GEG §6c Abs1
GEG §6c Abs2
GGG Art1 §19a
GGG Art1 §32 TP1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2241726.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX in XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Andreas NOWAK, LL.M., gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts XXXX vom XXXX, wegen der Rückzahlung von Gerichtsgebühren zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Für seine am XXXX.2020 im elektronischen Rechtsverkehr beim Bezirksgericht XXXX eingebrachte und zu XXXX protokollierte Klage gegen zwei Parteien auf Leistung und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 13.568,60) entrichtete der Beschwerdeführer (BF) die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG von EUR 817,30. Mit Eingabe vom 03.06.2020 schränkte er die Klage aufgrund der Erfüllung des Leistungsbegehrens mit Zahlung vom 22.05.2020 auf das mit EUR 3.000 bewertete Feststellungsbegehren ein.
Da die beklagten Parteien das Feststellungsbegehren in der Folge anerkannten, wurde aufgrund des Antrags des BF in der ersten Verhandlung in dieser Angelegenheit am XXXX.2020 ein Anerkenntnisurteil verkündet, wobei die ziffernmäßige Bestimmung der Kosten der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten wurde. Gegen das in der Folge schriftlich ausgefertigte Anerkenntnisurteil und die darin enthaltene Kostenentscheidung erhoben weder der BF noch die beklagten Parteien ein Rechtsmittel, sodass die Rechtskraft des Urteils am XXXX.2020 bestätigt wurde.
Mit seiner Eingabe vom 29.09.2020 beantragte der BF die Rückzahlung der halben Pauschalgebühr, weil die Rechtssache in der ersten Verhandlung vergleichsweise erledigt worden sei. Die beklagten Parteien hätten das eingeschränkte Urteilsbegehren anerkannt.
Mit Schreiben vom 22.12.2020 forderte der Präsident des Landesgerichts XXXX den BF auf, sich dazu zu äußern, dass die Anwendung der Gebührenermäßigung nach Anmerkung 2 zu TP 1 GGG auf eine Verfahrensbeendigung durch ein Anerkenntnisurteil nicht dem Gesetz entspreche. Der BF reagierte auf diese Aufforderung nicht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Präsident des Landesgerichts XXXX den Rückzahlungsantrag des BF gemäß § 6c Abs 2 GEG ab, weil die Rechtssache nicht rechtswirksam verglichen, sondern durch Fällen eines Anerkenntnisurteils rechtskräftig beendet worden sei. Dieser Fall sei vom Wortlaut der Anmerkung 2 zu TP 1 GGG nicht umfasst. Die Gerichtsgebührenpflicht knüpfe bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entferne, als sie über das Fehlen eines Elements des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestands, an den die Gebührenpflicht oder eine Ausnahme davon geknüpft sei, hinwegsehe, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF, mit der er primär beantragt, seinem Rückzahlungsantrag Folge zu geben und hilfsweise einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag stellt. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass der angefochtene Bescheid auf einem gleichheitswidrigen Gesetz beruhe. Für die Ermäßigung der Pauschalgebühr nach Anmerkung 2 zu TP 1 GGG komme es nach Ziel und Zweck der Vorschrift nur darauf an, dass das Verfahren mit der ersten Verhandlung beendet werde. Ein Vergleich und ein Anerkenntnisurteil seien doppelfunktionale Prozesshandlungen, die sowohl im materiellen Recht als auch im Verfahrensrecht Wirkungen entfalten würden. Ein Anerkenntnisurteil, gegen das keine Berufung erhoben werde, bilde wie ein bedingt abgeschlossener Vergleich, der nicht widerrufen werde, einen Exekutionstitel. In beiden Fällen müsse das Gericht lediglich den Inhalt der Parteienvereinbarung als Vergleichsausfertigung bzw. das anerkannte Klagebegehren als Anerkenntnisurteil ausfertigen. Ein Anerkenntnisurteil sei bereits bei der mündlichen Verkündung im Beisein der Parteien wirksam. Der rechtswirksame Vergleich und das rechtskräftige Anerkenntnisurteil in der ersten Verhandlung seien hinsichtlich der Bereinigungswirkung und der raschen Erledigung des Rechtsstreits gleich. Für eine Ungleichbehandlung gebe es keine sachliche Rechtfertigung. Dem Rückzahlungsantrag des BF sei daher unter Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes stattzugeben.
Der Präsident des Landesgerichts XXXX legte die Beschwerde und die Akten des Justizverwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt stehen anhand der Aktenlage fest. Die Beschwerde tritt dem nicht konkret entgegen, sondern bekämpft nur die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheids, sodass sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.
Rechtliche Beurteilung:
Der Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG unterliegen nach Anmerkung 1 zu TP 1 GGG alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, also auch die Klage des BF vom XXXX.2020. Ausgehend von der unstrittigen Bemessungsgrundlage von EUR 13.568,60 und einem Streitgenossenzuschlag gemäß § 19a GGG von 10 % ergibt sich aus TP 1 Z I GGG für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz eine Pauschalgebühr von EUR 817,30, die ordnungsgemäß entrichtet wurde.
Eine Rückzahlung der entrichteten Pauschalgebühr erfolgt nach § 6c Abs 1 GEG nur dann, wenn sich in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde und der Rückzahlung keine rechtskräftige Entscheidung entgegensteht (Z 1) oder soweit die Zahlungspflicht aufgrund einer nachfolgenden Entscheidung erloschen ist (Z 2). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, sodass der Rückzahlungsantrag des BF gemäß § 6c Abs 2 GEG vom Präsidenten des Landesgerichts XXXX als Vorschreibungsbehörde gemäß § 6 GEG zu Recht abgewiesen wurde.
Nach Anmerkung 2 zu TP 1 GGG ermäßigt sich die Pauschalgebühr nach TP 1 unter anderem dann auf die Hälfte, wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird. Im Beschwerdeverfahren ist strittig, ob diese Ermäßigung auch dann gilt, wenn in der ersten Verhandlung ein Anerkenntnisurteil gefällt wird, gegen das in der Folge kein Rechtsmittel erhoben wird. Dies wurde vom Präsidenten des Landesgerichts XXXX mit zutreffender Begründung verneint. Die Rechtssache wurde nicht in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen. Die antragsgemäße Fällung eines Anerkenntnisurteils ist (auch wenn dieses in der Folge unbekämpft in Rechtskraft erwächst) vom eindeutigen Wortlaut der Anmerkung 2 zu TP 1 GGG nicht erfasst.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) findet jede Auslegungsmethode ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Dies bedeutet bei Auslegung von Gesetzen einen Vorrang der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung sowie äußerste Zurückhaltung gegenüber der Anwendung sogenannter „korrigierender“ Auslegungsmethoden (siehe zuletzt VwGH 31.05.2021, Ra 2019/01/0138).
Eine planwidrige Gesetzeslücke, die durch einen Analogie- oder Größenschluss zu schließen wäre, liegt hier nicht vor. Sie wäre nur dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im Besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muss eine auftretende Rechtslücke in diesem Rechtsbereich im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt nur dann in Betracht, wenn das Gesetz anders nicht vollziehbar ist oder wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (siehe VwGH 17.10.2012, 2012/08/0050, VwGH 24.02.2016, Ro 2014/10/0061 sowie VwGH 22.03.2019, Ra 2018/04/0089 und letzteren folgend BVwG 04.06.2020, L521 2231218-1).
Dies ist hier nicht der Fall, zumal dem Gesetzgeber bei der Festsetzung und Bemessung von Gerichtsgebühren ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zusteht und es ihm freisteht, an formale äußere Tatbestände anzuknüpfen, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu ermöglichen. Auch darf der Gesetzgeber bei der Regelung von Gerichtsgebühren von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und an leicht feststellbare äußere Merkmale sachgerecht anknüpfen. Eine strenge Äquivalenz im Einzelfall in dem Sinn, dass die Gebühren dem bei Gericht verursachten Aufwand entsprechen müssen, ist nicht erforderlich (vgl. VwGH 12.05.2021, Ra 2021/16/0030; VfGH 07.03.2018, G97/2017 und 25.02.2021, E 2044/2020). Es geht nicht an, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahme- oder Ermäßigungstatbestand zu begründen (vgl. VwGH 29.04.2013, 2011/16/0004). Daher ist es auch aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes nicht zu beanstanden, wenn die Ermäßigung der Pauschalgebühr nur beim Abschluss eines rechtswirksamen Vergleichs in der ersten Verhandlung zum Tragen kommt, nicht aber auch bei Fällung eines Anerkenntnisurteils.
Aus Anmerkung 2 zu TP 1 GGG ergibt sich somit mangels einer durch einen Analogieschluss zu schließenden planwidrigen Regelungslücke nicht, dass die Pauschalgebühr nach TP 1 immer dann ermäßigt wird, wenn das Verfahren vor oder in der ersten Tagsatzung beendet wird (so auch z.B. BVwG 25.06.2021, G309 2229285-1). In der Begründung des angefochtenen Bescheids wird zu Recht darauf hingewiesen, dass eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, dem Prinzip der Anknüpfung an formale äußere Tatbestände nicht gerecht wird (siehe zuletzt VwGH 06.10.2020, Ra 2020/16/0126). Den Streitteilen wäre (bei einem Verzicht auf eine gerichtliche Entscheidung über die Kostenersatzpflicht) die Möglichkeit offen gestanden, in der ersten Tagsatzung einen gerichtlichen Vergleich über das anerkannte Feststellungsbegehren zu schließen, um in den Genuss der Ermäßigung der Pauschalgebühr nach Anmerkung 2 zu TP 1 GGG zu kommen. Gegenstand eines gerichtlichen Vergleichs kann jede materiell-rechtliche Regelung sein, die auch Gegenstand eines Urteils sein kann (siehe Diana Seeber-Grimm/Thomas Seeber/Lena Offenbecher, Der Vergleich im Zivilprozess - eine gebühren- und kostenrechtliche Betrachtung, ÖJZ 2020/102). Ein gerichtlicher Vergleich muss nicht unbedingt einen Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB enthalten; es reicht aus, dass eine Partei von ihrem Prozessstandpunkt abweicht (siehe RIS-Justiz RS RS0032581).
Da keine anderen Gründe für die begehrte Rückzahlung der Pauschalgebühr vorliegen, ist der angefochtene Bescheid rechtskonform, sodass die Beschwerde abzuweisen ist.
Die Durchführung einer – ohnehin nicht beantragten – mündlichen Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, weil von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist.
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG waren angesichts des fallbezogen eindeutigen Wortlauts der Anmerkung 2 zu TP 1 GGG nicht zu beantworten, sodass kein Anlass besteht, die Revision zuzulassen, zumal sich das BVwG bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte.
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