VwGH 2007/13/0085

VwGH2007/13/008520.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der B GmbH in P, vertreten durch Jonasch-Platzer-Grant Thornton, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH in 1130 Wien, Auhofstraße 1/2/10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 29. Juni 2007, Zlen. RV/2379-W/02 und RV/1574-W/06, betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 1994 bis 2002, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §9 Abs1 idF 1993/818;
EStG 1988 §9 Abs3 idF 1993/818;
KStG §10 Abs2;
KStG §12 Abs2;
EStG 1988 §9 Abs1 idF 1993/818;
EStG 1988 §9 Abs3 idF 1993/818;
KStG §10 Abs2;
KStG §12 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin, deren Tätigkeitsbereich insbesondere die industrielle Produktion von Betondachsteinen umfasst, fanden für die Jahre 1993 bis 1998 eine Buch- und Betriebsprüfung sowie für die Jahre 1999 bis 2002 eine Außenprüfung statt.

In dem die Jahre 1993 bis 1998 behandelnden Bericht wird zur Körperschaftsteuer auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 31. Oktober 2000 verwiesen. Dort heißt es unter Punkt 3. "Garantierückstellung":

"Vom geprüften Unternehmen wurde eine Garantierückstellung für eine vertraglich zugesicherte 30-jährige Garantiezeit auf Betondachsteine gebildet. Bei der Ermittlung der Garantierückstellung wurde von den Schadensverläufen der Vergangenheit ausgegangen, indem die bisher eingetretenen Schadensfälle der Produktionsperiode zugeordnet wurden. Auf diese Weise wurde eine um außerordentliche Produktionsverläufe bzw - chargen und dem technischen Fortschritt Rechnung tragende Schadensfallverteilung ermittelt. Die so ermittelten erwarteten bzw hochgerechneten Schadensfälle der künftigen Geschäftsjahre wurden mit den um außerordentliche Kostenschwankungen geglätteten Herstellkosten des

aktuellen Jahres bewertet.

Ab dem SteuerreformG 1993 BGBl. 1993/818 sind Rückstellungen mit steuerlicher Wirkung ab 1994 nur noch zu bilden wenn folgende Voraussetzungen erfüllt werden:

1994:

S

10.206.037,-

1995:

S

19.741.427,-

1996:

S

80.309.409,-

1997:

S

76.722.976,-

1998:

S

9.601.123,-"

Im die Jahre 1999 bis 2002 betreffenden Bericht vom 18. November 2005 wird unter Tz. 3 "§ 12 Abs. 2 KStG 1988"

Folgendes festgehalten:

"Die geprüfte Gesellschaft hat im Jahr 1998 ihre Anteile der

bestehenden Beteiligungen an den Gesellschaften

B. d.o.o., Skocjan/Slowenien (B. SLO)

B. Sisteme de Invelitori s.r.l., Brasov/Rumänien (B. RO)

B. Pokrivni Sisteme EOOD, Bulgarien (B. BG)

durch weitere Erwerbe bzw. Einlagen aufgestockt.

Die Zuerwerbe betrugen:

B.

SLO:

ATS

21.500.000,-

im Jahr 1998

B.

RO:

ATS

8.600.000,-

im Jahr 1997

B.

BG:

ATS

5.969.122,-

im Jahr 1998

Inhaltlich wurden die Zuerwerbe wie folgt getätigt:

B. SLO: Der Kauf der Anteile in Höhe von ATS 21.500.000,- im Jahr 1998 von dem Mitgesellschafter K. erfolgte auf kurzem Weg über die B. SLO durch Auszahlung von, der geprüften Gesellschaft zuzurechnenden, Gewinnausschüttungen aus dem Gewinnvortrag 1997 und dem laufenden Gewinn 1998.

B. RO: Die Anteilsaufstockung in Höhe von ATS 8.600.000,- im Jahr 1997 wurde durch einen Gesellschafterzuschuss hergestellt.

B. BG: In Höhe von ATS 5.969.122,- wurden im Jahr 1998 laut den der Bp vorliegenden Unterlagen Käufe in mehreren Tranchen durchgeführt.

Derartige Direktinvestitionen in Reformstaaten Osteuropas sowie generell die Übernahme von qualifizierten Beteiligungen werden von der Österreichischen Kontrollbank (ÖKB) aus den Mitteln des ERP-Programmes unterstützt.

Die geprüfte Gesellschaft hat für die oben dargestellten Beteiligungserwerbe im Jahr 1999 einen Antrag bei der ÖKB auf Refinanzierung dieser Erwerbe gestellt und über die BA-CA mit Wechselbürgschaft des Bundes (Barkredit mit Wechselbürgschaft des Bundes) Kredite in folgender Höhe zugeteilt erhalten:

B. SLO:

ATS

21.500.000,-

B. RO:

ATS

8.600.000,-

B. BG:

ATS

5.959.115,-

In Zusammenhang mit den obigen Beteiligungsfinanzierungen

sind folgende Kosten angefallen:

 

1999

2000

2001

2002

 

ATS

ATS

EUR

EUR

Kontrollbankgebühren

 

72.138,00

5.242,48

5.242,48

Zinsaufwendungen

48.039,00

1.565.169,00

114.131,19

109.094,75

Gesamtaufwand

  

119.373,67

114.337,23

Gesamtaufwand in ATS

48.039,00

1.637.307,00

1.642.618,00

 

Gemäß § 12 Abs. 2 KStG dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Vermögensvermehrungen und Einnahmen oder mit Kapitalerträgen im Sinne des § 97 EStG 1998 in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden.

Demnach wird der Betriebsausgabenausschluss über einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang in einer konkreten Aufwands- / Ertragsbeziehung definiert. Dies ist dann gegeben, wenn zwischen Einnahmen und Ausgaben ein notwendiger kausaler, nach objektiven Gesichtspunkten abzugrenzender Zusammenhang besteht. Diesen objektiven Zusammenhang sieht der VwGH (VwGH 30.9.1999, 99/15/0106, 0107) dann als erfüllt an, wenn Erträge und Aufwendungen nach Entstehung und Zweckbestimmung (kurz: Veranlassungsprinzip) verbunden sind.

Nach Ansicht des geprüften Unternehmens liegt ein unmittelbarer Zusammenhang nicht vor, da die konkrete Anschaffung vorläufig aus Eigenmitteln, anderen Fremdmitteln bzw im Fall des Erwerbes der Restanteile des Beteiligungsunternehmens B. SLO aus der Überweisung der der geprüften Gesellschaft zuzurechnenden Gewinnanteile finanziert wurde.

Bei den im gegenständlichen Sachverhalt vorliegenden Barkrediten mit Wechselbürgschaft des Bundes ist der Verwendungszweck 'Finanzierung Ihrer Beteiligung.....' eindeutig Gegenstand der Finanzierung bzw. Refinanzierung. Das Ausmaß der Zweckbindung ist weiters aus den in den Kreditvereinbarungen enthaltenen 'Weiteren Verpflichtungen des Kreditnehmers' zu entnehmen. Demnach wird der Kreditnehmer verpflichtet, der Kontrollbank und der Hausbank über Aufforderung Auskünfte über die aktuelle Geschäfts- und Umsatzentwicklung des Beteiligungsunternehmens zu erteilen. Weiters sind Änderungen, insbesondere bei den Beteiligungsverhältnissen des Beteiligungsunternehmens der Kontrollbank und der Hausbank unverzüglich mitzuteilen.

Somit ist für die Frage der Zuordnung der ÖKB-geförderten Finanzierung eine unmittelbare Verwendung dieser zweckgebundenen Finanzierungen nicht erforderlich. Im Regelfall werden derartige Erwerbe vorfinanziert und in der Folge bei Vorliegen der Voraussetzungen (Beteiligungsanschaffung) bei der ÖKB eine Finanzierung bzw Refinanzierung beantragt.

Lt Bp stehen die angeführten Zinsaufwendungen und ÖKB-Gebühren objektiv mit den steuerfreien Einnahmen gem. § 10 Abs. 2 KStG 1988 in Zusammenhang.

Daher werden den Zinsaufwendungen und ÖKB-Gebühren gem. § 12 Abs. 2 KStG 1988 die Abzugsfähigkeit verwehrt."

Das Finanzamt erließ im Februar 2001 unter Zugrundelegung des ersten Berichts entsprechende Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 1998, wogegen die Beschwerdeführerin Berufung erhob. Für die Jahre 1999 bis 2002 ergingen daraufhin - gleichfalls unter Bedachtnahme auf den erwähnten Bericht - vorläufige Bescheide, denen im Dezember 2005 nach Wiederaufnahme der Verfahren neuerlich vorläufig erlassene Körperschaftsteuerbescheide, nunmehr das Ergebnis des Berichts vom 18. November 2005 miteinbeziehend, folgten. Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin ebenfalls Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Juni 2007 wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Zugleich erklärte sie die "wegen des offenen Rechtsmittelverfahrens" vorläufig ergangenen Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2002 gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Im Beschwerdefall geht es einerseits um die Zulässigkeit der von der Beschwerdeführerin nach 1993 aufrecht erhaltenen bzw. ab 1994 neu gebildeten Garantierückstellungen und andererseits um die Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalkosten vor dem Hintergrund des § 12 Abs. 2 KStG 1988.

1. Zu den Garantierückstellungen:

Steuerliche Rückstellungen haben erstmals mit dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818, eine umfassende gesetzliche Regelung erfahren. § 9 EStG 1988 wurde neu gefasst und lautete ab dem 1. Dezember 1993 wie folgt (nachfolgende Änderungen dieser Bestimmung sind für den Beschwerdefall irrelevant):

"Rückstellungen

§ 9. (1) Rückstellungen können nur gebildet werden für

  1. 1. Anwartschaften auf Abfertigungen,
  2. 2. laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen,
  3. 3. sonstige ungewisse Verbindlichkeiten,
  4. 4. drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.

(2) Rückstellungen im Sinne des Abs. 1 Z 1 und 2 sind nach § 14 zu bilden.

(3) Rückstellungen im Sinne des Abs. 1 Z 3 und 4 dürfen nicht pauschal gebildet werden. Die Bildung von Rückstellungen ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist.

(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienst- oder eines Firmenjubiläums dürfen nicht gebildet werden."

Art. I Z 64 Steuerreformgesetz 1993 idF Strukturanpassungsgesetz 1996 normiert, dass die dargestellte Regelung des § 9 EStG 1988 erstmals auf die Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 1993 enden. Soweit für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1. Jänner 1994 geendet haben, für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung Rückstellungen gebildet worden sind, die nicht § 9 EStG 1988 entsprechen, wird Folgendes angeordnet:

"a) Die Rückstellungen sind mit jenem Betrag gewinnerhöhend aufzulösen, mit dem die Rückstellungen im Jahresabschluss für das letzte vor dem 1. Jänner 1994 endende Wirtschaftsjahr angesetzt werden.

b) Die gewinnerhöhende Auflösung ist innerhalb jener vier Wirtschaftsjahre vorzunehmen, die auf das letzte vor dem 1. Jänner 1994 endende Wirtschaftsjahr folgen. In dem nach dem 31. Dezember 1995 endenden Wirtschaftsjahr sind mindestens 50% jenes Betrages, der im Jahresabschluss für das letzte vor dem 1. Jänner 1996 endende Wirtschaftsjahr angesetzt wurde, aufzulösen."

Im Beschwerdefall ist strittig, ob es sich bei den von der Beschwerdeführerin gebildeten Garantierückstellungen um durch § 9 Abs. 3 EStG 1988 untersagte Pauschalrückstellungen handelt.

Die Beschwerdeführerin hat die fraglichen Rückstellungen in ihrer Berufung gegen die erstinstanzlichen Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 1998 - in der Beschwerde werden diese Ausführungen weitgehend wortgleich wiederholt - wie folgt beschrieben:

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