VwGH Ra 2016/04/0117

VwGHRa 2016/04/011721.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der revisionswerbenden Parteien

  1. 1. Bürgerinitiative N, 2. G K, 3. Dipl. Ing. D F, 4. B K, 5. W S,
    1. 6. L L, 7. F R, 8. J M, 9. Jo M, 10. K G, 11. G G, 12. B L, 13. H L, 14. A L, 2. bis 14. in H, 15. M R, 16. H R, beide in E, 17. J R in H, 18. A R, 19. Ka G, beide in E, 20. Ge K, 21. G M, 22. A K,

      23. F G, 24. J L, 25. P G, 20. bis 25. in H, 26. M G, 27. Z R, beide in E, alle vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Karmeliterplatz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2016, Zl. W225 2119951-1/9E, betreffend Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Landesregierung; mitbeteiligte Partei: b GmbH in S, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
32010L0075 Industrie-Emissions-RL Art25 Abs3;
32011L0092 UVP-RL Art11 Abs3;
32011L0092 UVP-RL Art11;
32011L0092 UVP-RL;
62009CJ0115 Bund Umwelt / Naturschutz Deutschland VORAB;
62014CJ0137 Kommission / Deutschland;
AVG §52 Abs2;
AVG §6;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs6 Z1;
EURallg;
MRK Art6;
UVPG 2000 §19 Abs7;
UVPG 2000 §19 Abs8;
UVPG 2000 §24f Abs8;
UVPG 2000 §3 Abs2;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3 Abs7a idF 2012/I/077;
UVPG 2000 §3 Abs7a;
UVPG 2000 §3b;
UVPG 2000 idF 2012/I/077;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §48 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016040117.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Vorgeschichte und angefochtenes Erkenntnis

4 Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 1. Dezember 2015 wurde (gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000) festgestellt, dass für das geplante Vorhaben der mitbeteiligten Partei (Errichtung und Betrieb von acht Windenergieanlagen mit je 2 MW-Leistung einschließlich der dafür erforderlichen Rodung im Gemeindegebiet P) keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden die Beschwerden der Revisionswerber gegen diesen Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen (A) und die Revision für nicht zulässig erklärt (B).

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

7 Die mitbeteiligte Partei erstattete an den Verwaltungsgerichtshof unaufgefordert eine als "Gegenschrift" bezeichnete Revisionsbeantwortung, in der sie Aufwandersatz begehrte. In dieser Revisionsbeantwortung führt die mitbeteiligte Partei aus, die Erstrevisionswerberin sei als anerkannte Umweltorganisation nicht revisionsberechtigt, da ihr als bloße Formalpartei dieses Recht nicht ausdrücklich durch das Gesetz zuerkannt wurde. Die Zweit- bis 27. Revisionswerber besäßen im Verfahren (nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000) keine Parteistellung und damit ebenso keine Rechtsmittellegitimation. Daran ändere auch die Novelle des UVP-G 2000, BGBl. I Nr. 4/2016, nichts. Diese Novelle sei mit 24. Februar 2016 in Kraft getreten. § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 gelte nach der Übergangsbestimmung dieser Novelle auch für Fälle, in denen die Beschwerdefrist mit dem Tag des Inkrafttretens der Novelle noch nicht abgelaufen sei. Dies treffe für die vorliegende Rechtssache nicht zu, in welcher der Feststellungsbescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht bereits am 1. Dezember 2015 im Internet kundgemacht worden sei. Revisionslegitimation

8 Eine Revision ist nach § 34 Abs. 1 VwGG wegen fehlender Revisionsberechtigung immer dann zurückzuweisen, wenn der Verwaltungsgerichtshof zur Erkenntnis gelangt, dass der Revisionswerber durch die angefochtene Entscheidung unabhängig von der Frage ihrer Gesetzmäßigkeit in seinem Recht nicht verletzt sein kann (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Juni 2015, Ra 2014/04/0042, mwN).

9 Was die Frage der Beschwerdelegitimation der Revisionswerber vor dem Verwaltungsgericht anlangt, enthält das angefochtene Erkenntnis die nicht weiter begründete Aussage, dass die Beschwerden zulässig seien.

Zur Erstrevisionswerberin

10 Die Erstrevisionswerberin ist eine gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation (vgl. die Liste der anerkannten Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 8 UVP-G 2000).

11 Als solche ist sie gemäß § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 idF der Novelle BGBl. I Nr. 95/2013 berechtigt, gegen einen negativen Feststellungbescheid nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben.

12 Durch die Einführung des § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 sollte nach dem Willen des Gesetzgebers eine unionsrechtskonforme Lösung für den Rechtsschutz von Umweltorganisationen im Feststellungverfahren durch die Schaffung einer nachgeschalteten Überprüfungsmöglichkeit gefunden werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2016, Ro 2014/06/0008, mit ausführlicher Darstellung der Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 7a UVP-G 2000).

13 Das UVP-G 2000 sieht zwei Arten von Parteien vor, und zwar einerseits solche Parteien, die sie betreffende subjektive Rechte im Verfahren geltend machen können, und andererseits solche Parteien, die öffentliche Interessen (Einhaltung von Umweltschutzvorschriften) als subjektive Rechte im Verfahren geltend machen können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) muss es einer eingetragenen Umweltorganisation in einem Verfahren wie dem gegenständlichen, das dem Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie unterliegt, möglich sein, dieselben Rechte geltend zu machen wie ein Einzelner. Daher kommt einer eingetragenen Umweltorganisation nach § 24f Abs. 8 UVP-G 2000 auch das Recht zu, die Einhaltung solcher Umweltschutzvorschriften geltend zu machen, die nicht nur Interessen der Allgemeinheit, sondern auch Rechtsgüter des Einzelnen schützen, und deren Schutz vor Beeinträchtigung etwa auch durch den einzelnen Nachbarn als subjektiv-öffentliches Recht im Verfahren geltend gemacht werden kann (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 17. November 2015, Ra 2015/03/0058, mit Verweis auf die Urteile des EuGH vom 12. Mai 2011, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen, Rs. C- 115/09 , EU:C:2011:289, Rz 46, sowie vom 15. Oktober 2015, Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Rs. C- 137/14 , EU:C:2015:683, Rz. 90 ff).

14 Dem zuletzt zitierten Erkenntnis lag ein Verfahren nach dem 3. Abschnitt des UVP-G 2000 zugrunde. Die dort getroffenen Aussagen können jedoch auch auf das Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 übertragen werden:

15 So hat der EuGH im zitierten Urteil in der Rs. C-137/14 Folgendes festgehalten:

"90 Nach Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2010/75 ist davon auszugehen, dass die Umweltverbände über ein ausreichendes Interesse verfügen oder Rechte haben, die verletzt werden können, je nachdem, welche dieser Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen, C-115/09 , EU:C:2011:289, Rn. 40).

91 Es steht dem nationalen Gesetzgeber zwar frei, die

Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 geltend machen kann, auf subjektive Rechte zu beschränken, doch kann eine solche Beschränkung nicht als solche auf Umweltverbände angewandt werden, weil dadurch die Ziele dieser Vorschrift missachtet würden (vgl. in diesem Sinne Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen, C-115/09 , EU:C:2011:289, Rn. 45).

92 Deshalb müssen die Umweltverbände zwingend die

nationalen Rechtsvorschriften, die die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der Umwelt umsetzen, sowie die unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Umweltrechts der Union geltend machen können (vgl. in diesem Sinne Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen, C- 115/09 , EU:C:2011:289, Rn. 48)."

Diese Aussagen beziehen sich allgemein auf die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der Umwelt und somit auch auf sämtliche Verfahren im Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie 2011/92 .

16 Somit muss der mit § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 geschaffene Rechtsschutz von Umweltorganisationen im Feststellungverfahren unionsrechtskonform so ausgelegt werden, dass es einer eingetragenen Umweltorganisation möglich ist, dieselben Rechte geltend zu machen wie ein Einzelner. Daher kommt einer eingetragenen Umweltorganisation nach § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 das Recht zu, die Einhaltung solcher Umweltschutzvorschriften geltend zu machen, die nicht nur Interessen der Allgemeinheit, sondern auch Rechtsgüter des Einzelnen schützen, und deren Schutz vor Beeinträchtigung etwa auch durch den einzelnen Nachbarn als subjektiv-öffentliches Recht im Verfahren geltend gemacht werden kann.

17 Ausgehend davon war die Erstrevisionswerberin als anerkannte Umweltorganisation auch Partei des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und uneingeschränkt gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG revisionslegitimiert (vgl. hingegen zur eingeschränkten Revisionslegitimation einer Formalpartei nach UVP-G 2000 (Umweltanwalt) das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2015, Ro 2014/07/0079, mwN).

Zu den Zweit- bis 27. Revisionswerbern

18 Anderes gilt für die Zweit- bis 27. Revisionswerber: diese berufen sich in ihrer Beschwerde (nach der Aktenlage; im angefochtenen Erkenntnis finden sich hiezu keine Feststellungen) auf ihre Stellung als Teil der betroffenen Öffentlichkeit nach der UVP-Richtlinie. Dabei verweisen sie auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C- 570/13 "Gruber" und das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2015, 2015/04/0002.

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof (zur Rechtslage des UVP-G 2000 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/2016) bereits klargestellt, dass es, um der UVP-Richtlinie zu entsprechen, ausreichend ist, wenn ein zur betroffenen Öffentlichkeit im Sinne dieser Richtlinie gehörender Einzelner, der die Kriterien des nationalen Rechts in Bezug auf "ausreichendes Interesse" oder gegebenenfalls eine "Rechtsverletzung" erfüllt, die Möglichkeit hat, die Entscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, "im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten". Die Mitgliedstaaten können daher direkten Rechtsschutz ermöglichen oder den Rechtsschutz auf die Möglichkeit einer inzidenten Rüge in Zusammenhang mit einem Rechtsbehelf gegen eine Genehmigung beschränken. Aus § 3 Abs. 7 und 7a UVP-G 2000 in der Fassung BGBl. I Nr. 95/2013 geht eindeutig hervor, dass der österreichische Gesetzgeber Nachbarn weder ein Antragsrecht auf Einleitung eines solchen Feststellungsverfahrens, noch Parteistellung im Feststellungsverfahrens, noch ein Beschwerderecht einräumt. Die den Nachbarn eingeräumte Möglichkeit, die UVP-Feststellungsentscheidung im Rahmen eines gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten, stellt einen ungleich geringeren Eingriff in die innerstaatliche Rechtsordnung dar (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2016, Ro 2015/04/0026).

Wie die mitbeteiligte Partei zutreffend ausführt, ist die Novelle BGBl. I Nr. 4/2016 in der vorliegenden Rechtssache (auch unter Berücksichtigung der Übergangbestimmung des § 46 Abs. 6 UVP-G 2000) nicht anwendbar, weil der Feststellungsbescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht (nach der Aktenlage; im angefochtenen Erkenntnis finden sich hiezu keine Feststellungen) bereits am 1. Dezember 2015 (gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000) im Internet veröffentlicht wurde.

Somit fehlt den Zweit- bis 27. Revisionswerbern ein der Erstrevisionswerberin vergleichbares Beschwerderecht nach § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 und sind sie folglich im Gegensatz zu dieser auch nicht revisionslegitimiert.

Kumulation gleichartiger Vorhaben

19 In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten außerordentlichen Revision wird im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht, die Revision sei zulässig, weil das Verwaltungsgericht entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die kumulative Wirkung gleichartiger Vorhaben nicht berücksichtigt habe. Insbesondere habe es den räumlichen Zusammenhang nicht schutzgutbezogen beurteilt. Fallbezogen führt die Revision dazu aus, das Verwaltungsgericht habe die ausreichende Prüfung von kumulierenden Auswirkungen unterlassen, obwohl im Akt das Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz vorgelegen sei, dass die Möglichkeit dargestellt habe, dass vom gegenständlichen Projekt bei kumulierender Betrachtung sehr wohl eine Gefährdung für die Umwelt ausgehe.

20 Die Behörde hat im Fall einer Einzelfallprüfung nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 nur zu klären, ob mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. Wie derartige Auswirkungen zu beurteilen sind und ihnen entgegenzutreten ist, ist dem späteren Bewilligungsverfahren vorbehalten. Insofern stellt die Einzelfallprüfung also nur eine Grobbeurteilung eines Vorhabens dar. Dies entspricht auch den Vorgaben des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, wonach sich die Behörde, dann, wenn sie eine Einzelfallprüfung durchzuführen hat, hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken hat (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2016/07/0034, mwN).

Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob einzelne Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen, ist nach der hg. Judikatur, ob es durch die verschiedenen Eingriffe gleichartiger Vorhaben zu einer Überlagerung der Wirkungsebenen dieser Eingriffe im Sinn kumulativer und additiver Effekte kommen kann. Entscheidend ist jener Bereich, in dem sich die maßgeblichen Umweltauswirkungen der zu kumulierenden Vorhaben erwartungsgemäß überlagern werden, wobei der räumliche Zusammenhang schutzgutbezogen zu beurteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2015, 2012/05/0153, mwN).

21 In der vorliegenden Rechtssache hat das Verwaltungsgericht fallbezogen auf Grundlage des Akteninhaltes festgestellt, dass es auf Grund der Kumulierung von sieben näher bezeichneten Windparks zu keinen erheblichen Auswirkungen auf das Schutzgut Wald, die darin vorkommenden Tiere und Pflanzen sowie der Landschaft komme. Im Hinblick auf das Schutzgut Vögel führt das Verwaltungsgericht im Ergebnis aus, mit der Versuchsanlage Pack seien kumulative Effekte für näher bezeichnete Vogelarten zu erwarten. Ziehende Kleinvögel seien davon nicht betroffen. Erheblich schädigende oder belastende Auswirkungen seien unter Berücksichtigung der Vermeidungs-, Verminderungs- und Kompensationsmaßnahmen nicht zu erwarten.

In der Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht aus, die Feststellungen ergäben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den aufliegenden Stellungnahmen des Amtssachverständigen für Naturschutz, des nichtamtlichen Sachverständigen für Raumordnung und Ornithologie sowie des Amtssachverständigen für Forst.

Aus der Sicht des Fachbereiches Ornithologie seien die Projektunterlagen (naturschutzrechtliche Einreichunterlagen) im Wesentlichen vollständig, schlüssig und plausibel gewesen und für die Beurteilung von möglichen Umweltauswirkungen als ausreichend angesehen worden. Darauf aufbauend hätten die nichtamtlichen Sachverständigen schlüssig dargelegt, weshalb im Untersuchungsgebiet eine Kumulierung von Windparks, deren Abstände mehr als rund 10 Kilometer betragen würden, ausgeschlossen werden könne. Insbesondere seien kumulative Effekte, die erhebliche negative Auswirkungen auf die den Bereich des Projektgebietes durchziehenden Vogelarten erwarten ließen, auf Grund der großen Entfernungen zu den nächstgelegenen Windenergieanlagen bzw. Windparks für alle im Untersuchungsgebiet potentiell vorkommenden Vogelarten nicht wahrscheinlich.

22 Wenn die Erstrevisionswerberin dem in der Revision entgegenhält, es seien lediglich Windparkprojekte in einem zu kleinen Umkreis berücksichtigt worden, da die Errichtung von Windparks auf dem gesamten Höhenrücken dazu führe, dass Ausweichmöglichkeiten für Vogelarten wegfielen und deshalb die Errichtung eines weiteren Windparks weitaus größere Auswirkungen auf die Population und den Vogelzug habe, so gelingt es ihr nicht, eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Insbesondere wird keine durch das Verwaltungsgericht zu ergänzende Unvollständigkeit der im Verfahren vor der belangten Behörde eingeholten Gutachten dargetan. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht in nicht unvertretbarer Weise auf Grund der Aktenlage ausgeführt, die Gutachten seien im Wesentlichen vollständig, schlüssig und plausibel gewesen. Dass entgegen dieser Gutachten eine andere schutzgutbezogene Beurteilung des räumlichen Zusammenhanges im Rahmen der Kumulation mit gleichartigen Vorhaben erforderlich gewesen wäre, zeigt die Revision nicht substantiiert auf gleicher fachlicher Ebene auf.

Heranziehung nichtamtlicher Sachverständiger

23 Als weitere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung macht die Revision geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insoweit abgewichen, als es für die Zulässigkeit der Heranziehung von nichtamtlichen Sachverständigen § 3b UVP-G 2000 herangezogen habe, der im Zeitpunkt der Durchführung des Verfahrens vor der belangten Behörde noch nicht in Kraft gestanden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfe jedoch eine Änderung von Verfahrensregelungen während eines laufenden Verfahrens nicht auf bereits gesetzte Verfahrenshandlungen angewendet werden (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2012, 2008/17/0137, mwN).

24 Die behauptete Abweichung liegt entgegen dem Vorbringen der Revision nicht vor, weil das Verwaltungsgericht die Heranziehung auch damit begründet hat, dass der nichtamtliche Sachverständige bereits in einem Parallelverfahren betreffend einen näher bezeichneten Windpark mit der Begutachtung betraut gewesen sei und somit über entsprechende Vorkenntnisse verfügt habe. Mit dieser Begründung kann das Verwaltungsgericht ausreichend dartun, dass die Heranziehung des nichtamtlichen Sachverständigen gemäß § 52 Abs. 2 AVG mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2007, 2006/05/0087, in dem der Verwaltungsgerichtshof diesen Tatbestand in einem Fall als erfüllt angesehen hat, in dem ein nichtamtlicher Sachverständiger, der mit der Erstellung der Grundlagen für die Bebauungsrichtlinien im Ortskern beauftragt gewesen sei und daher über eine besondere Kenntnis des räumlichen Entwicklungskonzeptes verfügt habe, mit der Begutachtung eines Bauvorhabens in diesem Ortskern beauftragt wurde).

Verhandlungspflicht

25 Zuletzt behauptet die Revision als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, das Verwaltungsgericht habe trotz Antrag keine mündliche Verhandlung durchgeführt und sei damit von entsprechender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

26 Im vorliegenden Fall stützte das Verwaltungsgericht den Entfall der mündlichen Verhandlung auf die Begründung, der Sachverhalt sei aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen, sodass das Verwaltungsgericht nach Einsicht in den Verfahrensakt der UVP-Behörde auf Grund des schriftlichen Beschwerdevorbringens entscheiden habe können. Damit wird § 24 Abs. 4 VwGVG angesprochen.

27 Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen.

28 Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" im Sinne des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. August 2016, Ra 2014/05/0058, mwN).

29 Im vorliegenden Fall geht es um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2016, Ro 2015/04/0026, mwN).

30 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es zum Entfall der Verhandlungspflicht, wenn Verfahrensgegenstand nur die Lösung einer Rechtsfrage ist, weil Gegenstand des Verfahrens nicht die Klärung einer Tatfrage, sondern einer Rechtsfrage ist (vgl. den hg. Beschluss vom 11. März 2016, Ra 2016/11/0025, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. iZm § 24 Abs. 4 VwGVG den hg. Beschluss vom 26. April 2016, Ra 2016/03/0038, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz. 97 ff, und weitere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Der EGMR hat auch dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche Fragen betrifft (vgl. iZm § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2016, Ro 2014/03/0067, mit Verweis auf EGMR vom 18. Juli 2013, Nr 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz. 97 ff). Erst jüngst hat der EGMR wiederum betont, dass der Entfall der Verhandlung mit außergewöhnlichen Umständen begründet werden kann, wenn das Verfahren ausschließlich Rechtsfragen ("exclusively legal questions") betrifft (vgl. das Urteil des EGMR vom 8. November 2016, Nr. 64160/11, Pönkä, Rz. 32).

So hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung eines Verwaltungsgerichtes, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen zu können, weil der Verwaltungsakt erkennen lasse, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse, nicht beanstandet, weil eine rein rechtliche Beurteilung maßgeblich war. Ausgehend davon stand auch Art. 47 Abs. 2 GRC dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen (vgl. den hg. Beschluss vom 19. April 2016, Ro 2015/22/0004, mwN).

31 Die Revision begründet das Vorliegen der Verhandlungspflicht in der vorliegenden Rechtssache damit, mehrere Punkte ihrer Beschwerde beschäftigten sich nicht mit bloßen formalen Rechtsfragen, sondern setzten eine Ergänzung des Sachverhaltes und insbesondere der Gutachten voraus. Dies habe das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen und auf die Erörterung dieser Themen verzichtet. Das Verwaltungsgericht habe es verabsäumt, eine Ergänzung der Gutachten durch Amtssachverständige einzuholen.

Nach Auffassung der Revision sei jedenfalls nicht auszuschließen, dass Amtssachverständige zu einem anderen Gutachten gekommen wären, insbesondere was die kumulierenden Auswirkungen auf die Vogelwelt und die Landschaft betreffe. Die Verwaltungsbehörde habe dagegen Sachverständige herangezogen, die zur Prüfung gar nicht berechtigt gewesen seien. Daher wäre es Aufgabe des Verwaltungsgerichtes gewesen, das Gutachten der mitbeteiligten Partei durch ein ergänzendes Gutachten eines Amtssachverständigen einer Prüfung zu unterziehen.

32 Die von der Erstrevisionswerberin mit diesem Vorbringen behauptete notwendige Ergänzung von Gutachten durch Amtssachverständige beruht auf deren Auffassung, die Heranziehung nichtamtlicher Sachverständiger sei im Verfahren vor der belangten Behörde zu Unrecht erfolgt. Zu diesem Vorbringen ist auf das oben Gesagte zu verweisen. Diese Rechtsfrage wurde vom Verwaltungsgericht wie dargelegt in nicht rechtswidriger Weise beurteilt. Davon ausgehend stellten sich auch die von der Revision behaupteten sachverhaltsbezogenen Fragen nicht.

33 Im Übrigen wird mit diesem unbestimmten Vorbringen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt (vgl. etwa auch den hg. Beschluss vom 28. April 2016, Ra 2016/07/0030). Insbesondere wird keine durch das Verwaltungsgericht zu ergänzende Unvollständigkeit der im Verfahren vor der belangten Behörde eingeholten Gutachten dargetan. Ergebnis

34 Die Revision der Zweit- bis 27. Revisionswerber war wegen fehlender Revisionslegitimation gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

35 In der Revision der Erstrevisionswerberin werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen. Aufwandersatz

36 Dem von der mitbeteiligten Partei gestellten Antrag auf Aufwandersatz war nicht stattzugeben, weil die von ihr erstattete Revisionsbeantwortung nicht vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 1 VwGG aufgetragen wurde (vgl. den hg. Beschluss vom 29. April 2015, Ra 2015/03/0018, mwN).

Wien, am 21. Dezember 2016

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