VwGH 2009/08/0056

VwGH2009/08/005616.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der C H in F, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in 6800 Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 25. November 2008, Zl. UVS-1-1006/K3-2008, betreffend Übertretungen des ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §225;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §33;
VStG §22 Abs2;
VStG §5 Abs2;
VStG §9 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2011:2009080056.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch über die Strafe wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie sei als handelsrechtliche Geschäftsführerin der H GmbH in F dafür verantwortlich, dass diese Firma am 25. Jänner 2008 um

13.30 Uhr vier näher bezeichnete Personen, bei welchen es sich um in der Krankenversicherung vollversicherte Pflichtversicherte handle, auf der Baustelle Universitätsbibliothek I beschäftigt und nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Träger der Krankenversicherung (Tiroler Gebietskrankenkasse) zur Pflichtversicherung als vollversicherte Person angemeldet zu haben.

Über die Beschwerdeführerin wurden deshalb wegen vier Übertretungen des § 111 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 ASVG gemäß § 111 Abs. 2 ASVG vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 160 Stunden) verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung im Wesentlichen vorgebracht habe, § 33 ASVG sei mit 1. Jänner 2008 in Kraft getreten. Die Umsetzung sei für ein kleines Unternehmen mit kurzfristigen Aufträgen problematisch gewesen. Es werde bezweifelt, dass die vier Arbeitnehmer am 25. Jänner 2008 um 13.30 Uhr auf der Baustelle Universitätsbibliothek bei Eisenverlegearbeiten angetroffen worden seien. Die Kanzlei ihres Steuerberaters sei am Freitagnachmittag geschlossen. Die genannten Dienstnehmer seien am 25. Jänner 2008 "erstmals um 15.42 Uhr bzw richtig um 14.42 Uhr unter der Fax-Nummer 05780761 des ELDA Competence Center gemeldet" worden. Ein nicht funktionierendes Faxgerät der für diese "Notmeldungen" vorgesehenen Stelle könne der Beschwerdeführerin nicht angelastet werden. Die Mindestangabenmeldungen seien am Samstag, dem 26. Jänner 2008, bestätigt worden. Die noch fehlenden Angaben seien zeitgerecht am 28. Jänner 2008 um 9.11 Uhr übermittelt worden.

Die belangte Behörde stellte fest, dass die Beschwerdeführerin handelsrechtliche Geschäftsführerin der H GmbH sei. Dieses Unternehmen, das den Geschäftszweig Eisenverlegearbeiten betreibe, habe am 25. Jänner 2008 um

13.30 Uhr die im Spruch genannten vier Arbeitnehmer auf der Baustelle Universitätsbibliothek I als Eisenverleger beschäftigt. Diese Personen seien nicht vor Arbeitsantritt bei der Tiroler Gebietskrankenkasse "zur vollversicherten Pflichtversicherung angemeldet" worden, obwohl es sich bei diesen Personen um in der Krankenversicherung vollversicherungspflichtige Personen handle. Dieser Sachverhalt sei auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung als erwiesen anzunehmen. Die Beschuldigte habe sich im Wesentlichen dahingehend gerechtfertigt, dass damals ihr Vorarbeiter am 25. Jänner 2008 um 12.00 Uhr von einem anderen Unternehmen kurzfristig wegen Arbeiten kontaktiert worden sei. Der Vorarbeiter habe dann geschaut, ob er irgendwelche Arbeiter dafür finde. Er habe der Beschwerdeführerin um 12.30 Uhr telefonisch mitgeteilt, dass die im Spruch genannten vier Personen um 13.00 Uhr mit der Arbeit beginnen würden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beschwerdeführerin bei ihrer Mutter auf Besuch gewesen. Sie habe diesen Besuch abgebrochen, um zu Hause die vier Arbeiter bei der Tiroler Gebietskrankenkasse anzumelden; dies habe sie um

15.42 Uhr per Fax gemacht.

Der Kontrollbeamte A habe als Zeuge ausgesagt, dass damals (gemeint: am 25. Jänner 2008) mit drei Beamten bei der Baustelle Universitätsbibliothek eine Kontrolle durchgeführt worden sei. Dabei seien die im Spruch genannten vier Personen beim Eisenlegen angetroffen worden. Diese Personen hätten die in der Anzeige vom 30. Jänner 2008 festgehaltenen Angaben gemacht; drei dieser vier Personen hätten angegeben, sie seien den ersten Tag auf dieser Baustelle für die Firma H tätig und würden in Vollbeschäftigung (40 Stunden pro Woche) stehen. Einer der vier Dienstnehmer habe unter anderem angegeben, er sei auf dieser Baustelle für die Firma H tätig und verdiene ca. EUR 1.300,-- im Monat. Der Kontrollbeamte A habe nach der Kontrolle im Finanzamt festgestellt, dass alle vier Personen nicht zur Sozialversicherung angemeldet worden seien. Später habe sich ergeben, dass die Meldungen zur Sozialversicherung erst nach der gegenständlichen Kontrolle erfolgt seien.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Darlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht geeignet sei, mangelndes Verschulden darzutun. Die Beschwerdeführerin habe selbst angegeben, dass sie um 12.30 Uhr von ihrem Vorarbeiter telefonisch verständigt worden sei, dass die vier Arbeiter um 13.00 Uhr mit der Arbeit beginnen würden. Es wäre somit an der Beschwerdeführerin gelegen, dafür Vorsorge zu tragen, dass die Arbeiter die Tätigkeit erst nach der Anmeldung aufnehmen. Tatsächlich seien die Arbeiter aber um 13.30 Uhr bei Eisenverlegearbeiten angetroffen worden, die Anmeldung sei jedoch zufolge des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Telefax-Sendeprotokolls erst um 17.25 Uhr an die ELDA Faxnummer 05780761 erfolgt. Im Übrigen sei auch die von der Beschwerdeführerin um

15.42 Uhr durchgeführte Anmeldung an die Telefaxnummer 057807666161 erst nach der Arbeitsaufnahme erfolgt. Es wäre an der Beschwerdeführerin gelegen gewesen, eine entsprechende Vorsorge für einen Fall wie den gegenständlichen zu treffen.

Es liege ein Wiederholungsfall im Sinne des § 111 Abs. 2 ASVG vor, da die Beschwerdeführerin eine einschlägige Vorstrafe aufweise. Schutzzweck der übertretenen Bestimmung sei es sicher zu stellen, dass versicherungspflichtig beschäftigte Personen auch im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß sozialversichert werden und die Sozialversicherungsbeiträge rechtzeitig und vollständig abgeführt werden. Diese Bestimmung diene einerseits dem Schutz der beschäftigten Person, andererseits der Wahrung der Ansprüche der Versichertengemeinschaft. Die Beschwerdeführerin habe diesem Schutzzweck jeweils in nicht unerheblichem Ausmaß zuwider gehandelt. Als Verschulden werde Vorsatz angenommen, was einen Erschwerungsgrund darstelle. Als erschwerend sei auch eine - neben der den Strafsatz erhöhenden Vorstrafe weitere - Vorstrafe zu werten. Milderungsgründe seien keine hervorgekommen.

Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse habe die Beschwerdeführerin angegeben, sie beziehe als Geschäftsführerin ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 424,--. Sie sei Hälfteeigentümerin einer Wohnung und habe zusammen mit ihrem Ehemann, der über ein eigenes Einkommen verfüge, Schulden in der Höhe von EUR 200.000,--. Die Strafen seien gegenüber den in erster Instanz verhängten Strafen herabzusetzen gewesen, weil die Erstbehörde mit einem weiteren Straferkenntnis vom 5. Juni 2008 über die Beschwerdeführerin wegen einer gleichen Übertretung ebenfalls eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.500,-- verhängt habe und im gegenständlichen Fall im Sinne einer Gleichbehandlung dieselbe Strafhöhe festzusetzen gewesen sei. Weiters seien diesbezüglich auch die ungünstigen persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin entsprechend zu berücksichtigen gewesen. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Bestrafung im Sinne des § 21 Abs. 1 VStG lägen schon im Hinblick auf das vorsätzliche Verhalten der Beschwerdeführerin nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. Februar 2009, B 96/09-3, ablehnte. Mit Beschluss vom 20. März 2009, B 96/09-5, wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag im Sinne des § 87 Abs. 3 VfGG gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Mit der nach Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin hat auf die Gegenschrift der belangten Behörde repliziert.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführerin werden vier Übertretungen des § 111 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 ASVG mit einer Tatzeit am 25. Jänner 2008 vorgeworfen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die zitierten Rechtsnormen folgenden Wortlaut:

"An- und Abmeldung der Pflichtversicherten

§ 33. (1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

(1a) Der Dienstgeber kann die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar

1. vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben-Anmeldung) und

2. die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).

(¿)

Verstöße gegen melderechtliche Vorschriften

§ 111. (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

  1. 3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  2. 4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

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