VwGH Ra 2016/08/0140

VwGHRa 2016/08/01407.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der S D in K, vertreten durch Dr. Klaus Kollmann, Dr. Werner Stegmüller und Dr. Christoph Zauhar, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Reitschulgasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. Juli 2016, G308 2123238-1/3E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Graz West und Umgebung), den Beschluss gefasst:

Normen

AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §36 Abs3;
AlVG 1977 §36a Abs5 Z1;
AlVG 1977 §36a;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Bezug der Notstandshilfe durch die Revisionswerberin für näher genannte Zeiträume in der Zeit zwischen dem 17. August 2012 und dem 31. Jänner 2015 gemäß § 38 iVm. § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und die Revisionswerberin gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der bezogenen Notstandshilfe in der Höhe von insgesamt EUR 13.725,33 verpflichtet werde.

5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, aus den rechtskräftigen Einkommensteuerbescheiden des Ehegatten der Revisionswerberin, der mit der Revisionswerberin im selben Haushalt lebe, für die Jahre 2012 bis 2014 ergebe sich, dass die Revisionswerberin sich in diesen Jahren in keiner Notlage befunden habe. Da der maßgebliche Sachverhalt geklärt sei und auch keine komplexen Rechtsfragen zu lösen seien, habe von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden können.

6 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision vor, es sei die Frage zu klären, ob es ausreichend sei, bei Rückforderung der Notstandshilfe ausschließlich auf die Einkommensteuerbescheide abzustellen. Richtigerweise müsse es auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage ankommen. Aber selbst wenn die Voraussetzungen des Bezuges der Notstandshilfe nicht vorgelegen sein sollten, habe sich die Revisionswerberin doch auf die Berechnung des Arbeitsmarktservice und die Unterlagen des Steuerberaters ihres Ehegatten verlassen können. Sie habe daher nicht im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG "erkennen müssen", dass ihr die Notstandshilfe nicht gebühre. Zur Klärung dieser Voraussetzung der Rückforderung des Bezuges nach § 25 Abs. 1 AlVG habe das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen zu Unrecht keine mündliche Verhandlung durchgeführt.

7 Für die Berechnung der auf die Notstandshilfe anzurechnenden Einkommen ist bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, ein zweistufiges Verfahren vorgesehen (vgl. § 36a Abs. 5 Z 1 und Abs. 7 AlVG). Bis zum Vorliegen eines Einkommensteuerbescheides hat die regionale Geschäftsstelle das vorläufige Einkommen anhand einer monatlich im Nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise festzustellen; die endgültige Berechnung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe erfolgt nach Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr des Leistungsbezuges mit der begünstigten Rückforderungsmöglichkeit des Überbezuges nach § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 2011, 2008/08/0210, und vom 11. Dezember 2013, 2013/08/0200).

8 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Widerruf und die Rückforderung eines Notstandshilfebezugs an den Spruch des Einkommensteuerbescheides gebunden ist, wobei diese Regelung der Erleichterung des praktischen Vollzugs des AlVG in Bezug auf die dort geregelten Geldleistungen dient (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. April 2015, Ro 2014/08/0030, und vom 14. Februar 2013, 2010/08/0071, jeweils mwN). Das Ergebnis der Veranlagung zur Einkommensteuer kann als Gradmesser dafür dienen, dass ein die Notstandshilfe beziehender Arbeitsloser über eine höhere Wirtschaftskraft verfügt als eine Person ohne anzurechnendes Einkommen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. März 2013, 2013/08/0022, und vom 19. Oktober 2011, 2011/08/0223, jeweils mwN).

9 Mit ihren weiteren Ausführungen, sie habe nicht erkennen müssen, dass ihr die Notstandshilfe nicht gebühre, verkennt die Revisionswerberin, dass das Bundesverwaltungsgericht sich nicht auf den damit angesprochenen dritten Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG, sondern auf § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG gestützt hat.

10 Wenn sich - wie hier - auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte, so ist der Empfänger der Leistung nach § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen unabhängig davon zu verpflichten, ob ihn ein Verschulden (am unberechtigten Empfang) trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 2013, 2010/08/0071).

11 Im vorliegenden Fall konnte das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung über den Widerruf und die Rückforderung des Notstandshilfebezugs nach § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG daher auf die rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide des Ehegatten der Revisionswerberin, deren Inhalt und Rechtskraft unbestritten geblieben sind, stützen. Damit stand der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest, weshalb insofern auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten. Im Licht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK war daher eine Verhandlung nicht notwendig und konnte das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden (vgl. die hg. Beschlüsse vom 26. April 2016, Ra 2016/03/0038, und vom 29. Jänner 2016, Ra 2015/06/0124, jeweils mwN).

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am 7. August 2017

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