VwGH 2001/14/0081

VwGH2001/14/008127.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der H AG in S, vertreten durch Auditor Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH in 1010 Wien, Teinfaltstraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 16. Februar 2001, RV 739/1-6/2000, betreffend Körperschaftsteuer 1997 und 1998, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §4 Abs1;
EStG §4 Abs4;
EStG §5 Abs1;
EStG 1988 §9 Abs1 idF 1993/818;
EStG 1988 §9 Abs3 idF 1993/818;
EStG 1988 §9 idF 1993/818;
HVertrG 1993 §24;
EStG §4 Abs1;
EStG §4 Abs4;
EStG §5 Abs1;
EStG 1988 §9 Abs1 idF 1993/818;
EStG 1988 §9 Abs3 idF 1993/818;
EStG 1988 §9 idF 1993/818;
HVertrG 1993 §24;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war in den Streitjahren eine GmbH und ist in der Folge (zum 1. Jänner 1999) in eine AG umgewandelt worden.

Am 1. April 1993 schloss die Beschwerdeführerin mit BB einen Handelsvertretervertrag hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin erzeugten Produkte. In Punkt IX Abs. 5 wurde festgelegt, dass dem Handelsvertreter im Falle der Kündigung des Vertrages durch die Beschwerdeführerin ein Provisionsanspruch für von ihm eingeleitete und vorbereitete Geschäfte, die bis zu einem Jahr nach der Beendigung des Vertrages abgeschlossen würden, eingeräumt sei. Gemäß Punkt XIII Abs. 2 des Vertrages soll auf das Vertragsverhältnis ausschließlich österreichisches Recht, insbesondere das Handelsvertretergesetz angewendet werden.

In den Jahresabschlüssen zum 31. Dezember 1997 und 1998 bildete die Beschwerdeführerin erstmals eine "Rückstellung für den Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters". Die beiden Jahresabschlüsse enthalten den Hinweis: "In sinngemäßer Anwendung des Artikel X Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zum Rechnungslegungsgesetz wird diese Rückstellung auf fünf Jahre verteilt dotiert." Für 1997 wurde die Rückstellung im Ausmaß von 2,253.000 S (ein Fünftel des Jahres-Provisionsaufwandes) gebildet, für 1998 erfolgte die Erhöhung der Dotierung um 1,227.000 S.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, der Ausgleichsanspruch der Handelsvertreterin sei die Abgeltung von Provisionen aus künftigen Vertragsverhältnissen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses des Handelsvertreters. Deshalb könne die Rückstellung steuerlich nicht anerkannt werden.

Das Finanzamt erließ - nach Wiederaufnahme der Verfahren - den Prüfungsfeststellungen entsprechend geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1997 und 1998.

In der Berufung gegen die Körperschaftsteuerbescheide brachte die Beschwerdeführerin vor, das am 1. März 1993 in Kraft getretene Handelsvertretergesetz 1993, BGBl. 88/1993 (im Folgenden HVG 1993), sei auf den in Rede stehenden Handelsvertretervertrag anzuwenden und normiere, dass dem Handelsvertreter ein angemessener Ausgleichsanspruch zustehe, wenn er dem Unternehmen neue Kunden zugeführt habe. Auch bei sinkenden Provisionszahlungen betrage der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters eine Jahresvergütung, die sich aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre errechne. Dieser Durchschnittswert stelle einen vergangenheitsbezogenen Aufwand dar und sei als ungewisse Verbindlichkeit in eine Rückstellung einzustellen. Der Ausgleichsanspruch sei auch insofern vergangenheitsbezogen, als er sich auf die Handelsvertretertätigkeit der Vergangenheit beziehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. § 9 Abs. 1 EStG idF SteuerreformG 1993 regle die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. § 24 HVG 1993 lege den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters fest. Dieser Bestimmung zufolge bestehe der Ausgleichsanspruch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses, wenn und soweit der Handelsvertreter dem Unternehmer neue Kunden zugeführt habe und zu erwarten sei, dass der Unternehmer aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen könne. Der Anspruch bestehe nur, wenn er unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspreche.

Gemäß § 24 Abs. 3 HVG 1993 bestehe der Anspruch nicht, wenn der Handelsvertreter selbst das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst habe. Gemäß § 24 Abs. 4 HVG 1993 betrage der Ausgleichsanspruch mangels einer für den Handelsvertreter günstigeren Vereinbarung höchstens eine Jahresvergütung, die aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre errechnet werde.

Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 21. Juni 1994, 91/14/0165, unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 20. Jänner 1983, BStBl. 1983 II 375, zu Recht erkannt, dass eine Rückstellung für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nicht zu bilden sei. Das Erkenntnis habe einen Ausgleichsanspruch nach § 89b des deutschen HGB betroffen. Gemäß § 89b dHGB stehe dem Handelsvertreter der Ausgleichsanspruch zu, wenn und soweit der Unternehmer aus den Geschäftsverbindungen mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben habe, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehe und der Handelsvertreter wegen der Beendigung des Vertragsverhältnisses Provisionsansprüche verliere. Der Anspruch bestehe nur, wenn er unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspreche.

Der Verwaltungsgerichtshof habe im genannten Erkenntnis zu Recht erkannt, Voraussetzung einer Rückstellungsbildung sei stets, dass ein wirtschaftlich die Vergangenheit betreffender Aufwand ernsthaft drohe. Die wesentliche Ursache der Ausgleichsverpflichtung sei nicht das Vorhandensein eines vom Handelsvertreter erworbenen Kundenstockes, sondern - aus der Sicht des Handelsvertreters - der Verlust künftiger Provisionen und - aus der Sicht des Unternehmers - der zu erwartende Vorteil aus künftigen Geschäftsabschlüssen. Der Ausgleichsanspruch stehe somit wirtschaftlich betrachtet einer Vergütung für alle künftigen, von alten Kunden eingehenden Aufträgen näher als einer Nachvergütung für bereits vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses erbrachte Leistungen. Mangels wirtschaftlicher Verursachung in der Vergangenheit könne eine Rückstellung nicht gebildet werden.

Im Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, 96/15/0140, habe der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass auch der Ausgleichsanspruch nach § 24 des HVG 1993 in erster Linie künftig entgehende Provisionen des Handelsvertreters abgelten wolle.

Aus den ErlRV zum Steuerreformgesetz 1993, mit welchem die Rückstellungsregelung in § 9 EStG geschaffen worden sei, ergebe sich, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 9 EStG Klarheit hinsichtlich der Definition des steuerlichen Rückstellungsbegriffes habe schaffen wollen. Die gesetzgeberische Maßnahme diene der Objektivierung des steuerlichen Rückstellungsbegriffes. Die (Verbindlichkeits)Rückstellungen sollten auf "verbindlichkeitsnahe" Passivposten beschränkt werden.

Aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des BFH sei zu entnehmen, dass die Bildung einer Rückstellung für den Handelsvertreter-Ausgleichsanspruch steuerlich nicht zulässig sei. Überdies bestehe nach Ansicht der belangten Behörde im gegenständlichen Fall keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Ausgleichsanspruch anfallen werde. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin auch nach der Auflösung des mit dem Handelsvertreter geschlossenen Vertragsverhältnisses noch mit erheblichen Vorteilen rechnen könne. Solcherart könne ein Ausgleichsanspruch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwartet werden.

Die Bildung der Rückstellung erscheine der belangten Behörde daher schon handelsrechtlich keineswegs zwingend, weil der Entstehungsgrund des Ausgleichsanspruches erst nach Auflösung des Vertragsverhältnisses gelegen sei und nicht in Wirtschaftsperioden projiziert werden dürfe, in denen das Vertragsverhältnis noch aufrecht sei. Steuerlich sei die in Rede stehende Rückstellungsbildung jedenfalls unzulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid

erhobene Beschwerde erwogen:

§ 24 HVG 1993 lautet:

"(1) Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gebührt dem Handelsvertreter ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit

1. er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat,

2. zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann, und

3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.

(2) Der Ausgleichsanspruch besteht auch dann, wenn das Vertragsverhältnis durch Tod des Handelsvertreters endet und die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen vorliegen.

(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn

1. der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit oder Gebrechen nicht zugemutet werden kann, oder

2. der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen eines schuldhaften, einen wichtigen Grund nach § 22 darstellenden Verhaltens des Handelsvertreters gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat oder

3. der Handelsvertreter gemäß einer aus Anlass der Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffenen Vereinbarung mit dem Unternehmer, die Rechte und Pflichten, die er nach dem Vertrag hat, einem Dritten überbindet.

(4) Der Ausgleichsanspruch beträgt mangels einer für den Handelsvertreter günstigeren Vereinbarung höchstens eine Jahresvergütung, die aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre errechnet wird. Hat das Vertragsverhältnis weniger als fünf Jahre gedauert, so ist der Durchschnitt der gesamten Vertragsdauer maßgeblich.

(5) Der Handelsvertreter verliert den Ausgleichsanspruch, wenn er dem Unternehmer nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mitgeteilt hat, dass er seine Rechte geltend macht."

Gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1988 idF SteuerreformG 1993, BGBl. 818/1993, "dürfen" Rückstellungen gebildet werden für

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