LVwG Tirol LVwG-2022/31/1515-7

LVwG TirolLVwG-2022/31/1515-728.11.2022

BauO Tir 2022 §33

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.31.1515.7

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Hengl über die Beschwerden der AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch die BB, Adresse 2, **** Y, gegen die Bescheide des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X

 

 vom 4.4.2022, ***, betreffend eine Nachbarbeschwerde gegen die Erteilung einer Baubewilligung, sowie

 

 vom 7.6.2022, ***, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung,

 

zu Recht:

 

1. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

 

2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang:

 

Mit Bauansuchen vom 17.12.2019, eingelangt beim Stadtamt X am 20.12.2019, hat die Bauwerberin, die CC mit Sitz in **** W, Adresse 3, um die baubehördliche Bewilligung für den Abbruch eines Bestandsgebäudes sowie den Neubau eines Wohnhauses mit Haupt- und Freizeitwohnsitz auf Gst **1 KG X angesucht.

 

Nach Vorliegen des FF Gutachtens des DD vom 27.5.2020 sowie des schalltechnischen Gutachtens der EE vom 7.12.2020 wurde schließlich mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.2.2021 eine mündliche Bauverhandlung für den 6.4.2021 anberaumt.

 

Im Rahmen dieser Verhandlung wurden von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht rechtserhebliche Einwendungen im Sinn des § 33 Abs 3 TBO 2018 vorgebracht.

 

Mit dem nunmehr bekämpfen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X vom 4.4.2022, ***, wurde die baubehördliche Bewilligung für den Abbruch des Bestandsgebäudes und den Neubau eines Wohnhauses mit Garage auf Gst **1 KG X unter Vorschreibung diverser, näher angeführter, Auflagen erteilt.

 

In der Begründung dieses Bescheides wurden die Einwände der nunmehrigen Beschwerdeführerin wiedergegeben und diese teilweise als unzulässig zurückgewiesen, teilweise als unbegründet abgewiesen und teilweise auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen.

 

In dem fristgerecht dagegen erhobenen Rechtsmittel brachte die nunmehrige Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter vor, dass in der Bauverhandlung die Baumassen noch nicht eingetragen gewesen seien und dementsprechend nicht nachvollziehbar sei, wie die belangte Behörde auf die nunmehr angegebenen Baumassen von 4.993,82 m3 und 1.570,26 m3 komme.

 

Zudem werden Brandschutzbestimmungen nicht eingehalten, da aufgrund der Größe der geplanten baulichen Anlage davon auszugehen sei, dass eine größere Brandgefahr vorliege als bei einem normalen Landhaus.

 

Abschließend wurde in diesem Rechtsmittel der Antrag gestellt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und hiernach das Bauansuchen abzuweisen, in eventu die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

Schließlich wurde in diesem Rechtsmittel ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X vom 7.6.2022, 1954/19 ‑ ***, wurde der eingebrachte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abgewiesen.

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwar keine öffentlichen Interessen entgegenstehen, die in § 65 Abs 2 TBO 2022 angeführte zweite Bedingung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedoch nicht vorliege, da durch die geplante Bauausführung ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Beschwerdeführerin von dieser nicht habe dargelegt werden können und aus Sicht der Behörde auch nicht erkennbar sei.

 

Auch gegen diese Abweisung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin eine fristgerechte Beschwerde eingebracht.

 

Mit Schreiben des gefertigten Gerichts vom 23.8.2022 wurde zu zwei näher angeführten relevanten Fragestellungen, die in der Beschwerde aufgeworfen wurden, ein hochbautechnisches Gutachten eingeholt.

 

Mit Gutachten des FF Amtssachverständigen GG vom 19.9.2022, ***, wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die Antragsunterlagen für eine vollständige FF Beurteilung ausreichen und die Brandschutzbestimmungen sowie auch die übrigen baurechtlichen Bestimmungen, welche aus Sicht der Nachbarn gemäß § 33 TBO 2022 zu berücksichtigen sind, aus bautechnischer Sicht eingehalten worden seien.

 

Losgelöst von der Prüfung der Einhaltung von Nachbarrechten wurde in diesem Gutachten festgestellt, dass sich das gegenständliche Grundstück laut dem geltenden Örtlichen Raumordnungskonzept der Stadtgemeinde X in der Dichtezone 0 befinde, für die laut den Erläuterungen des Örtlichen Raumordnungskonzeptes eine gebietsbezogene Baumassendichte von höchstens 1,1 bis 1,6 vorgesehen sei. Die gemäß den Antragsunterlagen vorliegende Baumassendichte laut TROG 2022 betrage 1,99 und widerspreche somit der im Örtlichen Raumordnungskonzept angestrebten Dichte in der Dichtezone 0.

 

Darüber hinaus wurde auf das Vorhandensein von Räumlichkeiten im 1. und 2. Untergeschoß wie dem „JJ“, hingewiesen, welche Aufenthaltsräume darstellen, welche gemäß OIB-Richtlinie 3 entsprechend zu belichten seien. Daraus resultiere, dass bei richtiger Beurteilung eine natürliche Belichtung dieser Räumlichkeiten zu fordern gewesen wäre, wodurch sich die Baumasse weiter vergrößert hätte.

 

Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes vom 20.9.2022 wurde dieses Gutachten in Wahrung des Parteiengehörs per Mail an sämtliche Verfahrensparteien, darunter auch an die Mailadresse der Kanzlei der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin, zur allfälligen Stellungnahme bis 10.10.2022 übermittelt.

 

Fristgerecht eingelangt ist eine Stellungnahme des Stadtbaumeisters der Stadtgemeinde X, KK vom 6.10.2022, in der auf den vom FF Amtssachverständigen aufgeworfenen Widerspruch zum Örtlichen Raumordnungskonzept der Stadtgemeinde X repliziert wurde.

Ausgeführt wurde dabei, dass die Festlegungen im Örtlichen Raumordnungskonzept, wie unter anderem die Intensität der Bebauung, welche mit den Stufen D0 bis D3 unterschieden werde, nicht als exakte und nicht bindende Festlegung zu betrachten sei. Zudem sei hinsichtlich des Bauvorhabens den Bestimmungen des § 18 Abs 3 TBO 2022 und § 7 Abs 2 TBO 2022 entsprochen worden und wurde darauf hingewiesen, dass das Äußere des Neubaus so gestaltet sei, dass im Hinblick auf seine Einbindung in die Umgebung das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild nicht erheblich beeinträchtigt werde und sich die Bauhöhen des antragsgegenständlichen Projektes der umliegenden Bebauungen entsprechen und sich somit in das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild einfügen.

 

Diese ergänzende Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin sowie dem FF Amtssachverständigen im Rahmen des Ladungsbeschlusses vom 20.10.2022 zur mündlichen Verhandlung vom 11.11.2022 zur Kenntnis gebracht.

 

Im Rahmen der am 11.11.2022 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde das Bauvorhaben in Anwesenheit zweier Vertreter der Beschwerdeführerin, zweier Vertreter der belangten Behörde, des Rechtsvertreters der Bauwerberin und des FF Amtssachverständigen eingehend erörtert.

 

Im Zuge dieser Verhandlung wurde von keiner der Verfahrensparteien eine Frage an den FF Amtssachverständigen – insbesondere im Hinblick auf die attestierte Vollständigkeit der Planunterlagen, die Konformität zu den Brandschutzbestimmungen und die Einhaltung der Nachbarrechte im Sinn des § 33 Abs 3 TBO 2018 gerichtet.

 

 

II. Rechtliche Grundlagen:

 

Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2018, LGBl Nr 28/2018 idF LGBl Nr 34/2022 (TBO 2018), von Relevanz:

 

„§ 33 Parteien

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

b) der Bestimmungen über den Brandschutz,

c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,

d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31b Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,

e) der Abstandsbestimmungen des § 6,

f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.

(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.

[…]

§ 65 Aufschiebende Wirkung

(1) In den Angelegenheiten dieses Gesetzes haben Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG keine aufschiebende Wirkung, wenn durch den angefochtenen Bescheid eine Berechtigung eingeräumt wird.

(2) Die Behörde hat jedoch auf Antrag der beschwerdeführenden Partei die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung für die beschwerdeführende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

(3) Die Beschwerde gegen einen Bescheid nach Abs. 2 hat keine aufschiebende Wirkung.“

 

III. Rechtliche Erwägungen:

 

1. Unstrittig ist im Gegenstandsfall, dass die Beschwerdeführerin AA unter anderem Eigentümerin des Gst **2 KG X ist, welches unmittelbar nordwestlich an den Bauplatz auf Gst **1 KG X angrenzt, sodass sie als unmittelbare Nachbarin im Sinn des § 33 Abs 3 TBO 2022 zu qualifizieren und dementsprechend berechtigt ist, sämtliche Einwendungen im Sinn der lit a bis f leg cit zu erheben.

 

2. Grundsätzlich ist zunächst auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacherweise beschränkt ist:

 

Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv–öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem die Nachbarn solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht haben (vgl VwGH 31.1.2008, 2007/06/0152; 3.4.2008, 2007/06/0304 und viele andere).

 

Präklusionsfolgen spielen im gegenständlichen Fall eine untergeordnete Rolle, da die Beschwerdeführerin im Rahmen der durchgeführten Bauverhandlung rechtserhebliche Einwendungen abgegeben hat.

 

Gleichwohl ist darauf zu verweisen, dass sich die rechtserheblichen Einwendungen der Beschwerdeführerin laut der im Akt einliegenden Verhandlungsschrift zur mündlichen Bauverhandlung vom 6.4.2022 auf drei Themenkreise beschränken:

 

 Unvollständigkeit der Planunterlagen

 Beeinträchtigungen Immissionsschutz

 Nichteinhaltung Brandschutzbestimmungen

 

3. Gemäß § 33 Abs 3 lit a TBO 2022 kommt dem Nachbarn ein Mitspracherecht hinsichtlich der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes zu, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist.

 

Unstrittig ist im Gegenstandsfall, dass sich das Baugrundstück **1 KG X laut dem in Geltung stehenden Flächenwidmungsplan in der Widmungskategorie „Wohngebiet“ gemäß § 38 Abs 1 TROG 2016 befindet und diese Widmungskategorie gemäß § 38 Abs 1 und Abs 6 ausdrücklich einen nachbarlichen Immissionsschutz gewährt.

 

Zur Thematik Immissionen wurde anlässlich der gegenständlichen Beschwerde in Bezug auf Lärm- und Geruchsimmissionen überhaupt kein Bezug genommen; im Rahmen der Bauverhandlung vom 6.4.2022 wurde zu diesem Themenbereich seitens der Beschwerdeführerin ausgeführt, dass nicht überprüfbar sei, „ob Immissionen durch Verletzung der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes gegeben“ seien.

Konkretisierend wurde zu diesem Themenbereich im Rahmen der Bauverhandlung vom 6.4.2022 ausgeführt, dass wünschenswert wäre, dass seitens der Bauwerberin die bestehende Hecke zu ihrer Seite hin weiterhin geschnitten wird. „Die Abstandsflächen werden dann zeigen, inwieweit Immissionen beim Sichtschutz vorgegeben“ seien. Zum Thema Staub wurde ausgeführt, dass während der Bauphase aus derzeitiger Sicht nicht erkennbar sei, „ob durch die Staubemissionen der Altholzbestand an der Außenseite des Gebäudes verunreinigt“ werde. Im Falle von Verunreinigungen wäre es wünschenswert, wenn die Bauwerberin für die Kosten der Reinigung aufkommt.

 

Zur Thematik Immissionen wurde ein schalltechnisches Gutachten der LL vom 7.12.2020 in Auftrag gegeben, das eine Beurteilung dahingehend vornahm, ob durch die Errichtung des geplanten Wohnhauses unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität in diesem Gebiet und dessen Charakter als Wohngebiet wesentlich beeinträchtigt werde.

 

Aus diesem Gutachten erhellt, dass die in §§ 38 Abs 6 und 37 Abs 4 TROG 2016 angeführten Beurteilungspegel durch das gegenständliche Bauvorhaben zum Nachbargrundstück **2 KG X in sämtlichen Zeitabschnitten unterschritten werden, dies an den maßgeblichen Immissionspunkten IP05 und IP06 in einem Ausmaß von zumindest 6,3 Dezibel untertags (6 bis 19 Uhr), von zumindest 1,3 Dezibel abends (19 bis 22 Uhr) und in der Nachtzeit (22 Uhr bis 6 Uhr) von zumindest 5 Dezibel.

 

Eine auf dem Nachbargrundstück **2 KG X behauptete Beeinträchtigung durch vom Bauplatz auf Gst **1 KG X herrührende Schallimmissionen kann daher völlig ausgeschlossen werden und wurde von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet.

 

Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Sichtschutzbelange wiederum stellen kein Nachbarrecht iSd § 33 Abs 3 TBO 2018 dar (vgl VwGH 24.1.2013, 2011/06/0123).

 

4. Auch die seitens der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Unvollständigkeit der Planunterlagen, die keine hinreichende Beurteilung des gegenständlichen Bauvorhabens zulasse, wurden im Gutachten des FF Amtssachverständigen vom 19.9.2022 eingehend untersucht (vgl Seite 2 des Gutachtens, zu Fragestellung 1.) und dabei – nach Zitierung der einschlägigen Bestimmungen der Bauunterlagenverordnung 2020 – ausgeführt, dass nach Ansicht des FF Amtssachverständigen alle für eine eingehende Beurteilung notwendigen Informationen beinhaltet seien, etwa ein den Bestimmungen nach 31 TBO entsprechender Lageplan, die entsprechenden Grundrisse, Schnitte und Ansichten, welche die Ausmaße und den Verwendungszweck der einzelnen Räumlichkeiten darstellen sowie eine Baubeschreibung.

 

Darüber hinaus gebe es Berechnungen zu den Wohnnutzflächen der Wohneinheit und des Freizeitwohnsitzes und Baumassenberechnungen, jeweils nach der ÖNORM B 1800, dem TVAG und des TROG. Die verbaute Fläche von maximal 15 % der Bauplatzfläche Mindestabstandsbereich und auch die Verbauung der Länge der gemeinsamen Grundstücksgrenze von maximal 50 % seien nachvollziehbar in den Planunterlagen nachgewiesen worden und werden eingehalten.

 

Diesen Ausführungen des FF Amtssachverständigen wurde seitens der Beschwerdeführerin weder auf gleicher fachlicher Ebene noch anlässlich der durchgeführten mündlichen Verhandlung in substantiierter Form entgegengetreten, sodass diese schlüssigen und widerspruchfreien Aussagen dem Verfahren bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten.

 

5. Letzteres gilt auch für die Thematik Brandschutz, wobei diesbezüglich seitens des FF Amtssachverständigen im Gutachten vom 19.9.2022, Punkt 2., Seite 3, darauf hingewiesen wurde, dass sich im Mindestabstandsbereich von 4 Metern zur Beschwerdeführerin hin mit Ausnahme einer Freitreppe keine Baulichkeiten befinden, welche oberirdisch in Erscheinung treten. Ausgeführt wurde weiters wie folgt:

 

„Gem. OIB-Richtlinie 2 Punkt 4 „Ausbreitung von Feuer auf andere Bauwerke" ist die zur Nachbargrundstücks- bzw. Bauplatzgrenze gerichtete Seite eines Bauwerks mit einer brandabschnittsbildenden Wand abzuschließen, wenn der Abstand eines Bauwerks von der Nachbargrundstücks- bzw. Bauplatzgrenze weniger als 2,00 m, beträgt. In diesen Abstand dürfen Bauwerksteile (z.B. Dachvorsprünge, Vordächer, Erker, Balkone) nur dann hineinragen, wenn für diese, zusätzliche brandschutztechnische Maßnahmen getroffen werden.

Somit sind zum Schutz des Grundstückes der benachbarten Beschwerdeführerin hin keine besonderen brandschutztechnischen Maßnahmen erforderlich, da schon alleine durch den ausreichenden Abstand zur Grundstücksgrenze des Gebäudes von 4,05 m und der Freitreppe von - gemessen - 2,80 m ein Brandüberschlag gem. OIB-Richtlinie 2 ausgeschlossen werden kann.

Aus bautechnischer Sicht ist somit zu sagen, dass durch das gegenständliche Projekt die Brandschutzbestimmungen eingehalten werden.

Darüber hinaus befindet sich in den Unterlagen ein Brandschutzkonzept von der MM vom Dezember 2019, worin aus brandschutztechnischer Sicht festgestellt wird, dass die Bestimmungen der OIB-Richtlinien 2 und 4 für das Bauvorhaben eingehalten sind und aus Sicht des Brandschutzes kein Einwand zu erheben ist.“

 

Diesen Ausführungen, die der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2022 bereits zur Kenntnis gebracht wurden und bekannt waren, wurde in keinster Weise entgegengetreten.

 

6. Hinsichtlich der im FF Gutachten vom 19.9.2022 aufgezeigten Problematik, wonach die Dichtezone laut Örtlichem Raumordnungskonzept nicht eingehalten sei, ist auszuführen, dass es sich dabei um kein subjektiv-öffentliches Recht gemäß § 33 Abs 3 TBO 2018 handelt (vgl etwa VwGH 30.1.2019, Ra 2018/06/0020), und § 33 Abs 3 lit d TBO 2018 lediglich Parteirechte bei Festlegungen im örtlichen Raumordnungskonzept gemäß § 31b Abs 2 TROG 2022 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen als Verletzung nachbarlicher Rechte geltend gemacht werden können, wobei derartige Festlegungen gegenständlich evidentermaßen nicht vorliegen.

 

7. Hinsichtlich des sonstigen Beschwerdevorbringens, etwa dass gewisse Baumassenangaben nicht nachvollziehbar dargestellt worden seien (vgl VwGH 27.4.2011, 2011/06/0001), dass Schäden am Abwasserkanal und an den Drainageleitungen befürchtet werden (vgl VwGH 7.11.2013, 2013/06/0162) und dass durch ein allfälliges Videoüberwachungskonzept Persönlichkeitsrechte der Beschwerdeführerin verletzt werden, ist darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen keine subjektiv-öffentlichen Rechte iSd § 33 Abs 3 TBO 2018 zum Gegenstand hat.

 

Selbiges gilt für die beschwerdegegenständlichen Einwände, dass zwar die Hundekot-Verordnung auf der Homepage der belangten Behörde verlautbart sei, nicht aber die Kanalgebührenverordnung der Stadtgemeinde X, die Müllordnung und die Garagen- und Stellplatzverordnung, sowie, dass der bekämpfte Bescheid nachrichtlich an den Kaminkehrer ergangen sei, der keinen bestimmten und bestimmbaren Bescheidempfänger darstelle.

 

Die belangte Behörde ist daher zurecht von der Unzulässigkeit dieser Einwände ausgegangen.

 

8. Hinsichtlich der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2022 seitens der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin geltend gemachten Befangenheit des Sachverständigen KK ist anzuführen wie folgt:

 

Bei einem Amtssachverständigen iSd § 52 AVG handelt es sich um einen –nicht notwendig ausschließlich – zur Begutachtung von Fachfragen dauernd bestellten Organwalter (VwGH 25. 4. 2003, 2002/12/0109). Allerdings ist es für die Stellung als Amtssachverständiger ohne Bedeutung, ob er – was regelmäßig der Fall sein wird – öffentlich Bediensteter ist (VwSlg 11.284 A/1984; VwGH 12. 5. 1992, 91/08/0139; 23. 1. 2002, 2001/07/0139; Rz 27; Attlmayr, Recht 80f; Bußjäger/Kraft, ZfV 1999, 14; Ennöckl, ecolex 2004, 822; aA Buchner, ÖGZ 1968, 477), ob er in die Liste der gerichtlich beeideten Sachverständigen eingetragen ist (VwGH 13. 6. 1990, 89/03/0199; 29. 1. 1992, 91/02/0121; vgl auch VwGH 14. 9. 2004, 2004/10/0129) oder ob er in seiner Dienst- oder „Privatzeit“ tätig wird (VwSlg 14.798 A/1997).

 

Nach der Rsp des VwGH kann aus dem AVG weder die Unvereinbarkeit der Funktion eines Verhandlungsleiters mit jener eines (Amts-)Sachverständigen (so auch VwGH 31. 1. 1995, 92/05/0230; 31. 3. 2004, 2002/06/0002) noch ein Befangenheitsgrund wegen gleichzeitiger Ausübung der Funktion des Verhandlungsleiters abgeleitet werden (VwSlg 8303 A/1972; VwGH 18. 5. 1993, 92/05/0098; vgl auch schon VwSlg 5389 A/1960).

 

Im Gegenstandsfall wurde Stadtbaumeister KK nachträglich dem Verfahren beigezogen und gab hinsichtlich der Ausführungen des FF Amtssachverständigen GG im Gutachten vom 19.9.2022 hinsichtlich der Dichtefestlegungen im Örtlichen Raumordnungskonzept der Stadtgemeinde X eine Replik vom 6.10.2022 ab. Es ist in keinster Weise ersichtlich, inwiefern der Amtssachverständige vor dem Hintergrund des geschilderten Geschehensablaufes befangen iSd § 7 Abs 1 AVG sein sollte

 

Vielmehr wäre es der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs (vgl VwGH 13. 2. 1992, 91/06/0126) und damit ihrer Obliegenheit zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts (VwGH 16. 12. 1986, 84/05/0016; 16. 5. 2001, 99/09/0186; Rz 67; allgemein zur „Mitwirkungspflicht“ § 39 Rz 9ff) offengestanden, Mängel des Gutachtens aufzuzeigen.

 

Der VwGH betont in seiner Rsp, dass Einwendungen gegen die Schlüssigkeit (VwSlg 13.155 A/1990; VwGH 25. 4. 2003, 2002/12/0109), also die Darlegung eines Widerspruchs zu den Denkgesetzen oder zur allgemeinen Lebenserfahrung (vgl VwGH 30. 10. 1990, 90/04/0081; 24. 10. 1995, 94/07/0153; 16. 5. 2001, 99/09/0186) – einschließlich der Behauptung, die Befundaufnahme sei unzureichend bzw der Sachverständige gehe von unrichtigen Voraussetzungen aus (VwGH 3. 11. 1983, 83/06/0088; 26. 6. 1997, 96/06/0285) –, genauso wie Einwendungen gegen die Vollständigkeit des Gutachtens (VwSlg 14.731 A/1997; VwGH 27. 6. 2002, 98/07/0138; 25. 4. 2003, 2002/12/0109) auch dann Gewicht haben können, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt sind, also insb auch ohne Gegengutachten (VwGH 18. 1. 1994, 93/07/0009; 18. 2. 1999, 96/07/0124; 27. 5. 2003, 2002/07/0100). Das Gleiche gilt für die Behauptung, das Gutachten sei widersprüchlich (VwGH 21. 11. 1996, 94/07/0041; 18. 2. 1999, 96/07/0124).

Ein derartiges Vorbringen wurde aber von der Beschwerdeführerin nicht erstattet und geht es materiell um Umstände, die nicht den Inhalt von Parteirechten iSd § 33 Abs 3 TBO 2018 bilden, sodass auch dem zweieinhalb Wochen nach Kenntnis der Stellungnahme vom 6.10.2022 erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2022 gestellten Antrag auf Einvernahme des Amtssachverständigen nicht nachgekommen wurde.

 

9. In Bezug auf die Beschwerde gegen die Abweisung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist anzuführen, dass der Beschwerdeführer keinen überwiegenden Nachteil dazulegen vermochte und aufgrund der ergangenen Entscheidungen der Sache selbst der Antrag gegenstandslos wurde.

 

Nur der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle zudem anzumerken wie folgt:

 

In ständiger Rechtsprechung wird von den Höchstgerichten übereinstimmend zu den nahezu wortgleichen Bestimmung in den höchstgerichtlichen Organisationsgesetzen (§ 30 Abs 2 VwGG und § 85 Abs 2 VfGG) judiziert, dass Nachbarbeschwerden gegen die Erteilung einer Baubewilligung keine aufschiebende Wirkung beigelegt wird und wird dies begründet wie folgt:

 

Die bloße Ausübung der mit einer Bewilligung eingeräumten Berechtigung während des Revisionsverfahrens kann für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden, während das Interesse eines Bauwerbers an der baldigen Umsetzung seines Bauvorhabens auf der Hand liegt. Im Fall des Obsiegens des Nachbarn als Revisionswerber hat allein der Bauwerber die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit des ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen und wäre die Behörde von Amts wegen verpflichtet, für die Beseitigung eines dann konsenslosen Baues zu sorgen.“ (vgl etwa VwGH vom 16.10.2017, Ra 2017/05/0210).

 

Im Ergebnis war daher davon auszugehen, dass eine Beeinträchtigung von Nachbarrechten im Sinne des § 33 Abs 3 lit a bis f TBO 2022 gegenständlich auszuschließen ist und war die gegenständliche Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

 

Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Hengl

(Richter)

 

 

 

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