BVwG G301 2174563-1

BVwGG301 2174563-112.6.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:G301.2174563.1.00

 

Spruch:

G301 2174563-1/10E

Schriftliche Ausfertigung des am 08.05.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Venezuela, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2017, Zl. XXXX, betreffend Antrag auf internationalen Schutz, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Wien, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 05.10.2017, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 16.08.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Venezuela abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Venezuela zulässig ist (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Mit dem am 23.10.2017 beim BFA, Regionaldirektion Wien, eingelangten und mit 18.10.2017 datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. In der Beschwerde wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge dem BF den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkennen; in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zuerkennen; in eventu die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklären und einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilen; in eventu den Bescheid beheben und zur neuerlichen Durchführung eines Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverweisen; in eventu einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilen; eine mündliche Verhandlung durchführen; sowie in eventu die ordentliche Revision zulassen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 25.10.2017 vom BFA vorgelegt.

Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 08.05.2018 in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF im Beisein seiner bevollmächtigten Rechtsvertreterin teilnahm. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil. Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

Mit dem am 15.05.2018 eingebrachten und - offensichtlich irrtümlich - mit "04.05.2018" datierten Schreiben (OZ 8) beantragte das BFA, Regionaldirektion Wien, die schriftliche Ausfertigung des am 08.05.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

Mit dem ebenso am 15.05.2018 eingebrachten und mit 15.05.2018 datierten Schreiben (OZ 9) beantragte auch der BF mittels seines Rechtsvertreters die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Bolivarischen Republik Venezuela. Der BF ist konfessionslos.

Der BF reiste zuletzt am 15.05.2017 am Flughafen Wien-Schwechat von Moskau kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seitdem durchgehend in Österreich auf. Am 16.08.2017 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF ist ledig und Vater eines 10-jährigen Sohnes sowie einer 17-jährigen und einer 20-jährigen Tochter. Diese drei Kinder leben bei der Großmutter mütterlicherseits in Venezuela. Die Kindesmutter ist die ehemalige Lebensgefährtin des BF und lebt und arbeitet derzeit in Kolumbien. Der BF hat nach eigenen Angaben eine Freundin, welche in Venezuela lebt. Der BF unterhält mit ihr und seinen in Venezuela lebenden Kindern regelmäßig telefonischen Kontakt.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Der private und familiäre Lebensmittelpunkt des BF befand sich bis Februar 2017 in seinem Herkunftsstaat Venezuela.

Der BF war bis zu seiner Ausreise aus Venezuela bereits seit zehn Jahren bei einer in Venezuela angesiedelten Betreibergesellschaft des spanischen Telekom-Unternehmens XXXX als Verkaufsleiter beschäftigt. Der BF war überdies in der Funktion des Sekretärs für Organisation ("Secretario de Organización") der Einheitsgewerkschaft der Arbeiter des Unternehmens XXXX tätig und nahm als solcher auch an öffentlichen Demonstrationen teil, welche der Einhaltung der Arbeitsrechte innerhalb dieses Unternehmens dienten, sich aber auch gegen die Politik der Regierung von Staatspräsident Nicolás Maduro richteten.

Der BF war nie Mitglied einer politischen Partei oder einer sonstigen politischen Gruppierung und auch nie in einer politischen oder staatlichen Funktion in Venezuela tätig.

Der BF verfügt in Österreich abgesehen von seinem hier lebenden erwachsenen Bruder über keine familiären und über keine sonstigen berücksichtigungswürdigen privaten Bindungen. Es konnten auch sonst keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer nachhaltigen Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Der BF ist in Österreich ohne regelmäßige Beschäftigung und verfügt auch über keine hinreichenden Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes, sondern er lebte bislang ausschließlich von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der BF hat im Zeitraum von 27.11.2017 bis 08.02.2018 an der Volkshochschule XXXX einen A1-Deutschkurs im Ausmaß von 90 Unterrichtseinheiten regelmäßig besucht. Eine Deutsch-Sprachprüfung hat der BF bislang aber nicht abgelegt. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF zumindest über solche Deutschkenntnisse verfügt, die ihm eine einfache Kommunikation in deutscher Sprache ermöglichen würden.

1.2. Das Vorbringen des BF vor der belangten Behörde und in der Beschwerde zur behaupteten Verfolgungsgefahr im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Venezuela, wonach er - im Wesentlichen zusammengefasst - aufgrund seiner Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär und wegen seiner Teilnahme an teilweise auch regierungskritischen Demonstrationen bereits von ihm unbekannten Angehörigen von nicht näher bestimmten "Colectivos" persönlich bedroht worden sei und im Fall der Rückkehr nach Venezuela auch wieder verfolgt und sogar getötet werden würde, wird dieser Entscheidung nicht als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Der BF hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Auch sonstige Gründe, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat allenfalls entgegenstehen würden, konnten nicht festgestellt werden.

1.3. Maßgebliche Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Venezuela (Auszug aus dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Venezuela" vom 28.03.2018):

2. Politische Lage

Venezuela ist nach der Verfassung von 1999 ein demokratischer Bundesstaat mit 23 Einzelstaaten und einem Hauptstadtdistrikt (Distrito Capital). Die Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Die Todesstrafe ist abgeschafft. Die Mitwirkung der Bürger am politischen Prozess soll durch Elemente der direkten Demokratie gewährleistet werden. Die ausführende Gewalt liegt laut Verfassung beim Präsidenten der Republik und seiner Regierung. Der Präsident wird in direkter Wahl in einem Wahlgang auf sechs Jahre gewählt. Seit 2009 besteht die unbeschränkte Möglichkeit der Wiederwahl. Nach Ablauf der Hälfte seiner Amtszeit kann ein Präsident per Referendum abberufen werden. Der Präsident ernennt und entlässt den Vizepräsidenten sowie die Minister seines Kabinetts. Die gesetzgebende Gewalt übt laut Verfassung die Nationalversammlung aus, deren Abgeordnete auf fünf Jahre gewählt werden. Diese kann durch 3/5-Mehrheit zeitlich und inhaltlich begrenzt an den Präsidenten übertragen werden (sogenanntes Ley Habilitante, deutsch: Ermächtigungsgesetz). Von dieser Regelung haben in der jüngeren Geschichte Venezuelas praktisch alle Präsidenten Gebrauch gemacht. Präsident Maduro regierte erstmalig von November 2013 an für ein Jahr per Ermächtigungsgesetz, um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen. In dieser Zeit hat er 55 Gesetze dekretiert. Im Dezember 2015 lief die vorerst letzte Ermächtigung aus. Am 30. Juli 2017 ließ Präsident Maduro eine sogenannte Verfassungsgebende Versammlung wählen. Die Opposition boykottierte die Wahl. Die Verfassungsgebende Versammlung maßt sich selbst gesetzgeberische und exekutive Kompetenzen in allen Bereichen an. Sie sieht sich als allen anderen staatlichen Institutionen übergeordnet und hat das Parlament de facto entmachtet. Die EU und ihre Mitgliedstaaten, die USA und der Großteil der lateinamerikanischen Länder erkennen die Verfassungsgebende Versammlung nicht an. Die 23 Bundesstaaten verfügen über einen geringen finanziellen Spielraum und sind auf Zuweisungen aus dem gesamtstaatlichen Etat angewiesen. An der nationalen Gesetzgebung sind sie seit Abschaffung des Senats und Einführung des Einkammersystems durch die Verfassung von 1999 nicht mehr beteiligt. Die Kommunen erzielen durch die Gewerbesteuer eigene Einnahmen und stellen einen Teil der Polizei (Auswärtiges Amt 10.2017a). Venezuela ist formal eine konstitutionelle Mehrparteienrepublik, aber seit mehr als einem Jahrzehnt ist die politische Macht in einer einzigen Partei mit einer zunehmend autoritären Exekutive konzentriert, die eine bedeutende Kontrolle über die Legislative, die Justiz, die Bürger und die Wahlkreise der Regierung ausübt (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

3. Sicherheitslage

Der im Mai 2016 ausgerufene Ausnahmezustand über das gesamte Land gilt fort. Bei politischen Protesten im Land kann es weiterhin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen. Aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Krise ist es vor allem in den Städten auch spontan zu teils massiven Demonstrationen gekommen. Diese können sich jederzeit wiederholen. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten sind möglich (Auswärtiges Amt 28.3.2018).

Die politische und soziale Lage ist sehr angespannt. Im Zusammenhang mit den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen, die für den 20. Mai 2018 geplant sind, muss mit einer erneuten Zunahme der politischen Spannungen gerechnet werden. Die politische Lage ist polarisiert und insbesondere in den großen Städten konfliktgeladen. Frustrationen der Bevölkerung manifestieren sich durch Sachbeschädigungen, gewalttätige Demonstrationen und Plünderungen. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften haben zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert und können jederzeit vorkommen. Eine erneute Verschlechterung der Lage kann nicht ausgeschlossen werden. Grössere Demonstrationen können mehrere Tage dauern. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften können jederzeit vorkommen. Die Kriminalitätsrate ist sehr hoch und nimmt weiter zu. Der Besitz von Schusswaffen ist weit verbreitet, und Kriminelle machen immer häufiger und ohne Zögern davon Gebrauch. Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und kriminellen Gruppierungen können vereinzelt auch unbeteiligte Personen in Mitleidenschaft ziehen. Es sind Straffälle bekannt, an denen Polizisten beteiligt waren. Die Rechtsunsicherheit ist groß: Straftaten und Verbrechen bleiben meistens ungeahndet. Die Polizei leidet unter Korruption, Unerfahrenheit sowie Geld- und Personalmangel. Das Justizsystem ist ineffizient und überlastet. Es gibt Fälle von Lynchjustiz (EDA 28.3.2018).

Quellen:

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Die Rechtsprechung wird laut der Verfassung vom Obersten Gerichtshof, der gleichzeitig Verfassungsgerichtshof ist, und nachgeordneten Gerichten ausgeübt. Die Obersten Richter werden mit 2/3-Parlamentsmehrheit gewählt. Die venezolanische Verfassung von 1999 stellt den drei klassischen Gewalten die "Bürgergewalt (Poder Ciudadano)" und die "Wahlgewalt (Poder Electoral)" zur Seite. Die "Bürgergewalt" ist ein Dreiergremium bestehend aus Ombudsmann, der Generalstaatsanwaltschaft und dem Obersten Rechnungshof und soll als ethisch-moralische Instanz die Funktionsausübung innerhalb der öffentlichen Verwaltung überwachen, das heißt Machtmissbrauch und Korruption bekämpfen. Die "Wahlgewalt" hat die Aufgabe, alle Wahlen politischen Charakters durchzuführen. Die Obersten Richter waren auf Betreiben der Regierung Maduro in einem demokratisch fragwürdigen Verfahren bestimmt worden. Sie haben durch politisierte Entscheidungen zur Auflösung der Gewaltenteilung beigetragen. Die Nationalversammlung hat inzwischen neue Oberste Richter ernannt, die als Oberster Gerichtshof im Exil am Sitz der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) tagen. Die 2007 gewählte Generalstaatsanwältin wurde nach Kritik an der Regierung Maduro von der Verfassungsgebenden Versammlung aus dem Amt entfernt und lebt inzwischen auch im Exil (Auswärtiges Amt 10.2017a).

Menschenrechtsgruppen berichteten, dass die Regierung weiterhin Einfluss auf den Generalstaatsanwalt und den Pflichtverteidiger nahm, um selektive und subjektive Ermittlungen durchzuführen. Die Verfassung verbietet die Festnahme oder Inhaftierung einer Person ohne richterliche Anordnung und sieht vor, dass der Angeklagte während des Verfahrens in Freiheit bleibt, aber einzelne Richter und Staatsanwälte haben diese Bestimmungen oft missachtet. Während die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, gab es wichtige Beweise dafür, dass es der Justiz an Unabhängigkeit mangelt. Es gab glaubwürdige Vorwürfe der Korruption und des politischen Einflusses in der gesamten Justiz (USDOS 3.3.2017).

Seitdem der ehemalige Präsident Chávez und seine Anhänger in der Nationalversammlung 2004 eine politische Übernahme des Obersten Gerichtshofs vollzogen haben, hat die Justiz ihre Funktion als unabhängiger Zweig der Regierung aufgegeben. Die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs haben den Grundsatz der Gewaltenteilung offen abgelehnt und öffentlich ihre Zusage gegeben, die politische Agenda der gegenwärtigen Regierung voranzubringen. Seit die Opposition im Januar 2016 die Mehrheit in der Nationalversammlung übernommen hat, hat der Oberste Gerichtshof fast jedes Gesetz, das er verabschiedet hat, niedergeschlagen (HRW 18.1.2018).

Die Politisierung der Justiz hat unter Chávez dramatisch zugenommen und ist unter Maduro sogar noch weiter vorangeschritten. Hohe Gerichte entscheiden in der Regel nicht gegen die Regierung (FH 1.2018).

De facto gibt es in Venezuela keine Gewaltenteilung. Die Richter des Obersten Gerichtshofs haben das in der Verfassung verankerte Prinzip der Gewaltenteilung öffentlich abgelehnt und ihr Engagement für die Förderung der politischen Agenda der Regierung versprochen. Der Zugang zur Justiz ist ungleich und ein ordnungsgemäßes Verfahren ist nicht die Regel. Während die Abgeordneten der Opposition bis zu sechs Jahre auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs warten müssen, erhält die Regierungspartei diese kurzfristig oder sofort. Im aktuellen Rule of Law Index der NGO World Justice Project liegt Venezuela auf Platz 113 von 113 Ländern (BTI 2018).

Quellen:

5. Sicherheitsbehörden

Korruption, unzureichende Polizeiausbildung und -ausrüstung sowie unzureichende Mittel der Zentralregierung, insbesondere für die Polizeikräfte in den von Oppositionsbeamten regierten Bundesstaaten und Gemeinden, minderten die Effektivität der Sicherheitskräfte. Es gab immer wieder Berichte über polizeilichen Missbrauch und Beteiligung an Straftaten, einschließlich illegaler und willkürlicher Festnahmen, außergerichtlicher Tötungen, Entführungen und exzessiver Gewaltanwendung. Die Straflosigkeit blieb ein ernsthaftes Problem der Sicherheitskräfte. Das Ministerium ist zuständig für die Einleitung gerichtlicher Ermittlungen wegen Missbrauchs von Sicherheitskräften (USDOS 3.3.2017)

In den letzten Jahren hat der Bolivarische Nationale Nachrichtendienst (SEBIN) vermehrt Polizeifunktionen ausgeübt und Oppositionspolitiker und Journalisten verhaftet. Das Militär hat auch Rollen übernommen, die zuvor zivilen Strafverfolgungsbehörden vorbehalten waren (FH 1.2018).

Die Bolivarische Nationalpolizei und die Bolivarische Nationalgarde - neben anderen zivilen und militärischen Sicherheitskräften - setzten weiterhin übermäßige und unangemessene Gewalt gegen Demonstranten ein (AI 22.2.2018).

Die Polizei in Venezuela ist dezentralisiert und stark zergliedert. Die Behörde, welche sich am ehesten mit Polizeiarbeit beschäftigt ist die Cuerpo de Investigaciones Científicas, Penales y Criminalísticas (CICPC). Sie ist für Strafverfolgung und forensische Arbeit verantwortlich und hat etwa 8.000 Beamte. Die 23 Bundesstaaten Venezuelas haben außerdem ihre eigenen Polizeieinheiten und kommen zusammen auf etwa 50.000 Beamte. Zusätzlich gibt es die Dirección de los Servicios de Inteligencia y Prevención (DISIP), einen Inlandsgeheimdienst, welcher dem Ministerium für Inneres und Recht untersteht. Als interne Sicherheitsbehörde ist sie insbesondere mit Gegenspionage betraut, wird jedoch seitens verschiedener Menschenrechtsgruppen immer wieder für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht. Seit 2009 hat Venezuela im Rahmen einer Polizeireform auch eine neue nationale Polizei. Diese Policía Nacional Bolivariana (PNB) hat eine deutlich höhere Erfolgsquote in der Kriminalitätsbekämpfung im Vergleich zu lokaler Strafverfolgung und Prävention. Die Beamten der PNB verdienen außerdem deutlich mehr als andere Polizisten in Venezuela. Je nach Lage wird auch die Nationalgarde, Guardia Nacional de Venezuela, zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und weiteren polizeilichen Tätigkeiten heran gezogen. Sie hat über 25.000 Mann (BICC 12.2017).

Besonders besorgniserregend ist das systematische Engagement der Polizei des Bolivarischen Geheimdienstes (SEBIN) und der Beamten der Bolivarischen Nationalgarde (GNB) bei Folter und willkürlicher Inhaftierung mit absoluter Straffreiheit (BTI 2018).

Quellen:

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist eine gängige Praxis in Haftanstalten der Sicherheitskräfte (BTI 2018).

Obwohl die Verfassung besagt, dass keine Person einer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung unterworfen werden darf, gab es glaubwürdige Berichte, dass durch Sicherheitskräfte Gefangene gefoltert und misshandelt wurden (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

7. Korruption

Korruption ist in Venezuela weit verbreitet. Die Wirtschaftspolitik der Regierung, insbesondere die Währungs- und Preiskontrollen, bieten die Möglichkeiten für Korruption, Schwarzmarktaktivitäten und Absprachen zwischen Amtsträgern und Netzwerken der organisierten Kriminalität (FH 1.2018). Der Corruption Perceptions Index 2017 von Transparency International listet Venezuela gemeinsam mit dem Irak auf Platz 169 von 180 Staaten auf (TI 21.2.2018).

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Regierungsbeamte vor, aber die Regierung hat das Gesetz nicht wirksam umgesetzt. Einige Regierungsbeamte erkannten ausdrücklich die Straflosigkeit für Korruption als ein großes Problem an. Korruption war ein großes Problem bei allen Polizeikräften, deren Mitglieder in der Regel schlecht bezahlt und minimal ausgebildet waren (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

8. NGOs und Menschrechtsaktvisten

Regierungsmaßnahmen zur Einschränkung der internationalen Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen, kombiniert mit unbegründeten Anschuldigungen von Regierungsbeamten, dass Menschenrechtsverteidiger versuchen, die venezolanische Demokratie zu untergraben, schaffen ein feindseliges Umfeld, das die Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Gruppen zur Förderung der Menschenrechte einschränkt (HRW 18.1.2018).

AktivistInnen und NGOs werden regelmäßig schikaniert, bedroht und für ihre Arbeit mit rechtlichen und administrativen Sanktionen belegt. Die Regierung hat versucht, die Legitimität von Menschenrechtsorganisationen und anderen zivil gesellschaftlichen Gruppen zu untergraben, indem sie deren internationale Beziehungen in Frage stellt. Dutzende von Aktivisten der Zivilgesellschaft wurden in den letzten Jahren körperlich angegriffen (FH 1.2018).

Menschenrechtsverteidiger und Einzelpersonen, die sich um Gerechtigkeit bei Menschenrechtsverletzungen bemühten, wurden weiterhin Angriffen und Verleumdungskampagnen ausgesetzt, in dem offensichtlichen Versuch, ihre Menschenrechtsarbeit zu unterbinden. Menschenrechtsverteidiger wurden von staatlichen Medien und hochrangigen Regierungsbeamten eingeschüchtert, indem sie deren Namen und Kontaktdaten öffentlich bekannt gaben und sie des "Terrorismus" beschuldigten (AI 22.2.2018).

Eine Vielzahl von unabhängigen nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen operierten in der Regel mit einigen staatlichen Einschränkungen. Wichtige nationale Menschenrechts-NGOs führten Untersuchungen durch und veröffentlichten ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbeamte waren im Allgemeinen nicht kooperativ oder reagierten nicht auf ihre Anfragen. Einige inländische NGOs berichteten von Drohungen und Schikanen der Regierung gegen ihre Vorsitzenden, Mitarbeiter und Organisationen. NGOs spielten eine wichtige Rolle bei der Information der Bürger und der internationalen Gemeinschaft über angebliche Verletzungen und wichtige Menschenrechtsfälle. Das Gesetz verbietet es inländischen NGOs Gelder aus dem Ausland zu erhalten, wenn sie eine "politische Absicht" haben - definiert als solche, die "die volle Ausübung der politischen Rechte der Bürger fördern, verbreiten, informieren oder verteidigen" - oder die "politischen Rechte verteidigen" wollen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den wichtigsten Menschenrechtsverletzungen, über die im Laufe des Jahres 2016 berichtet wurde, gehörten der systematische, politisierte Einsatz der Justiz zur Untergrabung der Legislative, die Einschüchterung und selektive Verfolgung von Kritikern, wahllose polizeiliche Maßnahmen gegen Zivilisten, die zu weit verbreiteten willkürlichen Verhaftungen, unrechtmäßigem Tötungen und Folterungen führten, sowie die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit durch die Regierung. Die Regierung verhaftete und inhaftierte Oppositionelle und zeigte wenig Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz oder erlaubte es den Richtern im Allgemeinen nicht, ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen nach dem Gesetz zu handeln. Zeitweise blockierte die Regierung Medien und schikanierte und schüchterte private Fernsehsender, andere Medien und Journalisten durch Drohungen, Geldbußen, Beschlagnahmungen, Verhaftungen, strafrechtlichen Ermittlungen und Strafverfolgungen ein. Nichtregierungsorganisationen, Medien und Regierungsbehörden berichteten über außergerichtliche Tötungen durch Polizei und Sicherheitskräfte, Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen und das Fehlen ordnungsgemäßer Verfahrensrechte, die zu weit verbreiteter Gewalt, Unruhen, Verletzungen und Todesfällen in Gefängnissen beigetragen haben, unzureichende Jugendstrafanstalten, Korruption und Straflosigkeit in der Polizei. Die Regierung unternahm manchmal Schritte, um untergeordnete Regierungsbeamte zu bestrafen, die Missbrauch begangen haben, aber es gab nur wenige Ermittlungen oder Verfolgungen von hohen Regierungsbeamten. Es gab keine fundierten Berichte über politisch motiviertes Verschwindenlassen (USDOS 3.3.2017).

In Venezuela gibt es heute keine unabhängigen Regierungsinstitutionen mehr, die als Kontrolle der Exekutive fungieren. Die venezolanische Regierung - unter Maduro und zuvor unter Chávez - hat die Gerichte mit Richtern besetzt, die keinen Anspruch auf Unabhängigkeit erheben. Die Regierung hat Dissens durch oft gewalttätige Razzien bei Straßenprotesten unterdrückt, Gegner inhaftiert und Zivilisten vor Militärgerichten verfolgt. Sie hat auch der oppositionell geführten Legislative die Macht entzogen. Aufgrund des gravierenden Mangels an Medikamenten, medizinischen Hilfsgütern und Nahrungsmitteln können viele Venezolaner ihre Familien nicht ausreichend ernähren und haben keinen Zugang zu einer grundlegenden Gesundheitsversorgung. Die venezolanische Regierung hat politische Gegner inhaftiert und sie von der Kandidatur ausgeschlossen. Die Venezolaner sind mit einem gravierenden Mangel an Medikamenten, medizinischen Hilfsgütern und Nahrungsmitteln konfrontiert (HRW 18.1.2018).

Venezuelas demokratische Institutionen haben sich seit 1999 verschlechtert, aber die Bedingungen haben sich in den letzten Jahren durch eine Machtkonzentration in der Exekutive und härtere Razzien gegen die Opposition nochmals verschlimmert. Nach starken Erfolgen der Opposition bei den Parlamentswahlen im Jahr 2015 wurden die Befugnisse der Legislative durch eine politisierte Justiz beschnitten, und 2017 wurde das Gremium durch eine neue verfassungsgebende Nationalversammlung ersetzt, die den Interessen der Exekutive dient. Regierungskorruption ist allgegenwärtig, und die Strafverfolgung hat sich als unfähig erwiesen, Gewaltverbrechen zu stoppen. Die Behörden haben die bürgerlichen Freiheiten eingeschränkt und die vermeintlichen Gegner ohne Rücksicht auf ein ordentliches Verfahren verfolgt (FH 1.2018).

Den meisten Opfern von Menschenrechtsverletzungen fehlte nach wie vor der Zugang zu Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Opfer und ihre Familien wurden oft eingeschüchtert (AI 22.2.2018).

Trotz der liberalen Verfassung ist die Menschenrechtslage in Venezuela als insgesamt problematisch zu bewerten. Dies trifft insbesondere auf den Sicherheitssektor zu.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten. Zudem gibt es Berichte über Folterungen, unrechtmäßige Tötungen von Gefangenen, schlechte Zustände in den Gefängnissen sowie korrupte Gerichte. Durch den revolutionären, "bolivarischen" Kurs des 2013 verstorbenen Präsidenten Hugo Chavez haben sich die politischen Spannungen innerhalb der Gesellschaft zwischen Regierungs- und Oppositionsanhängern deutlich verschärft. Dies hat bisher nicht nur zu einer erheblichen Verunsicherung der Wirtschaft, sondern auch zu einer steigenden Zahl gewaltsamer Auseinandersetzungen geführt (BICC 12.2017).

Die Beteiligung der Zivilgesellschaft für das Auswahl- und Ernennungsverfahren der Mitglieder der drei nicht vom Volk gewählten Machtbereiche: Oberster Gerichtshof, Wahlbehörde und Volksmacht (Ombudsmann, Rechnungsprüfer und Staatsanwalt) ist offiziell vorgeschrieben. Bei keiner der in den Jahren 2015 und 2016 vorgenommenen Ernennungen wurde jedoch das in der Verfassung festgelegte Verfahren eingehalten (BTI 2018).

Quellen:

12. Meinungs- und Pressefreiheit

Die Sicherheitskräfte haben 2017 mehrerer Journalisten verhaftet, verhört und die Ausrüstung konfisziert. Einige internationale Journalisten wurden von der Einreise ausgeschlossen oder wurden festgenommen, nachdem sie über regierungsfeindliche Proteste oder die Gesundheitskrise berichtet hatten (HRW 18.1.2018).

Die Maduro-Regierung unterhält eine staatliche Kommunikationsinfrastruktur, die dazu dient, ihr politisches und ideologisches Programm zu propagieren. Gesetze wie das Gesetz über die soziale Verantwortung von Radio und Fernsehen aus dem Jahr 2004 geben der Regierung die Befugnis, Medieninhalte zu kontrollieren. Da es der Justiz und den Regulierungsbehörden an politischer Unabhängigkeit mangelt, wird der rechtliche Rahmen effektiv genutzt, um Medieninhaber oder Journalisten, die von der Führung als Gegner wahrgenommen werden, zu kontrollieren oder zu bestrafen. Kritische Medien sehen sich auch mit Schikanen in Form von Steuerstrafen, Beschlagnahme von Geräten und Rücknahme staatlicher Werbung konfrontiert. Eine Reihe von privaten Nachrichtenagenturen haben in den letzten Jahren unter finanziellem Druck den Eigentümer gewechselt, und ihre Berichterstattung wurde in der Folge für die Behörden gefälliger. Behinderung, Einschüchterung, physische Übergriffe, Beschlagnahmung von Ausrüstungsgegenständen sowie Festnahmen und Verhaftungen von Medienschaffenden wurden 2017 fortgesetzt. Journalisten, die über die Gouverneurswahlen im Oktober berichten wollten, wurde Berichten zufolge der Zugang zu den Wahllokalen verwehrt (FH 1.2018).

Das Büro des Sonderberichterstatters für Meinungsfreiheit der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) äußerte sich besorgt über die Schließung von 50 Radiosendern durch die nationale Telekommunikationskommission. Auch andere Medien sahen sich der Gefahr der Schließung ausgesetzt, obwohl der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Urteil aus dem Jahr 2015 erklärt hat, dass solche Schließungen die Meinungsfreiheit verletzen. Die Regierung ordnete die Entfernung einiger ausländischer Nachrichtensender wie CNN, RCN und CARACOL von den nationalen Fernsehkabelbetreibern an. (AI 22.2.2018).

Kritische Medien existieren, aber sie haben keinen Zugang zu öffentlichen Informationsquellen. Kamerateams, die versuchen, Protestszenen aufzuzeichnen, oder Reihen von Menschen, die auf eine Gelegenheit warten, Lebensmittel zu kaufen, werden von Sicherheitskräften angegriffen, und Verleumdungsgesetze werden benutzt, um Medienorganisationen einzuschüchtern. Infolgedessen ist die Selbstzensur weit verbreitet. Die Printmedien spiegeln eine Vielzahl von Meinungen wider, während die Rundfunkmedien unter dem überwältigenden Einfluss der Regierung stehen, nicht zuletzt aufgrund der häufigen, obligatorisch zu verlautbarenden Ankündigungen des Präsidenten (BTI 2018).

Laut Reporter ohne Grenzen rangiert Venezuela im Pressefreiheitsindex 2017 auf Platz 137 von 180 Ländern (RSF o.D.)

Das Gesetz sieht Rede- und Pressefreiheit vor, aber die Kombination von Gesetzen und Vorschriften über Verleumdung und Medieninhalte sowie rechtliche Schikanen und körperliche Einschüchterung von Personen und Medien führte zu einer erheblichen Unterdrückung dieser Freiheiten. Nationale und internationale Gruppen wie die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (IACHR), das UN-Menschenrechtskomitee, Freedom House, die Inter American Press Association, Reporter ohne Grenzen und das Komitee zum Schutz von Journalisten verurteilten oder äußerten ihre Besorgnis über die Bemühungen der Regierung, die Pressefreiheit einzuschränken und ein Klima der Angst und Selbstzensur zu schaffen. Die Exekutive übte eine breite Kontrolle über das Internet durch die staatliche CONATEL (National Telecommunications Commission) aus. Es wird berichtete, dass CONATEL die Überwachung der privaten Kommunikation und die Verfolgung von Internetnutzern unterstützt, die online abweichende Meinungen äußerten. Medienberichten zufolge warfen Nutzer sozialer Netzwerke CONATEL vor, ihre Online-Aktivitäten zu überwachen und identifizierende Informationen an die Geheimdienste weiterzugeben (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

13.1. Versammlungsfreiheit

Die venezolanischen Sicherheitskräfte haben zusammen mit bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen, die "Colectivos" genannt werden, gewalttätige Angriffe auf regierungsfeindliche Proteste unternommen (HRW 18.1.2018).

Staatlich angegliederte Colectivos begehen routinemäßig ungestraft Gewaltakte gegen Zivilisten, insbesondere bei Protesten gegen die Regierung. Behörden gaben Erklärungen ab, dass sie das Wahlverhalten der Bürger überwachen könnten. Obwohl die Freiheit der friedlichen Versammlung in der Verfassung garantiert ist, ist dieses Recht in der Praxis nicht geschützt. Weit verbreitete Proteste gegen die Regierung im Jahr 2017 wichen gewalttätigen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften, die zu über 1.900 Verletzten führten. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation (NGO) Foro Penal sind zwischen April und September 136 Menschen ums Leben gekommen, von denen mindestens 102 offenbar direkt von Sicherheitskräften oder staatlich organisierten Colectivos getötet wurden (FH 1.2018).

Es gab auch Berichte aus der Staatsanwaltschaft, dass Gruppen von Bewaffneten mit Unterstützung oder Duldung der Regierung gewalttätige Aktionen gegen Demonstranten durchgeführt haben (AI 22.2.2018).

Die Verfassung sieht Versammlungsfreiheit vor, aber die Regierung hat sie deutlich eingeschränkt. Gesetze über politische Parteien, öffentliche Versammlungen und Manifestationen sowie das Organisationsgesetz für den Polizeidienst und das Nationale Bolivarische Polizeikorps regeln das Versammlungsrecht. Menschenrechtsgruppen kritisierten weiterhin solche Gesetze, die es der Regierung ermöglichen, Demonstranten wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Demonstrationen schwerer Verbrechen anzuklagen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

13.2. Vereinigungsfreiheit

Die Verfassung sieht die Vereinigungsfreiheit und die Freiheit von politischer Diskriminierung vor, aber die Regierung hat diese Rechte nicht respektiert (USDOS 3.3.2017), sondern ist zu offener Repression übergegangen (BTI 2018).

Quellen:

13.3. Opposition

Das Parteiensystem hat unter Präsident Hugo Chávez (verstorben 2013) einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Auf der einen Seite steht die Regierungskoalition Gran Polo Patriótico (GPP). Diese wird dominiert von der Anfang 2008 durch Chávez gegründeten PSUV (Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas/Partido Socialista Unido de Venezuela). Außerdem gehören dazu: die kommunistische PCV, Podemos, Tupamaros und mehrere Splitterparteien. Die kritische, linksradikale Strömung "Marea Socialista" wurde im November 2014 aus der PSUV ausgeschlossen. Auf der Oppositionsseite hat sich 2010 die Sammlungsbewegung MUD (Tisch der demokratischen Einheit/Mesa de la Unidad Democrática) zusammengefunden. Zu ihr gehören unter anderem eine der beiden traditionellen Parteien der Ära vor Chavez, Acción Democrática (AD) sowie die jüngeren Parteien Primero Justicia (PJ), Voluntad Popular (VP) und Un Nuevo Tiempo (UNT). Außerdem gibt es eine Reihe unabhängiger Politiker und Parteien, die beiden Lagern kritisch gegenüber stehen (Auswärtiges Amt 10.2017a).

Willkürliche Verhaftungen von Demonstranten, Journalisten und Aktivisten sind üblich (BTI 2018). Mitglieder der Opposition werden weiterhin schikaniert, inhaftiert und anderweitig daran gehindert, am politischen Prozess teilzunehmen. In den letzten Jahren hat die Regierung wiederholt illegal abgefangene Gespräche von Oppositionellen ausgestrahlt (FH 1.2018).

Oppositionskandidaten hatten in der Regel keinen Zugang zu Sendezeiten in den Medien. PSUV- Funktionäre drohten mit Gewalt gegen Oppositionelle und deren Anhänger. Oppositionsparteien operierten in einer restriktiven Atmosphäre, die durch Einschüchterung, die Androhung von Strafverfolgung oder Verwaltungsstrafen wegen fragwürdiger Anschuldigungen und einen sehr eingeschränkten Zugang zu den Massenmedien gekennzeichnet war (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

15. Todesstrafe

Die Todesstrafe ist abgeschafft (Auswärtiges Amt 10.2017a).

Quellen:

19. Bewegungsfreiheit

Die Verfassung sieht Freiheit zu Inlandsreisen, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung vor, die Regierung respektierte diese Rechte jedoch nicht (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

21. Grundversorgung und Wirtschaft

Venezuela befindet sich seit 2014 in einer Rezession. Nach einem Rückgang des BIP um 7% im Jahr 2015 und 18% 2016 wurde für 2017 ein Schrumpfen um weitere 7% erwartet. Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs sind knapp und für weite Teile der Bevölkerung unerschwinglich. Das Gesundheitssystem leidet unter einem dramatischen Mangel an Medikamenten und anderen medizinischen Gütern. Ersatzteile für die (kritische) Infrastruktur fehlen. Die Inflation betrug im Jahr 2016 etwa 254,9% und wird 2017 nach Schätzungen zwischen 800% und 1000% liegen. Die Arbeitslosenquote lag nach Schätzungen des GTAI 2016 bei 21,2%. Hinzu kommt ein hoher Anteil informeller Beschäftigungsverhältnisse. Die Wettbewerbsfähigkeit der Nicht-Ölsektoren leidet unter hohen Lohnstückkosten durch die überbewertete Landeswährung und die Inflation. Versuche, die venezolanische Wirtschaft zu diversifizieren und so die Abhängigkeit vom Öl zu verringern, waren daher bisher erfolglos. Die Unternehmen werden durch Devisen- und Ersatzteilmangel massiv in ihrer Tätigkeit eingeschränkt (Auswärtiges Amt 11.2017b).

Die Venezolaner litten unter einer sich verschärfenden humanitären Krise, die durch akuten Nahrungsmittel- und Medikamentenmangel gekennzeichnet war. Anhaltende Devisen- und Importbeschränkungen haben die armen und bürgerlichen Venezolaner stark getroffen und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise verschärft, während Elitegruppen und bevorzugte Einheiten wie das Militär von Ausnahmen und Privilegien profitieren. Die Beschäftigten haben das gesetzliche Recht, Gewerkschaften zu gründen, Tarifverhandlungen zu führen und zu streiken, wobei die Streikfähigkeit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst eingeschränkt ist. Die Kontrolle über die Gewerkschaften hat sich von traditionellen oppositionellen Gewerkschaftsführern zu neuen

Arbeiterorganisationen verlagert, die oft mit der Regierung verbunden sind. Das hat zu einer erheblichen Zunahme der Gewalt gegen Arbeitskräfte beigetragen (FH 1.2018).

Die schwere Wirtschaftskrise verursacht Versorgungsschwierigkeiten und -engpässe. Auch Güter des täglichen Bedarfs und Medikamente sind oft über längere Zeiträume nicht verfügbar (EDA 27.2.2018)

Der Exekutivdirektor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) hat die Situation in Venezuela als "katastrophal" bezeichnet. Er betonte, dass das Maduro-Regime internationale Hilfe nicht zulässt und das WFP allerdings in keinem Land tätig werden kann, wenn dies die dortige Regierung nicht genehmigt (latina-press 8.3.2018).

Um den chaotischen Zuständen in Venezuela zu entgehen, planen vier von zehn Venezolanern ihr Heimatland in den nächsten zwölf Monaten zu verlassen. Die allgemeine und anhaltende Erhöhung des Preisniveaus von Gütern und Dienstleistungen, gleichbedeutend mit einer Minderung der Kaufkraft des Geldes, könnte laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bis 2018 auf unglaubliche 13.000 Prozent ansteigen (latina-press 6.3.2018).

Die Arbeitslosenrate betrug 2017 26,4% im Vergleich zu 20,6% im Jahr 2016. die Inflation betrug 2017 652,7% im Vergleich zu 2016 mit 254,4%. 19,7% der Bevölkerung lebten 2015 unterhalb der

Armutsgrenze (CIA 19.3.2018).

Öffentliche Bildungseinrichtungen bieten freien, diskriminierungsfreien Zugang, aber die Qualität ist gering. Private Institutionen bieten eine bessere Qualität sind aber kostspielig. Gleiches gilt für den Zugang zur öffentlichen/privaten Gesundheitsversorgung. 2016 wurde ein Lebensmittelverteilungsprogramm gestartet. Zentralisierte Lebensmittelimporte werden an Komitees verteilt, und die nationalen Produzenten mussten einen Teil ihrer Produktion abliefern. Einmal im Monat stellen diese Komitees Pakete mit einer Handvoll Grundnahrungsmitteln zusammen und verkaufen sie zu subventionierten Preisen von Tür zu Tür an zuvor gelistete Haushalte. Ein beträchtlicher Teil dieser Produkte landete jedoch auf dem Schwarzmarkt (BTI 2018).

Das Gesetz legt die Arbeitszeit auf 40 Stunden fest. Das Gesetz sieht sichere, hygienische und angemessene Arbeitsbedingungen vor. Die Arbeitsplätze müssen "Schutz für die Gesundheit und das Leben der Arbeitnehmer vor allen gefährlichen Arbeitsbedingungen" gewährleisten. Das Gesetz gilt für alle Arbeitnehmer, auch für Zeitarbeiter, Gelegenheitsarbeiter und Hausangestellte (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

21.1. Sozialbeihilfen

Das Sozialsystem besteht weitgehend aus parallelen Strukturen zu den traditionellen Strukturen der Ministerien. Das Sozialversicherungsinstitut (IVSS) verwaltet das umlagefinanzierte Rentensystem. Ein paralleles Programm, das hauptsächlich durch außerbudgetäre Beiträge finanziert wird, ist für das beitragsunabhängige Rentensystem zuständig (BTI 2018).

Im Dokument der Social Security Administration werden unter anderem folgende Themenbereiche angeführt bzw. erläutert: Alters- und Behindertenpension, Witwenpension, Krankheit und Mutterschaft, eine Aufzählung der Zuschüsse für Arbeiter für medizinische Leistungen, Verletzungen bei der Arbeit, zeitlich begrenzte und dauerhafte Invaliditätsleistungen, Arbeitslosigkeit und Familienzuschüsse (SSA 3.2016).

Quellen:

22. Medizinische Versorgung

Selbst in den Großstädten ist die medizinische Versorgung oftmals nicht gewährleistet. In vielen öffentlichen Krankenhäusern sind die hygienischen Verhältnisse prekär. Engpässe in der Versorgung mit Medikamenten kommen in öffentlichen und privaten Krankenhäusern vor. Ernsthafte Erkrankungen und Verletzungen müssen im Ausland (USA oder Europa) behandelt werden. Krankenhäuser verlangen eine Vorschusszahlung (Bargeld, Kreditkarte), bevor sie Patienten aufnehmen und behandeln (EDA 28.3.2018).

Die Gesundheitsversorgung in Kliniken und öffentlichen Krankenhäusern ist kostenlos. Das öffentliche Krankenhausnetz umfasst rund 300 Krankenhäuser mit einer Bettendichte von lediglich einem Bett pro 1.000 Einwohner (BTI 2018).

Quellen:

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.1. Die zur Identität und Staatsangehörigkeit sowie zu den persönlichen und familiären Verhältnissen und Lebensumständen des BF im Herkunftsstaat und in Österreich getroffenen Feststellungen beruhen auf den diesbezüglichen und unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid und den insoweit glaubhaften Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung zum Nichtvorliegen einer umfassenden Integration in Österreich beruht auf den diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, die in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung nicht widerlegt wurden. Auch sonst wurden vom BF weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung irgendwelche konkreten Angaben dahingehend getätigt, die eine umfassende Integration in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht annehmen ließen.

Die Feststellung zum Besuch eines A1-Deutschkurses beruht auf einer vom BF in der Verhandlung vorgelegten Teilnahmebestätigung (OZ 7, Anlage ./A). Ein Nachweis über die Absolvierung einer Sprachprüfung wurde allerdings nicht vorgelegt. Die Feststellung, dass der BF über keine hinreichenden Deutschkenntnisse verfügt, die ihm auch nur eine einfache Kommunikation in deutscher Sprache ermöglichen würden, beruht auf der eigenen Wahrnehmung des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zum Bezug von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und zur Erwerbslosigkeit sowie zur strafrechtlichen Unbescholtenheit entsprechen dem Amtswissen des BVwG (Einsicht in das GVS-Betreuungsinformationssystem und in das Strafregister der Republik Österreich).

2.2. Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall einer Rückkehr nach Venezuela (Fluchtgründe) beruht auf seinen Angaben in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA, auf den Ausführungen in der Beschwerde sowie im Besonderen auf den Angaben in der mündlichen Verhandlung. Dieses Vorbringen erweist sich aus den folgenden Erwägungen als nicht glaubhaft:

Wie sich aus der Erstbefragung und der Einvernahme im Verfahren vor der belangten Behörde, aus der Beschwerde und aus der Befragung in der mündlichen Verhandlung ergibt, hatte der BF im gesamten Verfahren ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen wurde der BF von der belangten Behörde und vom erkennenden Gericht auch zur umfassenden und detaillierten Angabe von Fluchtgründen und zur Vorlage von allfälligen Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die genauen Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich konsistenter Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung auch möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

Aus einer Gesamtschau der Angaben des BF im Verfahren vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung ergibt sich jedoch, dass der BF im gesamten Verfahren trotz der zahlreichen Gelegenheiten nicht imstande war, eine im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Es konnte weder eine konkret gegen die Person des BF gerichtete Verfolgungsgefahr festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen.

So gab der BF in der Erstbefragung am 17.08.2017 an, dass er im Februar 2017 den Entschluss zur Ausreise aus Venezuela und zur Reise nach Österreich gefasst habe, weil hier sein Bruder lebe. Zum Grund für das Verlassen seines Heimatstaates gab er an, dass er gegen die Regierung in seinem Land sei und der Opposition angehöre. Aus diesem Grund sei sein Leben in Gefahr gewesen, weshalb er fliehen habe müssen. Im Fall der Rückkehr habe er Angst um sein Leben. Die Frage, ob ihm bei einer Rückkehr nach Venezuela eine unmenschliche Behandlung oder Strafe oder gar die Todesstrafe drohen würde und ob er bei einer Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen rechnen müsse, verneinte der BF.

In der Einvernahme vor dem BFA am 07.09.2017 bestätigte der BF zunächst, in der Erstbefragung die Wahrheit gesagt zu haben. Weiters gab der BF an, dass er seinen Reisepass, seine Geburtsurkunde und seine Kreditkarte in XXXX verloren habe, aber eine Kopie des Datenblattes seines am 01.09.2014 ausgestellten venezolanischen Reisepasses vorlegen und auch bei der Botschaft einen Identitätsnachweis besorgen könne. Auf weitere Befragung gab der BF an, dass er in Venezuela die letzten zehn Jahre bei einer spanischen Telekom-Firma gearbeitet habe und seine finanzielle Lage stabil gewesen sei. Den Entschluss zur Ausreise aus Venezuela habe er vor ca. acht bis zwölf Monaten gefasst, im Februar 2017 habe er Venezuela dann verlassen. Zunächst sei er nach Spanien, wo er bei einem Freund für ca. 20 Tage gewesen sei. Danach sei er nach XXXX zu seinem Bruder, wobei er gewartet habe, ob sich die Situation in Venezuela bessere, was aber nicht geschehen sei. Um nicht illegal in Österreich zu sein, sei er nach Russland geflogen, um seinen Pass "stempeln" zu lassen. Am 15.05.2017 sei er wieder nach Österreich zurückgeflogen. Die Situation in Venezuela sei mit dem Präsidenten nicht besser geworden und er habe nun einen Asylantrag gestellt. Österreich sei immer sein Zielland gewesen, weil er schon vorher Kontakt mit seinem hier lebenden Bruder gehabt habe. Auf weitere Befragung verneinte der BF, Probleme mit den venezolanischen Behörden gehabt zu haben oder jeweils in Haft gewesen oder festgenommen worden zu sein. Auf die Frage, ob er politisch tätig gewesen sei oder an Demonstrationen teilgenommen habe, antwortete der BF, dass er Gewerkschafter gewesen und bei Demonstrationen immer dabei gewesen sei. Die letzte Demonstration, an der er teilgenommen habe, sei im Jänner 2017 gewesen. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte der BF aus, dass die Regierung bestimmte Gruppen bewaffne, welche "Kollektivos" (richtig: "Colectivos", Anm.) heißen würden. Das seien bewaffnete regierungstreue Gruppierungen, die Regierungsgegner aufspüren würden. Bei einer Demonstration, bei der er als Gewerkschafter dabei gewesen sei, hätten sie ihn in der Nähe seines Hauses bemerkt. Diese Gruppen und das Heer würden Leute verschwinden lassen, es würden Studenten inhaftiert und man werde gemeinsam mit Kriminellen eingesperrt. In den Gefängnissen würden Leute gefoltert werden, und Personen, die ausreisen wollten, würden am Flughafen abgefangen. Es werde den Leuten der Reisepass abgenommen und zerrissen, damit diese nicht ausreisen können. Es gebe viele Fälle von Menschen, die verschwunden seien oder inhaftiert worden seien, darunter seien auch viele bekannte Persönlichkeiten des Landes. Das Heer arbeite mit den "Colectivos" zusammen, anstatt der Bevölkerung zu helfen. Auf die Frage, ob es Bedrohungen gegeben habe, die den BF persönlich betroffen hätten, erwiderte der BF, dass einige von diesen Gruppen gewusst hätten, wo er gelebt habe; als er einmal nach Hause gekommen sei, habe er gesehen, dass die Schlösser aufgebrochen waren. Das sei im November 2016 gewesen. Sie hätten versucht, es mit Gewalt aufzubrechen und das Gitter zerstört. Man wisse nicht, wer bei den "Colectivos" dabei sei, weil diese Mitglieder Kapuzen tragen. Danach sei er umgezogen und habe eine Zeit lang bei einem Freund gelebt und sich dann selbst eine neue Wohnung gemietet. Der BF ergänzte, dass sie ihn irgendwann dort auch gefunden hätten. Auf weitere Befragung zu seiner Tätigkeit als Gewerkschafter gab der BF an, dass er Gewerkschaft beim größten Telekom-Anbieter des Landes gewesen sei und neben den üblichen Tätigkeiten auch mit anderen Gewerkschaften Barrikaden gegen die Regierung errichtet habe. XXXX Auch vor November 2016 habe es immer Probleme gegeben, sowohl innerhalb des Unternehmens wegen der Arbeiterrechte als auch außerhalb mit der Errichtung der Barrikaden gegen die Regierung. Auf die Frage, wieso gerade er von den "Colectivos" verfolgt werden würde, erwiderte der BF, dass alle, die sich gegen sie stellen würden, verfolgt oder sogar umgebracht werden würden, und zwar Studenten und Leute wie er, die für die Gewerkschaft arbeiten. Auch Personen mit Kameras würden verfolgt werden, damit keine Bilder nach außen dringen. Nach weiteren Ausführungen zu den seiner Meinung nach bestehenden Merkmalen dieser "Colectivos" antwortete der BF auf die Frage, was er im Fall der Rückkehr nach Venezuela befürchte, dass er um sein Leben fürchte.

Die belangte Behörde beurteilte im angefochtenen Bescheid das Vorbringen des BF, dass er aufgrund seiner angeblichen oppositionellen Einstellung bzw. seiner Zugehörigkeit zur Gewerkschaft Verfolgung zu befürchten hätte als nicht glaubhaft und begründete dies im Wesentlichen zusammengefasst damit, dass er seine Behauptungen nur allgemein in den Raum gestellt habe, ohne diese belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaften machen habe können. Auch seinen Unstimmigkeiten in seinen Behauptungen aufgetreten, die im Bescheid im Einzelnen angeführt wurden.

In der Beschwerde wurde nach kurzer Darlegung des bisherigen Sachverhaltes, welcher im Wesentlichen wiederholt wurde, und unter Zitierung aus diversen allgemeinen Berichten zur Lage in Venezuela ausgeführt, dass der BF im Fall der Rückkehr nach Venezuela asylrelevante Verfolgung befürchte. Hinsichtlich des Vorhaltes im Bescheid, wonach der BF über den Luftweg mit gültigem Reisepass ausreisen habe können, und dies trotz seiner in der Einvernahme getätigten Aussage, dass ausreisewillige Personen noch am Flughafen abgefangen werden würden und ihr Reisepass abgenommen werden würde, wobei der BF bei der Ausreise eben keine Probleme gehabt habe, so müsse dazu ausgeführt werden, dass es keine "schwarze Liste" von Personen gebe, die oppositionell tätig seien. Außerdem sei bekannt, dass die "colectivos" paramilitär(-isch) organisiert seien, jedoch nicht direkt mit der Regierung zusammenarbeiten würden, weshalb sie ihre Informationen auch nicht direkt aus Hand derselben an die Beamten weitergeben würden.

In der mündlichen Verhandlung verwies der BF eingangs vollinhaltlich und unverändert auf sein bisheriges Vorbringen zu den Gründen, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe bzw. warum er nicht mehr dorthin zurückkehren könne (Fluchtgründe). Diese Angaben würden der Wahrheit entsprechen. Ergänzungen oder allfällige Berichtigungen zu seinen Fluchtgründen erfolgten nicht.

Im Zuge der anschließenden Befragung des BF, was er nun im Fall seiner Rückkehr nach Venezuela konkret zu befürchten hätte, konnte der BF insgesamt nicht glaubhaft darlegen, dass er im Fall der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohungen oder einer sonstigen Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre.

Wesentlich für die fehlende Glaubhaftigkeit des Vorbringens war zunächst der Umstand, dass weder aus den Angaben des BF vor der belangten Behörde noch aus seiner Beschwerde irgendwelche Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich waren, dass der BF in Venezuela jemals von irgendjemandem konkret gegen seine Person gerichtete Drohungen erhalten hätte oder als Person einer konkreten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre bzw. dass allfällige Drohungen auch mit seiner Funktion als Gewerkschaftssekretär oder seiner - im gesamten Verfahren ohnehin nur pauschal, aber inhaltlich nicht näher beschriebenen - regierungskritischen Haltung zu tun gehabt hätten. Der BF gab lediglich an, dass im November 2016 die Schlösser seines Hauses aufgebrochen wurden. Dass es allenfalls bereits konkrete Drohungen gegen ihn gegeben habe, behauptete der BF nicht. Worin bzw. in welchen Aktivitäten sich auch seine persönliche "regierungskritische" Haltung konkret geäußert hätte, legte der BF ebenso wenig dar, sondern er verwies lediglich darauf, dass er an "regierungskritischen Demonstrationen", zuletzt im Jänner 2017, teilgenommen habe. Auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, dass er bislang eigentlich nur angegeben habe, dass im November 2016 bei ihm zuhause die Schlösser aufgebrochen worden wären und er dies Angehörigen der "Colectivos" zurechnete, und auf die Frage, wie er dazu komme, diesen Vorfall solchen Angehörigen der "Colectivos" zuzuschreiben, wenn er selbst noch angeben habe, dass niemand wisse, wer bei den Colectivos sei, erwiderte der BF erstmals, dass Nachbarn gesehen hätten, wie diese Leute rund ums Haus gegangen seien.

Auf den nachfolgenden Vorhalt, dass er dies bislang nie so angegeben habe, entgegnete der BF lapidar, dass er das so erklärt habe. Tatsächlich ist aber weder den Niederschriften über die Erstbefragung und die Einvernahme noch den Ausführungen in der Beschwerde zu entnehmen, dass Nachbarn des BF konkret wahrgenommen hätten, dass solche Leute - d.h. auch als solche erkennbare Angehörige einer unter dem Namen "Colectivos" bekannten Gruppierung - rund um sein Haus gegangen bzw. dieses auch betreten hätten.

In diesem mit neuen Umständen ergänzten Vorbringen kann jedoch der Versuch einer unzulässigen Steigerung des bisherigen Vorbringens gesehen werden, um über das bisherige Vorbringen hinaus einen allenfalls asylrelevanten Sachverhalt zu konstruieren. Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass es dem BF nämlich nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, diesen nicht unwesentlichen Umstand, nämlich über die konkrete Wahrnehmung der Nachbarn hinsichtlich jener Personen, die das Schloss im Haus des BF aufgebrochen hätten und dass diese Personen als Angehörige der "Colectivos" erkennbar gewesen wären, bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt des Verfahrens - insbesondere in der Einvernahme vor dem BFA - vorzubringen, sind weder vom BF vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen. So muss dem BF entgegengehalten werden, dass er bereits von der belangten Behörde zu Beginn jeder Einvernahme unter ausdrücklichem Hinweis auf die Folgen falscher oder später erstatteter Angaben im Rahmen der Beweiswürdigung aufgefordert wurde, nur die Wahrheit anzugeben und umfassende Angaben zu tätigen. Überdies muss dem BF vorgehalten werden, dass auch in der Beschwerde diese Beobachtung der Nachbarn des BF mit keinem Wort erwähnt wurde.

Des Weiteren war zu berücksichtigen, dass der BF auch widersprüchliche Angaben zur konkreten Ausrichtung dieser "Colectivos" tätigte. Auf Vorhalt in der Verhandlung, dass er in der Einvernahme am 07.09.2017 angegeben habe, dass die sog. "Colectivos" bewaffnete Bürgerwehren seien, die regierungsnahe seien, er in der Beschwerde hingegen ausgeführt habe, dass diese "Colectivos" paramilitärisch organisiert seien, jedoch nicht direkt mit der Regierung zusammenarbeiten würden und somit die Informationen auch nicht direkt aus der Hand derselben an die Beamten weitergegeben würden, antwortete der BF, dass diese "in Verbindung mit der Regierung" stehen würden, ohne diese Behauptung aber näher darzulegen.

Darüber hinaus war auf Grund der Angaben des BF auch nicht davon auszugehen, dass er sich zu irgendeinem Zeitpunkt in einer derart ernsten Situation befunden hätte, dass er nach diesem geschilderten Vorfall im November 2016 "fluchtartig", also unverzüglich und im Wesentlichen unvorbereitet, Venezuela verlassen hätte müssen, um so einer ihm unmittelbar drohenden Verfolgungsgefahr durch Mitglieder dieser "Colectivos" zu entgehen. Auch wenn der BF behauptete, nach diesem Vorfall zunächst bei einem Freund und dann in einer neuen Wohnung gelebt zu haben, so erscheint es im Hinblick auf die behauptete Verfolgungsgefahr doch nicht schlüssig, weshalb der BF dann laut eigenen Angaben erst im Februar 2017 - also mehrere Monate später - den Entschluss gefasst habe, Venezuela zu verlassen. Dass sich der BF allenfalls auch nach November 2016 immer verstecken hätte müssen, um einer möglichen Verfolgung zu entgehen, konnte auch nicht angenommen werden, zumal der BF selbst angab, noch im Jänner 2017, also einige Monate später, an einer Demonstration teilgenommen zu haben. Das entsprechende Flugticket für den Flug von Caracas nach Madrid am 22.02.2017 kaufte der BF sodann auch erst am 14.02.2017 (siehe OZ 7, Anlage ./B). Der Umstand, dass dabei unter einem auch gleich ein Rückflug von Madrid nach Caracas für 24.03.2017 gebucht und bezahlt wurde, deutet ebenso wenig auf ein "fluchtartiges Verlassen" des Herkunftsstaates ohne jegliche Rückkehrabsicht hin. Schließlich war auch nicht unwesentlich, dass der BF offenbar problemlos unter Verwendung seines venezolanischen Reisepasses und nach Durchführung der entsprechenden (sicherheits- und grenzpolizeilichen) Kontrollen am Flughafen in Caracas - und somit in Kenntnis staatlicher Stellen - aus Venezuela ausreisen konnte.

Des Weiteren ist festzuhalten, dass die vom BF geäußerte Furcht vor einer potenziellen Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Venezuela ausschließlich subjektiv empfunden erscheint und nicht von objektiven Umständen begründet wird. Auf Vorhalt, dass seine Behauptung, im Fall der Rückkehr nach Venezuela von Mitgliedern der "Colectivos" etwas zu befürchten zu haben, auf bloßen Vermutungen seinerseits beruhe, zumal ein konkreter Zusammenhang zwischen ihm und seiner Funktion als Gewerkschaftsfunktionär einerseits und einer ohnehin nicht näher bestimmten Gruppe von Personen, die er lediglich als Mitglieder der "Colectivos" bezeichne, nicht ersichtlich sei, und auf weiteren Vorhalt, dass er das, was diese "Colectivos" ausmachte wer ihnen angehöre und was sie für Handlungen setzen würden, durchwegs nur in allgemeiner Hinsicht beschreibe, ohne dass er auf sich selbst Bezug nehme, erwiderte der BF, dass diese bewaffneten Gruppen nicht bedrohen, sondern töten würden. Nähere Angaben dazu, insbesondere zu seiner individuellen Situation, tätigte der BF aber wiederum nicht.

Auch was die Frage einer möglichen aktuellen Gefährdung der Person des BF im Fall einer Rückkehr nach Venezuela anbelangt, konnte der BF keine konkreten und substanziierten Angaben tätigen.

Im Übrigen konnte der BF auch keinen nachvollziehbaren Grund angeben, weshalb er erst in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, nicht aber während seines Aufenthaltes in Spanien. Der BF nannte als Grund dafür lediglich den Umstand, dass sein Bruder hier lebe. Auf die Frage, ob er also immer schon in Österreich bleiben habe wollen, erwiderte der BF, dass er ursprünglich nach Venezuela zurückkehren habe wollen, er aber abgewartet habe, ob sich etwas ändere. Es habe dann Wahlen gegeben, aber es habe sich nichts geändert. Wie bereits oben ausgeführt, spricht auch dies nicht dafür, dass der BF jedenfalls aus Furcht vor einer ihm akut drohenden Verfolgung aus Venezuela ausgereist wäre.

Auf die folgende Frage, wann diese Wahlen stattgefunden hätten, antwortete der BF "vor Mai 2017". Befragt zur Art dieser Wahlen gab der BF an, dass es Wahlen über die Präsidentschaft und eine Abstimmung über eine Änderung des Regierungssystems gewesen seien. Auf den folgenden Vorhalt, dass es unmittelbar vor Mai 2017 keine Wahlen gegeben habe, schwieg der BF. Nach Wiederholung des Vorhaltes änderte der BF seine vorige Aussage und meinte nunmehr, dass es sich um sogenannte "Revocatorias" zur Abberufung des Präsidenten gehandelt habe. Auf Vorhalt, warum er aber auch in Österreich noch drei Monate zugewartet habe, bis er letztlich den gegenständlichen Asylantrag am 16.08.2017 gestellt habe, obwohl er nach eigener Aussage ohnehin vorher schon die Absicht gehabt hätte, nicht nach Venezuela zurückkehren zu wollen, antwortete der BF, dass er geglaubt habe, dass sich die Situation bessern würde und er sich die Absetzung von Maduro erhofft habe. Diesen Behauptungen des BF ist jedoch entgegenzuhalten, dass die letzten Wahlen zur venezolanischen Nationalversammlung am 6. Dezember 2015 stattfanden und danach in Venezuela keine nationalen Wahlen mehr abgehalten wurden. Erst am 30. Juli 2017 fand in Venezuela auf Anordnung von Präsident Maduro eine - von der politischen Opposition boykottierte - Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung ("Asamblea Nacional Constituyente") statt, welche die bisherige - bereits im März 2017 vom Obersten Gerichtshof ("Tribunal Supremo de Justicia") suspendierte - Nationalversammlung ("Asamblea Nacional") ablöste. Eine nationale Abstimmung sowohl über eine Abberufung des Präsidenten ("revocatoria") als auch über eine allfällige Änderung des Regierungssystem in Venezuela, wie vom BF in der mündlichen Verhandlung behauptet, gab es allerdings nicht. Insoweit fehlte dem Vorbringen des BF auch die notwendige Plausibilität im Hinblick auf die tatsächlichen Gegebenheiten im Herkunftsstaat.

Bei der ganzheitlichen Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben spielt auch die persönliche Glaubwürdigkeit eine wesentliche Rolle. Diese persönliche Glaubwürdigkeit hinsichtlich einer möglichen Verfolgungsgefahr im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat war dem BF jedoch abzusprechen. Auf Grund der Tatsache, dass der BF wesentliche Fragen im Laufe der mündlichen Verhandlung nur vage oder allgemein, ausweichend oder nur auf nochmalige Nachfrage beantwortete, obwohl er ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt hätte, sein Vorbringen von sich aus näher darzulegen, und wesentliche Punkte seines Fluchtvorbringens im Laufe des Verfahren teilweise anders darstellte oder steigerte, war der Wahrheitsgehalt der Angaben zu den Gründen einer persönlichen Verfolgungsgefahr gänzlich zu bezweifeln. So war der BF im gesamten Verlauf des Verfahrens auch nicht in der Lage, die vorgehaltenen Widersprüche in schlüssiger Weise zu beseitigen bzw. die aufgetretenen Unklarheiten und Unplausibilitäten aufzuklären.

Dieses insgesamt als unsubstanziiert, widersprüchlich und unter Berücksichtigung der aktuellen Lage in Venezuela insoweit auch als nicht plausibel zu qualifizierende Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um eine mögliche Verfolgung des BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich zu halten, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass der BF selbst angab, sonst in seinem Herkunftsstaat keine Probleme gehabt und keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Eine Verfolgung seitens staatlicher Einrichtungen verneinte der BF sogar ausdrücklich. Die bloße und nicht näher begründete Behauptung, dass ihm im Fall der Rückkehr nach Venezuela eine mögliche Verfolgung durch (kriminelle) Mitglieder der paramilitärischen und allenfalls regierungsnah tätigten "Colectivos" drohen könnte, reicht für die Glaubhaftmachung einer derartigen Gefährdung jedoch nicht aus, sondern es bedarf der Darlegung ausreichend konkreter und individueller Umstände, die den BF betreffen, um mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch von einer ihn betreffenden Gefährdung ausgehen zu können.

Schließlich konnte in der mündlichen Verhandlung unbeachtlich der fehlenden Glaubhaftigkeit des dargelegten Fluchtvorbringens eine sonst dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende und dem Herkunftsstaat zurechenbare Verfolgungsgefahr nicht einmal ansatzweise erkannt werden. In einer Gesamtschau der dargelegten Erwägungen und der umfassenden nicht weiter zu bemängelnden Beweiswürdigung der belangten Behörde schließt sich das erkennende Gericht somit im Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur fehlenden Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens an.

2.3. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem BVwG von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des BVwG, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Die beschwerdeführende Partei ist weder vor der belangten Behörde noch in der gegenständlichen Beschwerde den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, die auf den in das Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen beruhen, substanziiert entgegengetreten. Die belangte Behörde hat Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt, wobei auch die in der Beschwerde auszugsweise dargelegten Berichte und Informationsquellen keineswegs den Wahrheitsgehalt der ausgewählten Berichte zu widerlegen oder diese anzuzweifeln vermochten.

Überdies wurde in der mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (LIB) vom 28.03.2018 zur Lage in Venezuela eingebracht. Den Parteien wurde anschließend die Möglichkeit eingeräumt, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Sowohl der BF als auch sein Rechtsvertreter haben dazu nicht Stellung genommen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Es wurden somit im gesamten Verfahren keine Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Beschwerde hinsichtlich des Status des Asylberechtigten:

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951, BGBl. Nr. 55/1955, in der durch das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, geänderten Fassung (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (und Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach der GFK) ist somit, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren dieser Konventionsgründe, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH 27.06.2016, Ra 2016/18/0098 mwN; 16.11.2016, Ra 2016/18/0094).

Die Beschwerde hinsichtlich des Status des Asylberechtigten erweist sich aus folgenden Erwägungen als unbegründet:

Eine gegen den BF gerichtete und vom Herkunftsstaat ausgehende oder diesem zurechenbare Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Sinne der GFK wurde weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im Verfahren vor dem BVwG glaubhaft gemacht. Der BF hat im gesamten Verfahren überdies das Vorliegen allfälliger Probleme mit staatlichen Behörden des Herkunftsstaates ausdrücklich verneint.

Insoweit der BF vorbrachte, dass er sich in Venezuela nicht mehr sicher gefühlt habe und sich im Fall der Rückkehr weiterhin vor möglichen Bedrohungen durch Mitglieder der "Colectivos" fürchte, so ist festzuhalten, dass diese subjektive Furcht für sich alleine genommen auch (noch) nicht ausreicht, um von einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK ausgehen zu können. Eine solche wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt nur dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus asylrelevanten Gründen fürchten würde.

Es war daher auch anzunehmen, dass der BF seinen Herkunftsstaat wegen seiner zum Zeitpunkt der Ausreise bestehenden persönlichen Situation sowie in der Absicht, im Ausland bessere Lebensbedingungen anzutreffen, verlassen hat. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen jedoch keine Verfolgung im Sinne der GFK dar.

Es war daher im Hinblick auf die ausschließlich persönlichen und wirtschaftlichen Beweggründe für das Verlassen des Herkunftsstaates der Schluss zu ziehen, dass die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nur aus dem Grund erfolgte, sich nach erfolgter Einreise unter Umgehung der den Aufenthalt regelnden Vorschriften den weiteren Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert.

Daher war gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Beschwerde hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden. Es ist somit zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer etwa gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 31.07.2014, Ra 2014/18/0058; 21.02.2017, Ro 2016/18/0005).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294). Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; sowie VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 21.02.2017, Ro 2016/18/0005). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung oder Fehlen einer Lebensgrundlage, die die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz - bezogen auf den Einzelfall - deckt) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt sein könnte. Derartiges hat der BF bereits in der Erstbefragung auch ausdrücklich verneint. In der Beschwerde wurde lediglich allgemein ausgeführt, dass dem BF eine dem Art. 3 EMRK-widrige Behandlung drohe, weil sich dies so aus den angeführten Länderberichten und Aussagen des BF ergebe. Nähere Angaben dazu wurden in der Beschwerde aber nicht getätigt, insbesondere welche konkrete persönliche Auswirkungen eine Rückkehr nach Venezuela auf den BF aufgrund der dort derzeit vorherrschenden Versorgungs- und Sicherheitslage hätte.

Der BF ist ein Mann mittleren Alters, gesund und arbeitsfähig. Beim BF kann daher die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden, weshalb er im Herkunftsstaat - wie vor seiner Ausreise - grundsätzlich in der Lage sein wird, sich mit Erwerbstätigkeiten, wenn auch nur durch Gelegenheitsarbeiten, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass der BF im Fall der Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird. So leben die teilweise bereits erwachsenen Kinder nach wie vor in Venezuela bei deren Großmutter, ebenso lebt seine Freundin in Venezuela.

Letztlich war zu berücksichtigen, dass in der Beschwerde den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht substanziiert entgegengetreten und in weiterer Folge auch nicht dargelegt wurde, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf die individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit die beschwerdeführende Partei durch die Rückkehr in den Herkunftsstaat einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären. Auch in der mündlichen Verhandlung wurden dahingehend keine Angaben getätigt.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde somit eine Verletzung in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 (über die Abschaffung der Todesstrafe) und Nr. 13 (über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) nicht vorliegen. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die beschwerdeführende Partei als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, liegen nicht vor.

Daher war gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zur Beschwerde hinsichtlich der Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wird.

Gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 hat das BFA über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF verfügt in Österreich - abgesehen von seinem in Österreich lebenden erwachsenen Bruder - über keine berücksichtigungswürdigen familiären Anknüpfungspunkte.

Was die privaten Lebensumstände des BF anbelangt, ist festzuhalten, dass Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration in sprachlicher, beruflicher und sozialer Hinsicht auch schon im Hinblick auf die kurze Dauer seines bisherigen Aufenthalts in Österreich nicht erkennbar sind. Er ging bislang auch keiner regelmäßigen Beschäftigung in Österreich nach, sondern lebte von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Im Lichte dieser nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen.

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene amtswegige Feststellung keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass allenfalls auch unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre (vgl. VwGH 16.12.2015, Zl. Ra 2015/21/0119).

Auch Umstände, dass allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, liegen unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes nicht vor.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung, die Zulässigkeit der Abschiebung und die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 vorliegen, war gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG sowie § 57 AsylG 2005 die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zur Beschwerde hinsichtlich der Frist zur freiwilligen Ausreise:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid (Spruchpunkt IV.) gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise aus dem Bundesgebiet 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt diese Frist 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen solcher besonderen Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 3 FPG einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

Besondere Umstände, welche einen längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage zu Ausreise erforderlich gemacht hätten, wurden vom BF im Verlauf des gesamten Verfahrens weder vorgebracht noch nachgewiesen und sind auch sonst nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher ebenso als unbegründet abzuweisen.

3.5. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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