Normen
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
AlVG 1977 §25 Abs2;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
AlVG 1977 §25 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 erstattete das Finanzamt W an die Bezirkshauptmannschaft G eine Anzeige wegen Übertretung des ASVG. Demnach sei bei einer Kontrolle am 27. August 2008 ein Lastkraftwagen für eine Überprüfung angehalten worden. Das Fahrzeug sei vom Beschwerdeführer gelenkt worden. Das Fahrzeug sei auf W zugelassen. Der Beschwerdeführer habe erklärt, er sei der Halbbruder von W; er helfe nur aus und erhalte für diese Tätigkeit kein Entgelt. Der Beschwerdeführer sei von W nicht zur Sozialversicherung angemeldet worden.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 20. Oktober 2008 wurde der Bezug des "Arbeitslosengeldes" für den Zeitraum vom 31. Juli bis 27. August 2008 "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen "Arbeitslosengeldes" von EUR 638,96 verpflichtet. Begründend führte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, im Zuge einer Kontrolle durch ein Organ des Finanzamtes am 27. August 2008 sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer für die Firma W mit einem LKW Aushilfstätigkeiten durchgeführt habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und wandte ein, bei der Tätigkeit habe es sich um keine entgeltliche Aushilfe, sondern lediglich um eine brüderliche Hilfestellung in einer Notlage gehandelt. Da sich aus dem Familienverhältnis und der Notlage seines Bruders sein Handeln verpflichtend ergeben habe, habe er den LKW für ihn nach Wien gelenkt. Daraus habe sich in keinem Fall eine finanzielle Leistung ergeben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie führte begründend aus, der Beschwerdeführer sei im Rahmen einer Kontrolle beim Lenken eines Fahrzeuges der Firma W kontrolliert worden und habe angegeben, seinen Halbbruder zu unterstützen. Diese Tätigkeit sei vom Beschwerdeführer nicht unverzüglich dem Arbeitsmarktservice gemeldet worden. Obwohl der Beschwerdeführer einwende, dem Auftraggeber nur freiwillig - wie unter Brüdern üblich - geholfen zu haben, gelte gemäß § 25 Abs. 2 AlVG die unwiderlegbare Rechtsvermutung, dass die Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt werde. Es sei daher der Bezug des Arbeitslosengeldes für die Dauer von vier Wochen zurückzufordern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 25 Abs. 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:
"(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane, betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest vier Wochen ist rückzufordern. Erfolgte in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar. "
Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG (idF BGBl. I Nr. 82/2008) gilt als arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Nach § 12 Abs. 3 AlVG gilt als arbeitslos insbesondere (u.a.) nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht (lit. a), wer selbständig erwerbstätig ist (lit. b) oder wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist (lit. d). Gemäß § 12 Abs. 6 lit. a AlVG gilt aber als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt.
Wenn ein Empfänger von Arbeitslosengeld von einem öffentlichen Organ bei Tätigkeiten gemäß § 25 Abs. 2 AlVG angetroffen wird, kann dem Vorhalt der Nichtanzeige dieser Tätigkeit die Geringfügigkeit der Entlohnung nicht entgegengehalten werden (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2000, VfSlg. 15.850). Die gesetzliche Vermutung des § 25 Abs. 2 erster Satz AlVG setzt aber voraus, dass der Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit als Dienstnehmer (oder als selbständig Erwerbstätiger oder als im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder Tätiger) angetroffen wird. Entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde wird nur die Höhe der Entlohnung gesetzlich fingiert, nicht aber, dass es sich bei der beanstandeten Tätigkeit um eine Erwerbstätigkeit iSd § 25 AlVG handelt (ebenso Gerhartl, Betretung bei Schwarzarbeit, ASoK 2007, 222 ff).
Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde zwar berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2003/08/0182, mwN). Kein Dienstverhältnis liegt aber dann vor, wenn es sich um bloße Gefälligkeitsdienste handelt. Als solche sind kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2011, Zl. 2009/08/0062).
Der Beschwerdeführer hatte in seiner Berufung - in Konkretisierung seiner in der Anzeige des Finanzamtes wiedergegebenen Angaben - insbesondere ausgeführt, er habe seinem Halbbruder in einer Notlage unentgeltlich ausgeholfen. Insoweit wurde vom Beschwerdeführer - in ausreichender Weise - Vorbringen zu einem Gefälligkeitsdienst erstattet. Die belangte Behörde hat - in Verkennung der Rechtslage - zu diesem Vorbringen keine Erhebungen vorgenommen und keine Feststellungen getroffen, sodass nicht abschließend beurteilt werden kann, ob ein (allenfalls auch unentgeltlich gedachtes) Dienstverhältnis oder ein bloßer Gefälligkeitsdienst vorliegt. Damit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 16. November 2011
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