VwGH Ro 2014/10/0061

VwGHRo 2014/10/006124.2.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision des R K in Wien, vertreten durch Mag. Julia Andras, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Biberstraße 5, gegen den Bescheid des Senates der Universität für Bodenkultur vom 23. Oktober 2012, ohne Zahl, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Überprüfung der Beurteilung einer Diplomarbeit (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

UniStG 1997 §60 Abs1;
UniversitätsG 2002 §74 Abs2;
UniversitätsG 2002 §79 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Universität für Bodenkultur Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Senates der Universität für Bodenkultur vom 23. Oktober 2012 wurde die Berufung des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Studiendekans der Universität für Bodenkultur vom 12. Juli 2012, mit dem seine "Beschwerde" wegen der negativen Beurteilung seiner Diplomarbeit gemäß § 79 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) als unzulässig zurückgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, der Gesetzgeber sehe Rechtsmittel gegen negative Beurteilungen grundsätzlich nur bei negativen Beurteilungen von Prüfungen, nicht aber von wissenschaftlichen Arbeiten vor. Für eine Beschwerde gegen die Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit (Diplomarbeit, Masterarbeit, Dissertation) bestehe somit keine Rechtsgrundlage (Verweis auf Perthold-Stoizner in Mayer, Universitätsgesetz 2002, § 79 Rz. III).

Den Gesetzesmaterialien zur Vorgängerbestimmung des § 60 Universitäts-Studiengesetz (UniStG) - mit diesem sei erstmalig ein Rechtsmittel im Falle eines schweren Durchführungsmangels einer negativ beurteilten Prüfung eingeführt worden - sei eindeutig zu entnehmen, dass der Gesetzgeber lediglich eine Exzesskontrolle von Prüfungen, nicht aber von wissenschaftlichen Arbeiten einführen habe wollen. Auch würden sowohl das UniStG als auch das UG 2002 ausdrücklich und mehrfach zwischen Prüfungen und wissenschaftlichen Arbeiten unterscheiden, sodass die belangte Behörde die Annahme des Revisionswerbers über das Vorliegen einer planwidrigen Lücke nicht teile.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 20. Februar 2014, B 1477/2012-15, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Der Revisionswerber ergänzte vor dem Verwaltungsgerichtshof seine Revision mit Schriftsatz vom 17. April 2014.

Das Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verfahrens vor, erstattete aber keine Gegenschrift.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die vom Verfassungsgerichtshof erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde gilt in sinngemäßer Anwendung des § 4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, als Revision, für deren Behandlung - mit einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme - die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2015, Zl. Ro 2014/10/0117, mit Hinweis auf den hg. Beschluss vom 25. April 2014, Zl. Ro 2014/10/0029).

1.2. Die hier maßgebliche Bestimmung des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 81/2009, lautet auszugsweise:

"Rechtsschutz bei Prüfungen

§ 79. (1) Die Berufung gegen die Beurteilung einer Prüfung ist unzulässig. Wenn die Durchführung einer negativ beurteilten Prüfung einen schweren Mangel aufweist, hat das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ diese Prüfung auf Antrag der oder des Studierenden mit Bescheid aufzuheben. Die oder der Studierende hat den Antrag innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe der Beurteilung einzubringen und den schweren Mangel glaubhaft zu machen. Der Antritt zu der Prüfung, die aufgehoben wurde, ist nicht auf die zulässige Zahl der Prüfungsantritte anzurechnen.

..."

2. Die Revision macht im Wesentlichen geltend, der Umstand, dass § 79 Abs. 1 UG 2002 von Prüfungen spreche und wissenschaftliche Arbeiten nicht explizit erwähne, stelle eine planwidrige Unvollständigkeit dar, welche "durch eine gesetzeskonforme Auslegung zu schließen" sei. Das Gesetz würde jeglichem Gebot des Rechtsschutzes widersprechen, wenn es eine Überprüfung negativer Beurteilungen von wissenschaftlichen Arbeiten aufgrund geübter Willkür und schweren Verfahrensmängeln ausschließen würde. Es sei nicht einzusehen, warum schwer mangelhafte negative Beurteilungen von Prüfungen, nicht aber schwer mangelhafte negative Beurteilungen von wissenschaftlichen Arbeiten auf Antrag mit Bescheid aufgehoben werden könnten. Dies würde bei einer derart zeitintensiven Tätigkeit wie der Ausarbeitung einer wissenschaftlichen Arbeit zu einer unerträglichen Rechtsschutzlücke führen.

3. Damit ist die Revision nicht im Recht.

3.1. § 79 Abs. 1 UG 2002 stellt seinem Wortlaut nach auf Prüfungen, nicht aber auf wissenschaftliche Arbeiten ab. Der Revisionswerber erblickt darin eine planwidrige Unvollständigkeit, die durch Analogie zu schließen sei.

Nach der Rechtsprechung setzt ein Analogieschluss das Vorliegen einer echten Gesetzeslücke, also das Bestehen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zulässig, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so beispielsweise wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt. Im Zweifel ist das Unterbleiben einer bestimmten Regelung im Bereich des öffentlichen Rechts als beabsichtigt anzusehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. März 2014, Zl. 2014/02/0033, vom 27. September 2011, Zl. 2010/12/0120, und vom 20. März 2013, Zl. 2009/13/0101).

Wie sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum UniStG, BGBl. I Nr. 48/1997 (588 Blg NR XX. GP, S. 96 f), ergibt, sollte § 60 Abs. 1, und somit auch der gegenüber § 60 Abs. 1 UniStG unveränderte § 79 Abs. 1 UG 2002, eine Kontrolle der Beurteilung von Prüfungen im Hinblick auf "Exzesse" ermöglichen; Hinweise in die Richtung, dass auch eine Kontrolle der Beurteilung wissenschaftlicher Arbeiten ermöglicht werden sollte, sind demgegenüber nicht ersichtlich. Auch der Revision sind konkrete Darlegungen, aus welchen Umständen der Revisionswerber zu schließen können glaubt, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt, nicht zu entnehmen.

3.2. Die Revision bringt im Weiteren vor, das Vorliegen einer planwidrigen Lücke ergebe sich auch aus einer systematischen Auslegung des UG 2002. § 74 Abs. 2 leg.cit. sehe die nachträgliche Nichtigerklärung einer wissenschaftlichen Arbeit oder einer künstlerischen Master- oder Diplomarbeit mit Bescheid vor, wenn die Beurteilung, insbesondere durch die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel, erschlichen worden sei. Gegen derartige Bescheide sei "die Beschwerde" an den Senat zulässig. Wenn aber selbst für den Fall, dass sich im Nachhinein herausstelle, dass die Diplomarbeit nicht den wissenschaftlichen Anforderungen entspreche und sohin ihre Nichtigkeit ausgesprochen werde, ein Rechtsschutz gegen diese Entscheidung vorgesehen sei, so müsse ein solcher Rechtsschutz ebenso für Fälle gelten, in denen keine positive Beurteilung der Diplomarbeit aus nicht nachvollziehbaren bzw. willkürlichen Gründen erfolge.

Dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht zielführend, weil im Verfahren zur Nichtigerklärung von Beurteilungen nach § 74 Abs. 2 UG 2002 nicht über die Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit, sondern über die Erschleichung der Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit entschieden wird. Unter systematischen Gesichtspunkten spricht die Bestimmung des § 74 Abs. 2 UG 2002 im Übrigen nicht für, sondern gegen den Standpunkt des Revisionswerbers, wird darin doch ausdrücklich auf die "Beurteilung einer Prüfung, einer wissenschaftlichen Arbeit oder einer künstlerischen Master- oder Diplomarbeit" Bezug genommen. Die Annahme des Revisionswerbers, das Unterbleiben der Nennung von wissenschaftlichen Arbeiten in § 79 Abs. 1 UG 2002 sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen, wird dadurch gerade nicht gestützt, weil (auch) aus § 74 Abs. 2 leg. cit. deutlich wird, dass der Gesetzgeber dort, wo er nicht nur die Beurteilung von Prüfungen, sondern auch die Beurteilung von wissenschaftlichen Arbeiten umfasst sehen wollte, dies auch im Wortlaut zum Ausdruck gebracht hat.

3.3. Soweit sich die Revision mit umfangreicheren Darlegungen gegen die negative Beurteilung der Diplomarbeit richtet, kann damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, der darüber inhaltlich nicht abgesprochen, sondern den zugrundliegenden Antrag im Instanzenzug - nach dem Gesagten zu Recht - als unzulässig zurückgewiesen hat, nicht aufgezeigt werden.

4. Die sich somit als unbegründet erweisende Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 4 iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 weiter anzuwendenen) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Februar 2016

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