EpidemieG 1950 §32 Abs3
EpidemieG 1950 §36 Abs2
SGB BRD 1975 IV §1
SGB BRD 1975 IV §20
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.71.001.2022
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch die Richterin HR Dr. Hagmann über die Beschwerde der A GmbH, ***, ***, Deutschland, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 21. September 2021, ***, betreffend Vergütung nach dem Epidemiegesetz 1950
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 17. Dezember 2020 1.1. auf Zuerkennung einer Vergütung für den Verdienstentgang in der Höhe von € *** und1.2. auf Ersatz des für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtenden Dienstgeberanteils in der gesetzlichen Sozialversicherung in der Höhe von € *** Folge gegeben wird.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG eine Revision zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt und Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin ist Dienstgeberin von Frau B. Diese war mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. November 2020, Zl. ***, aufgrund des hohen Infektionsrisikos mit der Lungenerkrankung COVID-19 ab 14.11.2020 mit sofortiger Wirkung an ihrem Wohnort in *** abgesondert. Mit Bescheid vom 23. November 2020 wurde beginnend mit 23.11.2020 aufgrund der Erkrankung an der Lungenkrankheit COVID-19 die Absonderung angeordnet. Die Absonderung wurde mit Bescheid vom 2. Dezember 2020 mit Ablauf dieses Tages aufgehoben.
2. Am 17. Dezember 2020 beantragte die Dienstgeberin für den Zeitraum 14.11. bis 2.12.2020 eine Vergütung nach dem Epidemiegesetz in der Höhe von € *** für den Monat November 2020 und € *** für den Monat Dezember 2020, insgesamt einen Betrag in Höhe von € ***. Dieser Betrag setzte sich aus dem anteiligen regelmäßigen Entgelt in Höhe von € *** und dem anteiligen Dienstgeberbeitrag zur Sozialversicherung in Höhe von € *** für November 2020 und dem anteiligen regelmäßigen Entgelt von € *** und dem anteiligen Dienstgeberbeitrag zur Sozialversicherung von € *** für Dezember 2020 zusammen. Das Bruttogehalt war durch Entgeltabrechnungen und Einzelaufstellungen des Lohnjournals belegt.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde auf Grundlage des § 32 Abs 1 iVm § 36 Abs 2 EpiG den Antrag in der Höhe von € *** ab. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die Antragstellerin sei eine ausländische Dienstgeberin, die über keinen Sitz im Inland verfüge. Der Verdienstentgang gründe sich auf eine behördliche Verfügung der belangten Behörde. Mit Hinweis auf die Rechtsprechung des VwGH (vgl 2007/03/0221) und Art 49 Abs 1 B-VG wurde ausgeführt, die verbindliche Kraft von Bundesgesetzen erstrecke sich – wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt sei – ausschließlich auf das gesamte Bundesgebiet. Daraus folge, dass dann, wenn nichts Gegenteiliges angeordnet sei, grundsätzlich der Tatbestand eines Bundesgesetzes nur durch im Inland verwirklichte Sachverhalte erfüllt werde. Wie aus dem Sachverhalt hervorgehe, habe das Unternehmen den Sitz im Ausland, somit trete der Vermögensverlust jedenfalls nicht im Bundesgebiet ein. Der Dienstgeber sei aufgrund des Territorialitätsprinzips nach österreichischem Recht nicht verpflichtet, eine Entgeltfortzahlung zu leisten. Insoweit könnten auch deshalb die Bestimmungen über die Vergütung des Verdienstentganges nicht zur Anwendung gelangen, folglich könne kein Anspruch gegenüber dem Bund übergehen.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den Antrag noch einmal zu überprüfen. Die Dienstnehmerin sei zwar bei der deutschen GmbH angestellt, sie sei aber im Zeitpunkt der Absonderung nach Österreich entsendet gewesen, um für die Betriebsstätte in *** Arbeiten durchzuführen. Somit sei sie für eine österreichische Firma tätig und entstehe ein Vermögensverlust in Österreich. Aus einer beigefügten Ausnahmegenehmigung [Anm. des VwG: nach Art 16 Abs 1 VO(EG) 883/04 für die bezeichnete Dienstnehmerin; A1 Bescheinigung über die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit, die auf den/die Inhaber/in anzuwenden sind] ergäbe sich, dass die Dienstnehmerin für den genannten Zeitraum entsendet war.
5. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und ist unbestritten.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), lauten auszugsweise:
„[…]
Absonderung Kranker.
§ 7. (1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.
(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. […]
[…]
Vergütung für den Verdienstentgang.
§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
[…]
und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.
[…]“
2. Die hier zitierten, vorliegend für die rechtliche Beurteilung des beantragten Dienstgeberanteiles in der gesetzlichen Sozialversicherung relevanten Bestimmungen des deutschen Sozialgesetzbuches lauten (auszugsweise):
2.1. Allgemeine Vorschriften
Sozialgesetzbuch (SGB IV) Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung
§ 1 SGB IV Sachlicher Geltungsbereich
„(1) Die Vorschriften dieses Buches gelten für die gesetzliche Kranken-, Unfall und Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte sowie die soziale Pflegeversicherung (Versicherungszweige). Die Vorschriften dieses Buches gelten mit Ausnahme des Ersten und Zweiten Titels des Vierten Abschnitts und des Fünften Abschnitts auch für die Arbeitsförderung. Die Bundesagentur für Arbeit gilt im Sinne dieses Buches als Versicherungsträger.[…]
Sozialgesetzbuch (SGB IV)
§ 20 SGB IV Aufbringung der Mittel, Übergangsbereich(1) Die Mittel der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung werden nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige durch Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Dritter, durch staatliche Zuschüsse und durch sonstige Einnahmen aufgebracht.
2.2. Krankenversicherung
Sozialgesetzbuch (SGB V) Gesetzliche Krankenversicherung
§ 249 SGB V Tragung der Beiträge bei versicherungspflichtiger Beschäftigung(1) Beschäftigte, die nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 13 versicherungspflichtig sind, und ihre Arbeitgeber tragen die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte.[…]
2.3. Rentenversicherung
Sozialgesetzbuch (SGB VI) Gesetzliche Rentenversicherung
§ 168 SGB VI Beitragstragung bei Beschäftigten (1) Die Beiträge werden getragen1. bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, von den Versicherten und von den Arbeitgebern je zur Hälfte, […] 2.4. Pflegeversicherung
Sozialgesetzbuch (SGB XI) Soziale Pflegeversicherung
§ 55 SGB XI Beitragssatz, Beitragsbemessungsgrenze (1) Der Beitragssatz beträgt bundeseinheitlich 3,05 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder; er wird durch Gesetz festgesetzt. […]
§ 58 SGB XI Tragung der Beiträge bei versicherungspflichtig Beschäftigten (1) Die […] Beschäftigten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, und ihre Arbeitgeber tragen die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. […]
2.5. Arbeitslosenversicherung
Sozialgesetzbuch (SGB III) Arbeitsförderung
§ 346 SGB III Beitragstragung bei Beschäftigten (1) Die Beiträge werden von den versicherungspflichtig Beschäftigten und den Arbeitgebern je zur Hälfte getragen. […]
2.6. BeitragssätzeDie nach deutscher Rechtslage geregelten Beitragssätze zur Sozialversicherung betragen 2020 in der Krankenversicherung 14,60% + Zusatzbeitragssatz von 1,1% (je 7,3% + 0,55% für Arbeitnehmer und Arbeitgeber), in der Rentenversicherung 18,6% (je 9,30% für Arbeitnehmer und Arbeitgeber), in der Arbeitslosenversicherung 2,40% (je 1,20% für Arbeitnehmer und Arbeitgeber) und in der Pflegeversicherung 3,05% (je 1,525% für Arbeitnehmer und Arbeitgeber).
2.7. Umlage-Insolvenz
Sozialgesetzbuch (SGB III) Drittes Buch, Arbeitsförderung
§ 358 SGB III Aufbringung der Mittel
(1) Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes werden durch eine monatliche Umlage von den Arbeitgebern aufgebracht. […]
(2) Die Umlage ist nach einem Prozentsatz des Arbeitsentgelts (Umlagesatz) zu erheben. […]
§ 359 SGB III Einzug und Weiterleitung der Umlage
(1) Die Umlage ist zusammen mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Die für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag geltenden Vorschriften des Vierten Buches finden entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
(2) Die Einzugsstelle leitet die Umlage einschließlich der Zinsen und Säumniszuschläge arbeitstäglich an die Bundesagentur weiter.
Auf Grundlage des § 360 SGB III wurde mit Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (§ 1 der Insolvenzgeldumlagesatzverordnung 2020 – InsoGeldFestV 2020) der (hier relevante) Umlagesatz für das Kalenderjahr 2020 mit 0,06 Prozent festgesetzt.
2.8. Umlageverfahren U1 und U2 (Entgeltfortzahlung und Mutterschaft)Die relevanten Bestimmungen des Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG lauten:
§ 7 Aufbringung der Mittel(1) Die Mittel zur Durchführung der U1- und U2 Verfahren werden von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern jeweils durch gesonderte Umlagen aufgebracht, die die erforderlichen Verwaltungskosten angemessen berücksichtigen. (2) Die Umlagen sind jeweils in einem Prozentsatz des Entgelts (Umlagesatz) festzusetzen, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung […] bemessen werden oder bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu bemessen wären. […]
§ 9 Aufwendungsausgleichsgesetz – Satzung
(1) Die Satzung der Krankenkasse muss insbesondere Bestimmungen enthalten über die
1. Höhe der Umlagesätze,[…]
(2) Die Satzung kann
1. die Höhe der Erstattung nach § 1 Abs. 1 beschränken und verschiedene Erstattungssätze, die 40 vom Hundert nicht unterschreiten, vorsehen,[…].
[…]
§ 10 Aufwendungsausgleichsgesetz – Anwendung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften
Die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.“
III. Rechtliche Beurteilung:
1. Zur Vergütung für Verdienstentgang:
Nach den getroffenen Feststellungen war die Dienstnehmerin im Zeitraum von 14.11.2020 bis 02.12.2020 durch jeweils auf Grundlage des EpiG (§ 7) erlassene Bescheide der belangten Behörde abgesondert. Damit lag die Tatbestandsvoraussetzung des § 32 Abs 1 Z 1 EpiG für eine Vergütung für diesen Zeitraum vor. Die Beschwerdeführerin hat als Arbeitgeberin der Dienstnehmerin ihr monatliches Gehalt weiterbezahlt, dh den der Arbeitnehmerin iSd § 32 Abs 3 EpiG gebührenden Vergütungsbetrag für Verdienstentgang ausbezahlt. Dadurch ist der der Arbeitnehmerin gegenüber dem Bund bestehende Anspruch auf die Beschwerdeführerin übergegangen.
§ 32 Abs 3 EpiG liegt zugrunde, dass der dem Arbeitnehmer gebührende Vergütungsbetrag vom Arbeitgeber an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen ist und der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber übergeht. Bei dem dem Arbeitnehmer ausgezahlten Vergütungsbetrag handelt es sich begrifflich nicht um Entgelt, sondern um eine auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruhende Entschädigung (Vergütung) des Bundes, für die der Arbeitgeber in Vorlage tritt. Gemäß § 32 Abs 3 zweiter Satz EpiG hat der Arbeitgeber kraft Gesetzes die Schuld des Bundes in Form des Vergütungsbetrages der Person gegenüber, die den Verdienstentgang erlitten hat, zu erfüllen; mit dem Zeitpunkt der Auszahlung des gebührenden Vergütungsbetrages an den Arbeitnehmer geht dessen Vergütungsanspruch gegenüber dem Bund auf den Arbeitgeber über (vgl VwGH Ra 2021/09/0094 mwH auf 84/08/0043, VwSlg 11388 A).
Die Absonderungen durch die Behörde bedingen einen rein innerstaatlichen Sachverhalt. Da die Auszahlung durch die Arbeitgeberin erfolgt ist, ist der Rechtsübergang eingetreten und kann dahingestellt bleiben, ob die deutsche Arbeitgeberin dazu verpflichtet war oder nicht, dies auch im Hinblick darauf, dass die Vergütung nach dem EpiG andere Entgeltfortzahlungsansprüche verdrängt und bei einer Absonderung nach § 32 Abs 3 EpiG jedenfalls ein Verdienstentgang eintritt.
Wenn die belangte Behörde davon ausgeht, es sei im Bundesgebiet kein Vermögensverlust eingetreten, und sei die Beschwerdeführerin nicht zur Entgeltfortzahlung nach österreichischem Recht verpflichtet gewesen, so ist dem entgegenzuhalten, dass das EpiG nicht nach dem Sitz des Arbeitgebers unterscheidet. Tatbestandsmäßig iSd § 32 Abs 2 iVm § 3 EpiG ist vielmehr, dass eine Auszahlung an die auf Grundlage des EpiG abgesonderte Dienstnehmerin erfolgt ist, sodass der dieser gebührende Vergütungsbetrag auf die Beschwerdeführerin übergegangen ist. Davon betroffen ist der Vergütungsanspruch in der Höhe des auf die Tage der Absonderung aliquotierten Bruttogehalts, das sind € *** für 17 Tage der behördlich verfügten Absonderung im November 2020 und € *** für 2 Tage der behördlich verfügten Absonderung im Dezember 2020, insgesamt somit € ***.
2. Zum Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung:
Zu prüfen ist in Ansehung des § 32 Abs 3 letzter Satz EpiG, ob und in welcher Höhe der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber entrichtete Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung vom Bund zu ersetzen ist.
Unbestritten ist dabei zunächst von der Entrichtung von folgenden Beiträgen durch den Dienstgeber an den zuständigen deutschen Sozialversicherungsträger auszugehen (vgl Abrechnungsbelege und Lohnjournal im Akt): Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung, Umlage1, Umlage2, Umlage Insolvenz. Die Beiträge wurden in folgender Höhe, entsprechend den gesetzlichen Beitragssätzen vom Dienstgeber getragen, jeweils auf Grundlage des Bruttogehaltes von € ***: KV 7,85%, RV 9 ,3%, AlV 1,2%, PV 1,525%, die Umlage Insolvenz 0,06%. Die Umlagen U1 und U2 wurden mit € *** und € *** entrichtet. Die Bescheinigung über die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit, die auf die Inhaberin anzuwenden sind, basierend auf einer beantragten Ausnahmegenehmigung nach Artikel 16 Abs 1 VO (EG) 883/04 für die betroffene Dienstnehmerin, liegt vor (A1 Bescheinigung entsprechend der VO (EG) 883/2004 , Art 11 bis 16, und VO (EG) 987/2009 , Art 19).
Mit Blick auf die rechtlichen Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, wonach sich die verbindliche Kraft von Bundesgesetzen ausschließlich auf das Bundesgebiet beziehe, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschäftigung der Arbeitnehmerin im Inland eine im Einklang mit der EU-Rechtslage stehende Entsendung zu Grunde lag, und dass diese auf Grund der durch die VO (EG) 883/04 eingeräumte Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung (Art 16 Abs 1) nach ihrer Entsendung in das Bundesgebiet weiterhin im deutschen Sozialversicherungssystem versichert war. Diese Verordnung gilt im Wesentlichen für die klassischen Zweige der Sozialversicherung. Art 16 sieht vor, dass die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten oder die von diesen Behörden bezeichneten Einrichtungen im gemeinsamen Einvernehmen eine andere Zuständigkeit für einzelne Personen vorsehen können. Die einzelnen Versicherungszweige der (deutschen) Sozialversicherung sind nach § 1 SGB IV die gesetzliche Kranken-, Unfall und Rentenversicherung sowie die soziale Pflegeversicherung. Die Vorschriften dieses Buches gelten mit [genannten] Ausnahmen auch für die Arbeitsförderung.
Somit legt der deutsche Gesetzgeber ohne jeden Zweifel den Umfang der gesetzlichen Sozialversicherung fest.
§ 32 Abs 3 letzter Satz EpiG normiert einen originären Anspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Bund auf Ersatz des Dienstgeberanteils in der gesetzlichen Sozialversicherung unter der Voraussetzung, dass eine Erwerbsbehinderung eines Dienstnehmers (einer Dienstnehmerin) eingetreten ist und der im Bereich des Arbeitgebers eingetretene Vermögensverlust aufgrund der behördlich verfügten Absonderungsmaßnahme herbeigeführt wurde. Das EpiG verlangt nicht, dass der Vermögensverlust im Inland eingetreten ist. Eine Rechtsauffassung, die darauf abstellte, bei Vorliegen einer Ausnahmemöglichkeit nach Artikel 16 VO (EU) 883/04 könne § 32 Abs 3 letzter Satz EpiG nicht zur Anwendung kommen, käme einer ungerechtfertigten Diskriminierung gleich.
Unbestritten wurden für die Zeit der Erwerbsbehinderung die oben genannten Beiträge des Dienstgebers zur gesetzlichen Sozialversicherung entrichtet, sodass dafür auf Grundlage des § 32 Abs 3 letzter Satz EpiG Ersatz zu leisten ist.
Was die Höhe der Ersatzleistung betrifft, ist somit mit Blick auf den ausgeführten, festgelegten Umfang der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung darauf zu verweisen, dass die geltend gemachten Umlagen darunter nicht zu subsumieren sind.
Die Umlageverfahren U1 und U2 betreffen die Abfederung finanzieller Belastungen des Arbeitgebers bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und für Mutterschaftsaufwendungen. Es handelt sich dabei um die Entgeltfortzahlungsversicherung. Die gesetzliche Grundlage findet sich im deutschen Ausgleichsaufwendungsgesetz (AAG). Die Entgeltfortzahlungsversicherung ist eine Pflichtversicherung, d.h. wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Arbeitgeber daran teilnehmen. Die Kosten der zwei Umlageverfahren werden durch Umlagebeiträge erhoben, die von den Krankenkassen im Satzungsweg individuell festgelegt und zusammen mit den übrigen Sozialversicherungsbeiträgen abgeführt werden. Diese Umlagen werden – ebenso wie die Insolvenzentgeltumlage, die vom Arbeitgeber aufgebracht wird (vgl §§ 358 ff SGB III und § 7 AAG) – aber nicht im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung der Arbeitnehmer erhoben.
Wie ausgeführt, ist der Umfang der gesetzlichen Sozialversicherung im deutschen Recht ex lege festgelegt. Der Ersatz hat daher im dargestellten Umfang zu erfolgen. Die im Umlageverfahren erhobenen Beiträge U1, U2 und U-Insolvenz fallen nicht darunter und sind daher nicht iSd § 32 Abs 3 letzter Satz EpiG ersatzfähig.
Der zu ersetzende Gesamtbetrag errechnet sich somit aus den Dienstgeberanteilen zur Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung. Diese betrugen für die im November 2020 geltend gemachten Tage der behördlichen Absonderung der genannten Dienstnehmerin € *** und für die im Dezember 2020 geltend gemachten Tage der behördlichen Absonderung € ***, somit insgesamt € *** (vgl die oben genannten Prozentsätze bei einem Bruttogehalt von € ***; KV € *** + € ***; RV € *** + € ***; AlV € *** + € ***; PV € *** + € ***).
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt und konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 und Abs 4 VwGVG unterbleiben. Der maßgebliche Sachverhalt ist nicht strittig, die Beschwerdeführerin hat ihren Standpunkt in der erhobenen Beschwerde dargelegt. Dem Entfall der Verhandlung stehen weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegen (vgl dazu etwa VwGH Ra 2016/04/0117).
IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Dienstgeberbeiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung iSd EpiG soweit ersichtlich keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, wenn der Dienstgeber im EU-Ausland seinen Sitz hat und die Absonderung durch eine inländische Behörde für einen nach Österreich entsendeten Dienstnehmer erfolgte. Weiters liegt für den Fall der Bejahung der Erstattungsfähigkeit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Frage vor, ob und in welchem Umfang die nach der deutschen Rechtsordnung vorgesehenen Umlagen der §§ 358 ff SGB III sowie die Umlagen U1 und U2 nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz –AAG erstattungsfähig sind.
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