BVwG W187 2304268-1

BVwGW187 2304268-118.12.2024

BVergG 2018 §12 Abs1
BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W187.2304268.1.00

 

Spruch:

 

W187 2304268-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der XXXX vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Schubertring 6, 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „EWP/Einwegpfand: Sortier- und Logistikleistungen für Pfandgebinde aus den Regionen Tirol und Vorarlberg in drei Losen“, der Auftraggeberin EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH, Schönbrunner Schloßstraße 2/601, 1120 Wien, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, vom 12. Dezember 2024:

A)

Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der XXXX „das Gericht möge eine einstweilige Verfügung erlassen, mit welcher der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Öffnung der Teilnahmeanträge in allen Losen (Los 1, Los 2, Los 3) untersagt wird“ gemäß §§ 350 Abs 1, 351 Abs 1, 3 und 4 BVergG 2018 statt.

Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Auftraggeberin EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren „EWP/Einwegpfand: Sortier- und Logistikleistungen für Pfandgebinde aus den Regionen Tirol und Vorarlberg in drei Losen“, die Teilnahmeanträge in allen Losen zu öffnen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

Begründung

I. Verfahrensgang

1. Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2024 beantragte die XXXX vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Schubertring 6, 1010 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Nichtigerklärung Ausschreibung „EWP/Einwegpfand: Sortier- und Logistikleistungen für Pfandgebinde aus den Regionen Tirol und Vorarlberg in drei Losen“ hinsichtlich sämtlicher Lose in eventu die Nichtigerklärung des Zuschlagskriteriums „Qualität“ hinsichtlich sämtlicher Lose, in eventu des Zuschlagskriteriums „Sortierleistung“ hinsichtlich sämtlicher Lose, in eventu des Zuschlagskriteriums „CO2-Äquivalent“ hinsichtlich sämtlicher Lose und sonstige vergaberechtswidriger Bestimmungen in den Ausschreibungsunterlagen im Umfang des gegenständlichen Nachprüfungsantrags sowie jedenfalls eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, Akteneinsicht im größtmöglich zulässigen Umfang in den Vergabeakt zu gewähren und den Ersatz der Pauschalgebühr sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren „EWP/Einwegpfand: Sortier- und Logistikleistungen für Pfandgebinde aus den Regionen Tirol und Vorarlberg“, der Auftraggeberin EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH, Schönbrunner Schloßstraße 2/601, 1120 Wien, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH.

1.1 Nach Darstellung des Sachverhalts, Schilderungen des bisherigen Hergangs der Ereignisse im Zusammenhang mit den ebenfalls von der Antragstellerin vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleiteten Nachprüfungsverfahren zu Vergabeverfahren der Auftraggeberin zu den Zahlen W134 2298339-2, W139 2299106-2 und W279 2299542-2, Ausführungen zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, der Rechtzeitigkeit des Nachprüfungsantrags und der Höhe der geschuldeten und bezahlten Pauschalgebühr führt die Antragstellerin zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Zuschlagsentscheidung im Wesentlichen aus, dass die Auftraggeberin die gegenständliche Ausschreibung als bloße Überbrückungsausschreibung ausgeschrieben habe. Die sich so ergebende ungewöhnlich kurze, völlig branchenunübliche und mit dem technisch anspruchsvollen Leistungsgegenstand nicht in Einklang zu bringende Vertragslaufzeit mache eine Kalkulation eines wirtschaftlich sinnvollen Angebots unmöglich. Es bestehe daher die Sorge, dass die gegenständliche Ausschreibung im Widerruf enden könnte.

1.2 Zur Rechtswidrigkeit führte die Antragstellerin im Wesentlichen wie folgt aus

1.2.1 Der Auftraggeberin mangle die Vergabeabsicht gemäß § 20 Abs 4 BVergG 2018, zumal sie das zur Zahl W134 2298339-2 abgeschlossene Verfahren bis dato immer noch nicht widerrufen habe. Auch das Vergabeverfahren zur Zahl W139 2299106-2, in welchem der Antrag der Antragstellerin auf Nichtigerklärung der (Transport-)Ausschreibung betreffend die Logistikdienstleistungen in der Region Tirol und Vorarlberg (Los 5) wegen fehlender Vergabeabsicht abgewiesen worden sei, sei formell nicht beendet worden. Diese geforderte „Vergabeabsicht“ beinhalte neben dem (subjektiven) „Wollens-Element“ auch die objektive Möglichkeit, das beabsichtigte Vergabeverfahren tatsächlich durchführen zu können. Beides würde bei der gegenständlichen Ausschreibung nicht vorliegen. Das bedeute, dass ein öffentlicher Auftraggeber rechtlich und wirtschaftlich in der Lage sein müsse, den ausgeschriebenen Vertrag (in seiner Gänze) tatsächlich abzuschließen und durchzuführen. Bereits zwei parallele Verfahren über den gleichen Auftragsgegenstand seien rechtswidrig; nichts Anderes könne für mehrere, konkret drei Ausschreibungen gelten, die – wenn auch mit geringfügig abweichenden Leistungsbildern – ebenfalls zumindest teilweise den gleichen Gegenstand betreffen würden. Die antragsgegenständliche Ausschreibung betreffe in allen Losen die Sortier- und Logistik- bzw Transportdienstleistungen für Pfandgebinde aus den Regionen Tirol und Vorarlberg. Sämtliche von der Auftraggeberin eingeleiteten Vergabeverfahren würden die Sortierung- und/oder Logistik- bzw Transportdienstleistungen Getränkeverpackungen und/oder Einweggetränkeverpackungen aus Kunststoff und Metall iSd Pfandverordnung für Einweggetränkeverpackungen betreffen. Gemäß § 15 Pfandverordnung sei die Auftraggeberin Eigentümerin aller über Rücknahmeautomaten oder manuell zurückgenommenen bepfandeten Einweggetränkeverpackungen gemäß § 4 Pfandverordnung. Nur diese Verpackungen bzw Sortier- und/oder Transportmengen könnten daher jeweils leistungsgegenständlich sein. Hinsichtlich der Sortierdienstleistungen bestehe eine Überschneidung mit dem laufenden Vergabeverfahren „Sortierdienstleistungen Westösterreich“ (GZ S 217/2023 685472-2023), da es großteils die identischen (Sortier-)Leistungen und Sortiermengen aus der Region Tirol und Vorarlberg betreffe. Beide Ausschreibungen würden identische Sortierdienstleistungen betreffend dasselbe Pfandgebinde (Sortiermengen) aus derselben Region betreffen. Denklogisch könne die gleiche Sortierung nicht zweimal stattfinden. Dabei sei unbeachtlich, von welchen Schätzmengen die Auftraggeberin betreffend das Pfandgebinde ausgehe, da zumindest ein Teil der zugesicherten Mengen je Los die identischen Sortiermengen der „Sortierausschreibung West“ betreffe. Hinsichtlich der Transportdienstleistungen bestehe eine Überschneidung mit der laufenden (Transport-)Ausschreibung (GZ OJ S 164/2024 505878-2024) in Los 5. In der gegenständlichen Sortier- und Transport-Ausschreibung seien der Transport unsortierter Gebinde aus den Anfallstellen zum Anlagenstandort der Sortieranlage (West) sowie nach Sortierung der Transport sortierter PET/Alu-Ballen zum Handlingcenter Ost aus der Region Tirol und Vorarlberg ausschreibungsgegenständlich. In Los 5 der Transport-Ausschreibung sei der Transport unsortierter, dh gepresster Ballen, gemischter PET/Alu-Ballen, sortenreiner PET-Ballen oder sortenreiner Aluminium-Ballen, aus derselben Region zum Handlingcenter Ost ausschreibungsgegenständlich. Es gehe bei dieser und der gegenständlichen Ausschreibung um Transportdienstleistungen hinsichtlich desselben Pfandgebindes, weshalb zumindest hinsichtlich eines Teils der Transportdienstleistung keine Vergabeabsicht bestehe. Solange das noch laufenden Vergabeverfahren „Sortierdienstleistungen Westösterreich“ nicht rechtskräftig mittels Widerrufserklärung, nicht Widerrufsentscheidung, widerrufen sei, mangele es der Auftraggeberin jedenfalls an der Vergabeabsicht einer neuerlichen Ausschreibung. Die antragsgegenständliche Ausschreibung sei daher in allen Losen mangels Vergabeabsicht rechtswidrig und in ihrer Gesamtheit für nichtig zu erklären.

1.2.2 Mit den Festlegungen zum Zuschlagskriterium „Qualität“ weiche die Auftraggeberin von der ständigen Rechtsprechung der Vergabekontrollbehörden zu der Definition der Zuschlagskriterien sowie von den gesetzlichen Vorgaben in unzulässiger Weise ab, da die Zuschlagskriterien entgegen der vergaberechtlichen Vorgaben nicht abschließend definiert worden seien, und in ihrer Gesamtheit nicht dem Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz entsprechen würden.

Aus den Ausführungen im Teil A ergebe sich, dass die Auftraggeberin im Zuschlagskriterium „Qualität“ die „Erfüllung der qualitativen Zuschlagskriterien“ bewerte. Was konkret unter diesen „qualitativen Zuschlagskriterien“ zu verstehen sei, gehe allerdings weder aus den Festlegungen im Teil A noch sonstigen Ausschreibungsunterlagen hervor. Die Auftraggeberin weise zwar einerseits unter Punkt 7.2.9.1 Teil A auf Teil F bzw unter Punkt 7.2.9.3 Teil A auf die „MUSS-Anforderungen und Zuschlagskriterien“ hin. Einer näheren Erläuterung bzw Definition dieser Kriterien bleibe die Auftraggeberin jedoch schuldig. Der erwähnte Teil F liege den bereitgestellten Ausschreibungsunterlagen nicht bei. Auch in den restlichen Ausschreibungsunterlagen der ersten Verfahrensstufe würden weder die bewertungsrelevanten „SOLL-Kriterien“, Zuschlagskriterien, noch die „MUSS-Anforderungen“ definiert werden.

Im Teil C seien zwar die Begriffe „Sortierleistung“ und/oder „CO2-Äquivalent“ (je Los) erwähnt; mangels Erläuterung ergebe sich aber daraus für einen durchschnittlich fachkundigen Unternehmer nicht, welche Anforderungen in diesen Kriterien – wenn man diese trotz fehlender ausdrücklicher Festlegung als qualitative Zuschlagskriterien ansehen wolle – konkret zu erfüllen seien oder in welchem Ausmaß die (allfälligen) Sub-Subkriterien in die Bewertung einfließen würden.

Die bloße allgemeine Erwähnung allfälliger „Situationen [1 bis 3]“ im Zuschlagskriterium „Sortierleistung“ im Teil C, ohne zu sagen um welche „Situationen“ oder Anforderungen es gehe, schaffe jedenfalls kein Verständnis dieses Kriteriums zu ermöglichen. Der Verweis auf Teil F1 führe ins Leere, da dieser Teil gerade nicht Teil der Ausschreibungsunterlagen der ersten Verfahrensstufe sei. Es fehle zudem jegliche Angabe dazu, auf welcher Basis diese Kriterien bewertet werden würden. Selbst wenn also bekannt wäre, was zB mit „Situation 1“ gemeint sei, bliebe völlig offen, wie diese bewertet werden würden; es fehle also jede Form der Gewichtung zwischen den drei verschiedenen Situationen. Der Begriff „Sortierleistung“ werde hinsichtlich der Angebotsbewertung im Teil A überhaupt nicht erwähnt oder gar näher definiert. Gleiches gelte für jede Art von „SOLL-Kriterien“. Die Auftraggeberin konterkariere damit das Transparenzgebot.

Das Kriterium „CO2-Äquivalent“ sei nicht ausreichend definiert bzw sei sachlich diskriminierend.

Sofern die Auftraggeberin unter Punkt 1.1.2.4.2.1.2. Teil A auf die „Darstellung möglicher Intermodaltransportlösungen bzw Einsatz von alternativen Antriebsformen“ bei dem Zuschlagskriterium „CO2-Äquivalent“ verweist, lasse sich daraus nicht erkennen, welche alternativen Lösungen hiermit gemeint seien bzw inwiefern eine Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt werden würde. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Alternativ- und/oder Abänderungsangebote explizit ausgeschlossen seien.

1.2.3 Die Auftraggeberin gebe mit ihren Festlegungen erstens zu erkennen, dass das – in keiner Weise greifbare – „Wesen und Ziel des Beschaffungsvorhabens“ sowie die Zuschlagskriterien als unverhandelbare Mindestanforderungen gelten würden. Zweitens lege sie fest, dass die Eignungsanforderungen, also unternehmensbezogene Kriterien, als auftragsrelevante Mindestanforderungen an die Leistungserbringung gelten würden. Drittens halte sie fest, dass die „MUSS-Anforderungen“ als Teil des Zuschlagsschemas erst nach Durchführung der Verhandlungsrunde „definitiv gestellt werden“ könnten. Die Auftraggeberin verweise mehrmals auf Teil E, ohne dieses Dokument zur Verfügung zu stellen. Darin bestehe ein Widerspruch. Die Auftraggeberin verstoße gegen die Judikatur der Vergabekontrollbehörde, indem sie Zuschlagskriterien als Mindestanforderungen festlege sowie die Eignungsanforderungen als für die Ermittlung des Bestbieters relevante Mindestanforderungen festlege und diese somit unzulässigerweise vermische. Darüber hinaus räume sich die Auftraggeberin selbst das Recht ein, die „MUSS-Anforderungen“ erst im Zeitpunkt der Aufforderung zur Letztangebotslegung „definitiv“ festzulegen.

1.2.4 Die Auftraggeberin gebe in der Ausschreibung an, dass das Vergabeverfahren aus Gründen der Dringlichkeit im beschleunigten Verfahren durchgeführt werde und stütze sich dabei unrichtigerweise auf § 74 Z 1 BVergG 2018. Dabei führe sie gerade keine Gründe für die Dringlichkeit an. Die Teilnahmeantragsfrist habe in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung mindestens 30 Tage zu betragen. Gemäß § 74 BVergG 2018 dürfe diese Frist bloß bei hinreichend begründeter Dringlichkeit auf 15 Tage verkürzt werden.

Soweit im konkreten Fall tatsächlich eine Dringlichkeit bestehen würde, wäre diese jedenfalls nicht unvorhersehbar und in jedem Fall von der Auftraggeberin verursacht. Insbesondere hinsichtlich der leistungsgegenständlichen Transportleistungen habe die Auftraggeberin selbst die Vorgängerausschreibung der hier gegenständlichen Ausschreibung erst im August 2024 gestartet. Insgesamt habe die Auftraggeberin trotz langjährigen Feststehens des Leistungsbedarfs erst auffällig spät mit den einschlägigen Ausschreibungen, insbesondere auch mit dieser Ausschreibung gestartet. Die Teilnahmeantragsfrist sei daher jedenfalls zu kurz angesetzt.

1.2.5 In Punkt 7.2.16 Teil A – Grundlagen und Verfahrensordnung behalte sich die Auftraggeberin für die zweite Verfahrensstufe die Möglichkeit der Bekanntgabe optional abrufbarer Leistungen vor. Mit der oben wiedergegebenen Festlegung bzw der daraus folgenden uneingeschränkten Möglichkeit der willkürlichen Einführung weiterer Optionen werde gegen die Anforderungen des§ 91 BVergG 2018 sowie § 114 Abs 1 BVergG 2018 klar verstoßen. Vor dem Hintergrund dieses Vorbehalts könne die Antragstellerin die Art und den Umfang der anzubietenden Leistungen keinesfalls abschließend beurteilen bzw sich keine konkrete Vorstellung über die gewünschte Leistung machen.

1.2.6 Die unter Punkt 2.11 Teil A – Grundlagen und Verfahrensordnung sowie Punkt 2.13 Teil A – Grundlagen und Verfahrensordnung würden den Vorgaben in § 369 BVergG 2018 sowie der ständigen Judikatur widersprechen, wonach es bei der Haftung des öffentlichen Auftraggebers bloß auf ein rechtswidriges Verhalten (Verstoß gegen BVergG 2018) und nicht auf sein Verschulden ankomme.

1.2.7 Durch eine – insbesondere im Vergleich mit dem Vertragsverhältnis in „Ostösterreich“ – ungewöhnlich kurze Vertragslaufzeit bis 31. März 2027 und die umfassenden Kündigungs- und Rücktrittsmöglichkeiten bei gleichzeitigem erheblichem Investitionsbedarf im völligen Missverhältnis zum äußerst kurzen Amortisationszeitraum, nehme die Auftraggeberin in Kauf, dass sie in der gegenständlichen Ausschreibung gar keine oder nur wirtschaftlich unattraktive Angebote erhalte.

Zudem wäre die Antragstellerin aufgrund des festgelegten Leistungsbeginns schon ab 1 April 2025 gezwungen erhebliche Investitionen bereits jetzt zu tätigen und das Risiko einzugehen, dass diese – aufgrund der zahlreichen Rechtswidrigkeiten in den Ausschreibungsunterlagen – schon im Verfahren frustriert werden würden. Dies werde dadurch zusätzlich problematischer, dass der ausschreibungsgegenständliche Vertrag nach Ablauf von 18 Monaten der Vertragslaufzeit unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist durch die Auftraggeberin gekündigt werden könne. Demgegenüber sei die Rahmenvereinbarung betreffend die „Sortieranlage Ost“ nach dem Kenntnisstand der Antragstellerin beim Betreibervertrag auf bis zu 9 Jahre und bei den Bestandverträgen sogar 35 Jahre abgeschlossen worden. Im Zuge der Interessentenfragebeantwortung vom 11. Dezember 2024 sei von der Antragstellerin eine Verlängerung dieser Frist erfragt worden, die Auftraggeberin habe dabei bekanntgegeben, dass die gegenständliche Ausschreibung bloß eine Überbrückung sei und dass die Festlegung der Leistungsfrist ihr obliege und jedenfalls branchenüblich sei, da „andere vergleichbare Unternehmen für vergleichbare Dienstleistungen sehr ähnliche Laufzeiten von Verträgen vorsehen“. Von welchen Unternehmen und Verträgen sie dabei konkret spreche, sei nicht näher erläutert worden.

1.2.8 Angesichts der Ausgestaltung der Ausschreibung und der Zuschlagskriterien liege nahe, dass die Auftraggeberin eine Teilnahme unter Einsatz der Sortieranlage XXXX wünsche. Hinsichtlich der Auslastung dieser Anlage, die zumindest für einen Teil der Vertragslaufzeit in Frage komme, da die Inbetriebnahme der „Sortieranlage Ost“ mit 1. Jänner 2026 geplant sei und die Mindestvertragsdauer am 31. März 2027 ende, habe die Auftraggeberin ein Eigeninteresse. Diese Anlage, insbesondere deren maschinelle Ausstattung, stehe im Eigentum der XXXX und diese verfüge auch über ein vertraglich gesichertes Vorkaufsrecht für die Liegenschaft, auf der sich die Anlage befinde. Damit bestehe ein klarer Interessenkonflikt hinsichtlich dieser Anlage bzw ihres Eigentümers oder eines dritten Betreibers. Die Antragstellerin habe diese Problematik in der Interessentenfragebeantwortung angesprochen, worauf die Auftraggeberin bloß darauf hingewiesen habe, dass allfällige Wissensvorsprünge potentieller Bieter ausgeglichen werden würden, ohne dies näher zu spezifizieren.

Vor allem aber erkläre die Auftraggeberin in ihrer Interessentenfragenbeantwortung, „derzeit über keine eigene Sortieranlage, welche vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden könnte“, zu verfügen. Aus dieser Aussage sei abzuleiten, dass die Auftraggeberin eine Teilnahme am Verfahren unter Heranziehung der Anlage in XXXX , die zwar „derzeit“ erst im Aufbau befindlich sein möge, im Rahmen der Vertragslaufzeit aber sehr wohl verfügbar sein werde, keinesfalls ausschließe. Das bedeute, dass eine Teilnahme der EWP oder eines sonstigen dritten Betreibers mit dieser Anlage zugelassen werde. Insbesondere liege im Fall einer solchen Teilnahme an dieser Ausschreibung auch kein bloßer Wissensvorsprung vor, der durch eine längere Teilnahme- oder Antragsfrist ausgeglichen werden könne. Die Sorge eines Interessenkonflikts sei daher berechtigt. Der Interessenkonflikt werde sich im gegenständlichen Fall potentiell auch besonders stark auswirken. Soweit der Antragstellerin bekannt sei (und in der damaligen Ausschreibung deklariert worden sei), würden die Genehmigungsbescheide für die „Sortieranlage Ost“ (= Anlage XXXX ) nämlich nicht auf den Betreiber der Sortieranlage Ost ( XXXX ) laufen, sondern auf die Auftraggeberin. Es liege somit im höchsten Interesse der Auftraggeberin, dass sich der Betreiber der „Sortieranlage Ost“ mit seiner Übergangsanlage in XXXX sowie auch der neuen Sortieranlage in XXXX beteiligen würde. Nicht ohne Grund werde die Namhaftmachung von genau höchstens zwei Sortieranlagen in der gegenständlichen Ausschreibung gestattet. Zwar werde die „Sortieranlage Ost“ aus der Ausschreibung Ost heraus der XXXX wohl nur für die dortige Auftragserfüllung zur Verfügung gestellt, für eine Teilnahme an der gegenständlichen Ausschreibung müsse die XXXX daher aus vergaberechtlicher Sicht zwingend mit einer Vollkostenkalkulation nachweisen, dass es zu keiner Quersubventionierung durch den „Ostauftrag“ komme. Allerdings sei das in der Praxis wenig realistisch, zumal ohne eine vergaberechtlich unzulässige Quersubventionierung eine Beteiligung der XXXX schon aufgrund von deren Distanz zum hier ausschreibungsgegenständlichen Leistungsgebiet und der relativ überschaubaren Sortiermengen wirtschaftlich kaum darstellbar sei. Selbst wenn aber eine „vergaberechtlich saubere“ Kalkulation erfolgen würde und daher die XXXX der Auftraggeberin für die Nutzung der „Ostanlage“ zur Bearbeitung der „Westmengen“ daher eine angemessene Vergütung leisten würde, bestünde somit aber erst recht ein ganz konkretes wirtschaftliches Interesse der Auftraggeberin am Einsatz einer bestimmten Anlage und damit am Zuschlag an einen bestimmten Bieter.

Die Ausschreibung sei daher in ihrer Gesamtheit für nichtig zu erklären, da sie einen Interessenkonflikt auslöse.

1.3 Die Antragstellerin erachtet sich in ihren subjektiven Rechten auf Durchführung eines dem BVergG 2018 entsprechenden Vergabeverfahrens, auf Durchführung einer rechtmäßigen Ausschreibung gemäß den Vorgaben des BVergG 2018, auf gesetzeskonforme Ausarbeitung der Ausschreibungsunterlagen, auf gesetzmäßige Festlegung der Zuschlagskriterien, auf Bekanntgabe der Mindestanforderungen an die Leistungserbringung, auf Durchführung einer Ausschreibung nur bei vorhandener Vergabeabsicht, auf Auflösung bzw Vermeidung von Interessenskonflikten, auf Gleichbehandlung aller Bewerber bzw Bieter und auf Nicht-Diskriminierung, verletzt. Sie legt ihr Interesse am Vertragsabschluss und den drohenden Schaden dar.

1.4 Aus der Öffnung der Teilnahmeanträge in allen Losen ergebe sich für die Antragstellerin eine unmittelbar drohende Schädigung ihrer Interessen. Ohne einstweilige Verfügung sei es der Auftraggeberin möglich, im gegenständlichen Vergabeverfahren fortzufahren, die Rahmenvereinbarung abzuschließen und in weiterer Folge den Zuschlag zu erteilen. Die Antragstellerin erhebt ihr Vorbringen zum Nachprüfungsantrag auch zum Vorbringen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Eine Untersagung der Öffnung der Teilnahmeanträge in allen Losen würden keine vergleichbaren Interessen der Antragsgegnerin und der sonstigen Mitbewerber entgegenstehen. Besondere öffentliche Interessen, die für eine Fortführung des Vergabeverfahrens vor der rechtskräftigen Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht sprechen könnten, seien ebenfalls nicht ersichtlich und würden für diese auch keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung darstellen.

Stelle man daher im vorliegenden Fall im Zuge einer Interessensabwägung die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen der Auftraggeberin gegenüber, ergebe sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen sei. Wegen der Erforderlichkeit der Maßnahme, deren Eignung sowie der Tatsache, dass es sich im gegebenen Fall um das gelindeste Mittel handle, seien die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 350 ff BVergG 2018 somit gegeben. Aus allen diesen Gründen folge, dass die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin auszufallen habe, da ihre Interessen im Falle der Fortsetzung des Vergabeverfahrens ohne Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung wesentlich beeinträchtigt wären.

Auch bei den gleich gelagerten Sachverhalten der vorangegangenen Nachprüfungsverfahren betreffend die Sortier- und Transportausschreibungen der Auftraggeberin sei das Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über die einstweilige Verfügung jeweils zu dem Ergebnis gelangt, dass diese zu erlassen seien (siehe insbesondere BVwG 23. 9. 2024, W139 2299106-1/2E).

2. Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2024 teilte die Auftraggeberin die Vertretungsverhältnisse mit, verwies auf die Vorlage von Unterlagen in Vorverfahren und die Vertraulichkeit näher bezeichneter Informationen, erteilte allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren, sprach sich gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

2.1 Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führte die Auftraggeberin im Wesentlichen aus, dass mangels öffentliche Auftraggeber-Eigenschaft keine Vergabekontrollzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts bestünde. Sie werde weder überwiegend von einem öffentlichen Auftraggeber iSd § 4 Abs 1 Z 1 BVergG 2018, oder anderen Einrichtungen iSd § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 finanziert, noch unterliege sie der Aufsichtsleitung durch diese und auch ihre Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane bestünden nicht mehrheitlich aus Mitglieder, welche von öffentlichen Auftraggebern bzw anderen Einrichtungen iSd Z 2 ernannt worden seien. Nach Schilderung des Hergangs der bisherigen Ereignisse iZm den Vergabeverfahren, welche zwecks Umsetzung des gesetzlichen Pfandsystems von der Auftraggeberin zu den Zahlen W134 2298339-2, W279 2299542-2 und W139 2299106-2 eingeleitet wurden, wies die Auftraggeberin auf die äußerste Dringlichkeit der Vergabe der gegenständlichen Leistung hin, um so die gesetzliche Frist zur Einführung des Pfandsystems per 1. Jänner 2025 einzuhalten. Aus diesem Grund habe die Auftraggeberin auch die Teilnahmeantragsfrist iSv § 74 Z 3 BVergG 2018 auf 20 Tage verkürzt. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handle es sich um eine Überbrückungsausschreibung, welche im Einklang mit den vergaberechtlichen Vorgaben stünden. Die Antragstellerin bekämpfe offensichtlich rechtsmissbräuchlich und mutwillig jedes von der Auftraggeberin eingeleitete Vergabeverfahren. Das Verbot der Öffnung der Teilnahmeanträge sei überschießend und unangemessen. Eine Nichtigerklärung des Vergabeverfahrens könne jedenfalls noch vor der Zuschlagserteilung in der Kalenderwoche 12/13 erfolgen, weshalb das gegenständliche Vergabeverfahren parallel zum Nachprüfungsverfahren geführt werden könne.

2.2 Die Auftraggeberin treffe laut Pfand-VO die gesetzliche Frist das gesetzliche Pfandsystem bis zum 1. Jänner 2025 vorzubereiten und ab diesem Zeitpunkt abzuwickeln. Diese Verpflichtung beruhe auch auf europarechtlichen Vorgaben. Es würden daher jedenfalls erhebliche öffentliche Auswirkungen bei Stillstand und Nichtvergabe der Totalunternehmerleistungen drohen, welche ein besonderes öffentliches Interesse begründen würden. Im Zusammenhang mit der Einführung des Pfandsystems, und somit mit der Durchführung der gegenständlichen Vergabe, würden besondere öffentliche Interessen berührt werden – Gesundheit, Sicherheit der Bevölkerung; Umweltschutz und Nachhaltigkeit; Förderung der Kreislaufwirtschaft; Reduzierung von Vermüllung, Erfüllung europäischer und internationaler Umweltvorgaben; Vermeidung von Mehrkosten; Förderung der Verbraucheraufklärung und -beteiligung; wirtschaftliche Anreizsetzung und Fairness im Handel.

Insbesondere hinsichtlich der Wahrung der Gesundheit und Sicherheit stelle die Verzögerung des Beginns des Pfandsystems eine Gefährdung für Leib und Leben dar.

2.3 Die Auftraggeberin habe Verzögerungen naturgemäß eingeplant, jedoch könne ihr kein Vorwurf gemacht werden, dass ein und derselbe Antragsteller alle Vergabeverfahren der Auftraggeberin lahmlegt.

Das Bundesverwaltungsgericht möge daher den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vom 12. Dezember 2024 zurück- in eventu abweisen sowie feststellen, dass die Antragstellerin nicht antragslegitimiert sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1 Zu den Vorverfahren

1.1.1 Die EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH schrieb im November 2023 unter der Bezeichnung „EWP / Einwegpfand: Sortierdienstleistungen für die Region Westösterreich“ einen Dienstleistungsauftrag im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip aus. Am 20. August 2024 wurde in Bezug auf dieses Verfahren eine Widerrufsentscheidung versendet, da die Angebotspreise die von der Auftraggeberin sachgerecht ermittelten Sortierkosten erheblich übersteigen würden und nach dem Ausscheiden von Angeboten nur ein Angebot im Vergabeverfahren verblieben sei. Dies Entscheidung hat die Antragstellerin des hier gegenständlichen Verfahrens angefochten.

Mit Erkenntnis vom 21. Oktober 2024, W134 2298339-2/30E, wurde der Antrag, „die Widerrufsentscheidung vom 20. August 2024 für nichtig zu erklären“ mit der Begründung abgewiesen, dass die Widerrufsentscheidung durch die Auftraggeberin gemäß § 149 Abs 2 Z 2 BVergG 2018 rechtmäßig erfolgte, zumal ein Auftraggeber ein Vergabeverfahren – wie gegenständlich – dann widerrufen kann, wenn nach dem Ausscheiden von Angeboten nur ein Angebot verbleibt (Einschau in den Verfahrensakt zu W134 2298339-2).

1.1.2 Die selbe Auftraggeberin schrieb im Oktober 2023 unter der Bezeichnung „EWP/Einwegpfand: Abschluss einer Rahmenvereinbarung: Totalunternehmer: Betrieb einer Sortier- und Zählanlage und Bereitstellung von Infrastruktur“ einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung nach dem Bestangebotsprinzip ausweislich der Bekanntmachung im Amtsblatt der EU vom 11. Oktober 2023 für die Region „Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark, Kärnten, Burgenland, Wien“ aus.

Am 20. Juni 2024 wurde die Rahmenvereinbarung mit der XXXX abgeschlossen. Die Bekanntgabe vergebener Aufträge erfolgte am 10. September 2024 in der Beilage zum Amtsblatt der EU zur Zahl OJ S 176/2024 542919-2024. Am 13. September 2024 veröffentlichte die Auftraggeberin laut Antragstellerin eine „ex ante“-Transparenzbekanntmachung in der Beilage zum Amtsblatt der EU zur Zahl OJ S 179/2024 549930-2024.

Mit Schriftsatz vom 23. September 2024 brachte die Antragstellerin einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden mit einem Nachprüfungsantrag sowie einen Feststellungsantrag gegen die Direktvergabe an die XXXX ein.

Mit Erkenntnis vom 26. November 2024, W279 2299542-2/39E, wurde dem Antrag der Antragstellerin auf Nichtigerklärung stattgegeben und der Abruf aus der Rahmenvereinbarung betreffend die Sortiermengen aus Tirol und Vorarlberg für nichtig erklärt. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, eine langfristige Bearbeitung der „Westmengen“ sei jedenfalls nicht vom Umfang der Rahmenvereinbarung vom 10. September 2024 umfasst, weswegen die „ex-ante“-Transparenzbekanntmachung daher nicht vom Umfang der Rahmenvereinbarung gedeckt gewesen sei. Es handle sich daher um eine Vergabe ohne vorherige Bekanntmachung (Einschau in den Verfahrensakt W279 2299542-2).

1.1.3 Die selbe Auftraggeberin schrieb im August 2024 unter der Bezeichnung „Transportdienstleistungen im Rahmen von Ballenumlagerungen“ einen Dienstleistungsauftrag in fünf Losen im Oberschwellenbereich in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestangebotsprinzip aus. Die Bekanntmachung erfolgte am 23. August 2024 im Supplement S zum Amtsblatt der EU, ABl.S 164/2024 505878-2024 und am 23. August 2024 im ANKÖ zur Dokument-ID: 190809-00. Mit Schriftsatz vom 16. September 2024 brachte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden mit einem Nachprüfungsantrag gegen die Ausschreibung in Bezug auf deren Los 5, welches die Region „Tirol und Vorarlberg“ umfasst, ein. Mit Erkenntnis vom 2. Dezember 2024, W139 2299106-2/33E, wurde der Antrag der Antragstellerin mangels einer die Ausschreibung belastenden Rechtswidrigkeit abgewiesen (Einschau in den Verfahrensakt zu W139 2299106-2).

Sowohl in den, in den genannten Verfahren ergangenen einstweiligen Verfügung (W134 2298339-1/2E; W279 2299542-1/2E; W139 2299106-1/2E), als auch in den Erkenntnissen (W134 2298339-2/30E; W279 2299542-2/39E; W139 2299106-2/33E) bejahten das Bundesverwaltungsgericht die Eigenschaft der EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH als öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018.

1.2 Zum gegenständlichen Verfahren

1.2.1 Die selbe Auftraggeberin, vertreten durch die vergebende Stelle Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, schreibt unter der Bezeichnung Vergabeverfahren „EWP/Einwegpfand: Sortier- und Logistikleistungen für Pfandgebinde aus den Regionen Tirol und Vorarlberg in drei Losen“ einen Dienstleistungsauftrag mit dem CPV-Code 90500000 „Dienstleistungen im Zusammenhang mit Siedlungs- und anderen Abfällen“; 90514000 „Recycling von Siedlungsabfällen“; 90513000 „Behandlung und Beseitigung ungefährlicher Siedlungs- und anderer Abfälle; 63520000 „Transportagenturdienste“ in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestangebotsprinzip aus. Der geschätzte Auftragswert liegt im Oberschwellenbereich. Die Ausschreibung ist auf drei Lose aufgeteilt. Das Verfahren wird aus Gründen der Dringlichkeit im beschleunigten Verfahren durchgeführt. Die Bekanntmachung der Ausschreibung erfolgte in Österreich am 27. November 2024 mit der Geschäftszahl 1999134-00. Unionsweit wurde die Bekanntmachung der Ausschreibung am 29. November 2024 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union zur Zahl 233/2024 731267-2024 (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens).

1.2.2 Die Abgabefrist für die Angebote ist für den 20. Dezember 2024, 12 Uhr vorgesehen.

1.2.3 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch den Auftrag erteilt. (Angaben der Auftraggeberin)

1.2.4 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von € 1.944,00. (gegenständlicher Verfahrensakt)

2. Beweiswürdigung

2.1 Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen, dabei wurde in die mit dem gegenständlichen Verfahren zusammenhängende Akten der vorangegangenen Verfahren W134 2298339-2, W279 2299542-2 sowie W139 2299106-2 eingesehen.

2.2 Diese Quellen sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte und Unterlagen der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Anzuwendendes Recht

3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG, BGBl I 2013/10, idF BGBl I 2023/77 lauten:

„Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“

3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2024/147, lauten:

„Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) …

Beschlüsse

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

…“

3.1.3 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idF BGBl II 2019/91, lauten:

„Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

(2) …

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) …

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) …

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(3) …

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.

Verfahrensrechtliche Bestimmungen

§ 352. (1) Parteien des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sind der Antragsteller und der Auftraggeber. Soweit eine zentrale Beschaffungsstelle ein Vergabeverfahren oder Teile eines Vergabeverfahrens als vergebende Stelle durchführt, tritt sie als Partei des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung an die Stelle des Auftraggebers. Der Auftraggeber kann, soweit die zentrale Beschaffungsstelle an seine Stelle tritt, dem Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung als Nebenintervenient beitreten; §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 ZPO sind sinngemäß anzuwenden. Wird ein Vergabeverfahren von mehreren Auftraggebern gemeinsam durchgeführt, so bilden die in der Ausschreibung genannten Auftraggeber eine Streitgenossenschaft im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Bestimmungen der §§ 14 und 15 ZPO sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unverzüglich, längstens jedoch binnen 10 Tagen nach Einlangen des Antrages zu entscheiden. Musste der Antrag zur Verbesserung zurückgestellt werden, ist über ihn längstens binnen 15 Tagen zu entscheiden. Die Frist ist gewahrt, wenn die Erledigung an alle Parteien nachweislich vor ihrem Ablauf abgesendet wurde.

(3) …“

3.2 Zu Spruchpunkt A) –Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist – unvorgreiflich einer anderslautenden Beurteilung des zuständigen Senates – die EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH. Sie ist nach ständiger Rechtsprechung öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 (BVwG 11. 9. 2024, W134 2298339-1/2E; BVwG 3. 10. 2024, W279 2299542-1/2E; BVwG 23. 9. 2024, W139 2299106-1/2E; BVwG 21. 10. 2024, W134 2298339-2/30E; BVwG 26. 11. 2024, W279 2299542-2/39E und BVwG 2. 12. 2024, W139 2299106-2/33E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 3 BVergG 2018, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.

3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 327 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.

3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeberin gemäß § 2 Z 15 lit dd und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen.

3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Fortführung des Vergabeverfahrens beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zumindest teilweise zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr aufgrund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang der Zuschlagserteilung im gegenständlichen Verfahren mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher – bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 – die Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und den Erhalt des Zuschlags ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige späteren Zuschlagserteilung an das Angebot der Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E; BVwG 25. 9. 2023, W139 2278158-1/2E).

3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und der Zuschlagserteilung an ihr Angebot.

3.3.2.3 Die Auftraggeberin sprach sich gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus und führte dabei zusammengefasst aus, dass mangels öffentliche Auftraggeber-Eigenschaft keine Vergabekontrollzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts bestünde und wies auf die Dringlichkeit der Vergabe der gegenständlichen Leistung hin, um so die gesetzliche Frist zur Einführung des Pfandsystems per 1. Jänner 2025 einzuhalten. Im Zusammenhang mit der Einführung des Pfandsystems, und somit mit der Durchführung der gegenständlichen Vergabe, würden besondere öffentliche Interessen berührt werden – Gesundheit, Sicherheit der Bevölkerung; Umweltschutz und Nachhaltigkeit; Förderung der Kreislaufwirtschaft; Reduzierung von Vermüllung, Erfüllung europäischer und internationaler Umweltvorgaben; Vermeidung von Mehrkosten; Förderung der Verbraucheraufklärung und –beteiligung; wirtschaftliche Anreizsetzung und Fairness im Handel. Insbesondere hinsichtlich der Wahrung der Gesundheit und Sicherheit stelle die Verzögerung des Beginns des Pfandsystems eine Gefährdung für Leib und Leben dar.

3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; BVwG 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, ECLI:EU:C:2003:213, Rn 30, Slg 2003, I-3249).

3.2.2.5 Die Auftraggeberin argumentiert in ihrem Vorbringen zu den besonderen öffentlichen Interessen mit der Notwendigkeit zur fristgerechten Durchführung der Sortier- und Logistikdienstleistungen, legt allerdings darüber hinaus nicht konkret dar, inwiefern die Verzögerung im Ablauf des Vergabeverfahrens ausgerechnet aufgrund der Einleitung des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens die aufgezeigten Umweltschäden, die dargelegte Gesundheitsgefährdung sowie sonstigen Nachteile bedingt. Zumal ein solches Pfandsystem neu eingeführt werden soll ist für das beschließende Gericht nicht ersichtlich, dass derzeit diesbezüglich eine Gefahr für Leib und Leben bestehen könnte. Es wird dabei natürlich nicht übersehen, dass ein öffentliches Interesse an der Einführung des Pfandsystems und damit an den verfahrensgegenständlichen Sortierungs-, und Logistikdienstleistungen besteht.

Hinsichtlich der behaupteten Dringlichkeit ist außerdem zu beachten, dass die diesem Verfahren vorangegangenen Verfahren zu Sortierdienstleistungen in Westösterreich zur Zahl W134 2298339-2, zum Betrieb einer Sortier- und Zählanlage und Bereitstellung von Infrastruktur zur Zahl W279 2299542-2 und zu Transportdienstleistungen in Westösterreich zur Zahl W139 2299106-2 erst im November 2023, September 2024 mit einer ex-ante Bekanntmachung zum Leistungsabruf für Westösterreich und im August 2024 eingeleitet wurden und die Auftraggeberin darüber hinaus bereits einmal ein Vergabeverfahren widerrufen wollte, sodass hieraus auch nicht darauf geschlossen werden kann, dass die Auftraggeberin selbst diesem Beschaffungsvorgang eine besondere Dringlichkeit beigemessen hätte; zumindest nicht in einem Ausmaß, welches der Erlassung der begehrten einstweiligen Maßnahme aktuell entgegenstünde.

Zu dem übrigen Vorbringen in Bezug auf den Schutz der Umwelt, der Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft, effizienter Nutzung öffentlicher Mittel, Reduzierung von Vermüllung und der Einhaltung internationaler Verpflichtungen und der Förderung der Verbracheraufklärung ist darauf hinzuweisen, dass die Auftraggeberin bei der Auftragsvergabe Verzögerungen durch ein Nachprüfungsverfahen einzuplanen hat.

3.2.2.6 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und die Zuschlagserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags ist die Auftraggeberin verpflichtet, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Eine besondere Dringlichkeit konnte nicht erblickt werden. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht zu prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Rechtsmittelrichtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, ECLI:EU:C:2003:213, Rn 29, Slg 2003, I-3249). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor. Die Rechtmäßigkeit der Prüfung und Bewertung der Angebote sowie der Durchführung des Vergabeverfahrens kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden, vielmehr ist sie Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens (zB BVwG 10. 8. 2022, W187 2257846-1/2E; BVA 14. 11. 2012, N/0103-BVA/10/2012-EV12; BVA 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).

3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

3.2.2.8 Bei einer bevorstehenden Angebotsöffnung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; BVwG 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; BVwG 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E; BVwG 28. 4. 2022, W187 2254118-1/2E). Es soll somit lediglich der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert wird, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; BVwG 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; BVwG 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).

3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2; Pimmer in Mohr/Pimmer/Schneider, EO17 § 391 [Stand 1.7.2021, rdb.at]). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. Eine Begrenzung der Dauer der angeordneten Maßnahme könnte mit einer besonderen Dringlichkeit des Auftraggebers begründet werden, wurde aber nicht belegt. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt jedoch keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung derzeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).

3.2.2.10 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

3.3 Zu Spruchpunkt B) – Nichtzulassung der Revision

3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138; VwGH 30. 6. 2004, 2004/04/0028; VwGH 1. 2. 2005, 2005/04/0004; VwGH 29. 6. 2005, 2005/04/0024; VwGH 1. 3. 2007, 2005/04/0239; VwGH 27. 6. 2007, 2005/04/0254; VwGH 29. 2. 2008, 2008/04/0019; VwGH 14. 1. 2009, 2008/04/0143; VwGH 14. 4. 2011, 2008/04/0065; VwGH 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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