Bgld. Kanalanschlußgesetz 1989 §2 Abs4
VwGVG §8 Abs1
AVG §73 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGBU:2021:E.G02.09.2020.001.004
Zahl: E G02/09/2020.001/004 Eisenstadt, am 29.04.2021
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Burgenland erkennt durch seinen Richter Mag. Leitner über die Beschwerde von Herrn BF, wohnhaft in ***, ***, vertreten durch Herrn Dr. RA, Rechtsanwalt in ***, vom 18.11.2020, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den am 20.10.2019 bei der Gemeinde *** eingebrachten Devolutionsantrag wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bürgermeister der Gemeinde *** aufgrund des Antrags des Beschwerdeführers nach § 2 Abs. 4 Burgenländisches Kanalanschlußgesetz 1989 vom 10.04.2019,
zu Recht:
I. Der Antrag des Beschwerdeführers nach § 2 Abs. 4 Burgenländisches Kanalanschlußgesetz 1989 vom 10.04.2019 wird als unzulässig zurückgewiesen.
II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Verfahrensverlauf, Sachverhalt:
Am 10.04.2019 brachte Herr BF, ***, ***, bei der Gemeinde *** einen Antrag gemäß § 2 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlußgesetz aufgrund von nachteiligen Auswirkungen der Versickerung oder Verrieselung von Oberflächenwasser ein.
In dem Antrag wird ausgeführt, der Antragsteller sei Eigentümer der Liegenschaft EZ ***, KG ***, Grundstücksadresse ***, ***. Unmittelbar links von der *** aus gesehen, an sein Grundstück angrenzend, würden sich die Grundstücke der Antragsgegner, EZ ***, KG ***, Adresse ***, ***, mit Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude, sowie nachgelagert das GrSt. Nr. ***, das als Weingarten genutzt werde, befinden.
Die Eltern des Antragstellers hätten gemäß Einreichplan vom 30.11.1981 auf ihrem Grundstück ein Wohnhaus errichtet. Die Grundwassertiefe sei mit 20 m unter der Erdoberfläche angegeben worden, sodass eine horizontale Abdichtung nicht angebracht worden sei. Eine vertikale Abdichtung mit Flämmpappe liege vor. Über einen Zeitraum von 30 Jahren nach Errichtung des Einfamilienhauses sei es zu keinem Feuchtigkeitseintritt in die Kellerräumlichkeiten des Wohnhauses gekommen. In den Jahren 2008 bis 2011 hätten die Antragsgegner erstmals Geländeveränderungen in ihrem Weingarten, Grst. Nr. ***, durchgeführt.
Sodann sei im Frühjahr 2012 durch die Antragsgegner direkt an der Grundgrenze eine Mulde geschaffen worden, die dazu geführt habe, dass das Wasser unter einer vom Antragsteller errichteten Schutzmauer hindurch gedrückt worden sei. Dies verursache einen erheblichen Feuchtigkeitsanstieg im Erdbereich der Liegenschaft des Antragstellers. Rezent seien wiederrum Geländeveränderungen durchgeführt und auf dem Wohngrundstück ein Überlaufbiotop geschaffen worden, um den Wasseranfall auf dem hinteren Teil der Liegenschaft (Wirtschaftsgebäude) zu reduzieren. Weiters bringe die übliche Bewirtschaftung des angrenzenden Weingartens mit sich, dass in diesen, sukzessive Bewirtschaftungsmaßnahmen (Rodung und Neuaussetzung, Erdlockerungsmaßnahmen, Neuausrichtung der Rebenreihen etc.) und hiermit einhergehende Geländeveränderungen gesetzt würden.
Aufgrund all dieser Maßnahmen würden Oberflächenwässer vom Grundstück der Antragsgegner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über die Betonsohle des Wohnhauses des Antragstellers in den Keller der Wohnräumlichkeiten eindringen. Dazu sei ein Beweissicherungsgutachten der Sachverständigen AA OG eingeholt worden. Die Schaffung des Überlaufbiotops, das nicht an die Kanalisation angeschlossen sei, wirke sich ebenso negativ auf das Grundstück des Antragstellers aus. Aufgrund der niedrigen Versickerungsfähigkeit des Bodens ab einer Tiefe von 2 bis 1,7 m würden Durchfeuchtungsschäden auftreten, die auf die Speicherung des Wassers in stark undurchlässigem Lehmboden zurückzuführen sei.
Das führe zur Bildung von Schichtenwasser, was zu einer verstärkten Durchfeuchtung des Bodens führe. Der Sachverständige DI BB konstatiere, dass dieses Schichtenwasser sich aus episodisch versickerten Oberflächenwässern bilde, die aus dem Hangwasser aus einem größeren Einzugsgebiet, das dem benachbarten Grundstück nahe oder direkt an der Grundstücksgrenze gelegen sei, abgeleitet werde. Bei Hangwasser handle es sich wissenschaftlich um eine besondere Form von Hochwasser. Bei intensiven Niederschlägen komme es innerhalb kurzer Zeit zu Abflüssen aus Hangflächen. Die ständigen Geländeveränderungen seien ursächlich dafür, dass die Wirkung des abfließenden Hangwassers verstärkt werde.
Aufgrund von zwei unabhängigen und zeitversetzten Beweissicherungsgutachten sei nachgewiesen, dass nachteilige Auswirkungen einer Versickerung und Verrieselung bestehen würden, die auf die nicht ausreichende Entwässerungssituation auf den Grundstücken der Antragsgegner zurückzuführen seien. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass im Zuge der zweiten Baukommissionierung der Gemeinde durch die sachverständigen Baumeister CC und DI DD festgehalten worden sei, dass zur Abschwächung der Ableitsituation zwischen den Grundstücken die Antragsgegner laut dem damaligen Stand der Technik zumindest drei Versickerungsschächte auf ihrem Grundstück hätten errichten müssen.
Der Causa wohne ein seit 2008 anhaltender Nachbarschaftsstreit inne. 2011 habe man versucht, den Lauf des Niederschlagswassers zu den Hausgrundstücken durch Einbau eines Rigols am Grundstück der Antragsgegner zu verhindern, was aber nicht ausgereicht habe. Die Entwässerungssituation am Grundstück der Antragsgegner entspreche nicht dem Stand der Technik.
Zum anhängigen Verwaltungsverfahren über die Anschlussverpflichtung sei festzuhalten, dass nicht die Frage etwaiger Immissionen von Oberflächenwässern Verfahrensgegenstand sei. In casu trete vielmehr eine Vernässung und / oder Unterwaschung des Grundstücks des Antragstellers aufgrund der begünstigenden Bodenmechanik durch den nicht ausreichenden Anschluss der Liegenschaften der Antragsteller an das öffentliche Kanalsystem ein. Die Grundflächen der Antragsgegner seien nicht ausreichend, um anfallende Wassermengen zur Versickerung und Verrieselung zu bringen.
Die Feuchtigkeitsschäden würden sich durch Schimmelbildung manifestieren. Es sei Gefahr im Verzug gegeben, wodurch ein sofortiges Tätigwerden der Behörde unbedingt notwendig sei. Der Antragsteller behalte sich einen Devolutionsantrag und eine Säumnisbeschwerde vor. Alle gesetzlichen Tatbestandselemente für die Untersagung einer Versickerung und Verrieselung auf den Grundstücken des Antragstellers seien gegeben und habe in Folge die zuständige Kanalanschlussbehörde die Anschlussverpflichtung der Grundstücke des Antragstellers zu verfügen.
Der Antragsteller stellt den Antrag, die Versickerung und Verrieselung von Oberflächenwasser auf der Liegenschaft EZ ***, KG ***, Grundstücksadresse: ***, ***, mit der Grst. Nr. ***, KG ***, mit Bescheid zu untersagen und die Anschlusspflicht an die öffentliche Kanalisation zu verfügen.
Am 20.10.2019 brachte der Antragsteller im Gemeindeamt *** einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bürgermeister als Behörde 1. Instanz beim Gemeinderat von *** ein.
In diesem Devolutionsantrag wird ausgeführt, dass die Entscheidungspflicht aufgrund des am 09.04.2019 zur Post gegebenen Antrags an diesem Tag zu laufen begonnen habe. Die erstinstanzliche Behörde habe gemäß § 73 AVG ohne unnötigen Aufschub innerhalb von sechs Monaten ein Überprüfungsverfahren einzuleiten und mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden. Innerhalb dieser Frist habe der Bürgermeister keinen Bescheid erlassen. Der Antragsteller verfüge als Nachbar, der eine nachteilige Auswirkung einer Versickerung auf sein Eigentum behaupte, gemäß § 2 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlußgesetz über Parteistellung und deshalb über einen Erledigungsanspruch. Er sei deshalb zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht legitimiert.
Die Säumnis gehe auf Verschulden des Bürgermeisters zurück. Der Antragsteller habe ein umfangreiches Vorbringen erstattet und als Beweismittel zwei Gutachten vorgelegt, in denen die nachteiligen Auswirkungen nachgewiesen würden. Es handle sich beim gegenständlichen Verfahren primär um eine Sachverständigenfrage. Die Behörde bleibe einen konzisen Grund, warum sie keinen Sachverständigen mit der Befundung befasst habe, schuldig. Es sei kein formelles Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Die erstinstanzliche Behörde behaupte auch keinen Grund, der ihre Entscheidungspflicht realiter hemmen würde. Das überwiegende Verschulden an der Nichtentscheidung liege daher unstrittig beim Bürgermeister.
Der Antragsteller stellte den Antrag, der Gemeinderat müsse an Stelle des Bürgermeisters über den Antrag gemäß § 2 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlußgesetz entscheiden.
Ein Tätigwerden des Gemeinderats als Behörde 2. Instanz ist dem vorliegenden Verfahrensakt für den Zeitraum 20.10.2019 bis 17.07.2020 nicht zu entnehmen.
Der Antragsteller brachte im Gemeindeamt von *** eine mit 17.07.2020 datierte Säumnisbeschwerde ein. Ein Vermerk über den tatsächlichen Eingang der Beschwerde liegt nicht vor.
In dieser wird ausgeführt, dass am 05.04.2019 ein Antrag auf Durchführung eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 2 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlußgesetz gestellt worden sei. Der Antrag sei am 09.04.2019 übersendet worden und sei dem Gemeindeamt daher spätestens am 12.04.2019 vorgelegen. Bis zum heutigen Tag sei von der zuständigen Kanalanschlussbehörde erster Instanz weder ein Überprüfungsverfahren eingeleitet noch sonst in irgendeiner Weise reagiert worden.
In der Folge habe der Antragsteller am 17.10.2019 einen Devolutionsantrag gestellt, in welchem er den Übergang der Zuständigkeit des Bürgermeisters der Gemeinde *** an den Gemeinderat der Gemeinde begehrt habe. Dieser sei am 18.09.(sic)2019 zur Post gegeben worden und spätestens am 21.09.(sic)2019 bei der Gemeinde eingelangt. Wiederum sei die Behörde zweiter Instanz ihrer Entscheidungspflicht nicht nachgekommen, sodass nunmehr Säumnisbeschwerde erhoben werde.
Die Entscheidungsfrist habe nach Zustellung des Devolutionsantrags mit 21.09.(sic)2019 zu laufen begonnen. Dieser sei bei der zuständigen Behörde eingebracht worden. Die Entscheidungsfrist betrage sechs Monate. Diese Frist sei abgelaufen. Berücksichtigt sei bei der Berechnung auch die COVID-19 Fristunterbrechung gemäß COVID-19 VwBG vom 24.03.2020 (BGBl. I Nr. 16/2020). § 2 Abs. 1 Z. 2 dieser Norm statuiere, dass sämtliche Entscheidungsfristen von 22.03.2020 bis 20.04.2020 gehemmt seien. Am 21.03.2020 seien bereits fünf Monate der Entscheidungsfrist verstrichen gewesen. Diese habe sohin am 01.06.2020 geendet.
Zusätzlich werde gemäß § 2 Abs. 1 COVID-19 VwBG zu Gunsten der belangten Behörde im Anwendungsbereich der Z. 2 die jeweilige Entscheidungsfrist um sechs Wochen, wenn sie jedoch weniger als sechs Wochen betrage, im Ausmaß der Entscheidungsfrist selbst verlängert. Daraus ergebe sich, dass die Entscheidungsfrist am 13.07.2020 abgelaufen sei. Der Antragsteller verfüge als Nachbar, der eine nachteilige Auswirkung einer Versickerung auf sein Eigentum behaupte, gemäß § 2 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlußgesetz ausdrücklich über Parteistellung und habe deshalb einen Erledigungsanspruch. Die Behauptung einer nachteiligen Auswirkung sei ausreichend. Der Nachbarbegriff richte sich analog zu § 21 Bgld. BauG.
Die Säumnis gehe auf überwiegendes Verschulden des Bürgermeisters zurück. Der Antragsteller habe ein umfangreiches Vorbringen zu den nachteiligen Auswirkungen erstattet und Beweismittel vorgelegt, die diese Auswirkungen nachweisen würden. Es handle sich bei diesem Verfahren materiell primär um eine Sachverständigenfrage. Einen schlüssigen Grund, warum die Behörde bis dato keinen Sachverständigen befasst habe, gebe es nicht. Es sei bis dato kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dem Antragsteller sei nie mitgeteilt worden, warum die Behörde untätig geblieben sei.
Der Beschwerdeführer stellt daher an das Landesverwaltungsgericht die Anträge, über den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlußgesetz – nach Verfahrensergänzung und Durchführung eines ordentlichen Beweisverfahrens in der Sache selbst zu entscheiden, in eventu, sein Erkenntnis, vorerst auf die Entscheidung einzelner, maßgeblicher Rechtsfragen zu beschränken und der belangten Behörde aufzutragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.
Diese Säumnisbeschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht vom Bürgermeister der Gemeinde *** am 16.11.2020 vorgelegt. Mit der Beschwerde wurden der Verfahrensakt und ein Gutachten der EE GmbH vom 16.10.2020 vorgelegt.
Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde.
Rechtliche Beurteilung:
Säumnisbeschwerde gemäß § 8 VwGVG:
Gemäß Artikel 130 (1) Z. 3 BVG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Die in diesem Verfahren heranzuziehenden Bestimmungen des VwGVG lauten:
§ 8:
„(1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:
1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;
2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.“
§ 16:
„(1) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen.
(2) Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.“
§ 73 AVG lautet:
„(1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2b) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.
(2) Wird ein Bescheid, gegen den Berufung erhoben werden kann, nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Berufungsbehörde über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Berufungsbehörde einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
(3) Für die Berufungsbehörde beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen.“
Gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG ist die Beschwerde abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Der Begriff des Verschuldens der Behörde ist nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern „objektiv“ zu verstehen, als ein solches „Verschulden“ dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war.
Der vorliegende Antrag gemäß § 2 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlußgesetz langte am 10.04.2019 bei der Behörde erster Instanz ein. Die Entscheidungsfrist betrug gemäß § 73 Abs. 1 AVG sechs Monate. Dem Kanalanschlußgesetz sind keine Bestimmungen über die Entscheidungsfrist zu entnehmen.
Der Bürgermeister von *** als Behörde 1. Instanz erließ keinen Bescheid, dem Verfahrensakt der Behörde sind auch keine Ermittlungsschritte der Behörde 1. Instanz zu entnehmen. Die Entscheidungsfrist lief am 10.10.2019 ab.
Am 20.10.2019 brachte der nunmehrige Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG beim Gemeinderat von *** als Behörde 2. Instanz ein. Mit dem Einlangen dieses Devolutionsantrags ging die Zuständigkeit zur Erledigung des Antrags vom 10.04.2019 auf den Gemeinderat von *** über (§ 73 Abs. 2 AVG).
Der Gemeinderat von *** als Baubehörde 2. Instanz erließ in der Folge keinen Bescheid, der den Antrag vom 10.04.2019 erledigte.
Die Entscheidungsfrist aufgrund des Devolutionsantrags vom 20.10.2020 wäre nach der vor dem 22.03.2020 geltenden Rechtslage am 20.04.2020 abgelaufen.
Nach der Verfassungsbestimmung des § 6 Abs. 1 erster Satz COVID-19-VwBG sind auf Verfahren der Verwaltungsgerichte die §§ 1 bis 5 dann sinngemäß anzuwenden, wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das AVG anzuwenden ist. Dies trifft gemäß § 17 VwGVG auf Beschwerdeverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG zu.
Gemäß § 1 Abs. 1 COVID-19-VwBG werden in anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (wie das AVG) anzuwenden sind, alle Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen waren, bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen. Diese Regelung trat gemäß § 9 Abs. 3 COVID-19-VwBG in der Fassung des 4. COVID-19-Gesetzes, https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2020/24 , am 22.03.2020 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidungsfrist der Behörde über das naturschutzrechtliche Ansuchen der Beschwerdeführerin, welche am 27.03.2020 geendet hätte, noch nicht abgelaufen. Auf das Verfahren des Gemeinderats als Behörde 2. Instanz ist das AVG anzuwenden.
§ 2 Abs. 1 COVID-19-VwBG in der Fassung https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2020/24 bestimmt , dass die Zeit vom 22.03.2020 bis zum Ablauf des 30.04.2020 in Entscheidungsfristen und Verjährungsfristen nicht eingerechnet wird.
Gemäß § 2 Abs. 1 letzter Satz COVID-19-VwBG verlängert sich im Anwendungsbereich der Z. 2 die jeweilige Entscheidungsfrist um sechs Wochen. Am 16.11.2020 legte der Bürgermeister von *** die oben wiedergegebene mit 17.07.2020 datierte Säumnisbeschwerde dem Landesverwaltungsgericht vor. Der Säumnisbeschwerde ist eine gutachterliche Stellungnahme der EE GmbH angeschlossen. Ob diese im Auftrag der Behörde erstellt wurde, ist nicht ersichtlich.
§ 2 Abs. 1 COVID-19-VwBG in der Fassung des 4. COVID-19-Gesetzes modifiziert die Entscheidungsfrist im vorliegenden Fall in zweifacher Hinsicht: Zum einen wird gemäß § 2 Abs. 1 COVID-19-VwBG die Zeit vom 22.03.2020 bis zum Ablauf des 30.04.2020 in die sechsmonatige Entscheidungsfrist nicht eingerechnet. Diese Anordnung führt zu einer Erstreckung der Frist um 40 Tage bis zum Ablauf des 27.05.2020. Zum anderen wird gemäß § 2 Abs. 1 letzter Satz COVID-19-VwBG die Entscheidungsfrist und zwar – weil sie sechs Monate und somit nicht weniger als sechs Wochen beträgt – um sechs Wochen, gerechnet ab dem 27.05.2020, verlängert. Daraus ergibt sich ein Ende der Entscheidungsfrist mit Ablauf des 08.07.2020.
Die Säumnisbeschwerde wurde am 20.07.2020 und somit nach Ablauf der Entscheidungsfrist des Gemeinderats eingebracht. Der Gemeinderat hatte in der Folge die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von drei Monaten, also bis zum 20.10.2020, einen Bescheid zu erlassen (§ 16 Abs. 1 VwGVG).
Am 16.11.2020 legte der Bürgermeister von *** die oben wiedergegebene mit 17.07.2020 datierte Säumnisbeschwerde dem Landesverwaltungsgericht vor. Der Beschwerde ist eine gutachterliche Stellungnahme der EE GmbH angeschlossen. Ob diese im Auftrag der Behörde erstellt wurde, ist nicht ersichtlich.
Die Säumnisbeschwerde ist berechtigt, die Verzögerung ist auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen.
Antrag gemäß § 2 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlußgesetz:
§ 2 Bgld. Kanalanschlußgesetz 1989 https://apps.bgld.gv.at/web/landesrecht.nsf/0/475C4FF011D2617FC1257E9800376B15/ $FILE/16 Stück 1990.pdf?Open idF. https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Lgbl&Lgblnummer=80/2013&Bundesland=Burgenland&BundeslandDefault=Burgenland&FassungVom=&SkipToDocumentPage=True lautet:
„Anschlußpflicht
(1) Die Eigentümer von Anschlußgrundflächen sind verpflichtet, die Abwässer (Schmutzwässer oder Niederschlagswässer) nach Maßgabe des Anschlußverpflichtungsbescheides des § 3 in die bewilligte öffentliche Kanalisationsanlage (§ 32 des Wasserrechtsgesetzes 1959) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes einzuleiten. Sind Eigentümer der Anschlußgrundfläche und Eigentümer eines auf dieser Grundfläche befindlichen Baues oder sonstigen Anlage verschiedene Personen, trifft diese Verpflichtung den Eigentümer des Baues oder der sonstigen Anlage.
(2) Diese Verpflichtung besteht nicht
1. für Grundflächen, die dem öffentlichen Verkehr dienen,
2. für unbebaute Anschlußgrundflächen, wenn darauf keine
Schmutzwässer anfallen und die Niederschlagswässer ohne nachteilige Auswirkungen und ohne Anlagen auf eigenem Grund versickern oder verrieseln können,
3. für Bauten, bei denen nur Niederschlagswässer anfallen, die ohne nachteilige Auswirkungen zur Gänze versickern oder verrieseln können. Bauten im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die mit Bauten, bei denen auch Schmutzwässer anfallen, nicht in Verbindung stehen oder im Falle des Abbruches der anderen Bauten für sich allein bestehen könnten,
….
(3) Über Ansuchen des Eigentümers der Anschlußgrundfläche, des Baues, der sonstigen Anlage oder des für die Verwaltung der öffentlichen Verkehrsfläche zuständigen Organes ist diesem jedoch der Anschluß zu bewilligen, auch wenn auf Grund des Abs. 2 keine Anschlußpflicht besteht.
(4) Wenn die Gefahr einer nachteiligen Auswirkung einer Versickerung oder Verrieselung nach Abs. 2 Z 2 oder 3 besteht, ist von der Behörde eine Überprüfungsverfahren durchzuführen. In diesem Verfahren kommt auch einem Nachbarn, der eine nachteilige Einwirkung auf sein Eigentum behauptet, Parteistellung zu. Wenn sich nach Aufnahme eines Sachverständigengutachtens ergibt, daß sich die Grundfläche für eine Versickerung oder Verrieselung nicht eignet oder eine nachteilige Einwirkung auf Bauten oder Grundflächen durch Vernässerung oder Unterwaschung besteht oder zu erwarten ist, ist mit Bescheid die Versickerung oder Verrieselung zu untersagen und die Anschlußverpflichtung zu verfügen.“
Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 Bgld. Kanalanschlußgesetz besteht für unbebaute Anschlußgrundflächen, wenn darauf keine Schmutzwässer anfallen und die Niederschlagswässer ohne nachteilige Auswirkungen und ohne Anlagen auf eigenem Grund versickern oder verrieseln können, keine Anschlusspflicht.
Wenn die Gefahr einer nachteiligen Auswirkung einer Versickerung oder Verrieselung nach Abs. 2 Z. 2 Bgld. KanalanschlußG besteht, ist von der Behörde ein Überprüfungsverfahren durchzuführen.
In diesem Verfahren kommt auch einem Nachbarn, der eine nachteilige Einwirkung auf sein Eigentum behauptet, Parteistellung zu.
Wenn sich nach Aufnahme eines Sachverständigengutachtens ergibt, dass sich die Grundfläche für eine Versickerung oder Verrieselung nicht eignet oder eine nachteilige Einwirkung auf Bauten oder Grundflächen durch Vernässerung oder Unterwaschung besteht oder zu erwarten ist, ist mit Bescheid die Versickerung oder Verrieselung zu untersagen und die Anschlußverpflichtung zu verfügen.
§ 2 Abs. 4 Bgld. KanalanschlußG besteht seit der Erlassung des Gesetzes mit LGBl. Nr. 27/1990 unverändert. Aus den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung ergibt sich Folgendes:
„Zu § 2 Abs. 2 Z. 3 und Abs. 4: Die Tatsache, daß derzeit für einzelne zum Teil auch unbenützte Gebäude (z.B. Scheunen, Schuppen), wo nur Dachwässer anfallen, Anschlußpflicht besteht, hat zu Härten und fallweise zum Abbruch solcher für die Erhaltung des ländlichen Ortsbildes bedeutenden Objekte geführt. Außerdem entspricht eine vollständige Einleitung der Niederschlagswässer in die öffentliche Kanalisationsanlagen nicht dem Stand der Technik. Durch § 2 Abs. 2 Z. 3 sollen nun solche Gebäude von der Anschlußpflicht ausgenommen sein, wenn die Niederschlagswässer ohne nachteilige Auswirkungen zur Gänze versickern können. Damit werden nicht nur die bestehenden Kanalisationsanlagen entlastet. Neue Kanalisationsanlagen können kleiner und kostengünstiger dimensioniert werden und den Gärten wird auch teilweise das für die Erhaltung der Bodenfeuchte erforderliche Wasser ohne Inanspruchnahme von Trinkwasser zugeführt. Um einen großen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, wurde für die Versickerung eine Bewilligungspflicht nicht vorgesehen. Wenn jedoch durch eine Versickerung nachteilige Einwirkungen bestehen oder zu erwarten sind, hat die Behörde gemäß § 2 Abs. 4 die Versickerung zu untersagen und die Anschlußverpflichtung zu verfügen. In einem solchen Verfahren, in dem auch betroffene Nachbarn Parteistellung haben, darf von der Aufnahme eines Sachverständigengutachtens nicht abgesehen werden.“
Das Recht, die Entscheidungspflicht durch Devolutionsantrag geltend zu machen, setzt gemäß https://rdb.manz.at/document/1109_3_avg_p0073Parteistellung in jenem Verfahren voraus , in welchem dieser Antrag gestellt wird. Die Frage der Parteistellung im Verfahren bildet, weil es nur der Partei zusteht, einen Devolutionsantrag einzubringen, eine für die Hauptfrage der Zulässigkeit des Antrags entscheidungswesentliche Vorfrage.
Sowohl aus § 8 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG 2014 als auch aus § 73 Abs. 1 erster Satz AVG ergibt sich, dass die Entscheidungspflicht der Behörde nur durch einen bei der zuständigen Behörde eingelangten Antrag einer zur Stellung dieses Antrags berechtigten Partei begründet werden kann. Voraussetzung für die Berechtigung zur Erhebung der Säumnisbeschwerde ist somit das Vorliegen eines der Entscheidungspflicht der Behörde unterliegenden und noch nicht erledigten Antrags des Antragstellers (VwGH vom 6. April 2016, Fr 2015/03/0011; vgl. auch VwGH vom 23. September 1988, 88/17/0146). Sie kann weiters nur erhoben werden, wenn der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf die bescheidmäßige Erledigung seines unerledigt gebliebenen Begehrens hat (siehe dazu auch VwGH vom 29. Februar 1988, 88/12/0028); (VwGH 03.05.2017, Ro 2016/03/0027). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, 934, 1223/73, VwSlg 9458 A/1977, ausgesprochen, dass ein Antragsteller, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde auch dann berechtigt ist, wenn die Entscheidung nur in einer Zurückweisung bestehen kann.
Der Erledigungsanspruch setzt zwar die Parteistellung iSd https://rdb.manz.at/document/1109_3_avg_p0073?execution=e2s1 voraus, ist aber davon zu trennen. Nicht alle Parteien eines Verfahrens haben einen Anspruch gegenüber der Behörde, dass diese fristgerecht mit Bescheid entscheidet. Es ist möglich, dass eine Person in einem Verfahren zwar Parteistellung, aber kein Antragsrecht und keinen Erledigungsanspruch hat (VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0007; 8. Juni 1988, 88/03/0004, mwH). Insbesondere in amtswegig eingeleiteten Verfahren besteht regelmäßig gegenüber keiner Partei eine Entscheidungspflicht der Behörde (VwSlg 10.758 A/1982; https://rdb.manz.at/document/1109_3_avg_p0073?execution=e2s1 ; https://rdb.manz.at/document/1109_3_avg_p0073?execution=e2s1 ; Hengstschläger, Leeb: AVG, RZ 12 und 23 zu § 73). Ein zulässiger Devolutionsantrag kann von jeder Partei, die in einem Verfahren einen Erledigungsanspruch hat, gestellt werden. Ob eine Partei einen Erledigungsanspruch besitzt, ist den materiellen und prozessualen Vorschriften zu entnehmen (VwGH 28.01.1992, 90/07/0047).
Vermeint die Behörde, dass keine Sachentscheidung zu fällen ist, so trifft sie dennoch eine Entscheidungspflicht insofern, als sie den Antrag bescheidförmig zurückzuweisen hat (vgl. hiezu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Anm. 3 zu § 73 AVG, S. 1619). Dies gilt jedoch nicht in Fällen, in denen jemand ohne Rechtsanspruch und ohne rechtliches Interesse die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nimmt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0193). War das der Erledigung zu Grunde liegende Anbringen als ein förmlicher Parteiantrag aufzufassen, dann hat die Behörde nach § 73 AVG unter allen Umständen auch einen förmlichen Bescheid im Sinne der §§ 56 ff AVG zu erlassen, wobei ein solcher Bescheid gegebenenfalls auch bloß dahin lauten kann, dass der Partei der erhobene Anspruch auf einen in die Sache selbst eingehenden Bescheid nicht zusteht (VwGH 12.10.2007, 2007/05/0017).
Aus dem klaren Wortlaut des ersten Satzes des § 2 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlußgesetz ergibt sich, dass die Behörde, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ein Überprüfungsverfahren durchzuführen hat. Die Behörde hat daher von Amts wegen tätig zu werden. In diesem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren haben die Nachbarn Parteistellung.
Das Bgld. Kanalanschlußgesetz regelt die Verpflichtung der Gebietskörperschaften Abwässer im öffentlichen Interesse zu entsorgen. Dieses öffentliche Interesse ist die Kernintention des Gesetzes. Die Eigentümer von Anschlußgrundflächen sind verpflichtet, Schmutzwässer oder Niederschlagswässer in öffentliche Kanalisationsanlagen einzuleiten. Das Gesetz regelt grundsätzlich nicht das Verhältnis von Grundeigentümern zueinander. Lediglich im Rahmen einer einzigen Ausnahmebestimmung wird auf den Nachbarn eines Grundeigentümers, der in diesem Fall von der Behörde zum Anschluss verpflichtet werden kann, Bezug genommen. Auch das Verfahren nach § 2 Abs. 4 Bgld. KanalanschlußG ist ein Verfahren, das in erster Linie öffentlichen Interessen dient. Das kommt in den Erläuterungen klar zum Ausdruck: Der Gesetzgeber nimmt Flächen, auf denen nur Niederschlagswässer anfallen, aus mehreren Gründen (Landschaftsbild, Entlastung der Anlagen, Trinkwasserschutz, Verwaltungsvereinfachung) von der Anschlusspflicht aus. Nur wenn die Gefahr einer nachteiligen Auswirkung besteht, ist ein Verfahren durchzuführen und gegebenenfalls die Anschlussverpflichtung zu verfügen. Auch in diesem Verfahren steht das öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Entsorgung von Abwässern im Mittelpunkt.
Aus der Systematik des Gesetzes ergibt sich, dass die Behörde in einem Verfahren nach § 2 Abs. 4 Bgld. KanalanschlußG zunächst selbst zu beurteilen hat, ob die Gefahr einer nachteiligen Auswirkung besteht und ein Überprüfungsverfahren einzuleiten ist (§ 2 Abs. 4, 1. Satz, Bgld. KanalanschlußG). § 2 Abs. 2 Z. 3 Bgld. KanalanschlußG nennt als Tatbestandselement „ohne nachteilige Auswirkungen“, womit, wie sich aus den zitierten Erläuterungen ergibt, auf alle im Zusammenhang mit der Entsorgung von Niederschlagswässern zu berücksichtigenden Interessen abgestellt wird. „Nachteilige Einwirkungen“ sind nur ein Teilaspekt der von der Behörde zu prüfenden „Auswirkungen“, die alle öffentlichen Interessen (Belastung der Anlagen, Trinkwasserschutz etc.) mitumfassen. Wenn der Behörde „die Gefahr einer nachteiligen Auswirkung“ zur Kenntnis gelangt, hat sie von Amts wegen tätig zu werden.
Erst im zweiten Satz des § 4 Abs. 2 leg. cit. wird der Nachbar genannt und ausgeführt, dass dieser „in diesem Verfahren“, also einem Verfahren, das von der Behörde bereits durchgeführt wird, nachteilige Einwirkungen, also jene Teilaspekte der Auswirkungen von denen er als Grundeigentümer betroffen ist, behaupten kann. Aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 4, 2. Satz, leg. cit. ergibt sich, dass Voraussetzung der Entstehung der Parteistellung, die Behauptung der Einwirkung ist. Durch den Attributsatz nach dem Relativpronomen (der) wird das Nomen (Nachbar) näher bestimmt. Die Behörde wird daher in solchen Verfahren Nachbarn die Möglichkeit einräumen müssen, ihre Parteistellung geltend zu machen. Auch die Formulierung „in einem solchen Verfahren, in dem auch die Nachbarn Parteistellung haben“ in den Erläuterungen entspricht dieser Auslegung.
Der Verwaltungsgerichthof hat in einer Entscheidung vom 08.06.1988, Zahl: 88/03/0004, in einer vergleichbaren Konstellation das Antragsrecht einer Verfahrenspartei verneint und ausgeführt, dass die Verfahrenspartei das Einschreiten der Behörde zwar anregen kann, aber keine rechtliche Möglichkeit, ein amtswegiges Tätigwerden der Behörde zu erzwingen hat. Auch in diesem Verfahren nach dem Kärntner Jagdgesetz sah das Gesetz die Sicherstellung öffentlicher Interessen durch die Behörde von Amts wegen vor.
Die in der Beschwerde zitierte Entscheidung des VwGH vom 04.04.1978, 0380/1976, zur Tiroler Bauordnung nimmt auf die Rechte eines Nachbarn in einem, durch Antrag eines Projektwerbers in Gang gesetzten Verfahren, Bezug und ist mit dem vorliegenden von Amts wegen einzuleitenden Verfahren nicht vergleichbar. Das Vorbringen ist auch deshalb nicht zielführend, weil in der zitierten Entscheidung, entgegen der Behauptung in der Beschwerde ausgesprochen wird, dass der Nachbarn keinen Rechtsanspruch auf Stellung eines Devolutionsantrags hat.
Im Ergebnis kann der Antragsteller daher die Entscheidungspflicht der Behörde geltend machen, der Antrag auf Erledigung nach § 2 Abs. 4 KanalanschlußG ist aber zurückzuweisen, da der Nachbar in Verfahren nach § 2 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlußgesetz zwar – sobald das Verfahren eingeleitet wurde und er nachteilige Einwirkungen behauptet – Parteistellung, aber kein Antragsrecht hat. Ein amtswegiges Verfahren wurde von der zuständigen Behörde, soweit aus dem vorgelegten Akt ersichtlich, nicht eingeleitet.
Mit der vorliegenden Entscheidung ist nichts darüber gesagt, wie die nach dem Bgld. Kanalanschlußgesetz zuständige Behörde in einem amtswegigen Verfahren die Anschlusspflicht in der Sache zu beurteilen hat.
Eine mündliche Verhandlung war nicht erforderlich, da die Zurückweisung keine Sachentscheidung darstellt. In einer bloß verfahrensrechtlichen Angelegenheit, wie hier, in der nicht in der Sache abgesprochen wird, ist eine mündliche Verhandlung nicht auf Grund des Art. 6 MRK geboten. Die Verfahrensgarantie des „fair hearing“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht konnte daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0073, mwN).
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist einheitlich. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
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