VwGH 2003/08/0182

VwGH2003/08/018221.4.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des G in I, vertreten durch Dr. Berndt Schön, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 24/I, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 31. Juli 2003, Zl. LGSTi/V/1212/3458 30 11 59-702/2003, betreffend Sonderbeitrag gemäß § 25 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1152;
AlVG 1977 §25 Abs2 idF 1996/411;
ASVG §111;
ASVG §33;
SozRÄG 1996 Art4 Z3;
StruktAnpG 1996 Art23 Z22;
ABGB §1152;
AlVG 1977 §25 Abs2 idF 1996/411;
ASVG §111;
ASVG §33;
SozRÄG 1996 Art4 Z3;
StruktAnpG 1996 Art23 Z22;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben des Hauptzollamtes Innsbruck an den Magistrat der Stadt Innsbruck vom 24. Juni 2003, nachrichtlich ergangen an das Finanzamt Innsbruck und an die Tiroler Gebietskrankenkasse, wurde der Beschwerdeführer als Tatverdächtiger einer Übertretung des § 111 iVm § 33 ASVG angezeigt. Am 23. Juni 2003 sei Frau M. bei der Arbeit für den Beschwerdeführer angetroffen worden. Es sollte von Vollversicherungspflicht ausgegangen werden. Erhebungen hätten ergeben, dass Frau M. mindestens seit dem 23. Juni 2003 beschäftigt worden sei. Laut ihrer Aussage helfe sie immer wieder bei ihrem ehemaligen Chef aus (diverse Computerarbeiten, da sich der Chef nicht auskenne, oder Abholen von Sachen und Verstellen von Autos). Laut HV-Abfrage sei sie per 30. April 2003 gekündigt worden und stehe im Bezug von Leistungen nach dem AlVG. Um Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens werde ersucht.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 7. Juli 2003 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 2 AlVG ein Sonderbeitrag in doppelter Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung in der Höhe von EUR 118,40 vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, da keine zeitgerechte Meldung der Tätigkeit von Frau M. an den Krankenversicherungsträger vorgenommen worden sei, sei der Sonderbeitrag zu leisten. Als Bemessungsgrundlage sei ein von der Arbeiterkammer für diese Tätigkeit bekannt gegebener Kollektivvertragslohn von EUR 712,05 herangezogen worden.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, Frau M. sei von ihm wegen mangelnder Arbeitseinstellung und Arbeitsauffassung per 30. April 2003 gekündigt worden. Nach diesem Zeitpunkt habe sie Leistungen nach dem AlVG bezogen. Sie sei jedoch keinesfalls mindestens seit dem 23. Juni 2003 für den Beschwerdeführer tätig geworden, sondern sie habe in der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit intensive Bemühungen um einen Arbeitsplatz angestellt, die aber nichts gefruchtet hätten. Deshalb sei sie hin und wieder beim Beschwerdeführer erschienen und habe rein aus Gefälligkeit und ohne jede Entlohnung "geringfügige Hilfestellungen geleistet". Dabei habe es sich nie um ein Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnis, sondern lediglich um freiwillige, niemals entlohnte geringfügige Unterstützungen gehandelt. Die Behörde habe auch Frau M. nicht einvernommen, um abzuklären, ob sie für die von ihr geleisteten Gefälligkeiten eine Entlohnung erhalten habe.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend wurde im Wesentlichen dargelegt, der Beschwerdeführer habe in der Berufung selbst außer Streit gestellt, dass Frau M. (zumindest) bei "Arbeitsleistung von geringfügigen Hilfestellungen bzw. nicht entlohnten freiwilligen Unterstützungen" bei ihm betreten worden sein könnte. Der entsprechende Betretungsbericht des Hauptzollamtes sei eindeutig. Da gemäß § 25 Abs. 2 AlVG die unwiderlegbare Rechtsvermutung gelte, dass bei Betretung bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b, d oder g AlVG, welche nicht unverzüglich, zumindest aber innerhalb einer Woche gemäß § 50 AlVG dem Arbeitsmarktservice gemeldet werde, diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt sei, sei eine Ermittlung dahingehend, ob und in welchem Ausmaß eine Entlohnung erfolgt sei, nicht durchzuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 25 Abs. 2 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 103/2000 hat folgenden Wortlaut:

"(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b, d oder g betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest zwei Wochen ist rückzufordern. Erfolgte in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar."

Als arbeitslos gilt gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG insbesondere nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht.

Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juli 2001, Zl. 99/08/0030, und vom 23. April 2003, Zl. 98/08/0270).

Im vorliegenden Fall kann allerdings dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde hinsichtlich der Tätigkeiten, die Frau M. für den Beschwerdeführer durchgeführt hat, angesichts dessen Vorbringens vom Vorliegen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG ausgehen durfte. Der angefochtene Bescheid erweist sich nämlich bereits aus folgenden Gründen als inhaltlich rechtswidrig:

Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 10. November 1998, Zl. 98/08/0154, ausgesprochen hat, setzt die Verhängung der Rechtsfolgen des § 25 Abs. 2 zweiter Satz AlVG voraus, dass die Organe des Arbeitsmarktservice selbst (oder allenfalls von diesem ausdrücklich mit der Überwachung des Arbeitsmarktes beauftragte, d.h. ihm in dieser Tätigkeit unmittelbar zuzurechnende Personen) die Tätigkeit des Dienstnehmers wahrgenommen haben. Dies ist (arg.: "in einem solchen Fall" in § 25 Abs. 2 dritter Satz AlVG) auch auf die nunmehr für den Arbeitgeber vorgesehene Sanktion des Sonderbeitrages zu übertragen. Diese Voraussetzung ist aber im vorliegenden Fall offenbar nicht erfüllt. Die Anzeige des Hauptzollamtes, die an den Magistrat der Stadt Innsbruck gerichtet und nachrichtlich nur an das Finanzamt Innsbruck sowie an die Tiroler Gebietskrankenkasse ergangen ist, enthält auch keinen Hinweis darauf, dass eine Wahrnehmung durch eine Person erfolgt wäre, die dem Arbeitsmarktservice zuzuzählen oder von diesem beauftragt war. Die Anzeige bezog sich im Übrigen gar nicht auf das AlVG. Auch werden den Zollbehörden weder in § 6 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 659/1994 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 61/2001, noch in sonstigen, ihnen Befugnisse einräumenden Bestimmungen (wie etwa § 7b Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl. Nr. 459/1993 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 68/2002, §§ 3 und 26 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, sowie §§ 27, 28a, 30 und 30a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 68/2002) Aufgaben auf dem Gebiet der Arbeitsmarktverwaltung bzw. des Arbeitslosenversicherungsrechtes übertragen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, wobei der Schriftsatzaufwand nur im beantragten Ausmaß zuzusprechen war.

Wien, am 21. April 2004

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