BVwG L516 2205145-1

BVwGL516 2205145-113.9.2018

AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2205145.1.00

 

Spruch:

 

 

L516 2205145-1/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX XXXX auch XXXX XXXX XXXX XXXX , geb XXXX , StA Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2018, IFA: XXXX XXXX , zu Recht erkannt:

 

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 iVm § 68 Abs 1 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 20.03.2013 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 06.09.2013, C12 423.832-1/2013/4E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; des Weiteren wurde der Beschwerdeführer nach Bangladesch ausgewiesen. Jene Entscheidung erwuchs in Rechtskraft mit 16.09.2013.

2. Der Beschwerdeführer stellte am 26.01.2014 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2016, L519 2124970-1/12E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Bangladesch für zulässig erklärt. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft mit 24.08.2016.

3. Am 13.04.2018 stellte der Beschwerdeführer den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden dritten Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand dazu die Erstbefragung gem § 19 AsylG statt und am 29.05.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

4. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV), stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI).

5. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.

6. Der Beschwerdeführer hat gegen den am 20.07.2018 zugestellten Bescheid des BFA durch seine ausgewiesene Vertretung am 16.08.2018 Beschwerde erhoben und diesen zur Gänze angefochten.

7. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 07.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

Zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung im Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 20.03.2013 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 06.09.2013, C12 423.832-1/2013/4E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; des Weiteren wurde der Beschwerdeführer nach Bangladesch ausgewiesen. Jene Entscheidung erwuchs in Rechtskraft mit 16.09.2013.

1.2. Ein am 26.01.2014 gestellter zweiter Antrag auf internationalen Schutz wurde im Rechtsmittelweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2016, L519 2124970-1/12E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen; gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Bangladesch für zulässig erklärt. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft mit 24.08.2016.

Zur Begründung der Anträge

1.3. Die beiden ersten Anträge auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer zusammengefasst damit, dass er als aktives Mitglied der Partei BNP von Mitgliedern der Partei Awami League verfolgt, mit dem Umbringen bedroht sowie zu Unrecht angezeigt worden sei und daher auch von den staatlichen Sicherheitbehörden gesucht werde.

Sowohl der Asylgerichtshof in seiner Entscheidung zum ersten Antrag als auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zum zweiten Antrag erachteten jeweils das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der von ihm behaupteten Bedrohungssituation in dessen Heimat mit näherer Begründung als nicht glaubhaft und gingen darüber hinaus davon aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege sowie eine Ausweisung des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle.

1.4. Den verfahrensgegenständlichen dritten Antrag begründete der Beschwerdeführer vor dem BFA – zusammengefasst – damit, dass er sich erst in Österreich im Jahr 2016 seiner Homosexualität bewusst geworden sei, er im Juni/Juli 2016 festgestellt hat, dass er homosexuell sei und dies allmählich auch akzeptiert habe. Er habe dies auch 2017 seiner Familie in Bangladesch mitgeteilt. Er habe auch einen Lebenspartner, den er im August 2017 kennen gelernt habe. (vgl AS 63, 64)

Der Beschwerdeführer legte dem BFA zur Bescheinigung dieses Vorbringens Fotos seiner Person, die ihn in Clubs für Homosexuelle sowie in der Türkis Rosa Lila Villa in Wien zeigen, eine Passkopie seines Sexualpartners zum Zeitpunkt der Einvernahme vor dem BFA, ein Schreiben vom 06.04.2018 der Queer Base, einer Anlaufstelle für lesbische, schwule, bisexuelle, inter*, Trans*Gender und queere Flüchtlinge, in welchem auf die Homosexualität des Beschwerdeführers Bezug genommen wird, ein Unterstützungsschreiben einer homosexuellen Person, die den Beschwerdeführer als schwul bezeichnet, sowie seine Mitgliedskarten der Homosexuellen Initiatve Wien für 2017 und 2018 vor (AS 59, 67-95, 127-131).

Zum angefochtenen Bescheid

1.5. Das BFA erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers, homosexuell zu sein, als gesteigertes Vorbringen (Bescheid, S 11). Im Rahmen der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides „[b]etreffend die Feststellungen zu den Gründen für Ihren neuen Antrag auf internationalen Schutz“ traf das BFA nach einer allgemeingültigen Einleitung die folgenden Ausführungen (Bescheid, S 13, 14):

„Sie haben in Ihren zwei Anträgen auf internationalen Schutz betreffend Ihre Fluchtgründe zweimal gelogen. Sie gaben in Ihrer Niederschrift vom 29.05.2018 an, seit Ihrer Einreise im Jahr 2013 Österreich nie verlassen zu haben. Nach der Einsicht im EKIS wurden Sie nach Rechtskraft Ihres ersten Verfahrens und vor Stellung Ihren zweiten Antrag in Deutschland und in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt. Sie hielten sich auch nach Ihren Angaben in Italien auf.

Sie gaben bei Ihrer Einvernahme am 29.05.2018 an, einen Sexualpartner zu haben und legten eine Kopie des Konventionsreisepasses Ihres Freundes vor und gaben seine Wohnadresse an, die auf der Kopie des Passes vermerkt wurde. Nach Abfrage des zentralen Melderegisters (ZMR) hat sich bereits Ihr Freund am 23.04.2018 von der von Ihnen angegebenen Adresse ordnungsgemäß abgemeldet und sich an einer neuen Anschrift angemeldet. Widersprüchlich zu Ihrer Behauptung, Ihr Freund würde alleine leben, sind sowohl an der früheren Adresse als auch an der neuen Adresse mehrere Mitbewohner, alle aus Bangladesch, laut ZMR angemeldet.

Weiter gaben Sie bei Ihrer Einvernahme am 29.05.2018 an, dass Sie „Probleme „ mit dem Dolmetscher gehabt hätten, dass er Sie nicht richtig verstanden hätte. An Einzelheiten konnten Sie sich nicht mehr erinnern. Die Erstbefragung fand jedoch am 13.04.2018 statt, also nur ca. sieben Wochen vor der Einvernahme am 29.05.2018. Außerdem wurde alles übersetzt und die Niederschrift von Ihnen unterschrieben. Daher ist es unglaubwürdig, dass Sie sich mit 21 Jahren nicht mehr an Begebenheiten erinnern können, die sich nur vor etwas mehr als sechs Wochen zugetragen haben.

Zusammenfassend ist somit Ihre persönliche Glaubwürdigkeit zutiefst erschüttert.

Bezüglich zu Ihrer sexuellen Orientierung ist es nicht plausibel, dass Sie im Juni/Juli 2016 festgestellt haben sollen, dass etwas mit Ihnen „nicht stimmen“ würde. Sie waren zu dieser Zeit bereits 21 Jahre alt. Das „sexuelle Erwachen“ eines Menschen beginnt notorisch mit der Pubertät, die einige Jahre vor dem 22. Geburtstag einsetzt. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass Sie erst im Juni/Juli 2016 bemerkt haben wollen, dass etwas mit Ihnen nicht stimmen soll und eine Befürchtung gehabt hätten.

Nicht nachvollziehbar ist es, dass Sie Ihre Homosexualität bereits im Juni/Juli 2016 entdeckt haben wollen, Sie aber laut Bestätigung der Queer Base erst seit September 2017 bei der Beratungsstelle für schwule Flüchtlinge Klient sind und Ihren gegenständlichen zweiten Folgeantrag erst am 13.04.2018 eingebracht haben. Sie wurden auch nicht bei der Einvernahme am 29.05.2018 von der Queer Base vertreten, obwohl Mitarbeiter immer bei den Einvernahmen Homosexueller, die Klienten dieser Organisation sind, anwesend sind. Eine Vollmacht liegt im Akt auf.

Die Erzählung zu Ihrer behaupteten Homosexualität schilderten Sie in einer minimalistischen Weise, ohne Emotionen und Details um ein glaubhaftes Bild von Ihrer sexuellen Neigung bekommen zu können. Sie zählten lediglich Lokale von Wien auf, die auch von Homosexuellen besucht werden. Es ist ohne größerem Aufwand in wenigen Minuten im Internet Lokale zu finden, die von Homosexuellen aufgesucht werden. Auch machten Sie keine Konkreten Angaben über Ihren Freund. Ihre Behauptungen bezüglich seiner Wonsituation haben sich als falsch erwiesen.

Sie brachten ein Konvolut an Fotos für Ihr Vorbringen, was den Fluchtgrund betrifft, in Vorlage. Die Fotos zeigen Sie mit Männern in Umarmung und beim Wangen küssen, was aber nicht zwangsweise auf ihre behauptete sexuelle Neigung schließen lässt.

Ihre Angaben betreffend Ihre sexuelle Ausrichtung sind nicht glaubhaft und nachvollziehbar.

Ihr neuerlich vorgebrachtes Fluchtvorbringen (Homosexualität) muss als gesteigertes Fluchtvorbringen qualifiziert werden.“

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie aus den Gerichtsakten des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Vorverfahren. Die Feststellungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sowie zu den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid ergeben sich konkret aus den im Akt einliegenden Niederschriften, den vorgelegten Schriftstücken und dem angefochtenen Bescheid, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten (AS) des verfahrensgegenständlichen Verwaltungsverfahrensaktes bzw die Bescheidseiten angeführt sind.

 

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlage

3.1. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Allgemein zur entschiedenen Sache nach § 68 Abs 1 AVG

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

Zur Beurteilung im gegenständlichen Verfahren

3.3. Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

3.4. Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2016, L519 2124970-1/12E, welches mit 24.08.2016 in Rechtskraft erwuchs.

3.5. Fallbezogen erachtete das BFA das Vorbringen des Beschwerdeführers, homosexuell zu sein, als gesteigertes Vorbringen.

Soweit das BFA die Beurteilung der Unglaubhaftigkeit darauf stützt, dass „[d]as „sexuelle Erwachen“ eines Menschen […] notorisch mit der Pubertät [beginnt], ist darauf zu verweisen, dass der Coming-out-Prozess nicht an ein bestimmtes Alter gebunden ist (vgl zB https://de.wikipedia.org/wiki/Coming-out ).

Soweit das BFA die Beurteilung der Unglaubhaftigkeit darauf stützt, dass der Beschwerdeführer erst im September 2017 eine Beratungsstelle aufgesucht habe, obwohl er seine Homosexualität bereits 2016 entdeckt haben will, ist anzumerken, dass kein Erfahrungssatz dahingehend existiert, dass man sofort nach Entdeckung seiner Homosexualität eine Beratungsstelle aufsucht.

Soweit das BFA die Beurteilung der Unglaubhaftigkeit darauf stützt, dass bei der Einvernahme vor dem BFA kein Mitarbeiter der Queer Base dabei gewesen sei, ist zu bemerken, dass von jener Abwesenheit bei bestehender aufrechter Vertretung nicht geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer nicht homosexuell sei. Davon abgesehen ist der Beschwerdeführer ununterbrochen auch nach wie vor von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Queer Base vertreten, die für den Beschwerdeführer auch die Beschwerde eingebracht haben.

Soweit das BFA die Beurteilung der Unglaubhaftigkeit darauf stützt, dass der Beschwerdeführer die Erzählung zu seiner behaupteten Homosexualität in einer minimalistischen Weise ohne Emotionen und Details erzählt habe, um ein glaubhaftes Bild von seiner sexuellen Neigung bekommen zu können, ist darauf zu verweisen, dass es das BFA versäumt hat, anhand konkreter Beispiele nachvollziehbar darzulegen aus welchen Gründen die Erzählung des Beschwerdeführers minimalistisch und ohne Details gewesen sein soll (vgl zu diesem Erfordernis VfGH 11.06.2018, E 836/2018; 21.09.2017, E 786/2017). Hinweise auf die vom Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA gezeigten oder unterlassenen Emotionen bei seiner Erzählung lassen sich der im Akt befindlichen Niederschrift auch nicht entnehmen. Die Begründung des BFA erweist sich daher als unzureichend und nicht nachvollziehbar.

Soweit das BFA die Beurteilung der Unglaubhaftigkeit darauf stützt, dass der Beschwerdeführer lediglich Lokale aufgezählt habe, welche ohne größeren Aufwand in wenigen Minuten im Internet zu finden seien, ist darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer zum einen auch Fotos vorgelegt habe, die ihn in augenscheinlich in Lokalen zeigen, und zum anderen auch die Queer Base im Schreiben vom 06.04.2018 bestätigt hat, dass der Beschwerdeführer regelmäßig sowohl das Communityzentrum Türkis Rosa Lila Villa besucht als auch wegen seiner ethnischen Herkunft in einem Wiener Schwulenclub zunächst nicht hineingelassen worden sei, inzwischen diesen jedoch wieder besuchen könne (AS 95).

Soweit das BFA die Beurteilung der Unglaubhaftigkeit darauf stützt, dass die vorgelegten Fotos den Beschwerdeführer „mit Männern in Umarmung und beim Wangen küssen“ zeigen, was aber nicht zwangsweise auf die behauptete sexuelle Neigung schließen lasse, ist darauf zu verweisen, dass die Fotos nicht ausschließlich nur Wangenküsse zeigen (vgl AS 85).

Völlig außer Acht gelassen wird vom BFA das Schreiben der Queer Base vom 06.04.2018, in welchem bescheinigt wird, dass die Homosexualität des Beschwerdeführers ein integraler Bestandteil seines Lebens sei (AS 95) sowie ein weiteres Schreiben einer homosexuellen Person vom 03.03.2018, die ebenso den Beschwerdeführer als schwul bezeichnet (AS 127). Das BFA hat diesen Dokumenten insbesondere nicht die Glaubhaftigkeit abgesprochen.

3.6. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Änderung nur dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgeblich erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lagen, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann und daher die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides zumindest möglich ist (VwGH 24.03.2011, 2007/07/0155; Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 68, Rz 26 mit Judikaturnachweisen; vlg iZm auch VwGH 05.05.2015, Ra 2014/22/0115: „Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste“; oder etwa in Bezug auf die Änderung der allgemeinen Lage VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221).

3.7. Nach den bisherigen Ausführungen liegt ein solcher Fall gegenständlich vor. Die zentralen beweiswürdigenden Ausführungen des BFA zur Argumentation der Unglaubhaftigkeit der Homosexualität des Beschwerdeführers erweisen sich aus den zuvor dargelegten Gründen (oben II.3.5.) als nicht ausreichend tragfähig, das gesamte neue Vorbringen des Beschwerdeführers schon allein damit schlüssig als unglaubhaft zu erachten. Aus diesem Grund, den bisherigen Angaben des Beschwerdeführers und den von ihm vorgelegten Bescheinigungsmitteln, insbesondere den beiden Schreiben, welche dem Beschwerdeführer dessen Homosexualität attestieren und welche vom BFA nicht als unglaubhaft erachtet wurden, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass ein inhaltlich anders lautender Bescheid zumindest möglich ist.

3.8. Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrunde liegenden Antrag hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

3.9. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid war ersatzlos zu beheben. Für das vom BFA in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Sache der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist und über diesen von der Behörde – unter Beachtung der höchstgerichtlichen Judikatur neuerlich, nämlich meritorisch – in der Sache – abzusprechen ist (vgl VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314). Eine zurückweisende Entscheidung wegen entschiedener Sache kommt im vorliegenden Fall nicht mehr in Betracht.

3.10. Damit liegen auch die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem § 10 Abs 3 AsylG und § 52 Abs 3 FPG nicht vor, weshalb Spruchpunkt III und VI mangels einer gesetzlichen Grundlage keinen Bestand mehr haben können und diese ebenso ersatzlos zu beheben sind.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.11. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

Zu B)

Revision

3.12. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

3.13. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

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