BVwG W139 2260270-1

BVwGW139 2260270-15.10.2022

BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §334
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W139.2260270.1.00

 

Spruch:

W139 2260270-1/2E

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „Facility-Service-Leistungen an den Standorten der Technischen Universität Wien (TU), TU Projektnummer: 2022-Campus.FM-184“ der Auftraggeberin Technische Universität Wien, Resselgasse 3, 1040 Wien, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt, Mariahilferstraße 1b/17, 1060 Wien, aufgrund des Antrages der XXXX , vertreten durch BPPA Brandstetter Baurecht Rechtsanwälte GmbH, Herrengasse 5, 1010 Wien:

A)

Dem Antrag, „das Bundesverwaltungsgericht Wien möge eine einstweilige Verfügung erlassen, mit welcher der Antragsgegnerin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, im gegenständlichen Vergabeverfahren die Angebote zu öffnen und der Lauf der Frist für die Abgabe der Angebote ausgesetzt wird“ wird stattgegeben.

Im Vergabeverfahren „Facility-Service-Leistungen an den Standorten der Technischen Universität Wien (TU), TU Projektnummer: 2022-Campus.FM-184“ wird für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens 1. der Auftraggeberin Technische Universität Wien untersagt, die Angebote zu öffnen, und 2. der Lauf der Angebotsfrist ausgesetzt.

 

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

Begründung:

I. Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:

1. Mit Schriftsatz vom 28.09.2022, am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt, stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Verbindung mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der gesamten Ausschreibung bzw. in eventu einzelner Ausschreibungsbestimmungen. Weiters beantragte die Antragstellerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Gewährung von bzw. Ausnahme von der Akteneinsicht sowie den Ersatz der von ihr entrichteten Pauschalgebühren.

Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Technische Universität Wien (in der Folge Auftraggeberin) führe ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zum Abschluss eines Rahmenvertrages, unterteilt in 6 Lose, durch. Angefochten werde die Ausschreibung, bestehend ua aus den Ausschreibungsunterlagen „Verfahrensbedingungen für den Abschluss eines Rahmenvertrages“ und dem „Rahmenvertrag“.

Die Antragstellerin erbringe derzeit ua XXXX und sei in der Lage, diese Leistungen durchzuführen. Das Interesse am Vertragsabschluss habe sie bereits durch die Teilnahme an den Objektbesichtigungen, die Kalkulation und Vorbereitung des Angebotes, die Stellung umfangreicher Fragen an die Auftraggeberin sowie letztlich durch das Einbringen des gegenständlichen Nachprüfungsantrages und des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hinreichend dargetan. Sie sei daher antragslegitimiert.

Aufgrund der rechtswidrigen Ausschreibungsbestimmungen drohe ein Schaden, welcher im Wesentlichen im Verlust der Chance auf Zuschlagserteilung und damit im Entgang eines wichtigen Referenzprojektes und im Entgang des Gewinnes und des Deckungsbeitrages sowie in voraussichtlich nicht kompensierbaren Auslastungsdefiziten liege. Weiters würden frustrierte Kosten der Beteiligung am Vergabeverfahren sowie die bisher angelaufenen Kosten der anwaltlichen Vertretung und die entrichteten Pauschalgebühren hinzukommen. Nach der Rechtsprechung liege ein drohender Schaden bereits dann vor, wenn die Möglichkeit des Antragstellers, am Vergabeverfahren teilzunehmen, durch die behauptete Rechtswidrigkeit beeinträchtigt werden könne. Die Antragstellerin bezeichnete die Rechte, in denen sie sich als verletzt erachte.

 

Zu den Rechtswidrigkeiten führte die Antragstellerin aus, dass die Streichung des – auch aus Sicht der Antragstellerin – rechtswidrigen Zuschlagskriteriums „Personalunterkünfte“ nach ständiger Rechtsprechung nicht durch eine Berichtigung hätte erfolgen dürfen. Das Verfahren wäre zwingend zu widerrufen gewesen. Ebenso hätten die erfolgten Berichtigungen im Bereich der Zuschlagskriterien und der Auftragskalkulation, ua die Änderung des Schemas der Punktevergabe, die Berichtigung des Preisblattes sowie das nachträgliche Hinzufügen neuer Beilagen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt. Es sei der Auftragsstandort und somit der Gegenstand des Auftrages im Angebotsschreiben und im Rahmenvertrag geändert worden. Aus diesem Grund wäre die Ausschreibung zwingend zu widerrufen gewesen. Abgesehen davon, hätten die Berichtigungen die Fehler der Ausschreibung nicht beseitigt. Darüber hinaus habe die Auftraggeberin unzulässige, weil ausschließlich unternehmensbezogene Zuschlagskriterien festgelegt, nämlich die Beschäftigung von subsidiär Schutzberechtigten und Asylberechtigten, die Beschäftigung von Mitarbeitern 50+, die Beschäftigung von Frauen im Management, das Anbieten von Deutschkursen sowie die Beschäftigung von Lehrlingen bei Punkte- bzw. Preisgleichheit. Diese Zuschlagskriterien seien zur Bewertung des Bestbieters untauglich und würden gegen die vergaberechtlichen Grundsätze verstoßen und die Ausschreibung mit Rechtswidrigkeit behaften. Darüber hinaus habe die Auftraggeberin mit der Festlegung bestimmter Umsatzwerte als Mindesterfordernisse tatsächlich kein Eignungskriterium im Sinne eines K.O.-Kriteriums festgelegt. Tatsächlich handle es sich dabei um ein Zuschlagskriterium.

Die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung, nämlich die Untersagung der Angebotsöffnung, sei erforderlich, da einem Nachprüfungsantrag gemäß § 342 Abs 3 BVergG 2018 keine aufschiebende Wirkung zukomme und die Antragsgegnerin daher die Möglichkeit hätte, die Angebote zu öffnen. Damit drohe eine unmittelbare Schädigung der Interessen der Antragstellerin, denn eine ex-post-Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausschreibung bzw. einzelner Festlegungen in der Ausschreibungsunterlage und damit allenfalls verbundene Schadenersatzforderungen könnten die Chance, sich an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren zu beteiligen und in weiterer Folge den Auftrag zu erhalten, nicht aufwiegen. Die Interessenabwägung habe zu Gunsten der Antragstellerin auszufallen. Der Erlassung der einstweiligen Verfügung stünden keine besonderen Interessen der Antragsgegnerin oder der Öffentlichkeit im Wege. Eine Gefahr für Leib und Leben ohne sofortige Vergabe bestehe nicht. Die Antragsgegnerin habe die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens bei der Erstellung des Projektzeitplanes ins Kalkül zu ziehen.

2. Am 30.09.2022 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Sie sprach sich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen sowie der Bezug nehmenden Beilagen und Unterlagen des Vergabeverfahrens wird vorerst im Rahmen des Provisorialverfahrens folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:

Im August 2022 schrieb die Technische Universität Wien die Erbringung von Facility Service Leistungen insbesondere an den Standorten der TU in sechs Losen mit dem Ziel des Abschlusses eines Rahmenvertrages mit einem Auftragnehmer je Los in einem offenen Verfahren im Oberschwellenbereich aus (Zahl 2022/S 152-435077, im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union). Das Ende der Angebotsfrist wurde mit Berichtigung vom 09.09.2022 von ursprünglich 22.09.2022, 12.00, auf den 06.10.2022, 12.00, verlängert (1. Berichtigung). Am 03.10.2022 wurde das Ende der Angebotsfrist erneut auf den 22.10.2022 verlängert. Darüber hinaus wurde die Ausschreibung am 21.09.2022 inhaltlich berichtigt.

Der gegenständliche Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden mit einem Nachprüfungsantrag gegen die Ausschreibung wurde am 28.09.2022 beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Die Antragstellerin entrichtete für ihren Antrag (auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung) eine Pauschalgebühr in der Höhe von insgesamt EUR 648,00.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und zur Zulässigkeit des Antrages

Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Technische Universität Wien. Sie ist öffentliche Auftraggeberin (stRspr zu Universitäten zB BVwG 31.01.2014, W139 2000171-1/34E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 7 BVergG 2018 um einen Dienstleistungsauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt gemäß den Angaben der Auftraggeberin über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 3 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und damit zur Erlassung einstweiliger Verfügungen und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.

Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 350 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Weder kann ein bereits eingetretener bzw. drohender Schaden, noch das Interesse am Vertragsabschluss derzeit offensichtlich ausgeschlossen werden.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Der Nachprüfungsantrag richtet sich gegen die Ausschreibung. Dabei handelt es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit a sublit aa BVergG 2018. Die Pauschalgebühr wurde insofern in entsprechender Höhe bezahlt (§ 318 Abs 1 Z 1 und 4 BVergG 2018 iVm §§ 1, 2 Abs 2 und 3 Abs 1 BVwG-PauschGebV Vergabe).

 

2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages

Gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

Die Antragstellerin behauptet die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Ausschreibung bzw. einzelner Festlegungen der Ausschreibung. Diese Behauptung erscheint zumindest nicht denkunmöglich. Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren schon angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht abzusprechen (siehe etwa VwGH 04.11.2013, AW 2013/04/0045). Diese wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein.

Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (zumindest teilweise) zutreffen und hierdurch eine erfolgreiche Beteiligung erschwert wird, droht der Antragstellerin durch die Fortsetzung des Vergabeverfahrens der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen. Um derartigen Schaden abzuwenden, ist es erforderlich, das Vergabeverfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand zu halten, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ins Leere laufen lässt und der die Teilnahme an einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren und damit die grundsätzliche Möglichkeit der Auftragserteilung im Rahmen eines rechtskonformen Vergabeverfahrens über die hier verfahrensgegenständlichen Leistungen an die Antragstellerin wahrt (siehe zum Zweck einer einstweiligen Verfügung auch EBRV 69 BlgNr XXVI. GP 203).

Die Auftraggeberin hat sich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ausgesprochen und auch keine gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen bezeichnet. Zur gebotenen Interessenabwägung ist daher auszuführen, dass bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und der Auftraggeberin, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) sowie unter Zugrundlegung insbesondere des auch im gegenständlichen Vergabeverfahren maßgeblichen Gemeinschaftsrechts, wonach im Zweifel dem provisorischen Rechtsschutz Vorrang einzuräumen ist, ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung nicht gegeben erscheint.

Bei der bevorstehenden Angebotsöffnung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die vorläufige Untersagung der Angebotsöffnung (ua BVwG 12.11.2018, W187 2208747-1/4E; BVwG 27.02.2018, W187 2186439-1/2E). Um der Antragstellerin die Möglichkeit zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu bewahren, ist die Aussetzung der Angebotsfrist ebenfalls erforderlich. Dadurch kann auch im Interesse der Auftraggeberin eine allfällige Fortführung des Vergabeverfahrens unter allenfalls geänderten Ausschreibungsbestimmungen gewährleistet werden (ua BVwG 30.11.2021, W139 2248694-1/2E; BVwG 07.08.2017, W187 2165912-1/2E; zur Fortlaufhemmung bereits BVA 11.12.2012, N/0113-BVA/12/2012-EV7). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 27.02.2018, W187 2186439-1/2E).

Zur Dauer der Provisorialmaßnahme ist auszuführen, dass nach nunmehr ständiger Rechtsprechung eine einstweilige Verfügung mit der Dauer des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 als hinreichend befristet zu bewerten ist (ua BVwG 10.01.2014, W187 2000170-1/11; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVwG 23.10.2014, W114 2013254-1/6E; BVA 10.02.2011, N/0011-BVA/10/2011-9, BVA 10.05.2011, N/0035-BVA/08/2011-12 mwN; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054). Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, und zwar der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Dauer nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung jederzeit deren Aufhebung beantragt werden kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (ua BVwG 04.05.2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054).

Über den Antrag auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 06.11.2002, 2002/04/0138; 30.06.2004, 2004/04/0028; 01.02.2005, 2005/04/0004; 29.06.2005, 2005/04/0024; 24.02.2006, 2004/04/0127; 01.03.2007, 2005/04/0239; 27.06.2007, 2005/04/0254; 29.02.2008, 2008/04/0019; 14.01.2009, 2008/04/0143; 14.04.2011, 2008/04/0065; 22.06.2011, 2009/04/0128; 29.09.2011, 2011/04/0153; 10.12.2007, AW 2007/04/0054) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte