VwGH 2006/07/0010

VwGH2006/07/001029.3.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde der MN in W, vertreten durch Dr. Philipp Millauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, An der Hülben 1, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Juli 2005, Zl. LF6-LAS-163/001-2003, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung einer Flurbereinigungsmaßnahme, zu Recht erkannt:

Normen

AgrBehG NÖ §1 Abs1;
AgrVG §1 Abs1;
AVG §1;
AVG §3;
B-VG Art15 Abs7 impl;
FlVfGG §1 Abs1;
FlVfGG §1;
FlVfGG §49 Abs1;
FlVfGG §50 Abs2;
FlVfLG NÖ 1975 §1 Abs1;
FlVfLG NÖ 1975 §1;
FlVfLG NÖ 1975 §40 Abs1;
FlVfLG NÖ 1975 §42;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2007:2006070010.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin brachte am 13. März 2003 einen Antrag (Anregung) auf Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens gemäß § 42 des Niederösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975, LGBl. 6650-5 (NÖ FLG), bezüglich eines zwischen der Beschwerdeführerin und der O-KG abgeschlossenen Kaufvertrages vom 24. Jänner 2002 ein.

Gegenstand des Vertrages ist der Kauf von Grundstücken in der Katastralgemeinde E im Gerichtsbezirk X (Bundesland Wien). Die zur Begründung des Antrages angeführten angrenzenden Eigenflächen der Beschwerdeführerin befinden sich ebenfalls in der KG E.

Mit Bescheid vom 13. März 2003 wies die Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde (ABB) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens hinsichtlich dieses Kaufvertrages wegen Unzuständigkeit zurück. Sie begründete dies damit, dass gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die NÖ Agrarbezirksbehörde, LGBl. 6075, die Angelegenheiten der Bodenreform für den Bereich des Landes Niederösterreich in erster Instanz von der ABB besorgt würden. Das dabei anzuwendende Gesetz sei das NÖ FLG. Demnach sei die ABB nicht berufen, das Vorliegen einer Bodenreformmaßnahme außerhalb des Landes Niederösterreich zu beurteilen. Das heiße, eine Arrondierung von Grundstücken in einem anderen Bundesland als in Niederösterreich könne von ihr nicht vorgenommen oder festgestellt werden. Wenngleich Bodenreformmaßnahmen eventuell auch außerhalb der Territorialzuständigkeit Wirkung haben könnten, wenn ein anderer Anknüpfungspunkt als die Lage der betroffenen Grundstücke maßgebend sei (z.B. Aufstockung eines in Niederösterreich gelegenen landwirtschaftlichen Betriebes mit Flächen außerhalb von Niederösterreich), sei im gegebenen Fall kein Kriterium vorhanden, das den vorliegenden Vertrag zu einer Bodenreformangelegenheit im Bereich des Landes Niederösterreich machen könnte. Die ABB sei daher zur Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin nicht zuständig.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Aus einem Erhebungsbericht der belangten Behörde vom 19. August 2003 geht hervor, dass die Beschwerdeführerin mit dem Kaufvertrag vom 24. Jänner 2002 die Grundstücke EZ 2598 Grundbuch E mit den Grundstücken 294/2, (Baufläche mit 366 m2) und 294/109 (Baufläche), E-Hauptstraße 22 erworben habe. Die genannten Grundstücke seien zum Teil bebaut und lägen im Bundesland Wien. Sie grenzten an die Grundstücke 294/3 und 294/72 an, die im Miteigentum der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten stünden. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte bewirtschafteten einen landwirtschaftlichen Betrieb mit dem Standort xxxx Wien, W-Straße 13.

Zu dieser Sachverhaltsermittlung teilte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 4. Oktober 2003 der belangten Behörde mit, dass der Standort des landwirtschaftlichen Betriebes in B in Niederösterreich liege.

Aus einem Aktenvermerk der landwirtschaftlichen Sachverständigen vom 6. November 2003 über eine Erhebung bei der Bezirksbauernkammer M geht hervor, dass die Beschwerdeführerin in B Weingärten bewirtschafte, aber im Kammerbereich M keinen Betrieb gemeldet habe. Der Betrieb sei bei der Wiener Landwirtschaftskammer registriert. Es sei auch kein Förderungsantrag in Niederösterreich gestellt worden. Die Weingärten in B stünden in keinem Zusammenhang mit den zugekauften Flächen.

Die belangte Behörde führte am 5. Oktober 2004 eine mündliche Verhandlung durch. Dort brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe einen landwirtschaftlichen Betrieb in Niederösterreich, bewirtschafte etwa 8 bis 9 ha Weingärten und besitze 4 Keller. Der Betriebssitz sei in B, wo sich auch die zur Bewirtschaftung erforderlichen Traktoren und Geräte befänden. Sie habe bei der zuständigen Baubehörde die Bewilligung zur Errichtung einer Lagerhalle beantragt, welche ihr jedoch versagt worden sei, weil die im Grünland liegende Fläche der geplanten Halle nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Größe ihres landwirtschaftlichen Betriebes stehe. Aus einem in diesem Zusammenhang erstatteten Gutachten eines landwirtschaftlichen Sachverständigen des Gebietsbauamtes I gehe hervor, dass sie ihren landwirtschaftlichen Betrieb in B habe. Es stimme nicht, dass der Betriebsstandort Wien sei. An der dortigen Adresse (xx, W-Straße 13) befänden sich nur die Verkaufsräume. Ihr Betrieb sei auch nicht in Wien registriert. Sie sei Mitglied bei der NÖ Landwirtschaftskammer und auch bei der Bauernversicherung und könne dies durch Unterlagen beweisen. Die Kammerzuständigkeit sei W. Sie beantrage die Einholung eines landwirtschaftlichen Gutachtens, welches das Vorliegen der Voraussetzungen für die von ihr begehrte Feststellung nach § 42 NÖ FLG ergeben werde.

Mit Schreiben vom gleichen Tag legte die Beschwerdeführerin das von ihr genannte, im Zusammenhang mit dem Bauverfahren erstattete Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen Dipl. Ing. S vom 24. November 2000 vor. Demnach bewirtschafte die Beschwerdeführerin hauptberuflich einen landwirtschaftlichen Betrieb mit ca. 7,7 ha Weingartenfläche (Eigen- sowie Pachtgrund); ca. 3,55 ha ebenfalls im Eigentum stehende Ackergrundstücke seien zur Gänze an einen örtlichen Landwirt verpachtet. Laut den Ernte- und Bestandsmeldungen nach dem Weingesetz 1999 würden pro Jahr im Durchschnitt ca. 42.000 l geerntet und anschließend ca. 15.000 l pro Jahr verkauft bzw. ca. 3.500 l als Eigenverbrauch und Schwund deklariert; zum Stichtag 31. August 1999 sei ein Bestand von

118.900 l und im Jahr darauf von 150.000 l angegeben worden. Ein Zukauf von Weintrauben bzw. Wein finde nicht statt. Die anfallende Ernte werde derzeit in betriebseigenen Gebäuden gekeltert und gelagert. Diese Objekte (3 Presshäuser mit Keller) seien auf Grund ihrer Lage, Beschaffenheit und ihres zum Teil geringen Ausmaßes für eine den heutigen Anforderungen entsprechende Kellereiwirtschaft minder bis ungeeignet. Die aus einer Konkursmasse erstandenen notwendigen Kellereigeräte seien großzügig bzw. zum Teil hinsichtlich Anzahl und Größe überdimensioniert im Eigentum der Bauwerberin vorhanden. Nicht alle dieser Gerätschaften könnten derzeit in den genannten Presshäusern aufgestellt werden und seien daher laut eigenen Angaben auch im Garten des Wohnhauses in Wien im Freien abgestellt. Die Vermarktung erfolge nach eigenen Angaben ausschließlich über den Flaschenweinverkauf einschließlich Behältnisse bis 60 l. Zusammenfassend gelangte der Sachverständige zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebes sei, diesen auf eigene Rechnung und Gefahr bewirtschafte und daraus ihr Haupterwerbseinkommen beziehe.

Anfang April 2005 wandte sich die belangte Behörde mit undatiertem Schreiben an die Beschwerdeführerin und ersuchte diese, in Form einer Betriebsbeschreibung nachvollziehbar zu belegen, wo sich der Sitz ihres Weinbaubetriebes befinde, ob sie in B einen Weinbaubetrieb bewirtschafte, wo sich die zur Bewirtschaftung erforderlichen Traktoren und Geräte befänden und worin die Verbesserung einer Agrarstruktur bzw. die Beseitigung von Agrarmängeln läge, würde sie die vertragsgegenständliche Liegenschaft erwerben. Der Beschwerdeführerin wurde weiters mitgeteilt, dass Ermittlungen bei der Gemeinde B, der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, den Finanzämtern M und Wien xxxx und der Bezirksbauernkammer M ergeben hätten, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb der Beschwerdeführerin in B nicht bekannt sei. Dem für den xx Wiener Gemeindebezirk zuständigen Finanzamt sei kein landwirtschaftlicher Betrieb mit Sitz in xxxx Wien bekannt.

Die Beschwerdeführerin replizierte mit Schriftsatz vom 25. April 2005 und gab an, der Sitz ihres Weinbaubetriebes (Weingärten, Weinkeller) sei in B, die zur Bewirtschaftung erforderlichen Geräte und der Traktor befänden sich in ihrem Holzstadel in B. Der Betriebssitz ihres Weinbaubetriebes liege daher in B, was auch von der Gutachterin beim Lokalaugenschein festgestellt worden sei. Der Erwerb der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft führe zur Verbesserung des Raumangebotes in ihrer Weinverkaufsstelle in Wien. Weiters gab die Beschwerdeführerin ihre Sozialversicherungsnummer bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern bekannt, eine Einheitswert-Aktenzahl des Finanzamtes M sowie ihre dortige Steuernummer, eine Erntemeldung aus dem Jahr 2004 unter Bezugnahme auf ihre Betriebsnummer und die Betriebsadresse in B und eine BH-interne Nummer aus dem Weinbaukataster. Weiters vertrat sie den Standpunkt, entscheidend für die Zuständigkeit der Niederösterreichischen Agrarbehörden sei die Lage des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, also der in Niederösterreich liegende Betriebssitz. Auch die räumliche Erweiterung einer Weinverkaufsstelle durch Zukauf des unmittelbar angrenzenden Nachbargebäudes stelle eine Verbesserung und Neugestaltung der wirtschaftlichen Grundlage eines Weinbaubetriebes dar. Es seien daher die Voraussetzungen der §§ 42 und 43 NÖ FLG erfüllt.

Die belangte Behörde holte ein weiteres landwirtschaftliches Gutachten vom 14. März 2005 zur Frage ein, ob von einem Sitz des Betriebes der Beschwerdeführerin in B auszugehen sei. Diesem Gutachten ist zu entnehmen, dass bei verschiedenen Behörden Erkundigungen eingeholt worden seien, ob der Betrieb der Beschwerdeführerin bekannt sei und wenn ja, mit welchem Betriebssitz. Die Agrarmarkt Austria habe als Betriebssitz die Adresse im xx Wiener Gemeindebezirk angegeben. Die Bezirksbauernkammer M habe mitgeteilt, dass ein Betrieb der Beschwerdeführerin in B unbekannt sei und dass kein Förderungsantrag an die Agrarmarkt Austria gestellt worden sei. Dem örtlich zuständigen Finanzamt in M sei kein landwirtschaftlicher Betrieb bekannt, es gebe keine Steuernummer. Dem Finanzamt in Wien sei ebenfalls kein landwirtschaftlicher Betrieb der Beschwerdeführerin bekannt, es gebe keine Steuernummer. Lediglich Unterlagen bezüglich der Vergebührung des bescheidgegenständlichen Liegenschaftskaufes sowie eine Arbeitnehmerveranlagung des Gatten der Beschwerdeführerin seien aktenkundig. Das Gemeindeamt B habe angegeben, dass die Beschwerdeführerin wohl ein Wohnhaus besitze, dieses allerdings weder für Wohn- noch für landwirtschaftliche Zwecke nutze. Sämtliche Gemeindeabgaben sowie Behördenpost ginge an die Adresse der Beschwerdeführerin in Wien. Auch die von der Beschwerdeführerin vorgelegte

Beitragsvorschreibung/Zahlungsabschnitt der Sozialversicherungsanstalt der Bauern weise ebenfalls Wien als Betriebsanschrift aus. Das Gutachten von Dipl. Ing. S bezüglich des Neubaus einer landwirtschaftlichen Halle nehme zwar auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin in B Bezug, der Betriebssitz werde allerdings ebenfalls mit Wien angegeben. Aus der Summe der eingeholten Auskünfte könne von einem Betriebssitz in Wien xx ausgegangen werden, auch wenn Flächen im niederösterreichischen B bewirtschaftet würden. Aus der Stellungnahme des landwirtschaftlichen Sachverständigen geht weiters hervor, dass das kaufgegenständliche Grundstück in der E-Hauptstraße 22 als Weinlager und Weinverkaufslokal genutzt werde.

Dazu erstattete die Beschwerdeführerin eine weitere Stellungnahme, in der sie die Schlussfolgerung der Situierung ihres Betriebssitzes bestritt. Wenn in den diversen Auskünften ihre Anschrift im xx Wiener Gemeindebezirk genannt sei, so handle es sich um ihre aktuelle Zustelladresse für behördliche Schriftstücke. Das Finanzamt M führe eine entsprechende Steuernummer und sie lege ergänzend einen Feststellungsbescheid vom 1. Jänner 2002 dieses Finanzamtes vor, wobei im Betreff des Bescheides ihr Grundbesitz (landwirtschaftlicher Betrieb) in der Gemeinde B genannt werde. Hinsichtlich der Nutzung ihres Hauses in B für landwirtschaftliche Zwecke verwies die Beschwerdeführerin auf ein Verwaltungsverfahren betreffend 4 Weinlagertanks im Hof des Objektes und auf einen in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. Februar 2005. Dass die verfahrensgegenständlichen Weintanks auch tatsächlich zur Weinlagerung benützt würden, habe übrigens der landwirtschaftliche Sachverständige Dipl. Ing. S festgestellt. Betriebssitz und Zustelladresse könnten örtlich auseinander fallen; daraus könnten keine Rückschlüsse auf die Existenz oder Nichtexistenz eines Betriebes im Sinne des NÖ FLG gezogen werden. Zum weiteren Beweis dafür, dass der Sitz ihres Betriebes B und nicht Wien sei, gab die Beschwerdeführerin schließlich Aktenzahlen jüngerer Flurbereinigungsverfahren bekannt, die die ABB in Bezug auf ihren Betrieb durchgeführt habe (es folgen 6 Aktenzahlen bzw. Bescheiddaten). Daraus sei zu ersehen, dass sie als Partei zwar stets mit ihrer Wiener Wohnsitzadresse angeführt werde, sich der Betriebssitz aber in Niederösterreich befinde.

Die belangte Behörde führte am 5. Juli 2005 eine weitere mündliche Verhandlung durch.

Mit Bescheid vom gleichen Tag wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, der eingeholten Gutachten und der Stellungnahmen der Beschwerdeführerin gab die belangte Behörde die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 des Agrarbehördengesetzes 1950, BGBl. Nr. 1/1951 (AgrBehG), sowie des § 1 des NÖ Agrarbehördengesetzes, LGBl. 6675-0, sowie § 96 NÖ FLG wieder. Daran anschließend verwies sie darauf, dass für den Bereich des Bundeslandes Wien das Gesetz betreffend die Errichtung einer Agrarbehörde erster Instanz (Wiener Agrarbehördengesetz, LGBl. Nr. 6/1971) bestehe, jedoch kein eigenes Flurverfassungslandesgesetz beschlossen sei. Agrarbehörde erster Instanz sei das Amt der Wiener Landesregierung. Im vorliegenden Fall stelle sich die Frage nach dem räumlichen Geltungsbereich des vom Niederösterreichischen Landtag beschlossenen FLG und dessen sachliche und örtliche Zuständigkeit unter dem Gesichtspunkt möglicher Anknüpfungspunkte durch den Erwerb von Liegenschaften außerhalb von Niederösterreich. Der Beschwerdeführerin sei einzuräumen, dass unter dem Blickwinkel des Bundesstaates, in dem mehrere Rechtsordnungen nebeneinander koordiniert gälten, es nicht verfassungsrechtlich verboten, sondern nach dem Berücksichtigungsgebot sogar zweckmäßig sei, Konfliktregelungsmechanismen für grenzüberschreitende Sachverhaltsbezüge in die jeweilige Gesetzgebung aufzunehmen. Es solle jedoch vermieden werden, dass durch die Anerkennung mehrerer, wenngleich sinnvoller Anknüpfungen, Konfliktsituationen entstünden, in denen zwei von einander verschiedene Gesetzgeber ein- und dieselbe Materie regelten. Mit ein- und derselben Materie sei gemeint, dass ein Lebenssachverhalt in seiner räumlichen und zeitlichen Ausdehnung von zwei verschiedenen Gesetzgebern geregelt werde.

Zum Verfahrensrecht im weiteren Sinn könnten zwar auch die Regelungen des Organisationsrechtes und der Zuständigkeit gehören. Die verfassungsrechtlichen Kompetenzbegriffe gingen jedoch, historisch bedingt, vom Verfahrensrechtsbegriff im engeren und nicht von jenem im weiteren Sinne aus. Die Regelung der sachlichen Zuständigkeit sei vielmehr eine Angelegenheit des Materiengesetzgebers (hier: NÖ FLG), die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit habe teilweise durch den Materiengesetzgeber (territoriale Anknüpfung) und teilweise durch den zur Organisation zuständigen Gesetzgeber (Festlegung des Amtssprengels; im vorliegenden Fall durch das Gesetz über die NÖ Agrarbezirksbehörde) zu erfolgen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sei für die Angelegenheiten der Bodenreform mit die Landesgrenze überschreitenden Sachverhaltsbezügen bei der Auslegung der Zuständigkeiten nicht § 3 AVG, sondern das NÖ FLG anzuwenden.

Es fänden sich weder im Gesetz über die NÖ Agrarbezirksbehörde noch im NÖ FLG überzeugende Anhaltspunkte, nach denen die Niederösterreichischen Agrarbehörden berufen wären, über derartige Sachverhaltsbezüge zu entscheiden, etwa ob der Erwerb einer Liegenschaft außerhalb von Niederösterreich bzw. eine Aufstockung eines im Bundesland Niederösterreich gelegenen landwirtschaftlichen Betriebes mit Flächen außerhalb von Niederösterreich, eine Bodenreformmaßnahme sei. Das NÖ FLG enthalte diesbezüglich keine ausdrücklichen Konfliktregelungsmechanismen im hier untersuchten Sinn. Der Senat sei nicht der Ansicht, dass § 1 NÖ FLG über den Inhalt einer Zielsetzung hinaus den Charakter einer Regelung über örtliche Zuständigkeiten habe. Die von der Beschwerdeführerin in Erwägung gezogene Zuständigkeit über den örtlichen Anknüpfungspunkt, den Betriebssitz, gelte demnach nur für Sachverhalte, die sich ausschließlich innerhalb des Bundeslandes Niederösterreich verwirklicht hätten. Das NÖ FLG enthalte keine spezielle Regelung der territorialen Zuständigkeit. Das NÖ FLG habe diesbezüglich keine dem § 3 Z 2 AVG vergleichbare Zuständigkeitsregelung getroffen. Die §§ 96 ff NÖ FLG regelten den Zuständigkeitsbereich abschließend.

Entgegen der in der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung als obiter dictum zum Ausdruck gebrachten Ansicht liege daher mangels gesetzlicher Grundlage für die Niederösterreichischen Agrarbehörden auch dann keine örtliche Zuständigkeit vor, wenn eine Aufstockung eines im Bundesland Niederösterreich gelegenen landwirtschaftlichen Betriebes mit Flächen außerhalb von Niederösterreich erreicht werden könnte. Es fehle an der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten gesetzlichen "zusätzlichen Anknüpfung", wenngleich eine solche Anknüpfung an sich rechtlich zulässig wäre. Es sei demnach rechtlich unerheblich, ob die Beschwerdeführerin im Standort B eine Landwirtschaft betreibe. Die Berufung sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde, in der sie Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machte. Im Mittelpunkt ihrer rechtlichen Überlegungen steht die Ansicht, dass § 3 AVG sehr wohl anwendbar und nach § 3 Z 2 AVG die örtliche Zuständigkeit der Niederösterreichischen Agrarbehörden gegeben sei, weil sich diese nach dem Ort zu richten habe, an dem das Unternehmen betrieben werde. Darüber hinaus konstatierte die Beschwerdeführerin willkürliches Verhalten der Behörde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmungen der §§ 1 bis 3 Agrarverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 173/1950 in der geltenden Fassung (AgrVG 1950) haben folgenden Wortlaut:

"§ 1. (1) Im Verfahren in den Angelegenheiten der Bodenreform vor den Agrarbehörden (Agrarbezirksbehörden, Ämter der Landesregierungen, Agrarsenate) gilt, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, das allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, mit Ausnahme des § 78.

(2) ...

§ 2. (1) Behörden im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die im § 1 bezeichneten Behörden.

(2) Im Verhältnis zu den Agrarbezirksbehörden und dem Amt der Landesregierung ist der Landes-Agrarsenat, im Verhältnis zu den Landes-Agrarsenaten der Oberste Agrarsenat die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des AVG.

§ 3. Verwaltungsvorschriften im Sinne dieses Gesetzes sind alle von den Agrarbehörden in den Angelegenheiten der Bodenreform zu handhabenden Gesetze und Verordnungen."

Die §§ 1, 3 und 4 AVG, die nach § 1 Abs. 1 AgrVG im Verfahren vor den Agrarbehörden Anwendung finden, haben folgenden Wortlaut:

"§ 1. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden richten sich nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften.

§ 3. Soweit die im § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese

1. in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen:

nach der Lage des Gutes;

2. in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung oder sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: Nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll;

3. in sonstigen Sachen: ....

§ 4. (1) Ist gemäß den in § 1 erwähnten Vorschriften die örtliche Zuständigkeit mehrerer Behörden gegeben und für diesen Fall nicht anderes bestimmt oder begründen die im § 3 Z. 1 und 2 angeführten Umstände die örtliche Zuständigkeit mehrerer Behörden, so haben diese Behörden einvernehmlich vorzugehen.

(2) Gelangen sie in der Sache zu keinem Einvernehmen, so geht die Zuständigkeit auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde und, wenn danach verschiedene Behörden berufen sind und auch diese sich nicht zu einigen vermögen, auf die sachlich in Betracht kommende gemeinsame Oberbehörde über.

(3) Bei Gefahr in Verzug hat jede der in Abs. 1 bezeichneten Behörden in ihrem Amtsbereich die notwendigen Amtshandlungen unter gleichzeitiger Verständigung der anderen Behörde vorzunehmen."

Nach § 1 Abs. 1 des NÖ Agrarbehördengesetzes werden die Angelegenheiten der Bodenreform für den Bereich des Landes Niederösterreich in erster Instanz von der Niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde besorgt.

Nach § 1 des Gesetzes vom 29. Jänner 1971, LGBl. Nr. 6, betreffend die Einrichtung einer Agrarbehörde erster Instanz in Wien (Wiener Agrarbehördengesetz) wird von der Einrichtung von Agrarbezirksbehörden im Lande Wien abgesehen. Nach § 2 leg. cit. steht die Entscheidung in Angelegenheiten der Bodenreform in erster Instanz dem Amt der Wiener Landesregierung zu, die sonstige Zuständigkeit der Agrarbezirksbehörden wird mit jener des Amtes der Landesregierung als Landesinstanz vereinigt.

Im vorliegenden Fall sind überdies die §§ 1, 40, 41, 42, 43 und 96 NÖ FLG in die Betrachtung einzubeziehen:

"§ 1. (1) Im Interesse der Schaffung und Erhaltung einer leistungsfähigen und umweltverträglichen Landwirtschaft sind die Besitz-, Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse im ländlichen Lebens- und Wirtschaftsraum durch Neueinteilung und Erschließung des land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes sowie Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe nach zeitgemäßen volks- und betriebswirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten im Wege eines Zusammenlegungsverfahrens nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu verbessern oder neu zu gestalten.

(2) Zur Erreichung dieser Ziele sind in erster Linie die Nachteile abzuwenden, zu mildern oder zu beheben, die verursacht werden durch

1. Mängel der Agrarstruktur (wie z.B. zersplitterter Grundbesitz, ganz oder teilweise eingeschlossene Grundstücke, ungünstige Grundstücksformen, unwirtschaftliche Betriebsgrößen, beengte Orts- oder Hoflage, unzulängliche Verkehrserschließung, ungünstige Geländeform, ungünstige Wasserverhältnisse, unzureichende naturräumliche Ausstattung) oder

2. Maßnahmen im allgemeinen öffentlichen Interesse (wie z. B. Errichtung, Änderung oder Auflassung von Eisenbahnen, Straßen und Wegen, Wasserläufen, Wasserversorgungs-, Energieversorgungs- oder Abwasseranlagen, Hochwasser-, Wildbach- oder Lawinenschutzbauten).

(3) Land- und forstwirtschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind Grundstücke, die im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes der Erzeugung von Pflanzen, ihrer Bringung oder ihrer Verwertung dienen, einschließlich naturnaher Strukturelemente der Flur (wie z.B. Böschungsflächen, Heckenstreifen, Feldraine). Hiezu zählen auch Grundstücke, die ohne erheblichen Aufwand diesen Zwecken zugeführt werden können, sowie Wohn- und Wirtschaftsgebäude samt Hofräumen.

§ 40. (1) An Stelle eines Zusammenlegungsverfahrens kann ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt werden, wenn dadurch

1. die Besitz-, Benützungs- oder Bewirtschaftungsverhältnisse in einem kleineren Gebiet oder bei einer kleineren Anzahl land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe oder lediglich durch einzelne Maßnahmen verbessert oder neu gestaltet werden oder

2. eine zweckmäßige Zwischenlösung bis zur späteren Durchführung eines Zusammenlegungsverfahrens erreicht wird.

(2) Ein Flurbereinigungsverfahren kann weiters durchgeführt werden, um Maßnahmen, die auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften der Bodenreform oder im allgemeinen öffentlichen Interesse getroffen werden, vorzubereiten oder zu unterstützen.

§ 41. Im Flurbereinigungsverfahren sind die Bestimmungen für die Zusammenlegung mit nachstehenden Änderungen sinngemäß anzuwenden:

....

§ 42. Dem Flurbereinigungsverfahren sind Verträge, die von den Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen wurden (Flurbereinigungsverträge), oder Parteienübereinkommen, die von der Behörde in einer Niederschrift beurkundet wurden (Flurbereinigungsübereinkommen), zu Grunde zu legen, wenn die Voraussetzungen der §§ 1 und 43 vorliegen und die Behörde mit Bescheid feststellt, dass die Verträge oder Übereinkommen zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich sind. In einem solchen Fall kann von der Erlassung des Einleitungsbescheides und des Flurbereinigungsplanes Abstand genommen werden.

§ 43. (1) Voraussetzungen im Sinne des § 42 sind, dass

1. im Falle eines Grundtausches sich durch diesen für mindestens einen Tauschpartner eine Verbesserung der Betriebsverhältnisse ergibt;

2. im Falle des Grunderwerbes auf eine andere Art, insbesondere durch Kauf, Schenkung oder gegen Leibrente, das Eigentum an den Grundstücken nicht an einen Verwandten in gerader Linie, den Ehegatten, ein Stiefkind, Wahlkind, Schwiegerkind oder ein in Erziehung genommenes Kind übertragen wird, die erworbene Grundfläche an eine Grundfläche des Erwerbers angrenzt und hiedurch

a) die gemeinsame Bearbeitung beider Flächen ermöglicht wird oder

b) sonstige Vorteile für deren Bewirtschaftung entstehen.

(2) Als angrenzend im Sinn des Abs. 1 Z. 2 gelten Grundflächen auch dann, wenn sie von einander durch Straßen oder Wege (ausgenommen Autobahnen und Autostraßen, Gräben, Bodenschutzanlagen oder ähnliche Hindernisse getrennt sind, sofern deren Überquerung erlaubt und leicht möglich ist.

§ 96. Auf die in diesem Gesetz geregelten Angelegenheiten sind die Bestimmungen des Agrarbehördengesetzes 1950 und des Agrarverfahrensgesetzes 1950 anzuwenden."

Gegenstand der vorliegenden Flurbereinigungsmaßnahme ist ein Kaufvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und dem Verkäufer von Grundstücken, der sich auf den Erwerb von in Wien gelegenen Grundstücken bezieht. Diese Grundstücke grenzen an bereits im Eigentum der Beschwerdeführerin befindliche Grundstücke unmittelbar an; nach den diesbezüglich unstrittigen Angaben der Beschwerdeführerin dienen sie ebenso wie die bereits im Eigentum der Beschwerdeführerin befindlichen Grundstücke dem Verkauf von Produkten, die im landwirtschaftlichen Betrieb der Beschwerdeführerin (Weinbaubetrieb) in B erzeugt werden.

Die Behörde erster Instanz ging noch von einem allenfalls allein in Wien eintretenden Arrondierungseffekt durch den Zukauf angrenzender Grundstücke aus und stellte überhaupt keinen örtlichen Bezug zu einem in Niederösterreich verwirklichten Sachverhalt her. Die belangte Behörde ließ die Frage, ob die Beschwerdeführerin in Niederösterreich einen landwirtschaftlichen Betrieb führe, schließlich offen, vertrat aber die Ansicht, dass auch bei Bestehen eines Betriebes in Niederösterreich ein Zukauf in Wien nicht in die Zuständigkeit der NÖ Agrarbehörden fiele, weil es an rechtlichen Anknüpfungspunkten dafür fehle; insbesondere sei § 3 Z 2 AVG nicht anwendbar, sondern regelten §§ 96 ff NÖ FLG die Zuständigkeit der Agrarbehörden abschließend.

Es trifft zu, dass § 3 AVG - der nach § 1 Abs. 1 AgrVG 1950 in den Verfahren vor den Agrarbehörden anzuwenden ist - erst dann zur Anwendung gelangt, wenn die Vorschriften über den Wirkungsbereich der Behörde und die Verwaltungsvorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen. Fraglich ist also, ob die §§ 96 ff NÖ FLG bzw. die zitierte Bestimmung des NÖ Agrarbehördengesetzes eine klare Festlegung der (hier fraglichen) örtlichen Zuständigkeit der Agrarbehörden trifft.

Die §§ 96 ff NÖ FLG beinhalten keine Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit der Agrarbehörden.

§ 1 Abs. 1 NÖ AgrarbehördenG nennt als Aufgaben für die Niederösterreichischen Agrarbehörden "die Angelegenheiten der Bodenreform für den Bereich des Landes Niederösterreich."

Es bedarf daher der Untersuchung, was - in einer Konstellation wie der hier vorliegenden - unter einer "Angelegenheit der Bodenreform im Bereich des Landes Niederösterreich" zu verstehen ist.

Folgt man dem verfahrenseinleitenden Antrag, wird eine Feststellung nach § 42 NÖ FLG über das Vorliegen eines zur Durchführung einer Flurbereinigung erforderlichen Vertrages begehrt; bei der hier vorliegenden "Angelegenheit der Bodenreform" handelt es sich somit um eine Flurbereinigung.

Ziel aller gesetzlichen Regelungen auf dem Gebiete der Bodenreform - und damit auch aller der Flurbereinigung zurechenbaren Maßnahmen - ist die Schaffung und Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 1995, 93/07/0135, und vom 2. Juni 2005, 2001/07/0092). Auch die Ziele einer Flurbereinigung durch Vertrag im Sinne des § 42 NÖ FLG sollen nach dem Konzept des Gesetzes mit den in § 1 Abs. 1 leg. cit. genannten bodenreformatorischen Mitteln erreicht werden. Danach müssen die Besitz-, Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse im ländlichen Lebens- und Wirtschaftsraum entweder durch die Neueinteilung und Erschließung des land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes oder durch die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe verbessert oder neu gestaltet werden, um von einer im Sinne des § 1 Abs. 1 NÖ FLG 1979 "erforderlichen" flurstrukturellen Maßnahme sprechen zu können (vgl. dazu das zur insoweit vergleichbaren Rechtslage in Oberösterreich ergangene hg. Erkenntnis vom 9. November 2006, 2005/07/0128, mwN).

Eine Feststellung im Sinne des § 42 NÖ FLG, dass die Verträge oder Übereinkommen zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich sind, kommt nur dann in Betracht, wenn auch sämtliche Voraussetzungen des § 1 NÖ FLG zutreffen, wozu auch gehört, dass der Erwerb eines landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Grundstückes im Interesse der Schaffung oder Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft erfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, 98/07/0135).

Entscheidend für die Beurteilung einer flurbereinigenden Maßnahme als im Einklang mit diesen gesetzlichen Vorgaben stehend ist daher (in einem Fall wie dem vorliegenden) der landwirtschaftliche Betrieb, seine vor der Maßnahme oder vor dem Vertrag oder Übereinkommen gegebene Situation und der danach dadurch eingetretene Erfolg. Der landwirtschaftliche Betrieb und die Beurteilung der mit der Maßnahme einhergehenden Verbesserung seines Erfolges steht im Mittelpunkt der genannten Verfahren. Auch die Feststellung der Erforderlichkeit einer Flurbereinigungsmaßnahme nach § 42 NÖ FLG hat sich allein an der Verbesserung des Erfolges des landwirtschaftlichen Betriebes zu orientieren; dies ergibt sich - wie bereits oben dargelegt - eindeutig aus dem Verweis auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 NÖ FLG.

Unter dem Begriff "Angelegenheit der Bodenreform" im Fall einer Flurbereinigung ist daher nicht ein isolierter wirtschaftlicher Einzelakt zu verstehen, wie zB hier das flurbereinigende Rechtsgeschäft (Kaufvertrag). Es ist vielmehr nach dem oben Gesagten ein darüber hinausgehendes Begriffsverständnis geboten, wonach Gegenstand der bodenreformatorischen Angelegenheit "Flurbereinigung" der landwirtschaftliche Betrieb ist, bei dem auch der Effekt der flurbereinigenden Maßnahme eintritt. Liegt ein solcher landwirtschaftlicher Betrieb in Niederösterreich, dann tritt auch der Effekt der bodenreformatorischen Maßnahme, in Niederösterreich ein, sodass eine "Angelegenheit der Bodenreform im Bereich des Landes Niederösterreich" vorliegt.

Daraus folgt, dass auch in dem Fall, in dem der Sitz eines Betriebes in Niederösterreich liegt, die flurbereinigende Maßnahme selbst aber nicht im Bereich des Landes Niederösterreich stattfindet, dennoch eine "Angelegenheit der Bodenreform im Bereich des Landes Niederösterreich" im Sinn des § 1 Abs. 1 NÖ AgrBehG vorliegt. Daraus ergibt sich nun für den Fall, dass der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs in Niederösterreich die Durchführung eines Verfahrens nach § 42 NÖ FLG hinsichtlich des Erwerbes von Flächen aus einem anderen Bundesland beantragt, die Zuständigkeit der Niederösterreichischen Agrarbehörden zur Entscheidung über diesen Antrag. Es liegt auch kein Fall des Art. 15 Abs. 7 B-VG vor, da die Entscheidung über die Flurbereinigung keine grenzüberschreitenden Wirkungen hat.

Im vorliegenden Fall fehlen im angefochtenen Bescheid Feststellungen und allenfalls rechtliche Erwägungen dazu, ob die Beschwerdeführerin in Niederösterreich überhaupt einen landwirtschaftlichen Betrieb führt. Die belangte Behörde hielt eine nähere Befassung mit dieser strittigen Frage in Verkennung der Rechtslage für nicht notwendig.

Es ist aber keinesfalls auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Prüfung dieser Frage zum Ergebnis gelangt wäre, die Beschwerdeführerin betreibe in Niederösterreich einen landwirtschaftlichen Betrieb, auf den sich die verfahrensgegenständliche Bodenreformmaßnahme (Flurbereinigungsvertrag) bezieht. Diesfalls wäre der in Berufung gezogene Bescheid aber aufzuheben gewesen, weil dann die Zuständigkeit der ABB zur Sachentscheidung über den Antrag vorgelegen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher aus den aufgezeigten Gründen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Es erübrigte sich somit, auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in Hinblick auf die gerügte Verletzung von Verfahrensvorschriften einzugehen. Ergänzend wird bemerkt, dass mit der vorliegenden Entscheidung keine Aussage darüber verbunden ist, ob dem verfahrensgegenständlichen Antrag der Beschwerdeführerin inhaltlich zu entsprechen wäre oder nicht.

Die Beschwerdeführerin beantragte auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die angefochtene Entscheidung stammt von einem Landesagrarsenat und damit einem Tribunal im Sinne der Art. 6 MRK. Der Landesagrarsenat hat zwei mündliche Verhandlungen durchgeführt. Die Durchführung einer solchen vor dem Verwaltungsgerichtshof war daher entbehrlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1998, 97/07/0219, und vom 24. November 2005, 2004/07/0190).

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. März 2007

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