VwGH 2013/08/0276

VwGH2013/08/027630.9.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der P L in S, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 5. November 2013, Zl. LGS SBG/2/0566/2013, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gem. § 49 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §47 Abs2;
AlVG 1977 §49 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AlVG 1977 §47 Abs2;
AlVG 1977 §49 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin für die Zeit vom 4. bis 8. Oktober 2013 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, weil sie den für 4. Oktober 2013 vorgesehenen Kontrollmeldetermin beim AMS nicht eingehalten und sich erst wieder am 9. Oktober 2013 beim AMS gemeldet habe.

Begründend führte sie aus, die Beschwerdeführerin habe am 4. September 2013 persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg (im Folgenden: AMS) einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gestellt. Im Zuge dieser Antragstellung sei mit ihr eine schriftliche Betreuungsvereinbarung abgeschlossen worden, die auf Seite zwei auch eine Terminvereinbarung für den 4. Oktober 2013 um 09:45 Uhr beinhaltet habe. Dieser Termin sei eindeutig als Kontrollmeldetermin bezeichnet worden. Im Textfeld stehe Folgendes:

"Die mit Ihnen vereinbarten Kontrollmeldetermine sind (gemäß) § 49 AlVG verbindlich einzuhalten. Wenn Sie diese(n) Termin(e) ohne triftige Gründe nicht einhalten, kann dies den Verlust des Leistungsanspruches bis zu einer neuerlichen Meldung bewirken. Die Rechtsfolgen wurden mündlich erörtert."

Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung angegeben, dass sie die Betreuungsvereinbarung erhalten habe. Frau B. (die AMS-Betreuerin der Beschwerdeführerin), die mit ihr die Betreuungsvereinbarung abgeschlossen habe, habe bestätigt, dass die Beschwerdeführerin von ihr auch mündlich über den Kontrollmeldetermin informiert worden sei. Die Betreuungsvereinbarung sei ausgedruckt und der Beschwerdeführerin ausgefolgt worden. Daher sei davon auszugehen, dass sie Kenntnis vom Inhalt dieser Betreuungsvereinbarung gehabt und auch über die Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung des Kontrollmeldetermins informiert worden sei. Es wäre Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, sich den Kontrollmeldetermin vorzumerken. Offensichtlich habe sie diesen Termin vergessen. Eine Verpflichtung des AMS zur Erinnerung an diesen Termin durch ein gesondertes SMS bestehe nicht und sei von Frau B. auch nicht in Aussicht gestellt worden.

Als Bezieherin von Arbeitslosengeld sei die Beschwerdeführerin verpflichtet, vorgeschriebene Kontrollmeldetermine auch einzuhalten. Die Nichteinhaltung eines Kontrollmeldetermins könne nur dann entschuldigt werden, wenn Umstände vorlägen, welche dessen Einhaltung unmöglich bzw. unzumutbar gemacht hätten. Ein triftiger Hinderungsgrund für die Nichteinhaltung des Kontrollmeldetermins am 4. Oktober 2013 habe nicht festgestellt werden können. Die Beschwerdeführerin hätte bei entsprechender Aufmerksamkeit nach dem klaren Inhalt der ihr am 4. September 2013 ausgefolgten Betreuungsvereinbarung wissen müssen, dass am 4. Oktober 2013 um 9:45 Uhr ein verbindlicher Kontrollmeldetermin einzuhalten gewesen wäre. Es bestehe keine Verpflichtung des AMS, die Beschwerdeführerin an diesen Termin nochmals zu erinnern. Es liege in ihrer Verantwortung, Vorkehrungen zu treffen, damit sie den Termin nicht vergesse bzw. dass sie den Termin auch einhalten könne. Es bestehe aufgrund des Kontrollmeldeversäumnisses ohne triftigen Grund keine Möglichkeit, eine Nachzahlung des Arbeitslosengeldes für die Zeit ab der Versäumung des Kontrollmeldetermins bis zur persönlichen Wiederanmeldung zu veranlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Bundesverwaltungsgericht in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. § 49 AlVG in der im Beschwerdefall zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, lautet wie folgt:

"Kontrollmeldungen

§ 49. (1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, daß das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. Die näheren Bestimmungen über die Kontrollmeldungen trifft die Landesgeschäftsstelle. Die Landesgeschäftsstelle kann auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen.

(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um die Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."

2. Die Beschwerde rügt, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, auf welche Weise die Behörde zu der Feststellung gelangt sei, dass Frau B. bestätigt habe, die Beschwerdeführerin auch mündlich über den Kontrollmeldetermin informiert zu haben. Es lasse sich nicht nachvollziehen, welche Fragen Frau B. gestellt worden seien, ob es diesbezüglich eine Niederschrift gebe und ob sie auch darüber gefragt worden sei, ob sie die Rechtsbelehrung bei Säumnis des Kontrollmeldetermins mündlich erteilt habe. Wäre der Beschwerdeführerin diesbezüglich Parteiengehör gewährt worden, hätte sie nochmals den Ablauf des Gespräches darlegen können, ihre eigene Einvernahme beantragen und ihre beiden Zeuginnen namhaft machen können. Wären diese beiden Zeugen einvernommen worden, wäre hervorgekommen, dass der Beschwerdeführerin der Kontrollmeldetermin nicht mündlich mitgeteilt worden und sie nicht über die Folgen der Säumnis eines Kontrollmeldetermins belehrt worden sei.

3. Die Beschwerde ist berechtigt.

Die Versagung des Anspruches auf Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung hängt im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG von der wirksamen Vorschreibung einer Kontrollmeldung und diese wieder zumindest von der Möglichkeit einer Kenntnisnahme einerseits von dieser Vorschreibung, andererseits von der Belehrung über die mit der Nichteinhaltung des Kontrolltermins verbundenen Rechtsfolgen durch den Arbeitslosen ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2011, Zl. 2008/08/0093, mwN).

Kontrolltermine sind nach der gesetzlichen Anordnung des § 47 Abs. 2 AlVG unter Angabe von Ort und Zeit des wahrzunehmenden Termins in die Kontrollkarte einzutragen. Dies dient dazu, Missverständnisse zu vermeiden und durch die Eintragung in die Kontrollkarte (Meldekarte) den Kontrolltermin in zweifelsfreier Weise festzulegen. Für den Arbeitslosen muss demnach in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise feststehen, dass ihm ein Kontrolltermin vorgeschrieben wurde und wann dieser stattfinden soll; dies soll durch die Eintragung des Termins in die Kontrollkarte sichergestellt werden. Fehlt es daher an einer solchen Eintragung, wurde der Kontrolltermin - wenn er auch dem Arbeitslosen niederschriftlich zur Kenntnis gebracht worden ist - nicht wirksam vorgeschrieben; dessen Versäumung kann daher nicht die Rechtsfolgen des § 49 Abs. 2 AlVG auslösen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0221). Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon deswegen als rechtswidrig, weil eine Eintragung in die Meldekarte nicht festgestellt wurde.

Außerdem bedarf es im Hinblick darauf, dass eine Belehrung über die Rechtsfolgen der Unterlassung einer Kontrollmeldung eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 49 Abs. 2 AlVG darstellt, einer derartigen Feststellung bzw. Auseinandersetzung durch die belangte Behörde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0136, mwN). Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Partei auf Grund mehrerer bereits absolvierter Kontrolltermine über die Rechtsfolgen von deren Nichteinhaltung bereits Bescheid wusste, insbesondere wenn es sich - wie im Beschwerdefall - offenbar um einen ersten Kontrolltermin dieser Partei handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2004/08/0253, mwN).

Die Beschwerdeführerin hat bei ihrer Vernehmung durch das AMS am 9. Oktober 2013 angegeben, sie habe über den Kontrolltermin nicht Bescheid gewusst. In ihrer Berufung vom 18. Oktober 2013 gegen den erstinstanzlichen Bescheid brachte sie ergänzend vor, anlässlich ihrer Antragstellung am 4. September 2013 sei mit ihr lediglich der "Termin der ErstkundInneninformation" besprochen worden. Sie sei auch anlässlich der Ausfolgung der Betreuungsvereinbarung nicht über einen weiteren (Kontroll‑)Termin informiert und nicht darüber (mündlich) belehrt worden. Das Gespräch sei "von zwei Personen" mitgehört worden.

Die belangte Behörde hat keine weiteren Vernehmungen durchgeführt und sich auf die Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Sachbearbeiterin des AMS, A. B., beschränkt, wozu sie der Beschwerdeführerin überdies kein Parteiengehör eingeräumt hat.

Die Behörde darf sich nur in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung begnügen. Wo - wie hier - insoweit widersprechende Beweisergebnisse vorliegen, als der Darlegung des Arbeitslosen nur die Gegendarstellung einer Mitarbeiterin des AMS gegenübersteht und der Arbeitslose seine Darstellung auch während des gesamten Verfahrens (hier zur Entscheidung über den Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld) nicht geändert hat, in Fällen also, in denen der Glaubwürdigkeit von Personen für die Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt, ist es im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit erforderlich, diese Personen (sowie allenfalls weitere von einer Partei namhaft gemachte Personen) förmlich als Zeugen bzw. als Partei niederschriftlich zu vernehmen (vgl. das hg Erkenntnis vom 15. Mai 2013, Zl. 2011/08/0226).

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 30. September 2014

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