AlVG §46
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W238.2228509.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Robert STEIER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse vom 09.09.2019, VN XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 04.12.2019, GZ XXXX , betreffend Feststellung des Gebührens von Arbeitslosengeld ab 13.08.2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerde-vorentscheidung bestätigt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Das letzte Dienstverhältnis der nunmehrigen Beschwerdeführerin bei der Firma XXXX , welches in der Schweiz ausgeübt wurde, endete am 27.07.2019. Nach Kontaktaufnahme der Beschwerdeführerin mit dem Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse (im Folgenden: AMS) wurde ihr am 12.07.2019 per E-Mail mitgeteilt, dass sie die Arbeitslosmeldung und den Antrag auf Arbeitslosengeld via eAMS-Konto stellen könne.
2. Am 29.07.2019 teilte die Beschwerdeführerin über ihr eAMS-Konto mit, dass sie sich hiermit für den Arbeitslosenbezug anmelden wolle. Ihr letzter Arbeitstag sei der 27.07.2019 gewesen. Das noch benötigte PDU1-Formular könne sie erst nach erfolgter Abrechnung der letzten Reise beantragen.
3. Am 30.07.2019 wurde die Beschwerdeführerin vom AMS darüber informiert, dass sie sich online (über ihr eAMS-Konto) unter "eServices beim AMS an- und abmelden" arbeitslos melden und in weiterer Folge die Geldleistung beantragen möge.
4. Am 31.07.2019 teilte die Beschwerdeführerin im Wege ihres eAMS-Kontos mit, dass sie hiermit die Geldleistung beantrage. Sie gab erneut an, dass sie am 27.07.2019 ihren letzten Arbeitstag gehabt habe; sie melde sich arbeitslos.
5. Am selben Tag wurde die Beschwerdeführerin seitens des AMS erneut über die richtige Vorgehensweise bei Antragstellung im Wege des eAMS-Kontos ("eServices") informiert. Ihr wurde insbesondere mitgeteilt, dass neben einer Arbeitslosmeldung eine gesonderte Beantragung der Geldleistung erforderlich sei. Weiters wurde der Beschwerdeführerin freigestellt, persönlich beim AMS Wien Huttengasse vorzusprechen, sofern ihr die Vorgehensweise per eAMS nicht möglich sei.
6. Am 09.08.2019 brachte die Beschwerdeführerin über ihr eAMS-Konto eine Arbeitslosmeldung ein. Unter einem teilte sie mit, dass ihr Laptop in den letzten Tagen nicht zur Verfügung gestanden sei, weshalb sie die Anmeldung erst jetzt habe machen können. Es sei ihr allerdings nicht möglich, die Geldleistung zu beantragen, da sie diesbezüglich eine Fehlermeldung erhalten habe. Sie habe sich per E-Mail arbeitslos gemeldet und ersuche um weitere Auskunft.
7. Am 12.08.2019 wurde der Beschwerdeführerin der Eingang der Arbeitslosmeldung bestätigt. Zur Abklärung des Vermittlungsauftrages wurde ihr ein Termin am 16.08.2019 um 09:50 Uhr angeboten. Schließlich wurde sie darauf hingewiesen, dass eine sofortige Antragstellung notwendig sei, um sich so rasch wie möglich allfällige Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung zu sichern. Sodann wurden ihr erneut die Möglichkeiten der Antragstellung (online oder persönlich) und der früheste Zeitpunkt des Gebührens der Leistung erläutert.
8. Am 13.08.2019 wandte sich die Beschwerdeführerin telefonisch an die Serviceline des AMS, um ihre Verhinderung am 16.08.2019 bekanntzugeben. Im Zuge dieses Telefonats wurde ihr erneut mitgeteilt, dass bislang kein Antrag online gestellt worden sei. Zur weiteren Abklärung möge sie so rasch wie möglich in der Infozone vorsprechen.
9. Am 13.08.2019 teilte die Beschwerdeführerin im Wege ihres eAMS-Kontos mit, dass sie das Formular "Geldleistung beantragen" bislang nicht abgeschickt habe, weil es ihr nicht möglich gewesen sei, das Datum rückwirkend mit 29.07.2019 einzugeben. Sie verwies auf das Telefonat mit der Serviceline und gab an, den Antrag mit dem heutigen Datum abzusenden, obwohl sie diesen bereits am 29.07.2019 per eAMS-Korrespondenz gestellt habe. Sie habe nicht gewusst, dass dies nicht ausreichend sei. Sie könne erst am 19.08.2019 persönlich vorsprechen, um die Sache zu klären.
10. Der via eAMS-Konto gestellte Antrag der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld langte am 13.08.2019 bei der Behörde ein. Der Beschwerdeführerin wurde zur Kenntnis gebracht, dass sie am 23.08.2019 einen neuen Beratungstermin habe.
11. Am 28.08.2019 reichte die Beschwerdeführer das PDU1-Formular nach, aus dem ein Beschäftigungsverhältnis in der Schweiz vom 10.03.2019 bis 27.07.2019 hervorgeht.
12. Am 28.08.2019 wurde der Leistungsanspruch der Beschwerdeführerin mit 13.08.2019 zuerkannt und angewiesen.
13. Am 03.09.2019 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie Einspruch gegen die Mitteilung des Leistungsanspruches erhebe. Am 04.09.2019 beantragte sie die Erlassung eines Bescheides über das Gebühren der Leistung.
14. Mit Bescheid des AMS Wien Huttengasse vom 09.09.2019 wurde gemäß § 17 iVm §§ 44, 46 AlVG festgestellt, dass der Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld ab 13.08.2019 gebührt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin den Antrag auf Arbeitslosengeld erst am 13.08.2019 erfolgreich beim AMS geltend gemacht habe.
15. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie bis 27.07.2019 in der Schweiz gearbeitet habe. Im Anschluss habe sie sich am 29.07.2019 per eAMS-Konto "arbeitslos zum Leistungsbezug gemeldet". Sie habe nicht gewusst, dass sie dazu verschiedene Formulare ausfüllen müsse. Den diesbezüglichen Hinweis des AMS habe sie erst eine Woche später lesen und dementsprechend handeln können, da sie ihren Laptop und die Zugangsdaten nicht zur Verfügung gehabt habe. Sie habe das Formular sodann nicht abschicken können, da es nicht möglich gewesen sei, das richtige Datum einzugeben. Nach einem Gespräch mit der Serviceline am 13.08.2019 habe sie das Formular notgedrungen mit dem falschen (nämlich dem damals aktuellen) Datum ausgefüllt. Im Zuge einer persönlichen Vorsprache beim AMS sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass der Arbeitslosengeldbezug mit 28.07.2019 oder 29.07.2019 beginnen werde. Hätte sie gewusst, wie kompliziert die online Antragstellung ist, hätte sie gleich persönlich beim AMS vorgesprochen. Abschließend begehrte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung von Arbeitslosengeld ab Ende Juli 2019.
16. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.12.2019 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 09.09.2019 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG abgewiesen. Begründend wurde nach Feststellung des Sachverhalts und Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, aus den Aufzeichnungen sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin am 12.07.2019 über die Möglichkeit der Arbeitslosmeldung und der Antragstellung auf Arbeitslosengeld via eAMS-Konto informiert worden sei. Nachdem die Beschwerdeführerin (formlos) mitgeteilt habe, sich für den Arbeitslosengeldbezug anzumelden und eine Geldleistung zu beantragen, sei sie vom AMS zweimal über die Vorgehensweise hinsichtlich Arbeitslosmeldung und Antragstellung auf Arbeitslosengeld informiert worden. In weiterer Folge habe die Beschwerdeführerin über ihr eAMS-Konto am 09.08.2019 die Arbeitslosmeldung durchgeführt und am 13.08.2019 den Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt. Zum Einwand der Beschwerdeführerin, wonach sie nicht gewusst habe, dass sie verschiedene Formulare ausfüllen hätte müssen, wurde ausgeführt, dass sie vom AMS genau über die erforderliche Vorgehensweise informiert worden sei. Dem Einwand, wonach sie den diesbezüglichen Hinweis erst eine Woche später habe lesen können, weil ihr Laptop und Zugangsdaten nicht zur Verfügung gestanden wären, wurde entgegengehalten, dass der erste Hinweis des AMS laut Sendeprotokoll am 30.07.2019 über das eAMS-Konto übermittelt worden sei; diesen habe sie am 31.07.2019 um 14:48 Uhr gelesen. Der zweite Hinweis des AMS sei laut Sendeprotokoll am 31.07.2019 über das eAMS-Konto übermittelt worden; diesen habe sie am 02.08.2019 um 15:32 Uhr gelesen. Da sie den Antrag auf Arbeitslosengeld erst am 13.08.2019 online über ihr eAMS-Konto gestellt habe, könne der Anspruch frühestens ab 13.08.2019 zuerkannt werden.
17. Die Beschwerdeführerin brachte fristgerecht einen Vorlageantrag ein, in dem sie einräumte, dass die Darstellung in der Beschwerdevorentscheidung korrekt sei. Jedoch habe sie vorab keine Information darüber gehabt, dass eine Anmeldung nur in Verbindung mit dem langwierigen Ausfüllen eines Antragsformulars gültig sei. Die Beschwerdeführerin machte diesbezüglich Probleme mit ihrem Laptop, fehlende Erfahrung mit dem eAMS-Konto sowie Schwierigkeiten bei der elektronischen Antragstellung geltend. Da es nicht möglich gewesen sei, das Datum der Antragstellung rückwirkend einzugeben, sei es zu weiteren Verzögerungen gekommen. Hätte die Beschwerdeführerin gewusst, dass sie den Antrag elektronisch einbringen müsse, hätte sie sofort persönlich in der Geschäftsstelle vorgesprochen.
18. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens seitens der belangten Behörde am 13.02.2020 vorgelegt.
19. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom selben Tag wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, binnen zwei Wochen im Wege einer schriftlichen Stellungnahme klarzustellen, ob sie bestreitet, dass sie den Antrag auf Arbeitslosengeld (erst) am 13.08.2019 online über ihr eAMS-Konto erfolgreich gestellt hat, oder ob sie der Auffassung ist, dass ihr das Arbeitslosengeld aufgrund der von ihr dargestellten Schwierigkeiten bei der online-Antragstellung zu einem früheren Zeitpunkt gebühren würde. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt werde.
20. Am 25.02.2020 langte eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht ein, in der sie erneut vorbrachte, ihr sei nicht klar gewesen, dass eine Arbeitslosmeldung über das eAMS-Konto erst mit dem erfolgreichen Ausfüllen des Antragsformulars wirksam sei, zumal sie in der Vergangenheit immer persönlich beim AMS vorgesprochen habe. Sie habe sich erstmals am 29.07.2019 über ihr eAMS-Konto für den Arbeitslosenbezug gemeldet und erwartet, dass sie einen Termin zur Antragstellung erhalte. Sie habe nicht gewusst, dass ein Antrag via eAMS-Konto auszufüllen sei. Sie sei davon ausgegangen, dass ihre Meldung vom 29.07.2019 ausreiche. Darüber hinaus sei es ungünstig gewesen, dass sie aufgrund eines Computer-Virus nicht in der Lage gewesen sei, die Aufforderungen des AMS einzusehen und dementsprechend zu handeln. Es sei ihr auch nicht möglich gewesen, im Zuge der elektronischen Antragstellung das richtige Datum rückwirkend einzugeben. Sie ersuchte um Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab Ende Juli 2019. Sollte ihr ein Teilverschulden angelastet werden, ersuchte sie um Zuerkennung eines Teilbetrags des Arbeitslosengeldes.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das letzte Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin endete am 27.07.2019.
Nach Kontaktaufnahme der Beschwerdeführerin mit dem AMS wurde ihr am 12.07.2019 per E-Mail mitgeteilt, dass sie die Arbeitslosmeldung und den Antrag auf Arbeitslosengeld via eAMS-Konto stellen kann.
Die erforderliche Vorgehensweise wurde ihr seitens des AMS am 30.07.2019 und am 31.07.2019 erläutert. Sie wurde vom AMS genau darüber informiert, unter welcher Rubrik ihres eAMS-Kontos ("eServices") sie sich arbeitslos melden und einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen kann. Am 31.07.2019 wurde ihr insbesondere auch mitgeteilt, dass neben einer Arbeitslosmeldung eine gesonderte Beantragung der Geldleistung erforderlich ist. Ihr wurde zudem freigestellt, persönlich beim AMS Wien Huttengasse vorzusprechen, falls eine online Antragstellung nicht möglich ist.
Am 09.08.2019 brachte die Beschwerdeführerin über ihr eAMS-Konto eine Arbeitslosmeldung ein.
Am 13.08.2019 brachte sie über ihr eAMS-Konto einen Antrag auf Arbeitslosengeld ein.
Begründet wurde die späte Antragstellung seitens der Beschwerdeführer insbesondere mit ihrer Unkenntnis des Umstands, dass neben einer Arbeitslosmeldung eine gesonderte online Antragstellung erforderlich ist. Weiters machte sie Schwierigkeiten mit ihrem Computer und beim Ausfüllen des online-Formulars geltend.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen, widerspruchsfreien und diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt.
Seitens der Beschwerdeführerin wurde im gesamten Verfahren insbesondere nicht bestritten, dass sie den Antrag auf Arbeitslosengeld erst am 13.08.2019 erfolgreich im Wege ihres eAMS-Kontos eingebracht hat.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den geltend gemachten Schwierigkeiten im Zuge der Antragstellung ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) lauten auszugsweise:
"Beginn des Bezuges
§ 17. (1) Sind sämtliche Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt und ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht gemäß § 16, gebührt das Arbeitslosengeld ab dem Tag der Geltendmachung, frühestens ab dem Eintritt der Arbeitslosigkeit. Der Anspruch gilt rückwirkend ab dem Eintritt der Arbeitslosigkeit
1. wenn diese ab einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag besteht und die Geltendmachung am ersten darauf folgenden Werktag erfolgt oder
2. wenn die Arbeitslosmeldung bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eingelangt ist und die Geltendmachung sowie eine gemäß § 46 Abs. 1 erforderliche persönliche Vorsprache binnen 10 Tagen nach Eintritt der Arbeitslosigkeit erfolgt, soweit das Arbeitsmarktservice nicht hinsichtlich der persönlichen Vorsprache Abweichendes verfügt hat.
(2) Die Frist zur Geltendmachung verlängert sich um Zeiträume, während denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 16 Abs. 1 ruht, ausgenommen bei Auslandsaufenthalt gemäß lit. g. Ruht der Anspruch oder ist der Bezug des Arbeitslosengeldes unterbrochen, so gebührt das Arbeitslosengeld ab dem Tag der Wiedermeldung oder neuerlichen Geltendmachung nach Maßgabe des § 46 Abs. 5.
...
(4) Ist die Unterlassung einer rechtzeitigen Antragstellung auf einen Fehler der Behörde, der Amtshaftungsfolgen auslösen kann, wie zum Beispiel eine mangelnde oder unrichtige Auskunft, zurück zu führen, so kann die zuständige Landesgeschäftsstelle die regionale Geschäftsstelle amtswegig unter Berücksichtigung der Zweckmäßigkeit und der Erfolgsaussichten in einem Amtshaftungsverfahren zu einer Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt, ab dem die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorliegen, ermächtigen."
"Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld
§ 46. (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Personen, die über ein sicheres elektronisches Konto beim Arbeitsmarktservice (eAMS-Konto) verfügen, können den Anspruch auf elektronischem Weg über dieses geltend machen, wenn die für die Arbeitsvermittlung erforderlichen Daten dem Arbeitsmarktservice bereits auf Grund einer Arbeitslosmeldung oder Vormerkung zur Arbeitsuche bekannt sind; sie müssen jedoch, soweit vom Arbeitsmarktservice keine längere Frist gesetzt wird, innerhalb von 10 Tagen nach elektronischer Übermittlung des Antrages persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle vorsprechen. Das Arbeitsmarktservice kann die eigenhändige Unterzeichnung eines elektronisch eingebrachten Antrages binnen einer gleichzeitig zu setzenden angemessenen Frist verlangen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Geltendmachung bestehen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle zumindest einmal persönlich vorgesprochen hat und das vollständig ausgefüllte Antragsformular übermittelt hat. Das Arbeitsmarktservice kann vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache absehen. Eine persönliche Vorsprache ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages nicht ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so ist die betroffene Person verpflichtet, auf Verlangen bei der regionalen Geschäftsstelle vorzusprechen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen, etwa zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen, eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind.
..."
3.3. Voranzustellen ist, dass für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung das Antragsprinzip gilt. Zum materiellrechtlichen Anspruch muss der Formalakt der Geltendmachung hinzutreten (vgl. VwGH 09.09.2015, Ra 2015/08/0052, unter Bezugnahme auf Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz [11. Lfg.] § 46 Rz 791).
Die Geltendmachung weist somit zwei rechtliche Komponenten auf, zum einen die (idR) einmalige persönliche Vorsprache der arbeitslosen Person und zum anderen die Übermittlung des ausgefüllten Antragsformulars bzw. die Geltendmachung über ein eAMS-Konto.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die (oben auszugsweise wiedergegebene) Bestimmung des § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder nicht fristgerechter (verspäteter) Antragstellungen dar. Die abschließende Normierung lässt es - selbst im Fall des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen - nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren. Ein Arbeitsloser ist nämlich selbst in jenen Fällen, in denen er aufgrund einer von einem Organ des AMS schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen - durch die Anwendung des § 46 AlVG nicht abwendbaren - Schaden erleidet, auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen. Folglich findet die Fiktion einer dem Gesetz entsprechenden Antragstellung im Hinblick auf die formalisierte Antragstellung im Sinn des § 46 AlVG, der eine abschließende Regelung enthält, keine gesetzliche Grundlage (vgl. erneut VwGH 09.09.2015, Ra 2015/08/0052 mwN).
3.4. Vorliegend wurde der Beschwerdeführerin, dessen letztes Dienstverhältnis am 27.07.2019 endete, seitens des AMS bereits am 12.07.2019 mitgeteilt, dass sie die Arbeitslosmeldung und den Antrag auf Arbeitslosengeld elektronisch via eAMS-Konto einbringen kann. Die erforderliche Vorgehensweise wurde ihr seitens des AMS am 30.07.2019 und am 31.07.2019 genau erläutert. Insbesondere wurde sie auch darüber in Kenntnis gesetzt, dass neben einer Arbeitslosmeldung eine gesonderte Beantragung der Geldleistung nötig ist. Ihr wurde darüber hinaus freigestellt, persönlich beim AMS vorzusprechen, sofern ihr die online Antragstellung nicht möglich ist.
Dennoch brachte die Beschwerdeführerin erst am 09.08.2019 eine Arbeitslosmeldung und am 13.08.2019 einen Antrag auf Arbeitslosengeld über ihr eAMS-Konto ein.
Dies wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Vielmehr gab sie an, dass sie der Meinung gewesen sei, sich am 29.07.2019 korrekt zum "Arbeitslosenbezug" gemeldet zu haben, zumal sie nicht gewusst habe, dass neben einer Arbeitslosmeldung eine gesonderte Antragstellung erforderlich sei. Weiters machte sie Schwierigkeiten mit ihrem Computer und beim Ausfüllen des online-Formulars geltend. Aus welchem Grund die Beschwerdeführerin angesichts der dargestellten technischen Schwierigkeiten nicht die Möglichkeit einer persönlichen Antragstellung wahrgenommen hat, legte sie nicht dar.
Mit der Novelle BGBl. I 2007/104 wurde dem besonderen Rechtschutzinteresse jener Arbeitsuchender Rechnung getragen, denen seitens der Behörde eine fehlerhafte Auskunft erteilt wurde, was zur Unterlassung einer rechtzeitigen Antragstellung oder Wiedermeldung führte. § 17 AlVG wurde ein Abs. 3 (seit 01.07.2010: Abs. 4) angefügt, der seitens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in bestimmten Fällen eine rückwirkende Zuerkennung der Leistung vorsieht (vgl. Krapf/Keul Praxiskommentar Arbeitslosenversicherungsgesetz § 46 AlVG, Rz 802).
§ 17 Abs. 4 AlVG trägt im Besonderen dem Gedanken der Existenzsicherung durch Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe Rechnung. Unterbleibt eine Antragstellung bzw. eine Wiedermeldung eines Arbeitssuchenden durch einen Fehler der Behörde, soll verhindert werden, dass der Arbeitssuchende alleine daraus die Konsequenzen tragen muss (vgl. Krapf/Keul Praxiskommentar Arbeitslosenversicherungsgesetz § 17 AlVG, Rz 412).
Im vorliegenden Fall vermag das Bundesverwaltungsgericht jedoch - angesichts der mehrfachen Erläuterung seitens des AMS über die einzuhaltende Vorgehensweise bei der online Antragstellung - keinen Fehler der belangten Behörde zu erkennen.
Im Übrigen wurde der belangten Behörde die verspätete Antragstellung auch von der Beschwerdeführerin nicht angelastet.
Selbst wenn sich die Beschwerdeführerin auf ein fehlerhaftes Vorgehen der belangten Behörde berufen würde, würde dies im vorliegenden Verfahren aber aufgrund der abschließenden Regelung des § 46 AlVG - wie bereits ausgeführt wurde - zu keiner anderen Entscheidung führen.
§ 17 Abs. 4 AlVG ermöglicht es der zuständigen Landesgeschäftsstelle zwar - unter den dort näher genannten Voraussetzungen - die regionale Geschäftsstelle zwecks Abwendung eines Amtshaftungsanspruches amtswegig zu einer Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt zu ermächtigen, auf die Ausübung dieser Ermächtigung besteht jedoch kein Rechtsanspruch (vgl. VwGH 23.05.2012, 2010/08/0156). In Hinblick auf dem AMS allfällig unterlaufene Fehler wäre die Beschwerdeführerin demnach auf den Zivilrechtsweg (Amtshaftung) zu verweisen.
Die belangte Behörde ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin das Arbeitslosengeld erst ab 13.08.2019 gebührt. Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
3.5. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensausübung anzusehen sind (VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0019).
Im gegenständlichen Fall ergibt sich der Sachverhalt zweifelsfrei aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem Vorlageantrag. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin erst am 13.08.2019 einen Antrag auf Arbeitslosengeld eingebracht hat, wurde von ihr nicht bestritten. Auch beinhaltet das Vorbringen in der Beschwerde und im Vorlageantrag kein substantiiertes Tatsachenvorbringen, welches zu einem anderen Verfahrensausgang führen könnte, wobei diesbezüglich auf die obige Begründung verwiesen wird. Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine Notwendigkeit ergeben, den Sachverhalt mit der Beschwerdeführerin oder der belangten Behörde näher zu erörtern. Dem angefochtenen Bescheid idF der Beschwerdevorentscheidung ist ein hinreichendes Ermittlungsverfahren durch das AMS vorangegangen. Weder wurden in der Beschwerde zu klärende entscheidungserhebliche Tatsachenfragen aufgeworfen noch war gegenständlich eine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, 2005/05/0080). Bei Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung handelt es sich zwar um "civil rights" iSd Art. 6 EMRK (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra 2016/08/0142, mwN). Im vorliegenden Fall liegen jedoch keine (entscheidungserheblichen) widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen vor, die es erforderlich machen würden, dass sich das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien verschafft (vgl. zu den Fällen, in denen von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, etwa VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0171). Im Ergebnis stehen dem Entfall der Verhandlung daher weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (vgl. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).
Ergänzend ist im Beschwerdefall aus dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) auf den Umstand hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin vom Bundesverwaltungsgericht bei Einräumung des Parteiengehörs auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, indem ihr seitens des Verwaltungsgerichtes mitgeteilt wurde, dass - sollte sie eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen - eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung in Aussicht genommen werde. Die Beschwerdeführerin hat daraufhin keinen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung gestellt.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen gehört auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung. Nach der Rechtsprechung kann die Unterlassung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet werden. Zwar liegt ein solcher Verzicht dann nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VfSlg. 16.894/2003 und 17.121/2004; VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; VwGH 12.08.2010, 2008/10/0315; VwGH 30.01.2014, 2012/10/0193). Dies ist hier aber angesichts des erwähnten Umstands eines entsprechenden Hinweises an die Beschwerdeführerin und der ihr explizit eingeräumten Gelegenheit zur Antragstellung nicht der Fall. Die unterbliebene Antragstellung kann vor diesem Hintergrund als schlüssiger Verzicht im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gewertet werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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