellung von Bescheiden am 4. April 1997 stand die Rechtskraft der bereits wirksamen Bescheide entgegen. Wird in derselben Sache neuerlich bescheidmäßig abgesprochen, verdrängt der jüngere Bescheid zwar den älteren (vgl das hg Erkenntnis vom 16. September 1994, 94/17/0159, unter Hinweis auf S. Pesendorfer, "Übergenuss" bei öffentlichrechtlichen Ausbildungsverhältnissen, JBl 1991, 152). Die Erlassung des neuen Bescheides in derselben Sache erweist sich allerdings als rechtswidrig. Solcherart hätte über die Berufung des Sachwalters als Vertreter des Beschwerdeführers gegen die ihm am 4. April 1997 zugestellten Bescheide in der Sache selbst entschieden werden müssen und zwar dahingehend, dass gemäß § 289 Abs. 2 BAO ausgesprochen wird, dass die am 4. April 1997 zugestellten (neuen) Einkommensteuerbescheide aufgehoben werden.

Sollte es hingegen dem Beschwerdeführer bereits bei der Zustellung der Einkommensteuerbescheide vom 27. April 1988 an der Prozessfähigkeit gemangelt haben - wovon offenbar das Finanzamt ausging - wären diese Bescheide nicht im Sinne des § 97 Abs. 1 BAO wirksam geworden. Daher wäre mit den am 4. April 1997 dem Sachwalter für den Beschwerdeführer zugestellten Bescheiden erstmals in der Sache (Einkommensteuer 1977 bis 1986) abgesprochen worden. Auch in diesem Falle hätte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 289 BAO in der Sache selbst entscheiden müssen.

Der angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde die Berufung als unzulässig zurückgewiesen hat, anstatt in der Sache selbst zu entscheiden, erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig.

Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Februar 2003

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