VwGH 2006/17/0161

VwGH2006/17/01619.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des FK in A, vertreten durch Mag. Hannes Huber und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofstraße 3, gegen den Bescheid des Finanzamts für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom 7. September 2006, Zl. GIS 0524/06, betreffend Befreiung von der Entrichtung von Rundfunkgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
FMGebO §47 Abs1;
FMGebO §48 Abs5 Z2;
FMGebO §50;
FMGebO §51 Abs1;
RGG 1999 §6 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Am 28. Juni 2006 brachte der Beschwerdeführer unter Verwendung eines von der GIS Gebühren Info Service GmbH aufgelegten Formulars einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernsehempfangseinrichtungen ein. Darin gab der Beschwerdeführer u.a. an, Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbaren sonstigen wiederkehrenden Leistungen versorgungsrechtlicher Art zu sein.

Dem Antrag waren neben einem Beleg über den Bezug des im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohnes in der Höhe von monatlich EUR 353,61 e-banking-Auszüge über verschiedene Überweisungen für Versicherungen, Bezahlfernsehen, Versandhandel, Fernsprechgebühren, Bausparen u.a. beigelegt.

1.2. Über Aufforderung der GIS Gebühren Info Service GmbH vom 24. Juli 2006 legte der Beschwerdeführer sodann einen Nachweis über seinen Pensionsbezug (aus Schweden) in Höhe von EUR 1.293,72 vor.

1.3. Unter dem Datum 8. August 2006 erging sowohl eine Aufforderung an den Beschwerdeführer, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, als auch (bereits) der erstinstanzliche Bescheid der GIS Gebühren Info Service GmbH, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen wurde.

1.4. Der Beschwerdeführer erhob einen "Einspruch" gegen den erstinstanzlichen Bescheid, der von der GIS der belangten Behörde als Berufung vorgelegt wurde. Der Beschwerdeführer ersuchte in dem Rechtsmittel "um Nachprüfung" und gab als Einkommen "1.100- 1.200 EUR Schweden" und EUR 216,-- "Öst.PVA", sowie "Sohn" EUR 353,-- an. Zusätzlich vermerkte er:

"Ich habe auch sehr viele Ausgaben.

Ich bin 100% Invalid in Rollstuhl".

1.5. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde ohne Setzung weiterer Verfahrensschritte der Berufung nicht statt.

Begründend verwies die belangte Behörde zunächst darauf, dass auf dem Antragsformular ausdrücklich darauf hingewiesen würde, dass eine Kopie der Bestätigung der Anspruchsberechtigung und die Nachweise der Einkommen aller im Haushalt lebenden Personen in Kopie beizulegen seien. Der Beschwerdeführer habe in dem Antrag als im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebend Marianne K und Phillip K angegeben.

In der Folge stellte die belangte Behörde den Inhalt des Schreibens der GIS vom 24. Juli 2006 dar, in dem der Beschwerdeführer um Vorlage von Unterlagen bezüglich des Einkommens aller im Haushalt lebenden Personen ersucht worden war. Die GIS verwies in dem Schreiben abschließend darauf, dass der Antrag zurückgewiesen werden müsste, wenn die Unterlagen nicht fristgerecht vorgelegt würden.

Die belangte Behörde ging sodann auf das zeitgleich mit dem erstinstanzlichen Bescheid ausgefertigte Schreiben der GIS betreffend das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ein und hob insbesondere hervor, dass der Beschwerdeführer darin zur Vorlage von Nachweisen betreffend "Abzugsposten vom Finanzamt anerkannter außergewöhnlicher Belastungen im Sinne der §§ 34 und 35 EStG 1988" aufgefordert worden sei. Aus dem Schreiben sei eine Überschreitung des Richtsatzes in der Höhe von EUR 725,53 ersichtlich gewesen.

In der daran anschließenden Darstellung des erstinstanzlichen Bescheids, der gleichfalls am 8. August 2006, also ohne Abwarten einer Reaktion des Beschwerdeführers, erstellt worden war, wird ausgeführt, dass die Behörde erster Instanz von einer Richtsatzüberschreitung in der Höhe von EUR 491,53 ausgegangen sei. Worin der Unterschied zwischen den beiden Berechnungen der Behörde erster Instanz vom selben Tag liegen könnte, wird im angefochtenen Bescheid nicht ausgeführt.

Die belangte Behörde gibt sodann den Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers wieder und stellt fest:

"Außergewöhnliche Belastungen im Sinne des §§ 34 und 35 EStG wurden nicht belegmäßig geltend gemacht".

Von der GIS Gebühren Info Service GmbH sei der belangten Behörde mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer bis 28. Februar 2006 von der Entrichtung der Rundfunkgebühren befreit gewesen sei.

Nach Wiedergabe des Wortlauts der §§ 47 ff FMGebO, Anlage zum Fernmeldegebührengesetz, "BGBl. Nr. 170/1970 in der jeweils geltenden Fassung", führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 35 Abs. 3 EStG im Falle der Behinderung von 100 % ein Freibetrag in Höhe von EUR 726,--, jährlich, zu berücksichtigen gewesen sei. Für die "monatlich anzustellende Betrachtung" sei jeweils 1/12 anzuerkennen. Dies werde im Einzelfall auch ohne Vorlage eines Beweismittels berücksichtigt. Der Beschwerdeführer sei "im Verfahren selbst kein Neuling mehr". Es obliege prinzipiell dem Antragsteller, alle Behauptungen auch durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

Die Aufzählung der gemäß § 48 Abs. 5 FMGebO zu berücksichtigenden Ausgaben sei taxativ.

Die Berücksichtigung von Aufwendungen wie Kindergarten-, Hort- und Schulkosten der auswärts studierenden Kinder, Sozialversicherungsbeitrage, Darlehens- oder Kredittilgungen, Unterhaltsleistungen, Medikamenten-, Krankheits- und Kurkosten sei nach dem Gesetz bei der Ermittlung des Haushaltseinkommens nicht vorgesehen. Bei der Ermittlung des Nettoeinkommens im Sinne des Gesetzes seien Leistungen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, Kriegsopferrenten, Heeresversorgungsrenten, Opferfürsorgerenten, Verbrechensopferrenten sowie Unfallrenten und das Pflegegeld nicht anzurechnen.

Mietzins und Betriebskosten könnten nach dem Gesetz nur bei Mietwohnungen einkommensmindernd berücksichtigt werden. Bei Wohnungen oder Häusern im Eigentum des Rundfunkteilnehmers werde das sog. "Eigenheimpauschale", ein monatlicher Betrag in Höhe von EUR 105,38, pauschal anerkannt.

Ausgehend von dieser Rechtsauffassung ermittelte die belangte Behörde sodann detailliert (unter Abzug des Eigenheimpauschales in der Höhe von EUR 105,38 und eines Betrags unter dem Titel "Minderung der Erwerbsfähigkeit 100 %" in Höhe von EUR 60,50) ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von EUR 1.697,46.

Der um 12 % erhöhte Vergleichsrichtsatz betrage EUR 1.263,71. Es bestehe daher eine Betragsgrenzenüberschreitung in Höhe von EUR 433,75.

Nach der Rechtslage gemäß BGBl. I Nr. 71/2003 bestünde auch für Taube oder fast Taube bzw. Pflegegeldbezieher oder Blinde ein Anspruch auf Gebührenbefreiung nur dann, wenn die Grenze für das Haushaltsnettoeinkommen nicht überschritten werde. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

1.6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.7. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die §§ 2, 3, 4 und 6 Rundfunkgebührengesetz (in der Folge: RGG), BGBl. I Nr. 159/1999 (§ 3 Abs. 5 in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003; § 6 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 9/2010), lauten auszugsweise:

"Gebührenpflicht, Meldepflicht

§ 2. (1) Wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer), hat Gebühren nach § 3 zu entrichten. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten.

(2) Die Gebührenpflicht nach § 1 besteht nicht, wenn

1. dem Rundfunkteilnehmer eine Befreiung (§ 3 Abs. 5) erteilt wurde oder

2. für den Standort bereits die Gebühren nach § 3 entrichtet werden.

Standort ist die Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit bzw. ein geschlossener Verband von Räumlichkeiten mit einheitlichem Nutzungszweck, wo eine Rundfunkempfangseinrichtung betrieben wird.

...

Rundfunkgebühren

§ 3. (1) Die Gebühren sind für jeden Standort (§ 2 Abs. 2) zu entrichten und betragen ...

...

(5) Von den Gebühren nach Abs. 1 sind auf Antrag jene Rundfunkteilnehmer zu befreien, bei denen die in §§ 47 bis 49 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970 in der jeweils geltenden Fassung, genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr vorliegen.

...

Einbringung der Gebühren

§ 4. (1) Die Einbringung der Gebühren und sonstiger damit verbundener Abgaben und Entgelte einschließlich der Entscheidung über Befreiungsanträge (§ 3 Abs. 5) obliegt der 'GIS Gebühren Info Service GmbH' (Gesellschaft).

...

Verfahren

§ 6. (1) Die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben nach § 4 Abs. 1 obliegt der Gesellschaft als Abgabenbehörde 1. Instanz; über Berufungen gegen von der Gesellschaft erlassene Bescheide hat die zuständige Finanzlandesdirektion als Abgabenbehörde 2. Instanz zu entscheiden, soweit nicht anderes bestimmt ist. Das AVG ist anzuwenden."

Die Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970 (§§ 47 und 48 Abs. 2 und 4 sowie 50 in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003), lautet auszugsweise wie folgt:

"ABSCHNITT XI

Befreiungsbestimmungen

§ 47. (1) Über Antrag sind von der Entrichtung

1. Bezieher von Pflegegeld oder einer vergleichbaren

Leistung;

2. Bezieher von Beihilfen nach dem

Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994;

3. Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen

Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbare sonstige

wiederkehrende Leistungen versorgungsrechtlicher Art der

öffentlichen Hand,

4. Bezieher von Leistungen nach dem

Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977,

5. Bezieher von Beihilfen nach dem

Arbeitsmarktförderungsgesetz,

6. Bezieher von Beihilfen nach dem

Studienförderungsgesetz 1983,

7. Bezieher von Leistungen und Unterstützungen aus der

Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen

öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit.

(2) Über Antrag sind ferner zu befreien:

1. Von der Rundfunkgebühr für Radio- und Fernseh-

Empfangseinrichtungen

a) Blindenheime, Blindenvereine,

b) Pflegeheime für hilflose Personen,

wenn der Rundfunk- oder Fernsehempfang diesen Personen zugute

kommt.

2. Von der Rundfunkgebühr für Fernseh-

Empfangseinrichtungen

a) Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen;

b) Heime für solche Personen,

wenn der Fernsehempfang diesen Personen zugute kommt.

§ 48. (1) Die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Personen nach § 47 ist jedoch dann unzulässig, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz um mehr als 12% übersteigt.

(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 finden auf die nach § 47 Abs. 2 Z 1 und Z 2 lit. b anspruchsberechtigte Personengruppe keine Anwendung.

(3) Nettoeinkommen im Sinne des Abs. 1 ist die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge.

(4) Bei Ermittlung des Nettoeinkommens sind Leistungen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, Kriegsopferrenten, Heeresversorgungsrenten, Opferfürsorgerenten, Verbrechensopferrenten sowie Unfallrenten und das Pflegegeld nicht anzurechnen.

(5) Übersteigt das Nettoeinkommen die für eine Gebührenbefreiung maßgebliche Betragsgrenze nach Abs. 1, kann der Befreiungswerber als abzugsfähige Ausgaben geltend machen:

1. den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten

im Sinne des Mietrechtsgesetzes, wobei eine gewährte

Mietzinsbeihilfe anzurechnen ist,

2. anerkannte außergewöhnliche Belastungen im Sinne

der §§ 34 und 35 des Einkommensteuergesetzes 1988.

...

§ 50. (1) Das Vorliegen des Befreiungsgrundes ist vom

Antragsteller nachzuweisen, und zwar:

1. in den Fällen des § 47 Abs. 1 durch den Bezug einer

der dort genannten Leistungen,

2. im Falle der Gehörlosigkeit oder schweren

Hörbehinderung durch eine ärztliche Bescheinigung oder durch einen vergleichbaren Nachweis über den Verlust des Gehörvermögens.

(2) Der Antragsteller hat anlässlich seines Antrages Angaben zum Namen, Vornamen und Geburtsdatum aller in seinem Haushalt lebenden Personen zu machen. Die GIS Gebühren Info Service GmbH ist, sofern der Antragsteller und alle in seinem Haushalt lebenden Personen dem schriftlich zugestimmt haben, berechtigt, diese Angaben im Wege des ZMR auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen, wobei die Anschrift als Auswahlkriterium vorgesehen werden kann.

(3) Die Finanzbehörden haben der GIS Gebühren Info Service GmbH bei Vorliegen der Zustimmung der Betroffenen über Anfrage die Einkommensverhältnisse des Antragstellers und aller mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen mitzuteilen; der Nachweis hat die Summe sämtlicher Einkünfte im Sinne von § 48 Abs. 3 zu umfassen. Unbeschadet des Vorliegens einer Zustimmung der Betroffenen dürfen Auskünfte über die Einkommensverhältnisse nur insoweit eingeholt und gegeben werden, als im Einzelfall berechtigte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit von Angaben des Antragstellers entstanden sind, die durch Befragung der Betroffenen voraussichtlich nicht ausgeräumt werden können.

(4) Die GIS Gebühren Info Service GmbH ist berechtigt, den Antragsteller zur Vorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden aufzufordern.

§ 51. (1) Befreiungsanträge sind unter Verwendung des hiefür aufgelegten Formulars bei der GIS Gebühren Info Service GmbH einzubringen. Dem Antrag sind die gemäß § 50 erforderlichen Nachweise anzuschließen."

2.2. Der angefochtene Bescheid beruht auf der Auffassung, der Beschwerdeführer habe entgegen den deutlichen Hinweisen in den Begleittexten zu den Antragsformularen der GIS Gebühren Info Service GmbH, aus denen insbesondere alle "gesetzlich geregelten Abzugsposten ersichtlich" seien, keine ausreichenden Nachweise für allfällige weitere Abzugsposten erbracht, sodass seine Berufung abzuweisen gewesen sei.

2.3. Die belangte Behörde übersieht dabei jedoch, dass sie in Anwendung des AVG nicht berechtigt war, ohne weitere Verfahrensschritte unter der erwähnten Annahme, der Beschwerdeführer habe die erforderlichen Nachweise für die außergewöhnlichen Belastungen nicht erbracht, den angefochtenen Bescheid zu erlassen.

2.3.1. Gemäß § 2 Abs. 1 des Rundfunkgebührengesetzes (RGG), BGBl. I Nr. 159/1999, hat Gebühren nach § 3 zu entrichten, wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer).

Die Einbringung der Gebühren und sonstiger damit verbundener Abgaben und Entgelte einschließlich der Entscheidung über Befreiungsanträge obliegt nach § 4 Abs. 1 RGG der "GIS Gebühren Info Service GmbH" (GIS).

§ 6 Abs. 1 RGG bestimmte in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 9/2010 unter anderem, dass über Berufungen gegen Bescheide der "GIS Gebühren Info Service GmbH" die zuständige Finanzlandesdirektion zu entscheiden hatte. Durch Art. 12 BGBl. I Nr. 9/2010 wurde in § 6 Abs. 1 die Wortfolge "die örtlich zuständige Finanzlandesdirektion" durch die Wortfolge "das zuständige Finanzamt" ersetzt. Die Zuständigkeit des Finanzamts für Gebühren und Verkehrsteuern als Berufungsbehörde in den gegenständlichen Angelegenheiten ergab sich jedoch auch nach der hier maßgeblichen Rechtslage (im Jahre 2006) seit der Aufhebung der Finanzlandesdirektionen aus der Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl. II Nr. 166/2004.

Das AVG ist nach dem letzten Satz des § 6 Abs. 1 RGG anzuwenden. Diese Anordnung bezieht sich somit ausdrücklich auch auf das Verfahren vor dem Finanzamt als Berufungsbehörde.

2.3.2. Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, das Verfahren nach den Vorschriften des AVG zu führen.

Auch die Erläuterung der maßgeblichen Rechtslage durch die zuständige Behörde, sei es im Wege der Erfüllung der Manuduktionspflicht oder durch Informationsmaterial, wie es im Beschwerdefall durch die Begleittexte auf den Formularen der GIS erfolgte, enthebt die Behörden nicht der Verpflichtung zur Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorschriften des AVG. Als solche kommen im vorliegenden Zusammenhang insbesondere die §§ 37 und 45 Abs. 3 AVG betreffend die Führung des Ermittlungsverfahrens und die Einräumung des Parteiengehörs einschließlich der hg. Rechtsprechung zu den konkreten Anforderungen, die sich aus diesen Regelungen ergeben, gegebenenfalls auch § 13 Abs. 3 AVG (dazu siehe aber sogleich) in Betracht.

Zu prüfen wäre zunächst, ob auf Grund der Anordnung des § 51 Abs. 1 FMGebO, "erforderliche Nachweise anzuschließen", die Behörden zur Erteilung eines Verbesserungsauftrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG berechtigt gewesen wären.

Wie sich aus der hg. Rechtsprechung ergibt (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, Zl. 2008/21/0302), vermag das Fehlen von Beilagen, die nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften (Gesetz oder Verordnung) einem Antrag anzuschließen sind, einen Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG darzustellen. Voraussetzung dafür ist jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof in dem eben genannten Erkenntnis vom 29. April 2010 (welches die Frage des Nachweises eines "gesicherten Lebensunterhalts" betraf) festgehalten hat, dass die Art des Nachweises aus dem Gesetz oder der Verordnung hinreichend konkret ersichtlich ist. Die Fernmeldegebührenordnung legt nun nicht ausdrücklich fest, wodurch der Nachweis der außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 48 Abs. 5 Z 2 FMGebO zu erbringen ist.

Die Anordnung, die "gemäß § 50 erforderlichen Nachweise" anzuschließen, ist angesichts des Umstandes, dass in § 50 FMGebO keine konkreten Belege oder Urkunden genannt sind, die für den Nachweis erforderlich wären, nicht geeignet, eine ausdrückliche Anordnung in dem Sinn darzustellen, dass das Fehlen eines bestimmten, von der Behörde im Einzelfall für erforderlich erachteten Nachweises als Fehlen einer erforderlichen Beilage im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG gedeutet werden könnte.

Dies erhellt auch bereits daraus, dass der Gesetzgeber in § 50 Abs. 4 FMGebO der GIS Gebühren Info Service GmbH die Ermächtigung eingeräumt hat, den Antragsteller "zur Vorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden aufzufordern". Diese Anordnung wäre angesichts der grundsätzlichen Anwendbarkeit des AVG im Verfahren der GIS zur Einhebung der Rundfunkgebühren und im hier vorliegenden Befreiungsverfahren (§ 6 Abs. 1 RGG) überflüssig, wenn die genannte Aufforderung bereits auf Grund § 13 Abs. 3 AVG zulässig und geboten wäre.

Auch wenn man im Hinblick auf die vorstehenden Überlegungen die Möglichkeit der Erteilung eines Verbesserungsauftrages nach § 13 Abs. 3 AVG nicht bejahen kann, folgt daraus noch nicht, dass die belangte Behörde ohne weitere Verfahrensschritte die Berufung des Beschwerdeführers abweisen konnte.

Ähnlich wie die im genannten Erkenntnis vom 29. April 2010, Zl. 2008/21/0302, die Regelung in der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung normiert auch § 51 FMGebO im Ergebnis die besondere Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezüglich der Feststellung des Sachverhalts.

Ein Antragsteller um Befreiung von den Rundfunkgebühren wäre vor der Abweisung seines Antrags zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides zum Nachweis allfälliger außergewöhnlicher Belastungen, die zu einer Minderung des maßgeblichen Haushaltseinkommens führen könnten, aufzufordern.

Erst wenn der Antragsteller von der ihm gebotenen Möglichkeit zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts keinen Gebrauch macht, käme eine Abweisung ohne weitere Ermittlungen in Betracht.

2.3.3. Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführer mit dem Schreiben der GIS Gebühren Info Service GmbH vom 24. Juli 2006 lediglich zur Vorlage von Nachweisen betreffend das Einkommen der Haushaltsangehörigen aufgefordert (einen Hinweis auf Nachweise betreffend die Ausgaben des Antragstellers enthielt das Anschreiben nicht). Erst in dem zeitgleich mit den abweisenden erstinstanzlichen Bescheid ausgefertigten Schreiben vom 8. August 2006, in dem dem Beschwerdeführer eine zweiwöchige Stellungnahmefrist eingeräumt wurde, wurde darauf hingewiesen, dass bei der Bemessung "im Anlassfall als Abzugsposten vom Finanzamt anerkannte außergewöhnliche Belastungen im Sinne der § 34 und 35 EStG 1988 (Diäten, Körperbehinderung etc.)" anerkannt würden und "um die Beilage geeigneter Nachweise" gebeten. Angesichts der gleichzeitig erfolgten Zustellung des abweislichen Bescheids vom selben Tag wurde diese Aufforderung jedoch obsolet, gab die Behörde doch damit zu verstehen, dass sie in Abweichung von den Ausführungen in der Aufforderung zur Stellungnahme die Sache als entscheidungsreif ansah.

Die belangte Behörde hätte daher als Berufungsbehörde den Beschwerdeführer zur Ergänzung seines Vorbringens bzw. zur Vorlage konkret zu bezeichnender Unterlagen auffordern müssen, wenn sie den Sachverhalt hinsichtlich der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen als noch nicht ausreichend geklärt ansah. Dies umso mehr, als sie selbst ohne nähere Erläuterung im angefochtenen Bescheid einerseits darauf verweist, dass die Behörde erster Instanz dem Schreiben vom 24. Juli 2006 eine Berechnung beigelegt habe, aus der eine Richtsatzüberschreitung in der Höhe von EUR 725,53 ersichtlich gewesen sei, dem erstinstanzlichen Bescheid jedoch eine Berechnung beigefügt gewesen sei, aus der eine Richtsatzüberschreitung in der Höhe von EUR 491,53 hervorgehe (die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid schließlich von einer Richtsatzüberschreitung in der Höhe von EUR 433,75 ausgegangen).

Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat die belangte Behörde jedoch keinerlei Ermittlungsschritte gesetzt und den Beschwerdeführer nicht zur Vorlage weiterer Nachweise aufgefordert.

Mangels einer Einräumung von Parteiengehör zu den von der belangten Behörde als gegeben angenommenen Ermittlungsergebnissen oder einer wirksamen Aufforderung zur Vorlage von bestimmten Nachweisen, bestand für den Beschwerdeführer vor der Erlassung des am 7. September 2006 gefertigten angefochtenen Berufungsbescheids keine Verpflichtung, bestimmte Nachweise vorzulegen oder zu konkreten Sachverhaltsfragen Stellung zu nehmen.

Der aufgezeigte Verfahrensmangel ist im Beschwerdefall auch relevant, da die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

2.4. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht auf Grund eines mängelfreien Verfahrens erlassen hat.

Der angefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 9. Juni 2010

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