BVwG W202 2168843-1

BVwGW202 2168843-122.5.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W202.2168843.1.00

 

Spruch:

W202 2168843-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA.: Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2017, Zl. 1078559702 - 160746533/BMI-BFA_KNT_RD, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG idgF § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste Ende April 2016 rechtmäßig mit einem von 01.04.2016 bis 29.05.2016 gültigen Schengenvisum (Typ C) in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, in dem der Beschwerdeführer durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer niederschriftlichen Erstbefragung unterzogen und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen worden war, erließ das Bundesamt den bekämpften Bescheid, mit dem es den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abwies, einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilte, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erließ und feststellte, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter innerhalb offener Frist gegenständliche Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, wo er sieben Jahre lang die Grundschule besucht und danach in der Landwirtschaft gearbeitet hat. Zuletzt war der Beschwerdeführer in einem Gurudwara (Sikh Tempel) tätig. Seine Tochter, seine Ehefrau und deren Eltern sowie ein Bruder und vier Schwestern leben in Indien. Seiner Tochter und seiner Gattin geht es gut. Sie übersiedelten mit dem Beschwerdeführer vor seiner Ausreise ca. 100 km zu den Eltern seiner Ehefrau, wo sie keinerlei Behelligungen ausgesetzt waren oder sind. Der Beschwerdeführer ist Sikh und stammt aus dem Punjab.

In Indien wurden öfters Seiten aus dem heiligen Buch der Sikhs gerissen, um die Sikhs zu verärgern. Im Gurudwara des Beschwerdeführers wurde das heilige Buch nicht zerrissen, da sie dagegen auftraten. Es kam zu keinerlei Übergriffen oder Kämpfen, es wurde nur an das Tor geschlagen und es wurden Bedrohungen ausgestoßen. Der Beschwerdeführer machte aber nicht auf, er rief Angehörige seiner Religionsgemeinschaft an und diese unterstützen ihn und bewachten das Tor. Da in der Folge niemand mehr vor dem Tor stehen wollte, der Beschwerdeführer lebte damals im Gurudwara, wandte er sich an die Polizei. Die Polizei tat in den umliegenden Dörfern kund, dass das Tor abwechselnd bewacht werden solle. In der Folge wurde der Beschwerdeführer von einer Person, die zu dieser Zeit auch in Indien war und ab und zu Wache hielt, über Bitte des Beschwerdeführers eingeladen, für einen Monat mit ihm nach Österreich zu gehen. Der Beschwerdeführer verließ Mitte April den Gurudwara, der bis dorthin immer bewacht worden war. Er ging mit seiner Familie zu den Schwiegereltern, die hundert Kilometer entfernt wohnen, wo er keinerlei Bedrohungen ausgesetzt war. Ende April verließ er Indien und reiste legal in das Bundesgebiet ein. Nachdem er einen Anruf erhalten hatte, wonach sich die Lage in Indien noch immer nicht beruhigt habe, blieb der Beschwerdeführer im Bundesgebiet und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hat von den ihn betreffenden Bedrohungen seitens des indischen Staates bereits Schutz gefunden und es ist zu erwarten, dass er im Falle einer Rückkehr wiederum Schutz seitens der Behörden vor den Bedrohungen von Unbekannten finden würde. Zudem fand der Beschwerdeführer schon während seines Aufenthaltes Schutz vor den behaupteten Bedrohungen bei seinen Schwiegereltern, es wäre ihm bei einer Rückkehr zumutbar, wieder zu seinen Schwiegereltern zurückzukehren, wo er keinerlei Bedrohungen ausgesetzt war und besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass er dies in Hinkunft wäre.

Eine entscheidungserhebliche Integration des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet ist nicht ersichtlich, relevante Deutschkenntnisse bestehen nicht. Der Beschwerdeführer ist zwar nicht in die Grundversorgung einbezogen, er ist jedoch nicht legal erwerbstätig und auf die finanzielle Unterstützung Dritter angewiesen. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten. Er ist gesund und im erwerbsfähigen Alter.

Zur Lage in Indien:

Sicherheitslage:

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Punjab:

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Rechtsschutz/Justizwesen:

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70% aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 16.8.2016).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 16.8.2016).

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 16.8.2016).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Hierbei kann die ethnische oder religiöse Zugehörigkeit sowie die politische Überzeugung des Opfers eine Rolle spielen. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben beispielsweise 80% aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein (AA 16.8.2016).

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 13.4.2016). Das Gesetz erlaubt den Angeklagten in den meisten Zivil- und Kriminalfällen den Zugang zu relevanten Regierungsbeweisen, aber die Regierung behält sich das Recht vor, Informationen zurückzuhalten und tut dies auch in Fällen, die sie für heikel erachtet. Die Angeklagten haben das Recht, sich dem Ankläger zu stellen und ihre eigenen Zeugen und Beweismittel zu präsentieren, jedoch konnten Angeklagte dieses Recht manchmal aufgrund des Mangels an ordentlicher Rechtsvertretung nicht ausüben. Gerichte sind verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 13.4.2016).

Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt sein, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein.

Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist, oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2016).

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.1.2016).

Sicherheitsbehörden:

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 6.2016) und untersteht den Bundesstaaten (AA 16.8.2016). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 6.2016).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 6.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt. (USDOS 13.4.2016). Versprochene Polizeireformen verzögerten sich 2015 erneut (HRW 27.1.2016).

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 13.4.2016).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2016). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 16.8.2016; vgl. auch: BICC 6.2016), wie etwa beim Kampf gegen bewaffnete Aufständische, der Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie dem Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2016).

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Als Unruhegebiete gelten zurzeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir und die nordöstlichen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Mizoram und Nagaland (AA 16.8.2016 vgl. USDOS 25.6.2015).

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 16.8.2016). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rahtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) - die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze -, die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz), als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesh und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles - zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten-, die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force, zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2016). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sogenannte Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen (AA 24.4.2015; vgl. auch USDOS 25.6.2015).

Der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) wurde verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Möglichkeit zur Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 24.4.2015).

Religionsfreiheit:

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

Sikhs:

USDOS schreibt im Bericht zu Religionsfreiheit vom 14.10.2015, dass laut Volkszählung 2001 1,9% der 1,2 Milliarden Inder Angehörige der Sikhs sind und die Mehrheit im Punjab bilden. Sikhs, die eine Ehe mit einem Partner eingehen, der nicht ihrer Religion angehört, können möglicherweise erbrechtliche Eigentumsrechte verlieren. Registrierte Ehen von Sikhs werden gesetzlich anerkannt. Spezielle Scheidungsbestimmungen für Sikhs existieren nicht und andere Angelegenheiten, die Sikhs betreffen, fallen unter gesetzliche Bestimmungen für Hindus.

Im Mai kam es in Kishanbagh zu Zusammenstößen zwischen Moslems und Sikhs. Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer auf die randalierenden Massen und es kamen drei Personen zu Tode. Die Zusammenstöße begannen, als angeblich eine religiöse Flagge der Sikhs auf einer Anhöhe verbrannt wurde. Im Zuge der daraus resultierenden Gewalt wurden etwa 10 Häuser und Geschäfte niedergebrannt und mehrere Fahrzeuge beschädigt.

Human Rights Watch berichtet am 24.1.2014, dass das Verfahren gegen Offiziere, die beschuldigt wurden im März 2000 fünf Zivilisten getötet zu haben und fälschlicherweise behauptet hatten, es hätte sich dabei um Terroristen gehandelt, die 36 Sikhs getötet haben, aus Mangel an Beweisen eingestellt wurde.

Aus den Briefing Notes des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2.2.2014 geht folgendes hervor:

"[...] Gericht stoppt Hinrichtung von abgeschobenem Inder

Indiens oberstes Gericht hat die Hinrichtung des Sikh-Extremisten Devinder Pal Singh Bhullar vorläufig gestoppt. Ein neues ärztliches Gutachten soll prüfen, ob der heute 48-Jährige an einer psychischen Erkrankung leidet. Die Richter verwiesen auf eine Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichts aus der vergangenen Woche. Demnach können Todesstrafen bei "unzumutbaren, unangemessenen und langwierigen Ver-zögerungen" in lebenslange Haftstrafen umgewandelt werden. Derzeit sitzen fast 500 Menschen in Todeszellen. Nachdem jahrelang keine Todesurteile mehr vollstreckt worden waren, kommt es seit November 2012 in sehr seltenen Fällen wieder zu Exekutionen.

Bhullar war im Dezember 1994 am Frankfurter Flughafen mit einem falschen Pass festgenommen und 1995 abgeschoben worden. Er wurde unmittelbar nach seiner Rückkehr inhaftiert. Ein Gericht verurteilte ihn wegen seiner Beteiligung an einem Attentat in Neu-Delhi, bei dem 1993 neun Menschen getötet wurden, zum Tode. Das Frankfurter Verwaltungsgericht verurteilte die Abschiebung zwei Jahre später als Rechtsverstoß. Zwar sei die Nichtanerkennung des Asylgrundes korrekt, aber Deutschland hätte Bhullar nicht nach Indien abschieben dürfen. [...]

BBC berichtet am 6.2.2014 dass die größte Partei der Sikhs, die Akali Dal vor dem Parlament gegen die Regierung protestierte.

Am 2.6.2014 führt UN General Assembly in einer Stellungnahme zur Lage der Sikhs an, dass, Sikh-Führer sowie Organisationen und Publikationen, die öffentlich jegliche Formen der Autonomie fordern, überwacht werden und bedroht sind, als Terrorist eingestuft zu werden. Sikhs wären auch weiterhin Verhaftungen und Folter ausgesetzt, Meinungs- und Versammlungsfreiheit wäre ihnen verwehrt.

Am 6.6.2014 berichtet BBC News, dass mehrere Menschen verletzt wurden, nachdem sich hunderte von Sikhs beim Goldenen Tempel versammelt haben, um der Toten der Auseinandersetzungen im Jahr 1984 zu gedenken. Bei der Zeremonie brach jedoch bald Chaos aus und rivalisierende Gruppen mit blauen und orangen Turbanen begannen einander zu bekämpfen. Laut Angaben der Polizei wäre die Lage wieder unter Kontrolle gebracht worden.

BBC News berichtet am 28.7.2014, dass im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Sikhs drei Personen getötet und 20 weitere verletzt wurden. Laut Angaben der Polizei wären 38 Personen festgenommen worden. Grund der Auseinandersetzungen war ein Grundstücksstreit. Kommunale Kämpfe zwischen Sikhs und Moslems wären in Indien jedoch selten.

Aus einer Anfragebeantwortung von ACCORD vom 15.1.2015 geht zur Situation der Sikhs sowie auch der Behandlung von Sikhs durch die Polizei folgendes hervor:

In einem Artikel vom August 2014 berichtet die indische Tageszeitung New Indian Express, dass Vertreter des Central Committee of Gurudwara Saheban (bei einem Gurudwara Saheb handelt es sich um eine Gebetsstätte der Sikhs, Anm. ACCORD) in Telangana die Regierung des Bundesstaates aufgefordert hätten, der Sikh-Gemeinde in der Stadt Hyderabad angemessenen Schutz zu bieten. Die Vertreter hätten der Polizei von Hyderabad und Cyberabad (Stadtteil Hyderabads, in dem die Hightech-Industrie angesiedelt ist, Anm. ACCORD) zudem vorgeworfen, unter dem Einfluss der muslimischen politischen Partei Majlis-e-Ittehadul-Muslimeen (MIM) Sikhs absichtlich zu schikanieren. Laut dem Generalsekretär des Central Committee bestehe die Schikanierung darin, unnötige Klagen gegen jugendliche Sikhs zu erheben und dadurch deren Leben zu zerstören.

Dem Generalsekretär zufolge seien in den vergangenen Tagen von Personen, die provokante Äußerungen getätigt, die religiösen Gefühle der Sikhs verletzt und Sikhs beschimpft hätten, Spannungen zwischen den Gemeinschaften heraufbeschworen worden. Die Polizei sei jedoch nicht gegen die Verursacher eingeschritten, sondern habe stattdessen, unter dem Einfluss einiger politischer Führer, Klagen gegen jugendliche Sikhs erhoben. Wie der Generalsekretär weiters anführt, seien vor zwei Tagen jugendliche Sikhs auf dem Heimweg von einer Menschenmenge angegriffen worden. Dieser Vorfall habe vor den Augen ("under the nose") des Parlamentsabgeordneten Syed Pasha Quadri (der dem MIM angehört, Anm. ACCORD) stattgefunden, dessen Mitarbeiter den Vorfall mit Gleichgültigkeit beobachtet hätten:

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schreibt in einer Pressemitteilung vom September 2012, dass es Vorwürfe gebe, wonach die Polizei in Punjab Kulvir Singh Barapind, einen Sikh, der verdächtigt werde, ein Separatist zu sein, gefoltert habe. Barapind sei am 20. September 2012 wegen Kriegführens gegen den Staat, Besitzes von Sprengstoff und Aufwiegelung festgenommen worden. Laut seinem Anwalt habe sich Barapind darüber beschwert, dass ihm die Polizei Stromstöße versetzt, ihn geschlagen und gedemütigt habe:

Die argentinische Menschenrechts-NGO Permanent Assembly for Human Rights führt in einem im Juni 2014 vom UNO-Menschenrechtsrat (UN Human Rights Council, HRC) veröffentlichten Bericht an, dass Sikhs aufgrund anhaltender Unterdrückung weiterhin in anderen Ländern um politisches Asyl ansuchen würden. Sie seien Festnahmen und Folter ausgesetzt. Außerdem werde ihnen das Recht der Versammlungs- und Meinungsfreiheit verwehrt. Mehrere Sikh-Anführer seien verschwunden, nachdem sie in Gewahrsam genommen worden seien. Personen, die an den Ereignissen von 1984 (im Jahr 1984 wurden bei gegen Sikhs gerichteten Unruhen mehrere tausend Sikhs getötet, Anm. ACCORD) beteiligt gewesen seien, seien in Schlüsselpositionen in von Sikhs bewohnten Gebieten aufgestiegen. So sei Sumedh Saini im Jahr 2012 zum Generaldirektor der Polizei in Punjab befördert worden. Wie der Bericht weiters anführt, würden Sikh-Anführer, -Organisationen und -Publikationen überwacht, außerdem werde Sikhs damit gedroht, als "Terroristen" eingestuft zu werden, sollten sie öffentlich für irgendeine Form der Autonomie eintreten:

In einem im Jahr 2015 veröffentlichten Buch geht Tanweer Fazal, Associate Professor am Centre for the Study of Social Systems der Jawaharlal Nehru University in Neu-Delhi, auf Identitätsfragen bei Muslimen und Sikhs in Indien ein und stützt sich dabei unter anderem auf die Ergebnisse ethnographischer Feldforschung und dabei geführter Interviews. Wie Fazal anführt, seien Stigmatisierungen und Verdächtigungen hinsichtlich fehlender Loyalität für die meisten Sikhs Teil einer Übergangsperiode, der Periode der Khalistan-Bewegung, gewesen (die Khalistan-Bewegung ist eine politische Bewegung unter den Sikhs, die sich um die Schaffung eines unabhängigen Staates, genannt Khalistan, bemüht und ihre Hochphase in Indien in den 1980er erreicht hat, Anm. ACCORD).

Fazal führt das Beispiel von Virender Singh an, der die Unruhen im Jahr 1984 überlebt habe und sich daran erinnert habe, dass Sikhs zu dieser Zeit als "Khalistanis" oder "Ugrawadis" (Extremisten) bezeichnet worden seien. Zwei Jahrzehnte später spüre er nichts mehr von den Demütigungen. Mittlerweile, so Virender Singh, gebe es so viele Sikhs, die der Polizei und der Armee beitreten würden.

Wie das Buch weiters anführt, sei die Mehrheit der interviewten Sikhs weder persönlich mit Diskriminierungen konfrontiert worden, noch sei sie der Meinung, dass die Sikh-Gemeinde als solche mit Diskriminierungen konfrontiert sei. Viele würden glauben, dass Diskriminierungen ein vorübergehendes Phänomen gewesen seien, das wenig Einfluss bei der Herausbildung einer eigenständigen Sikh-Identität gespielt habe. Der sozioökonomische Hintergrund des Interviewten habe dabei nur selten Auswirkungen auf die herausgebildeten Meinungen gehabt. So seien sich J.P. Singh, ein Software-Entwickler ("software professional") aus der Mittelschicht, die Facharbeiter Mukhtiar Singh und Surender Singh, Chatwal, ein Luftwaffenoffizier im Ruhestand und Bewohner eines gehobenen Viertels in Süd-Delhi, sowie Chauffeur ("auto driver") Dimpy alle einig gewesen, dass Diskriminierungen ein vorübergehendes Phänomen und Produkt von Krisenzeiten gewesen seien. Auch Ravinder Singh, Inhaber von "Singh Properties" in Mukherjee Nagar in Delhi habe dieser Einschätzung zugestimmt. Er glaube nicht, dass Sikhs irgendwo diskriminiert würden. Dies gelte selbst bei Stellen im Staatsdienst.

Mittellosen Sikhs wie Raj Kumar sei Diskriminierung als eine fremde Kategorie erschienen. Kumar glaube nicht, dass er jemals wegen seiner Religion diskriminiert worden sei. Er habe sich nie um eine Stelle im Staatsdienst bemüht und auch nie um einen Kredit angesucht, da er wisse, dass er nicht in der Lage sei, diesen zurückzuzahlen.

In einer etwas älteren Anfragebeantwortung vom Mai 2013 geht das kanadische Immigration and Refugee Board (IRB) unter Berufung auf verschiedene Quellen auf die Lage von Sikhs außerhalb des Bundesstaates Punjab ein. So habe der interimistische geschäftsführende Direktor der in Hongkong ansässigen NGO Asian Human Rights Commission (AHRC) angegeben, dass es in Indien "keine Diskriminierung" von Sikhs gebe. Andere Quellen (ein Vertreter der in Neu-Delhi ansässigen NGO Human Rights Law Network (HRLN) sowie ein Geschichtsprofessor an der Universität Toronto) hätten von wenig Diskriminierung gesprochen.

Das IRB zitiert weiters einen bei der World Sikh Organization (WSO) in Kanada tätigen Rechtsberater, der angegeben habe, dass Sikhs im Allgemeinen nicht häufig zum Ziel spezifischen Missbrauchs ("specialized abuse") würden. Jedoch könnten Sikhs mit bestimmten politischen Ansichten oder Sikhs, die für diese Ansichten eintreten würden, zum Ziel von Schikanierungen, Inhaftierungen und Folter werden. Dies sei allerdings in Punjab weiter verbreitet als anderswo.

In einer älteren Anfragebeantwortung vom Mai 2012 geht das IRB auf die Frage ein, wie Sikhs im Punjab behandelt werden. Laut einem emeritierten Professor der Politikwissenschaft an der Universität Missouri, der umfassend zu den Themen Indien und Sikhs geschrieben habe, seien Sikhs im Punjab im Allgemeinen keiner größeren Diskriminierung als andere Gruppen ausgesetzt. Ein Vertreter der World Sikh Organization (WSO) in Kanada habe jedoch angegeben, dass es nicht möglich sei, von Sikhs im Punjab als einheitlicher und homogener Gruppe zu sprechen. Wie in jeder anderen Gemeinschaft auch gebe es innerhalb der Sikh-Gemeinde verschiedene politische und religiöse Spaltungen und Unterschiede. Sikhs, die sich für einen eigenen Sikh-Staat oder Khalistan einsetzen oder einen solchen unterstützen würden, seien in Indien weiterhin mit schweren Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Andere Sikhs, die mit Problemen konfrontiert seien, seien unter anderem solche, die die Zuständigkeit der Regierung des Bundesstaates in religiösen Angelegenheiten in Frage stellen würden, sowie AktivitsInnen gegen Deras (Kulte). Sikhs, die verdächtigt würden, militante Unterstützer oder Sympathisanten von Khalistan zu sein, würden ebenfalls überwacht und in manchen Fällen inhaftiert und gefoltert.

Dem WSO-Vertreter zufolge würden die Deras im Punjab über erheblichen politischen Einfluss verfügen und die Regierung des Bundesstaates habe in der Vergangenheit Schritte unternommen, um sie zu besänftigen. Sikh-AktivistInnen hätten der Polizei im Punjab vorgeworfen, sich bei Protesten auf die Seite der Dera-AnhängerInnen zu stellen und Sikh-AktivistInnen angegriffen zu haben und ihnen mit Gewalt begegnet zu sein. Viele Sikhs, die öffentlich gegen die Deras aufgetreten seien oder Proteste gegen diese organisiert hätten, seien in Gewahrsam genommen worden und würden berichten, von der Polizei im Punjab regelmäßig schikaniert zu werden.

Dem WSO-Vertreter zufolge seien Sikhs, die sich für einen eigenen Sikh-Staat einsetzen oder die Regierung hinsichtlich ihres Umgangs mit Sikhs oder Sikh-Angelegenheiten kritisieren würden, oftmals mit zunehmender Kontrolle und Schikanierung konfrontiert. Die Polizei im Punjab verkünde häufig Festnahmen von mutmaßlichen Mitgliedern separatistischer Sikh-Gruppen, denen die Planung terroristischer Angriffe vorgeworfen werde. Viele dieser Fälle würden sich jahrelang vor Gericht hinziehen, bevor eine Entscheidung getroffen werde. Seit 2005 seien hunderte Personen als Sympathisanten oder mutmaßliche Mitglieder von Babbar Khalsa (militante Sikh-Organisation, Anm. ACCORD) oder anderen separatistischen Gruppen festgenommen und inhaftiert worden. Festnahmen mutmaßlicher "Sikh-Terroristen" würden regelmäßig stattfinden, nicht nur im Punjab, sondern in ganz Indien.

Wie das IRB weiters anführt, habe der WSO-Vertreter erklärt, Folter sei weiterhin ein Mittel, das von der Polizei im Punjab und anderen indischen Sicherheitskräften häufig angewendet werde. Sikhs, denen vorgeworfen werde, Sympathisanten von oder Kämpfer für Khalistan zu sein, könnten Opfer von illegaler Inhaftierung und Folter werden. Festgenommene Sikhs würden routinemäßig gefoltert, außerdem komme es weiterhin zu ungeklärten Todesfällen von Sikh-Gefangenen in Polizeigewahrsam. Laut indischen Medien, so das IRB, sei ein Mitglied der Khalistan Commando Force im März 2011 in Gewahrsam gestorben. Während es sich Polizeiangaben zufolge um einen Selbstmord gehandelt habe, habe die Familie des Verstorbenen angegeben, er sei gefoltert worden. In einem anderen Fall habe ein junger Sikh erklärt, von Polizisten in der Stadt Sangrur "erbarmungslos" geschlagen worden zu sein, nachdem er im April 2012 wegen Raubes "illegal" inhaftiert worden zu sein. Die Polizei habe ihn erst formal festgenommen, nachdem sich seine Familie an das Oberste Gericht gewendet habe, um seinen Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen.

Aus dem Jahresbericht von Amnesty International vom 25.2.2015 geht folgendes hervor:

"[...] Zahlreiche Menschen, die Ende 2013 vor gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen in Muzzafarnagar im Bundesstaat Uttar Pradesh in Notlager geflohen waren, wurden Anfang 2014 rechtswidrig aus diesen Lagern vertrieben. Die Gewaltausbrüche wurden nicht in vollem Umfang untersucht. Ende 2014 hatten Tausende Menschen, die meisten von ihnen Muslime, immer noch nicht in ihre Heimatorte zurückkehren können.

Im November 2014 jährte sich zum 30. Mal der Gewaltausbruch in Delhi im Jahr 1984, der zu einem Massaker an Tausenden von Sikhs geführt hatte. Trotz großer öffentlicher Demonstrationen, die ein Ende der Straflosigkeit forderten, wurden Hunderte Strafverfahren, die die Polizei unter Verweis auf mangelnde Beweise eingestellt hatte, nicht wiederaufgenommen.

Die Ermittlungen und Gerichtsverfahren zu den Gewalttaten im Jahr 2002 im Bundesstaat Gujarat, bei denen mindestens 2000 Menschen, in der Mehrheit Muslime, getötet worden waren, kamen nur schleppend voran. Im November 2014 legte die Nanavati-Mehta-Kommission, die 2002 eingesetzt worden war, um die gewaltsamen Angriffe zu untersuchen, der Regierung des Bundesstaats Gujarat ihren Abschlussbericht vor, der jedoch nicht veröffentlicht wurde. Im August 2014 wurden bei ethnisch motivierten Zusammenstößen an der umstrittenen Grenze zwischen den Bundesstaaten Nagaland und Assam zehn Personen getötet und mehr als 10000 vertrieben. Aus verschiedenen Bundesstaaten, darunter Uttar Pradesh, Bihar, Karnataka und Tamil Nadu, gingen Berichte über gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen verschiedener Kasten ein.[...]"

Aus einem Bericht von Reliefweb vom 4.6.2015 geht hervor, dass in der Stadt Jammu, ein Demonstrant getötet wurde, als die Polizei in eine wütende Menge schoss, die gegen die Entfernung eines Plakates eines separatistischen Sikh Führers protestierte.

Die Commission on International Religious Freedom - USCIRF - schreibt im Annual Report 2015, dass es Berichten von NGOs und religiösen Führern, darunter auch der Sikh Gemeinschaft zufolge, seit der Wahl 2014 religiösen Minderheiten gegenüber zu abfälligen Bemerkungen von Politikern sowie zu zahlreichen gewalttätigen Übergriffen und erzwungenen Konvertierungen durch hinduistische nationale Gruppen gekommen wäre. Sikhs wären oft Schikanen und Druck ausgesetzt, ihre religiösen Praktiken und Überzeugungen zu unterbinden - was die Kleidung, nicht geschnittenes Haar und das Tragen religiöser Elemente einschließlich des Kipan betrifft. Kommunale Gewalt in Bundesstaaten mit großen Minderheiten, sind in Indien ein langjähriges Problem. Dem Innenministerium zufolge gab es im Jahr 2013 bundesweit 823 Vorfälle kommunaler Gewalt, wobei 133 Personen starben und tausende verletzt wurden.

Bewegungsfreiheit:

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Meldewesen:

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Grundversorgung/Wirtschaft:

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9 .2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9 .2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9 .2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9 .2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9 .2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Rückkehr:

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass es in Bundesstaaten mit großen Minderheitenanteilen immer wieder zu Fällen kommunaler Gewalt kommt. Von einer systematischen, gegen Sikhs gerichteten Verfolgung ist den Quellen zufolge nicht auszugehen, wenngleich es zu Diskriminierungen kommen kann. Allerdings können Sikhs, die sich für einen eigenen Sikh-Staat oder Khalistan einsetzen oder einen solchen unterstützen, in Indien weiterhin mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert sein. Auch Sikhs, die die Zuständigkeit der Regierung des Bundesstaates in religiösen Angelegenheiten in Frage stellen würden, sowie Aktivisten gegen Deras sowie Sikhs, die verdächtigt sind, militante Unterstützer oder Sympathisanten von Khalistan zu sein, können ebenfalls mit Problemen konfrontiert sein. Den nachfolgend zitierten Quellen zufolge ist zusammenfassend weiter zu entnehmen, dass auch Sikhs der Polizei sowie dem Militär beitreten.

Einzelquellen:

Das deutsche Auswärtige Amt gibt zur Zahl der Sikhs in Indien folgendes an:

[...] Religionen: Hinduismus (circa 80,5%), Islam (circa 13,4%), Christentum (circa 2,3%), Sikhismus (circa 1,9%) sowie Buddhismus, Jainismus, Parsen und andere.[...]

Auswärtiges Amt (Mai 2015): Indien - Kultur, Bildung, Medien, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Indien.html , Zugriff 16.12.2015

USDOS schreibt im Bericht zu Religionsfreiheit vom 14.10.2015, dass laut Volkszählung 2001 1,9% der 1, 2 Milliarden Inder Angehörige der Sikhs sind und die Mehrheit im Punjab bilden. Sikhs, die eine Ehe mit einem Partner eingehen, der nicht ihrer Religion angehört, können möglicherweise erbrechtliche Eigentumsrechte verlieren. Registrierte Ehen von Sikhs werden gesetzlich anerkannt. Spezielle Scheidungsbestimmungen für Sikhs existieren nicht und andere Angelegenheiten, die Sikhs betreffen, fallen unter gesetzliche Bestimmungen für Hindus.

Im Mai kam es in Kishanbagh zu Zusammenstößen zwischen Moslems und Sikhs. Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer auf die randalierenden Massen und es kamen drei Personen zu Tode. Die Zusammenstöße begannen, als angeblich eine religiöse Flagge der Sikhs auf einer Anhöhe verbrannt wurde. Im Zuge der daraus resultierenden Gewalt wurden etwa 10 Häuser und Geschäfte niedergebrannt und mehrere Fahrzeuge beschädigt.

[...] The U.S. government estimates the total population at 1.2 billion (July 2014 estimate). According to the 2001 census, the latest year for which disaggregated figures have been released, Hindus constitute 80.5 percent of the population, Muslims 13.4 percent, Christians 2.3 percent, and Sikhs 1.9 percent. Groups that together constitute less than 1 percent of the population include Buddhists, Jains, Parsis (Zoroastrians), Jews, and Bahais. Tribal groups, indigenous groups historically outside the caste system and generally included among Hindus in government statistics, often practice traditional indigenous religious beliefs.

[...] Three small northeastern states (Nagaland, Mizoram, and Meghalaya) have large Christian majorities. Sikhs constitute the majority in the state of Punjab. There are significant resettled Tibetan Buddhist communities in Himachal, Karnataka, and Delhi.

[...]

Federal law permits interreligious couples to marry without religious conversion. Many couples, however, reportedly faced administrative difficulties in doing so, and harassment by local officials during the registration process. Interreligious couples are required to provide public notice 30 days in advance, including addresses, photographs, and religious affiliation, for public comment. Additionally, Hindus, Buddhists, Sikhs, or Jains who marry outside their religions face the possibility of losing their property inheritance rights. [...]

The law recognizes the registration of Sikh marriages. There are no divorce provisions for Sikhs, however, and other Sikh matters still fall under Hindu codes. [...]

In May clashes between Muslims and Sikhs in Kishanbagh, Hyderabad, led to the deaths of three persons after security forces opened fire on rioting crowds. The clashes began when a Sikh religious flag on a hillock was allegedly burned. In the violence that followed, approximately 10 houses and shops were burned and several vehicles were damaged. [...]

USDOS (14.10.2015): 2014 International Religious Freedom Report - India, http://www.ecoi.net/local_link/313351/451615_de.html , Zugriff 16.12.2015

Human Rights Watch berichtet am 24.1.2014, dass das Verfahren gegen Offiziere, die beschuldigt wurden im März 2000 fünf Zivilisten getötet zu haben und fälschlicherweise behauptet hatten, es hätte sich dabei um Terroristen gehandelt, die 36 Sikhs getötet haben, aus Mangel an Beweisen eingestellt wurde.

[...] On January 24, 2014, the army said it was closing the case for lack of evidence against the army officers, who were accused in the March 2000 extrajudicial killings of five civilians in Pathribal and falsely claiming the civilians were terrorists who killed 36 Sikh villagers. The army's case was only filed after it used the AFSPA to block the case brought by the civilian Central Bureau of Investigation against Brig. Ajay Saxena, Lt. Col. Brahendra Pratap Singh, Maj. Saurabh Sharma, Maj. Amit Saxena, and Subedar Idrees Khan. [...]

HRW (24.1.2014): India: Military Court Fails Victims in Kashmir Killings,

http://www.ecoi.net/local_link/268128/382568_en.html , Zugriff 16.12.2015

Aus den Briefing Notes des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2.2.2014 geht folgendes hervor:

[...] Gericht stoppt Hinrichtung von abgeschobenem Inder

Indiens oberstes Gericht hat die Hinrichtung des Sikh-Extremisten Devinder Pal Singh Bhullar vorläufig gestoppt. Ein neues ärztliches Gutachten soll prüfen, ob der heute 48-Jährige an einer psychischen Erkrankung leidet. Die Richter verwiesen auf eine Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichts aus der vergangenen Woche. Demnach können Todesstrafen bei "unzumutbaren, unangemessenen und langwierigen Ver-zögerungen" in lebenslange Haftstrafen umgewandelt werden. Derzeit sitzen fast 500 Menschen in Todeszellen. Nachdem jahrelang keine Todesurteile mehr vollstreckt worden waren, kommt es seit November 2012 in sehr seltenen Fällen wieder zu Exekutionen.

Bhullar war im Dezember 1994 am Frankfurter Flughafen mit einem falschen Pass festgenommen und 1995 abgeschoben worden. Er wurde unmittelbar nach seiner Rückkehr inhaftiert. Ein Gericht verurteilte ihn wegen seiner Beteiligung an einem Attentat in Neu-Delhi, bei dem 1993 neun Menschen getötet wurden, zum Tode. Das Frankfurter Verwaltungsgericht verurteilte die Abschiebung zwei Jahre später als Rechtsverstoß. Zwar sei die Nichtanerkennung des Asylgrundes korrekt, aber Deutschland hätte Bhullar nicht nach Indien abschieben dürfen. [...]

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2.2.2014): Briefing Notes, http://www.ecoi.net/file_upload/4232_1413199969_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-03-02-2014-deutsch.pdf , Zugriff 16.12.2015

BBC berichtet am 6.2.2014 dass die größte Partei der Sikhs, die Akali Dal vor dem Parlament gegen die Regierung protestierte.

The main Sikh political party in India, the Akali Dal, has protested outside the parliament, demanding that the government declassify documents related to the 1984 raid on a Sikh temple.

It comes days after Britain said it advised India during the raid on the Golden Temple, the holiest Sikh shrine.

Hundreds died when the army stormed the shrine to flush out Sikh militants.

The attack sparked off a chain of events that led to the assassination of the then prime minister Indira Gandhi.

On Tuesday, the British government revealed that it had provided military advice to India in the months leading up to the raid but said that it had only "limited impact".

The UK government launched an inquiry last month after declassified documents were said to suggest Margaret Thatcher's government was involved in planning the raid, called Operation Blue Star. [...]

BBC News (6.2.2014): Golden Temple attack: India Sikhs demand raid documents, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-26064588# , Zugriff 16.12.2015

Am 2.6.2014 führt UN General Assembly in einer Stellungnahme zur Lage der Sikhs an, dass, Sikh-Führer sowie Organisationen und Publikationen, die öffentlich jegliche Formen der Autonomie fordern, überwacht werden und bedroht sind, als Terrorist eingestuft zu werden. Sikhs wären auch weiterhin Verhaftungen und Folter ausgesetzt, Meinungs- und Versammlungsfreiheit wäre ihnen verwehrt.

[...] Since the British have left, successive Indian governments have oppressed the Sikh communities leading to the catastrophe of 1984 but also continuing to date. Sikhs continue to seek and receive political asylum in other countries due to the on-going oppression. Sikhs are subjected to arrest and torture. Freedom of assembly and opinion are denied. A number of Sikh leaders have disappeared after being taken into custody. Participants in the 1984 events have been promoted to key positions in the Sikh areas, notably Sumedh Saini who was promoted to the post of Director General of Police in Punjab in 2012. Sikh leaders, organizations and publications are monitored, and the people threatened with the "terrorist" label if they publicly promote any form of autonomy.

Given the international law rule that the will of the people is the basis of government authority, the Sikhs in the Punjab should have an opportunity freely to express their will in open and fair elections or referenda. To date, this has not yet occurred. The Council will be faced with continuing and strong evidence of gross violations of the rights of the Sikh people in the years to come. In our view, the only remedy for the Sikhs is realization of the right to self-determination in a form acceptable to them.

UN General Assembly (2.6.2014): The situation of the Sikh people in India, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1404315952_g1403860.pdf , Zugriff 16.12.2015

Am 6.6.2014 berichtet BBC News, dass mehrere Menschen verletzt wurden, nachdem sich hunderte von Sikhs beim Goldenen Tempel versammelt haben, um der Toten der Auseinandersetzungen im Jahr 1984 zu gedenken. Bei der Zeremonie brach jedoch bald Chaos aus und rivalisierende Gruppen mit blauen und orangen Turbanen begannen einander zu bekämpfen. Laut Angaben der Polizei wäre die Lage wieder unter Kontrolle gebracht worden.

Several people have been injured after Sikh groups brandishing swords clashed at India's Golden Temple as special prayers were held to mark the deadly military offensive there in 1984.

Reports said the fight at Sikhism's holiest shrine was over who would speak first at the ceremony and that a scuffle broke out over a microphone.

Footage showed men running down temple steps lashing out with their swords. Reports said at least three people had been taken to hospital with injuries.

The Indian government says 400 people and 87 soldiers were killed during the 1984 military raid to flush out Sikh separatists from the Golden Temple at Amritsar, codenamed Operation Blue Star. But Sikh groups say the number of casualties was much higher and estimate it closer to 1,000.

On Friday, hundreds of Sikhs had gathered at the shrine to remember those killed in the June 6 raid 30 years ago, but the ceremony soon erupted into chaos. Television footage showed the rival groups, sporting blue and orange turbans, fighting each other on a staircase and through the courtyard.

"Today we were supposed to have a solemn remembrance for the martyrs of 1984, so what has happened is very sad," Prem Singh Chandumajra, a spokesman for Punjab state's ruling party Shiromani Akali Dal (SAD), told reporters.

"The temple has once again been dishonoured today."

Mr Chandumajra said the clashes in the holy place were unacceptable and that the temple management would take action against those involved.

A senior police official told the BBC the situation had been brought under control and the city was peaceful.

The 1984 military operation sparked off a chain of events that led to the assassination of the then Prime Minister Indira Gandhi by her Sikh bodyguards. That, in turn, led to days of anti-Sikh rioting in Delhi which left thousands dead - and Sikh groups argue that there has still been no accountability for either the army assault or the riots.

Earlier this year, Britain said it had given advice to the Indian military in the early stages of its planning for Operation Blue Star, and some Sikh groups are also calling for an independent investigation into this episode.

Storming of the Golden Temple

1982: Armed Sikh militants, led by Jarnail Singh Bhindranwale, take up residence in the Golden Temple complex

3-8 June 1984: The Indian army attacks the Golden Temple, killing Bhindranwale, his supporters and a number of civilians

31 October 1984: Indian Prime Minister Indira Gandhi who had given the go-ahead to Operation Blue Star, was assassinated by two Sikh bodyguards

November 1984: More than 3,000 are killed in anti-Sikh riots across India

BBC News (6.6.2014): India Sikh groups clash at Golden Temple, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-27727812# , Zugriff 16.12.2015

BBC News berichtet am 28.7.2014, dass im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Sikhs drei Personen getötet und 20 weitere verletzt wurden. Laut Angaben der Polizei wären 38 Personen festgenommen worden. Grund der Auseinandersetzungen war ein Grundstücksstreit. Kommunale Kämpfe zwischen Sikhs und Moslems wären in Indien jedoch selten.

Authorities in India's Uttar Pradesh state have relaxed a curfew in the city of Saharanpur after clashes between Sikhs and Muslims left three people dead and 20 others injured.

The police said 38 people have been arrested in the connection with the incident. The violence began early on Saturday after Sikhs started building on land which Muslims claim belongs to them. Communal fighting between Sikhs and Muslims is rare in India.

"The situation is moving toward normal, and the situation is under control. There has been no fresh violence. We have decided to relax the ongoing curfew today," senior Saharanpur official Sandhya Tewari told the BBC Hindi on Monday. She said the curfew had been eased for eight hours in two phases beginning from 10:00 local time (04:30 GMT).

Authorities said 22 shops and 15 vehicles were set on fire and damaged in Saturday's violence, when police used rubber bullets to disperse the rioters.

Reports say the clashes began the morning after local Muslims protested to the Sikhs, who reportedly started some construction on the disputed site.

Both Muslims and Sikhs claim ownership of the land. [...]

BBC News (28.7.2014): India: Curfew relaxed after clashes in Saharanpur, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-28519938# , Zugriff 16.12.2015

Aus einer Anfragebeantwortung von ACCORD vom 15.1.2015 geht zur Situation der Sikhs sowie auch der Behandlung von Sikhs durch die Polizei folgendes hervor:

In einem Artikel vom August 2014 berichtet die indische Tageszeitung New Indian Express, dass Vertreter des Central Committee of Gurudwara Saheban (bei einem Gurudwara Saheb handelt es sich um eine Gebetsstätte der Sikhs, Anm. ACCORD) in Telangana die Regierung des Bundesstaates aufgefordert hätten, der Sikh-Gemeinde in der Stadt Hyderabad angemessenen Schutz zu bieten. Die Vertreter hätten der Polizei von Hyderabad und Cyberabad (Stadtteil Hyderabads, in dem die Hightech-Industrie angesiedelt ist, Anm. ACCORD) zudem vorgeworfen, unter dem Einfluss der muslimischen politischen Partei Majlis-e-Ittehadul-Muslimeen (MIM) Sikhs absichtlich zu schikanieren. Laut dem Generalsekretär des Central Committee bestehe die Schikanierung darin, unnötige Klagen gegen jugendliche Sikhs zu erheben und dadurch deren Leben zu zerstören.

Dem Generalsekretär zufolge seien in den vergangenen Tagen von Personen, die provokante Äußerungen getätigt, die religiösen Gefühle der Sikhs verletzt und Sikhs beschimpft hätten, Spannungen zwischen den Gemeinschaften heraufbeschworen worden. Die Polizei sei jedoch nicht gegen die Verursacher eingeschritten, sondern habe stattdessen, unter dem Einfluss einiger politischer Führer, Klagen gegen jugendliche Sikhs erhoben. Wie der Generalsekretär weiters anführt, seien vor zwei Tagen jugendliche Sikhs auf dem Heimweg von einer Menschenmenge angegriffen worden. Dieser Vorfall habe vor den Augen ("under the nose") des Parlamentsabgeordneten Syed Pasha Quadri (der dem MIM angehört, Anm. ACCORD) stattgefunden, dessen Mitarbeiter den Vorfall mit Gleichgültigkeit beobachtet hätten:

"Following communal issues that took place in Kishanbagh and Sikh Chawni, representatives of the Central Committee of Gurudwara Saheban Telangana State has appealed to the state government to provide adequate security to the Sikh community in Hyderabad. Committee representatives also alleged that the Cyberabad and Hyderabad police deliberately harassing their community people under the influence of MIM [Majlis-e-Ittehadul-Muslimeen] politicians.

[...]

General secretary S Inderjeet Singh Tuteja said that Sikhs were law-abiding citizens and serving the society in various spheres of life but the Hyderabad and Cyberabad police, acting under the influence of MIM leaders, were harassing the Sikh community by registering unnecessary cases against the Sikh youth and ruining their lives.

'For the last few days communal disturbances are being created in the area by miscreants. Unruly driving of vehicles, making provocative comments, hurting the religious sentiments, use of vulgar and filthy language against Sikhs have been going on and no action is being initiated against the miscreants and anti-social elements who are hell-bent -n creating communal tensions. On the contrary, police, under the influence of some political leaders, are slapping serious cases on Sikh youths. Two days ago a couple of Sikh youths, who were returning home from their respective offices, were attacked by a mob. 'The incident took place under the nose of Charminar MLA [Member of the Legislative Assembly] Syed Pasha Quadri. His staff, watched the incident with total indifference,' Tuteja alleged." (New Indian Express, 21. August 2014)

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schreibt in einer Pressemitteilung vom September 2012, dass es Vorwürfe gebe, wonach die Polizei in Punjab Kulvir Singh Barapind, einen Sikh, der verdächtigt werde, ein Separatist zu sein, gefoltert habe. Barapind sei am 20. September 2012 wegen Kriegführens gegen den Staat, Besitzes von Sprengstoff und Aufwiegelung festgenommen worden. Laut seinem Anwalt habe sich Barapind darüber beschwert, dass ihm die Polizei Stromstöße versetzt, ihn geschlagen und gedemütigt habe:

"The alleged mistreatment of a suspected Sikh separatist in Punjab highlights the widespread use of torture by Indian security forces, which may prevent foreign extraditions to India, Human Rights Watch said today. [...]

Human Rights Watch called for an investigation into allegations that the Punjab police tortured Kulvir Singh Barapind after his September 20, 2012, arrest on charges of waging war on the state, possession of explosives, and sedition. His lawyer told Human Rights Watch that Barapind had complained to the magistrate that the police 'applied electric shocks to his ears, beat him, and humiliated him.' The United States had extradited Barapind to India on June 17, 2006, on murder charges after obtaining assurances from India that he would not be tortured. A court in India subsequently acquitted Barapind of all charges and released him in April 2008." (HRW, 27. September 2014)

Die argentinische Menschenrechts-NGO Permanent Assembly for Human Rights führt in einem im Juni 2014 vom UNO-Menschenrechtsrat (UN Human Rights Council, HRC) veröffentlichten Bericht an, dass Sikhs aufgrund anhaltender Unterdrückung weiterhin in anderen Ländern um politisches Asyl ansuchen würden. Sie seien Festnahmen und Folter ausgesetzt. Außerdem werde ihnen das Recht der Versammlungs- und Meinungsfreiheit verwehrt. Mehrere Sikh-Anführer seien verschwunden, nachdem sie in Gewahrsam genommen worden seien. Personen, die an den Ereignissen von 1984 (im Jahr 1984 wurden bei gegen Sikhs gerichteten Unruhen mehrere tausend Sikhs getötet, Anm. ACCORD) beteiligt gewesen seien, seien in Schlüsselpositionen in von Sikhs bewohnten Gebieten aufgestiegen. So sei Sumedh Saini im Jahr 2012 zum Generaldirektor der Polizei in Punjab befördert worden. Wie der Bericht weiters anführt, würden Sikh-Anführer, -Organisationen und -Publikationen überwacht, außerdem werde Sikhs damit gedroht, als "Terroristen" eingestuft zu werden, sollten sie öffentlich für irgendeine Form der Autonomie eintreten:

"Sikhs continue to seek and receive political asylum in other countries due to the on-going oppression. Sikhs are subjected to arrest and torture. Freedom of assembly and opinion are denied. A number of Sikh leaders have disappeared after being taken into custody. Participants in the 1984 events have been promoted to key positions in the Sikh areas, notably Sumedh Saini who was promoted to the post of Director General of Police in Punjab in 2012. Sikh leaders, organizations and publications are monitored, and the people threatened with the 'terrorist' label if they publicly promote any form of autonomy." (Permanent Assembly for Human Rights, 2. Juni 2014, S. 3)

In einem im Jahr 2015 veröffentlichten Buch geht Tanweer Fazal, Associate Professor am Centre for the Study of Social Systems der Jawaharlal Nehru University in Neu-Delhi, auf Identitätsfragen bei Muslimen und Sikhs in Indien ein und stützt sich dabei unter anderem auf die Ergebnisse ethnographischer Feldforschung und dabei geführter Interviews. Wie Fazal anführt, seien Stigmatisierungen und Verdächtigungen hinsichtlich fehlender Loyalität für die meisten Sikhs Teil einer Übergangsperiode, der Periode der Khalistan-Bewegung, gewesen (die Khalistan-Bewegung ist eine politische Bewegung unter den Sikhs, die sich um die Schaffung eines unabhängigen Staates, genannt Khalistan, bemüht und ihre Hochphase in Indien in den 1980er erreicht hat, Anm. ACCORD).

Fazal führt das Beispiel von Virender Singh an, der die Unruhen im Jahr 1984 überlebt habe und sich daran erinnert habe, dass Sikhs zu dieser Zeit als "Khalistanis" oder "Ugrawadis" (Extremisten) bezeichnet worden seien. Zwei Jahrzehnte später spüre er nichts mehr von den Demütigungen. Mittlerweile, so Virender Singh, gebe es so viele Sikhs, die der Polizei und der Armee beitreten würden:

"Do Sikhs suffer from stigmatization which minority cultures usually bear? The fieldwork data do not suggest so. For most Sikhs, stigmatization or suspicions regarding their loyalty was a transient phase - the period of the Khalistan movement. It does not acquire centrality in the constitution of the Sikh identity. [...]

Sikhs across the spectrum - identity essentialists, religious specialists, victims of violence as well as those inhabiting the everyday and the ordinary - were, to varying degrees, uniform in their opinion in this regard. Virender Singh survived the riots in 1984 and recalled how Sikhs during those days were termed 'Khalistanis' or 'ugrawadis' (extremists). Two decades later, he did not feel any such indignities associated with the community: 'Now there are so many Sikhs joining the police and the army.'" (Fazal, 2015, S. 180)

Wie das Buch weiters anführt, sei die Mehrheit der interviewten Sikhs weder persönlich mit Diskriminierungen konfrontiert worden, noch sei sie der Meinung, dass die Sikh-Gemeinde als solche mit Diskriminierungen konfrontiert sei. Viele würden glauben, dass Diskriminierungen ein vorübergehendes Phänomen gewesen seien, das wenig Einfluss bei der Herausbildung einer eigenständigen Sikh-Identität gespielt habe. Der sozioökonomische Hintergrund des Interviewten habe dabei nur selten Auswirkungen auf die herausgebildeten Meinungen gehabt. So seien sich J.P. Singh, ein Software-Entwickler ("software professional") aus der Mittelschicht, die Facharbeiter Mukhtiar Singh und Surender Singh, Chatwal, ein Luftwaffenoffizier im Ruhestand und Bewohner eines gehobenen Viertels in Süd-Delhi, sowie Chauffeur ("auto driver") Dimpy alle einig gewesen, dass Diskriminierungen ein vorübergehendes Phänomen und Produkt von Krisenzeiten gewesen seien. Auch Ravinder Singh, Inhaber von "Singh Properties" in Mukherjee Nagar in Delhi habe dieser Einschätzung zugestimmt. Er glaube nicht, dass Sikhs irgendwo diskriminiert würden. Dies gelte selbst bei Stellen im Staatsdienst.

Mittellosen Sikhs wie Raj Kumar sei Diskriminierung als eine fremde Kategorie erschienen. Kumar glaube nicht, dass er jemals wegen seiner Religion diskriminiert worden sei. Er habe sich nie um eine Stelle im Staatsdienst bemüht und auch nie um einen Kredit angesucht, da er wisse, dass er nicht in der Lage sei, diesen zurückzuzahlen:

"[...] most of the Sikh individuals interviewed had neither experienced discriminatory treatment personally nor did they feel that the community as such was being meted out such treatment. Discrimination, many believed, was a transitory phenomenon that had little contribution in the forging of a distinct Sikh identity. In this regard, socio-economic origins of the respondent rarely impacted upon the opinions formed. J.P. Singh, a middle-class software professional, Mukhtiar Singh and Surender Singh, skilled workers, Chatwal, retired air force officer and a resident of an upmarket neighbourhood of South Delhi and Dimpy, an auto driver were all in agreement in deeming discrimination a passing phenomenon, a product of crisis times. Ravinder Singh, proprietor of 'Singh Properties' in Mukherjee Nagar, agreed with the others:

'I don't think Sikhs are discriminated anywhere. Not even in government jobs. Yes, post-1984, an element of doubt had entered. Earlier we were considered 100 per cent patriotic, now they were put under the same category as other minority groups. But that was only in that moment of crisis. I never heard of any Sikh being denied what was due to him.'

For poor Sikhs such as Raj Kumar, discrimination appeared as an alien category: 'I don't think I have ever been discriminated on account of my religion. I never applied for any government job, never asked for any loan. I know I won't be able to repay it, so why bother?'" (Fazal, 2015, S. 182)

In einer etwas älteren Anfragebeantwortung vom Mai 2013 geht das kanadische Immigration and Refugee Board (IRB) unter Berufung auf verschiedene Quellen auf die Lage von Sikhs außerhalb des Bundesstaates Punjab ein. So habe der interimistische geschäftsführende Direktor der in Hongkong ansässigen NGO Asian Human Rights Commission (AHRC) angegeben, dass es in Indien "keine Diskriminierung" von Sikhs gebe. Andere Quellen (ein Vertreter der in Neu-Delhi ansässigen NGO Human Rights Law Network (HRLN) sowie ein Geschichtsprofessor an der Universität Toronto) hätten von wenig Diskriminierung gesprochen.

Das IRB zitiert weiters einen bei der World Sikh Organization (WSO) in Kanada tätigen Rechtsberater, der angegeben habe, dass Sikhs im Allgemeinen nicht häufig zum Ziel spezifischen Missbrauchs ("specialized abuse") würden. Jedoch könnten Sikhs mit bestimmten politischen Ansichten oder Sikhs, die für diese Ansichten eintreten würden, zum Ziel von Schikanierungen, Inhaftierungen und Folter werden. Dies sei allerdings in Punjab weiter verbreitet als anderswo:

"According to the interim executive director of the AHRC [Asian Human Rights Commission], there is 'no discrimination' against Sikhs in India (AHRC 19 Apr. 2013). Other sources state that there is little discrimination against Sikhs throughout India (HRLN 12 Apr. 2013; Professor 9 Apr. 2013). [...]

Sikhs in general are not the target of specialized abuse on a frequent basis. That having been said, Sikhs with particularly political opinions or those who advocate for those opinions may be subject to harassment, detention and torture. This is however much more common in Punjab than outside of it. (ibid.)" (IRB, 13. Mai 2013)

In einer älteren Anfragebeantwortung vom Mai 2012 geht das IRB auf die Frage ein, wie Sikhs im Punjab behandelt werden. Laut einem emeritierten Professor der Politikwissenschaft an der Universität Missouri, der umfassend zu den Themen Indien und Sikhs geschrieben habe, seien Sikhs im Punjab im Allgemeinen keiner größeren Diskriminierung als andere Gruppen ausgesetzt. Ein Vertreter der World Sikh Organization (WSO) in Kanada habe jedoch angegeben, dass es nicht möglich sei, von Sikhs im Punjab als einheitlicher und homogener Gruppe zu sprechen. Wie in jeder anderen Gemeinschaft auch gebe es innerhalb der Sikh-Gemeinde verschiedene politische und religiöse Spaltungen und Unterschiede. Sikhs, die sich für einen eigenen Sikh-Staat oder Khalistan einsetzen oder einen solchen unterstützen würden, seien in Indien weiterhin mit schweren Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Andere Sikhs, die mit Problemen konfrontiert seien, seien unter anderem solche, die die Zuständigkeit der Regierung des Bundesstaates in religiösen Angelegenheiten in Frage stellen würden, sowie AktivitsInnen gegen Deras (Kulte). Sikhs, die verdächtigt würden, militante Unterstützer oder Sympathisanten von Khalistan zu sein, würden ebenfalls überwacht und in manchen Fällen inhaftiert und gefoltert.

Dem WSO-Vertreter zufolge würden die Deras im Punjab über erheblichen politischen Einfluss verfügen und die Regierung des Bundesstaates habe in der Vergangenheit Schritte unternommen, um sie zu besänftigen. Sikh-AktivistInnen hätten der Polizei im Punjab vorgeworfen, sich bei Protesten auf die Seite der Dera-AnhängerInnen zu stellen und Sikh-AktivistInnen angegriffen zu haben und ihnen mit Gewalt begegnet zu sein. Viele Sikhs, die öffentlich gegen die Deras aufgetreten seien oder Proteste gegen diese organisiert hätten, seien in Gewahrsam genommen worden und würden berichten, von der Polizei im Punjab regelmäßig schikaniert zu werden.

Dem WSO-Vertreter zufolge seien Sikhs, die sich für einen eigenen Sikh-Staat einsetzen oder die Regierung hinsichtlich ihres Umgangs mit Sikhs oder Sikh-Angelegenheiten kritisieren würden, oftmals mit zunehmender Kontrolle und Schikanierung konfrontiert. Die Polizei im Punjab verkünde häufig Festnahmen von mutmaßlichen Mitgliedern separatistischer Sikh-Gruppen, denen die Planung terroristischer Angriffe vorgeworfen werde. Viele dieser Fälle würden sich jahrelang vor Gericht hinziehen, bevor eine Entscheidung getroffen werde. Seit 2005 seien hunderte Personen als Sympathisanten oder mutmaßliche Mitglieder von Babbar Khalsa (militante Sikh-Organisation, Anm. ACCORD) oder anderen separatistischen Gruppen festgenommen und inhaftiert worden. Festnahmen mutmaßlicher "Sikh-Terroristen" würden regelmäßig stattfinden, nicht nur im Punjab, sondern in ganz Indien.

Wie das IRB weiters anführt, habe der WSO-Vertreter erklärt, Folter sei weiterhin ein Mittel, das von der Polizei im Punjab und anderen indischen Sicherheitskräften häufig angewendet werde. Sikhs, denen vorgeworfen werde, Sympathisanten von oder Kämpfer für Khalistan zu sein, könnten Opfer von illegaler Inhaftierung und Folter werden. Festgenommene Sikhs würden routinemäßig gefoltert, außerdem komme es weiterhin zu ungeklärten Todesfällen von Sikh-Gefangenen in Polizeigewahrsam. Laut indischen Medien, so das IRB, sei ein Mitglied der Khalistan Commando Force im März 2011 in Gewahrsam gestorben. Während es sich Polizeiangaben zufolge um einen Selbstmord gehandelt habe, habe die Familie des Verstorbenen angegeben, er sei gefoltert worden. In einem anderen Fall habe ein junger Sikh erklärt, von Polizisten in der Stadt Sangrur "erbarmungslos" geschlagen worden zu sein, nachdem er im April 2012 wegen Raubes "illegal" inhaftiert worden zu sein. Die Polizei habe ihn erst formal festgenommen, nachdem sich seine Familie an das Oberste Gericht gewendet habe, um seinen Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen:

"In correspondence with the Research Directorate, a professor emeritus of political science at the University of Missouri who has written extensively on India and Sikhs stated that 'Sikhs, in general, do not suffer discrimination in Punjab more than any other group' (14 Feb. 2012). However, in correspondence with the Research Directorate, a representative of the World Sikh Organisation (WSO) of Canada noted that

[i]t is impossible to speak of Sikhs as a unitary and homogenous group in the Punjab. As any other community, the Sikh community has various internal political and religious divisions and differences. (WSO 17 Feb. 2012)

The representative added that Sikhs who advocate for and support a separate Sikh state or Khalistan continue to face serious human rights violations in India. Other Sikhs who face issues include those that challenge the power of the state government in religious matters and activists against Deras (cults). Similarly, Sikhs suspected of being militant supporters or Khalistan sympathizers (often amritdhari or initiated Sikhs) are also subject to monitoring and in some cases, detention and torture. (ibid.) [...]

The WSO representative also noted the following:

The Deras have considerable political power in Punjab and the state government has in the past taken steps to appease them. It has been alleged by Sikh activists that the Punjab Police actively take the side of the Dera followers during protests and Sikh activists are attacked and treated violently. Many Sikhs who have publicly opposed the Deras or organized protests against them have been taken into custody and report being harassed by the Punjab Police on a regular basis. (ibid.) [...]

The WSO representative said that 'those Sikhs who advocate for a separate Sikh state or are critical of the Government's treatment of the Sikhs or Sikh issues often find themselves facing increased scrutiny and harassment' (WSO 17 Feb. 2012). [...]

The WSO representative stated that the Punjab police frequently 'announce the arrest of alleged members of Sikh separatist groups who they accuse of plotting terrorist attacks. Many of these cases languish in the courts for years before a decision is rendered' (ibid.). According to the WSO representative,

[s]ince 2005, hundreds of individuals have been arrested and detained as sympathizers or suspected members of Babbar Khalsa and other separatist groups. Arrests of suspected 'Sikh terrorists' take place regularly, not just in Punjab but across India. (ibid.)

The representative, explaining that '[t]orture continues to be a tool commonly used by the Punjab Police and other Indian security forces,' also stated that Sikhs accused of being Khalistan sympathizers or militants may be subject to illegal detention and torture (ibid.). He added that 'Sikhs who are arrested are, as a matter of routine, tortured' and that 'Sikh prisoners continue to die in police custody under suspicious circumstance[s]' (ibid.). According to Indian media, in March 2011, a member of the Khalistan Commando Force died in custody; the police declared that he committed suicide, while his family claimed that he was tortured (The Times of India 15 Mar. 2011; PTI 15 Mar. 2011). An investigation into the matter was to be conducted (ibid.; The Times of India 15 Mar. 2011). Another Times of India article reports on the case of a young Sikh who claimed to have been 'beat[en] up mercilessly' by police in the city of Sangrur after having been detained 'illegal[ly]' for robbery in April 2012; police 'formally arrested [him] only after [his] family had approached the high court to know [his] whereabouts' (The Times of India 15 May 2012). A judicial probe is reportedly being conducted (ibid.)." (IRB, 2. Mai 2012)

ACCORD (15.1.2015): Anfragebeantwortung zu Indien: Behandlung von Sikhs durch die Polizei [a-9016-1], http://www.ecoi.net/local_link/294839/429751_de.html , Zugriff 16.12.2015

Aus dem Jahresbericht von Amnesty International vom 25.2.2015 geht folgendes hervor:

[...] Zahlreiche Menschen, die Ende 2013 vor gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen in Muzzafarnagar im Bundesstaat Uttar Pradesh in Notlager geflohen waren, wurden Anfang 2014 rechtswidrig aus diesen Lagern vertrieben. Die Gewaltausbrüche wurden nicht in vollem Umfang untersucht. Ende 2014 hatten Tausende Menschen, die meisten von ihnen Muslime, immer noch nicht in ihre Heimatorte zurückkehren können.

Im November 2014 jährte sich zum 30. Mal der Gewaltausbruch in Delhi im Jahr 1984, der zu einem Massaker an Tausenden von Sikhs geführt hatte. Trotz großer öffentlicher Demonstrationen, die ein Ende der Straflosigkeit forderten, wurden Hunderte Strafverfahren, die die Polizei unter Verweis auf mangelnde Beweise eingestellt hatte, nicht wiederaufgenommen.

Die Ermittlungen und Gerichtsverfahren zu den Gewalttaten im Jahr 2002 im Bundesstaat Gujarat, bei denen mindestens 2000 Menschen, in der Mehrheit Muslime, getötet worden waren, kamen nur schleppend voran. Im November 2014 legte die Nanavati-Mehta-Kommission, die 2002 eingesetzt worden war, um die gewaltsamen Angriffe zu untersuchen, der Regierung des Bundesstaats Gujarat ihren Abschlussbericht vor, der jedoch nicht veröffentlicht wurde. Im August 2014 wurden bei ethnisch motivierten Zusammenstößen an der umstrittenen Grenze zwischen den Bundesstaaten Nagaland und Assam zehn Personen getötet und mehr als 10000 vertrieben. Aus verschiedenen Bundesstaaten, darunter Uttar Pradesh, Bihar, Karnataka und Tamil Nadu, gingen Berichte über gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen verschiedener Kasten ein.[...]

Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Indien, http://www.ecoi.net/local_link/297437/444562_de.html , Zugriff 16.12.2015

Aus einem Bericht von Reliefweb vom 4.6.2015 geht hervor, dass in der Stadt Jammu, ein Demonstrant getötet wurde, als die Polizei in eine wütende Menge schoss, die gegen die Entfernung eines Plakates eines separatistischen Sikh Führers protestierte.

Authorities imposed an indefinite curfew and the army staged a "flag march" in parts of a city in Indian Kashmir Thursday after police shot dead a Sikh protestor, officials said.

A protestor was killed and another wounded in Jammu city, 300 kilometres (190 miles) south of Srinagar, when police fired at an angry crowd protesting at the removal of posters of a Sikh separatist leader, Jarnail Singh Bhindranwale, by police.

The posters were put up by Sikhs to mark the 31st anniversary of Operation Blue Star, the Indian military's assault on the Golden Temple in Amritsar which was aimed at flushing out militants holed up inside demanding an independent Sikh homeland. Bhindranwale, a Sikh rebel commander who led an armed movement to create Khalistan in the north Indian state of Punjab, was killed in the operation along with scores of his militant associates inside Sikhism's holiest shrine on June 6, 1984.

On Thursday hundreds of rock-throwing Sikh protestors clashed with police who first wielded batons and later fired in the air to disperse them. As the clashes intensified, with protestors blocking the main highway in Jammu trying to put up the posters again, police fired into the crowd killing one, a police officer said on condition of anonymity as he was not authorised to speak to the media.

Authorities later sought the army's help to prevent the clashes from spreading to other areas. Troops carried out a "flag march" after "the district administration had requisitioned the army to instil confidence in the people," army spokesman Manish Mehta said in a statement.

Reliefweb (4.6.2015): Curfew in Indian Kashmir city after police kill Sikh protestor,

http://reliefweb.int/report/india/curfew-indian-kashmir-city-after-police-kill-sikh-protestor , Zugriff 16.12.2015

USDOS schreibt am 25.6.2015, dass die Bemühungen um die Aufklärung der Gewalttaten in Delhi im Jahr 1984 fortgesetzt werden und Personen vor Gericht standen.

[...] There were developments in efforts to hold officials accountable for the New Delhi anti-Sikh killings of 1984. On January 10, Congress leader Sajjan Kumar and others went on trial on charges related to an "encounter" killing in Sultanpuri during the anti-Sikh riots.[...]

[...] Civil society activists continued to express concern about the government's failure to hold accountable those responsible for the 1984 communal violence in New Delhi that resulted in the deaths more than 3,000 persons, the majority of whom were Sikh, although there was slow progress in several court cases. On January 30, the Delhi High Court decided to hear all appeals together relating to 1984 anti-Sikh riots cases in which Congress leader Sajjan Kumar was involved. On September 24, a local court acquitted four persons, including three Delhi police, in a 1984 Sikh riots case for allegedly killing three members of a Sikh family. On September 25, the Delhi High Court refused to grant bail to two of three persons serving life imprisonment in a 1984 anti-Sikh riots case in which five members of a Sikh family were killed. [...]

USDOS (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html , Zugriff 25.8.2015

Die Commission on International Religious Freedom - USCIRF - schreibt im Annual Report 2015, dass es Berichten von NGOs und religiösen Führern, darunter auch der Sikh Gemeinschaft zufolge, seit der Wahl 2014 religiösen Minderheiten gegenüber zu abfälligen Bemerkungen von Politikern sowie zu zahlreichen gewalttätigen Übergriffen und erzwungenen Konvertierungen durch hinduistische nationale Gruppen gekommen wäre. Sikhs wären oft Schikanen und Druck ausgesetzt, ihre religiösen Praktiken und Überzeugungen zu unterbinden - was die Kleidung, nicht geschnittenes Haar und das Tragen religiöser Elemente einschließlich des Kipan betrifft. Kommunale Gewalt in Bundesstaaten mit großen Minderheiten, sind in Indien ein langjähriges Problem. Dem Innenministerium zufolge gab es im Jahr 2013 bundesweit 823 Vorfälle kommunaler Gewalt, wobei 133 Personen starben und tausende verletzt wurden.

[...] Despite the country's status as a pluralistic, secular democracy, India has long struggled to protect minority religious communities or provide justice when crimes occur, which perpetuates a climate of impunity. Incidents of religiously-motivated and communal violence reportedly have increased for three consecutive years. The states of Andhra Pradesh, Uttar Pradesh, Bihar, Chattisgarhi, Gujarat, Odisha, Karnataka, Madhya Pradesh, Maharashtra, and Rajasthan tend to have the greatest number of religiously-motivated attacks and communal violence incidents. Non-governmental organizations (NGOs) and religious leaders, including from the Muslim, Christian, and Sikh communities, attributed the initial increase to religiously-divisive campaigning in advance of the country's 2014 general election. Since the election, religious minority communities have been subject to derogatory comments by politicians linked to the ruling Bharatiya Janata Party (BJP) and numerous violent attacks and forced conversions by Hindu nationalist groups, such as Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) and Vishva Hindu Parishad (VHP).

[...]Violations against Sikhs

India's Sikh community has long pursued a change to Article 25 of India's constitution which states, "Hindus shall be construed as including a reference to persons professing the Sikh, Jain or Buddhist religion, and the reference to Hindu religious institutions shall be construed accordingly." The lack of recognition of Sikhism as a distinct religion denies Sihks access to social services or employment and educational preferences that are available to other religious minority communities and to scheduled caste Hindus. (This is also true for the other faiths listed in Article 25.) Sikhs are often harassed and pressured to reject religious practices and beliefs that are distinct to Sikhism, such as dress, unshorn hair, and the carrying of religious items, including the kirpan.

Communal Violence

Communal violence, which generally occurs in states that have large minority communities, has been a longstanding issue in India. According to India's Union Home Ministry, in 2013 there were 823 incidents of communal violence nationwide, leaving 133 dead, and thousands injured, some critically. Uttar Pradesh had the highest number of incidents (247), followed by the states of Maharashtra (88), Madhya Pradesh (84), Karnataka (73) and Gujarat (68). According to Muslim and Christian NGOs that track communal incidents, 2014 statistics, yet to be released by the Ministry, will be likely higher.[...]

Redress for Past Large-Scale Violence The Indian courts are still adjudicating cases stemming from large-scale Hindu-Muslim communal

violence in Uttar Pradesh in 2013 and in Gujarat in 2002, Hindu-Christian communal violence in Odisha in 2007-2008, and Hindu-Sikh communal violence in Delhi in 1984. NGOs, religious leaders, and human rights activists allege religious bias and corruption in these investigations and adjudications. A one-member special judicial inquiry commission is still investigating the 2013 riots in Muzaffarnagar, Uttar Pradesh that left dozens, mostly Muslims, dead and tens of thousands, mostly Muslims, displaced. Cases stemming from the 2002 Gujarat violence also continue, including a special court case pertaining to the killing of 68 people, including former Congress Party Parliamentarian Ehsan Jafri. More than five years after the Odisha violence, cases are still being adjudicated. In July 2014, the national Supreme Court ruled that churches damaged during

those riots are not entitled to additional compensation, because they receive sufficient foreign funds. Since 1984 there has been little progress in prosecuting perpetrators of crimes during the anti-Sikh riots, which allegedly occurred with the support or encouragement of government officials or prominent members of India's Congress Party. However, in late 2014 the central government established a committee to determine if a Special Investigation Team should be created to reinvestigate cases that had been previously closed.

USCIRF (30.4.2015): Annual Report 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1432896703_india-2015.pdf , Zugriff 16.12.2015

Lage der Sikhs in Indien, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.12.2015)

.....................

.....................

Das indische Innenministerium veröffentlicht die Zahlen der letzten Volkszählung aus dem Jahr 2011 auf einer eigens dafür eingerichteten Webseite. Demnach leben im Jahr 2011 im gesamten Land insgesamt fast 21 Millionen Sikhs, davon würden rund 16 Millionen im Punjab leben:

"Population by Religious Communities

Sikhs (India, total) 20.833.116

Sikhs (State - PUNJAB Total) 16.004.754 "

(Ministry of Home Affairs, 2011)

Das in Neu Delhi ansässige Netzwerk South Asia Human Rights Documentation Centre (SAHRDC), das menschenrechtlich relevante Informationen sammelt, untersucht und verbreitet, schreibt im Juli 2015, dass Sikhismus aufgrund von Artikel 25 der Verfassung nicht durchgehend als eigene Religion gelten würde, sondern dass Sikhs, wie Jains und Buddhisten, gemeinsam zu den Hinduisten gezählt würden. Im Artikel 25 der Verfassung sei allerdings auch die Religionsfreiheit in Indien festgeschrieben:

"Sikhs are not fully recognized as a distinct religion due to Article 25 of the Constitution of India that states, 'the reference to Hindus shall be construed as including a reference to persons professing the Sikh, Jaina, or Buddhist religion, and the reference to Hindu religious institutions shall be construed accordingly,' lumping Sikhs, Jains, and Buddhists together as Hindus. However, Article 25 of the Constitution of India also enumerates the freedom of conscience and the freedom to profess, practice, and propagate a religion of one's choice." (SAHRDC, Juli 2015, S. 4)

Das US-amerikanische Außenministerium (USDOS) schreibt in seinem Bericht zu religiösen Freiheiten (Beobachtungszeitraum: 2015), dass laut der letzten Volkszählung im Jahr 2011 insgesamt 1,7 Prozent der indischen Bevölkerung Sikhs seien und dass Sikhs in Punjab die Mehrheit bilden würden.

Das USDOS merkt ebenfalls an, dass Sikhimus in der indischen Verfassung dem Hinduismus zugeordnet werde. Jegliche Bezugnahme auf Hinduismus im Verfassungstext beziehe sich auch auf Sikhismus, Jainismus und Buddhismus. Laut dem Bundesgesetz hätten Sikhs als eine von sechs religiösen Gruppen in Indien Minderheitsstatus. In der Verfassung sei festgeschrieben, dass die Regierung religiöse Minderheiten unterstütze und Rahmenverhältnisse zur Förderung der persönlichen Identität schaffe.

Im Berichtszeitraum 2015 hätten sich religiöse Gruppen laut dem USDOS über die Untätigkeit der Polizei bei Gewalttaten oder Feindseligkeiten beschwert. Religiöse Gruppen hätten auch berichtet, dass es unter Regierungsbeamten Vorfälle von "Hassreden" ("hate speech") gegeben habe. Der indische Premierminister Modi habe allerdings bei einigen Anlässen öffentlich verkündet, dass er die religiöse Freiheit verteidigen werde.

Im Oktober habe es weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab gegeben. Die Polizei habe auf Protestanten geschossen und dabei zwei Personen getötet und 80 Personen verletzt. Die Proteste hätten in fünf Distrikten Punjabs stattgefunden. Grund der Proteste seien Berichte gewesen, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Bis Ende des Berichtszeitraums würden diesbezügliche Untersuchungen noch weiterlaufen. Die Polizei habe ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Das USDOS berichtet auch über die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984 bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien. Diesbezügliche Gerichtsverfahren würden nur langsam vorankommen und zivilgesellschaftliche AktivistInnen und Interessensverbände der Sikhs hätten sich weiterhin besorgt gezeigt, dass die Regierung daran scheitere, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen:

"The U.S. government estimates the total population at 1.3 billion (July 2015 estimate). According to the 2011 census, the most recent year for which disaggregated figures have been released, Hindus constitute 79.8 percent of the population, Muslims 14.2 percent, Christians 2.3 percent, and Sikhs 1.7 percent. [...] Sikhs constitute the majority in Punjab." (USDOS, 10. August 2016, Section I)

"The constitution states any reference to Hinduism is construed as containing a reference to Sikhism, Jainism, and Buddhism. Subsequent legislation recognizes Buddhism, Sikhism, and Jainism as separate religions. State governments have the power to grant minority status to religious groups that are minorities in a particular region and designate them as minorities under the law in that state. Federal law provides minority community status for six religious groups:

Muslims, Sikhs, Christians, Parsis, Jains, and Buddhists. The constitution states the government will protect the existence of religious minorities and encourage conditions for the promotion of their individual identities. [...]

Religious groups expressed concern about statements by certain government officials suggesting Hinduism should be taught in schools. They also complained about police inaction in incidents of violence or hostility against their members and unequal application of some laws by the government. Religious groups reported incidents of hate speech by government officials. On several occasions, such as at a meeting in February with Christians in New Delhi, Prime Minister Modi publicly stated he would defend religious freedom. In October during widespread and violent protests by Sikhs against the Punjab government, police fired on protesters, killing two and injuring 80. The protests occurred in five districts of Punjab after reports of incidents of desecration of the Sikh holy book by unknown assailants. By year's end, an investigation was ongoing, and police had arrested more than a dozen protesters on charges of attempted murder, damaging public property, and carrying illegal arms."

(USDOS, 10. August 2016, Section II)

"There was slow progress in several court cases related to 1984 communal violence in New Delhi that resulted in the deaths of more than 3,000 people, mostly Sikhs. Civil society activists and Sikh advocacy groups continued to express concern about the government's failure to hold accountable those responsible. On October 6, the Delhi High Court refused to extend interim bail granted to a convict serving a life term for the 1984 violence." (USDOS, 10. August 2016, Section II)

Der im April 2016 veröffentlichte Menschenrechtbericht des USDOS (Beobachtungszeitraum: 2015) äußert sich ebenfalls zu der Aufarbeitung der Gewalt von 1984 bei der viele Sikhs ums Leben gekommen seien. Demnach habe es Entwicklungen bei den Bemühungen gegeben, die Beamten, die an den Tötungen der Sikhs beteiligt gewesen seien, zur Rechenschaft zu ziehen. Der Fall eines Politikers der Partei National Congress sei an einen anderen Richter übergeben worden, nachdem die Familien der Opfer dem Gericht ihr Misstrauen ausgesprochen hätten.

Vertriebene Familienmitglieder der Personen, die während der anti-Sikh Gewalt 1984, oder bei anderen Vorfällen von Gewalt zwischen Gemeinschaften, gestorben seien, würden nur schwer ihr wirtschaftliches Überleben sicher können. Eine Stadtteil in Neu-Dehli namens Tilak Vihar, in der hauptsäclich Überlebende der Gewalt von 1984 leben würden, trage den Namen "Witwen Kolonie" ("Widows Colony"):

"There were developments in efforts to hold officials accountable for the New Delhi anti-Sikh killings of 1984. The Delhi High Court transferred proceedings in the case pertaining to Congress leader Sajjan Kumar's involvement in the 'encounter' killing in Sultanpuri during the anti-Sikh riots from one judge to another after the families of those killed cited lack of confidence in Kumar's court."

(USDOS, 13. April 2016, Section 1a)

"Displaced family members of victims killed during the 1984 anti-Sikh violence and other instances of communal violence struggled to maintain economic livelihoods. Observers commonly called the Tilak Vihar neighborhood in New Delhi - composed largely of 1984 survivors - the 'Widows Colony.'" (USDOS, 13. April 2016, Section 2d)

Der britische Sender BBC berichtet in einem Artikel vom Oktober 2015 über die vom USDOS erwähnten Proteste der Sikhs. Der Auslöser der derzeitigen Demonstrationen sei eine zerrissene Ausgabe des Guru Granth Sahib, des heiligen Buchs der Sikhs, gewesen, die im Dorf Bargari im Bezirk Faridkot gefunden worden sei. Die angebliche Entweihung des Buches habe viele verärgert und zu Protesten in dem nahgelegenen Dorf Behbal Kalan geführt, bei denen die Polizei das Feuer eröffnet habe. Die Polizei gebe an, in die Luft geschossen zu haben, es seien jedoch zwei Demonstranten getötet und duzende weitere verletzt worden. Die Tötungen hätten Mitglieder der Sikh-Gemeinschaft weiter verärgert. Demonstranten hätten daraufhin Autobahnen und Brücken blockiert und würden Ermittlungen gegen die Täter, die das heilige Buch entweiht hätten, verlangen.

Insgesamt gebe es mindestens fünf Vorfälle in unterschiedlichen Gebieten Punjabs bei denen Ausgaben des Guru Granth Sahib zerrissen worden seien. Die Polizei sage, dass sie alle Fälle untersuche und behaupte, dass es Hinweise gebe. Dutzende Menschen seien befragt worden und zumindest zwei Personen seien im Zusammenhang mit der Schändung des Buches verhaftet worden. Am 19. Oktober habe die Polizei angegeben, dass 52 weitere Personen "als Vorsichtsmaßnahme" verhaftet worden seien. Manche Interessengruppen der Sikhs sowie manche der DemonstrantInnen hätten eine religiöse Gruppierung ("religious faction") beschuldigt, die Bücher entweiht zu haben, aber die Regierung sei nicht sicher, wer verantwortlich sei.

Indiens Innenminister Rajnath Singh habe dem Ministerpräsidenten ("chief minister") Punjabs alles an möglicher Hilfe zugesagt, um den Frieden im Bundesstaat wiederherzustellen.

Mit Anhalten der Proteste würden viele warnen, dass die Ordnung im Bundesstaat so schnell wie möglich wieder hergestellt werden müsse. Punjab sei nun fast zwei Jahrzehnte lang friedlich gewesen, in den 1980ern und 1990ern hätte es jedoch gewalttätige Aufstände für ein unabhängiges Heimatland der Sikhs gegeben. Im Jahr 1984 hätten indische Sicherheitskräfte viele militante Sikhs getötet, die den Tempel in Amritsar, den wichtigsten Temple der Sikh, übernommen hätten. Aus Rache sei die damalige Premierministerin Indira Gandhi von ihrem Leibwächter, der ein Sikh war, erschossen worden:

"Sikhs in the northern Indian state of Punjab have staged protests, enforced strikes and blocked roads in several towns and cities in the past week. [...] The spark for the current bout of protests came after a torn-up copy of Sri Guru Granth Sahib - Sikhism's holy book - was found in the village of Bargari, near Kot Kapura in Faridkot district. The alleged desecration of the holy book angered many who came out to protest in Behbal Kalan, a nearby village, last Wednesday. As tempers soared, police opened fire. They say they shot in the air, but two protesters were killed and dozens of others wounded. The killings have further angered Sikh community members who have taken to blocking highways and bridges, demanding action against those who they say desecrated the holy book. [...]

Are all protests about one incident?

No, in the past week there have been at least five reports of copies of the Guru Granth Sahib being desecrated. Torn-up copies of the holy book have been found in different areas of the state - at Jandiala village in Jalandhar, Ludhiana, Tarn Taran near Amritsar, Kot Kapura and Gurusar Jalal village in Bathinda district in the south of the state. Police say they are investigating all the cases and claim to have some leads. Dozens of people have been questioned and at least two people have been arrested in connection with the desecrations. Police said on 19 October that another 52 had been arrested 'as a precaution'. [...] Although some Sikh lobby groups and protesters have accused 'a religious faction' of desecrating their holy book, the authorities say they are not sure who is to blame. [...]

What are the authorities doing?

India's Home Minister Rajnath Singh has promised [Punjab] Chief Minister Badal 'all possible help' to restore peace in the state. [...] With the protests showing no sign of dissipating, many are warning that order must be restored quickly in a state which has a troubled past. Although Punjab has been peaceful for nearly two decades, the state was the scene of a violent insurgency for an independent Sikh homeland in the 1980s and the 1990s. In 1984 Indian security forces killed many Sikh militants after they seized the Golden Temple in Amritsar, the Sikh religion's most important site. In revenge, Indira Gandhi, the then-prime minister, was shot dead by her Sikh bodyguards." (BBC, 20. Oktober 2015)

Das bereits erwähnte in Neu-Delhi ansässige Netzwerk South Asia Human Rights Documentation Centre (SAHRDC) beschreibt im Juli 2015, dass seit dem Wahlgewinn der Bharatiya Janata Partei (BJP) im Jahr 2014, Vorfälle von Gewalt zwischen Gemeinschaften, bei denen religiöse Minderheiten wie Sikhs, Muslime und Christen von ultra-nationalistischen Hinduisten angegriffen würden, und die von der Bundesregierung stillschweigend unterstützt würden, zugenommen hätten.

Bei der Bedrohung, der die religiösen Minderheiten in Indien ausgesetzt seien, handle es sich nicht nur um eine Angst vor Gewalt gegen Personen und religiöse Institutionen. Es handle sich um die Angst, dass ihre gesamte Existenz dem Risiko ausgesetzt sei, von der zunehmend fundamentalistischen hinduistischen Mehrheit dominiert zu werden:

"Its status presently as a secular democratic state notwithstanding, India has been experiencing increasing incidents of communal violence since the electoral victory of the Bharatiya Janata Party (BJP) in 2014 in which religious minorities, such as Muslims, Christians, Sikhs, are being targeted by Hindu ultra-nationalist organisations that have the tacit support from some in the central government in India. According to an interim report by a human rights activist, Dr. John Dayal, the first 300 days of the Modi's government have been marked by 43 deaths among 600 documented cases of violence against Christians and Muslims. The threat that religious minorities face in India is not just a fear of violence against their physical bodies and religious institutions, but the fear that their very existence is at risk in a country dominated by a Hindu majority that is increasingly taking on a fundamentalist hue." (SAHRDC, Juli 2015, S. 1)

Im April 2015 berichtet die deutsche Tageszeitung taz ebenfalls von vermehrten Angriffen auf religiöse Minderheiten seit den Wahlen 2014 und erwähnt dabei Sikhs:

"Seit dem Wahlsieg Modis häufen sich Angriffe auf religiöse Minderheiten in Indien. Extremisten wollen das Land in einen Hindustaat verwandeln. [...] Der Erzbischof von Delhi blickt mit Sorge auf den Umgang der regierenden Hindu-Partei mit den Minderheiten in Indien. ‚Es geht nicht nur um uns Christen, auch Muslime, Sikhs, Jains oder Parsen werden attackiert.'" (taz, 13. April 2015)

Die Gesellschaft für bedrohte Völker, eine unabhängige internationale Menschenrechtsorganisation, die sich für verfolgte Minderheiten und indigene Völker einsetzt, schreibt in einer schriftlichen Stellungnahme an die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Juni 2016 ebenfalls, dass sich religiöse Diskriminierung gegenüber Minderheiten seit dem Wahlgewinn der Bharatiya Janata Partei von Premierminister Narendra Modi in Indien verschlechtert habe und erwähnt dabei Sikhs. Religiöse Minderheiten, darunter hauptsächlich Muslime, Christen, Sikhs und Buddhisten würden täglich diskriminiert und seien Repressalien und/oder der Konversion zum Hinduismus ausgesetzt:

"Religious discrimination towards minorities in India has worsened since the Bharatiya Janata Party (hereafter, the BJP) led by Prime Minister Narendra Modi, has come into power. Religious minorities, mainly Muslims (14.2%), Christians (2.3%), Sikhs (1,7%) and Buddhists (0.7%), are being discriminated against on a daily basis and often subject to violent acts of repression and/or conversion into Hinduism. The situation of Dalits, the lowest rank of the Indian caste-based society, is also that of increased discrimination especially over land issues. Hindu extremists are often free to act, since local, regional or national police forces do not promptly act in order to stop the violence. Impunity is common among courts; this reinforces the acts of discriminations and encourages their perpetuation. The government is remaining silent about the violence that is spreading all over the country, thus tacitly allowing extremist groups to act with no fear of an actual trial. In this way, while the administration is publicly condemning international terrorist acts, it has chosen to remain silent on its national issues, where any religion outside Hinduism is perceived as a threat to the national identity." (Gesellschaft für bedrohte Völker, 2. Juni 2016, S. 2)

Im September 2015 berichtet die indische Tageszeitung The Indian Express, dass rund 200 Sikhs gemeinsam mit Vertretern der Patidar-Kaste vor einer Rede des indischen Premierminister Narendra Modi im UNO-Hauptquartier in New York unter dem Titel "Sikhs for Justice" (SFJ) gegen angelbliche Menschenrechtsverletzungen im Punjab und für eine Sikh-Republik ("Khalistan") demonstriert hätten. Laut eines SFJ-Anführers gebe es in Indien schwere Verstöße gegen Minderheiten, besonders Christen, Sikhs und Muslime, sowie Polizeigewalt. Mehr als 4.000 Jugendliche seien noch in Polizeihaft:

"A group of Sikhs and the Patidar community supporters have demonstrated outside the UN headquarters here, coinciding with Prime Minister Narendra Modi's speech on Sustainable Development at a special UN summit.

Under the banner of Sikhs for Justice, over 200 Sikhs, alleging human rights violations in Punjab, demanded referendum in 2020 for a separate Khalistan. [...] 'There is massive violations against minorities, in particular against Christians, Sikhs and Muslims,' SFJ [Sikhs for Justice] leader Bakhshish Singh Sandhu claimed Friday.

Side by side in a separate enclosure were a few dozen members of the Patidar community from Gujarat who are living in different parts of the country.

'We want justice from police brutalities. As many as 4,000 youths are still in police custody. There has been police brutality against innocent people. So far no action has been taken against the police officials responsible for this,' one Anil Patel claimed." (The Indian Express, 26. September 2015)

Der indische Nachrichtensender New Delhi Television Limited (NDTL) berichtete im September 2015 ebenfalls über die Proteste in New York:

"A group of Sikhs and the Patidar community supporters have demonstrated outside the UN headquarters, coinciding with Prime Minister Narendra Modi's speech on Sustainable Development at a special UN summit. Under the banner of Sikhs For Justice (SFJ), over 200 Sikhs, alleging human rights violations in Punjab, demanded referendum in 2020 for a separate Khalistan. The protesters, raising anti-India and anti-Modi slogans, urged the world body to take steps to meet their demand." (NDTV, 26. September 2015)

Die International Education Inc., die sich selbst als eine Vereinigung von humanitären Rechtsanwälten beschreibt, und die Interessensgruppe Sikhs for Justice haben sich im September 2015 in einem schriftlichen Statement an die Generalversammlung der Vereinten Nationen gerichtet. Demnach seien Sikhs auch 30 Jahre nach den Anschlägen des indischen Militärs auf den goldenen Temple in Amritsar von Festnahmen und Folterung betroffen und das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit sei ihnen vorenthalten. Mehrere Anführer der Sikhs seien nach ihrer Inhaftierung verschwunden. Personen, die an den Vorfällen 1984 beteiligt gewesen seien, seien befördert worden und hätten in Sikh-Gebieten Schlüsselpositionen erhalten. Wichtiges Beispiel dafür sei Sumedh Saini, der im Jahr 2012 zum Generaldirektor der Polizei in Punjab befördert worden sei. Führungspersönlichkeiten, Organisationen und Publikationen der Sikh würden beobachtet und Personen, die öffentlich jegliche Art der Autonomiebestrebungen fördern würden, drohe die Unterstellung ein Terrorist zu sein.

Ein Teil des Problems der Sikhs in Punjab sei, neben der Nicht-Anerkennung ihres Anspruchs auf Selbstbestimmung, dass der Sikhismus nicht ganz als eigne Religion und Kultur anerkannt werde. Während Religionsfreiheit in Artikel 25 der Verfassung zwar verankert sei, werde Sikhismus als eine Art des Hinduismus angesehen. Sikhs, die es ablehnen würden als "Hindu" betrachtet zu werden, seien einem großen Risiko ausgesetzt.

Die Sikhs im Punjab und in der Diaspora hätten immer wieder angegeben, dass Sikhs unter der Kontrolle der indischen Regierung nicht sicher seien. Die Zahl der verschwundenen Personen und der Bedrohungen würde eskalieren:

"International Educational Development, Inc., the Association of Humanitarian Lawyers, and Sikhs for Justice have been concerned about the situation of the Sikh people for many years. In our previous written statement (A/HLP/26/NGO/9 and A/HLP/26/NGO/9/Corr.1) we informed the Council that during the 30 years since the attacks by the Indian military forces on the Golden Temple in Amritsar, Sikhs are still subjected to arrest and torture. Freedom of assembly and opinion are denied. A number of Sikh leaders have disappeared after being taken into custody. Participants in the 1984 events have been promoted to key positions in the Sikh areas, notably Sumedh Saini who was promoted to the post of Director General of Police in Punjab in 2012. Sikh leaders, organizations and publications are monitored, and the people threatened with the 'terrorist' label if they publicly promote any form of autonomy."

(International Educational Development, Inc, 3. September 2015, S. 2)

"Part of the ongoing problem with the Sikh people in the Punjab besides that of the failure to recognize the legitimate claim to self-determination is that Sikhism as a distinct religion or culture is not fully recognized in India. Article 25 of the Constitution purports to grant freedom on religion in India, but a series of rulings by India's Supreme Court has upheld curtailing rights and has proclaimed that Sikhism is a form of Hinduism and part of what it refers to in a 2005 decision as the 'Hindu fold' as an 'Indic' religion. In our view, this categorization of the Sikhs and the Sikh religion as a form of Hinduism is to undermine the strong claim to self-determination based on a distinct religion and culture in the historic territory. Sikhs who object to being considered 'Hindu' in the poorly disguised attempt to deny their self-determination claims are at great risk. India uses the concept of territorial integrity to keep the international community away from an honest reading of the history of the area. [...]

The Sikh people in the Punjab and the Sikh communities in the diaspora have indicated over and over that Sikhs are not safe under the control of the India government. The numbers of disappeared and threats against them are escalating. Sikhs continue to seek and receive asylum based on clear evidence of persecution. They are now beginning to openly demonstrate against the Indian authorities claiming that their will in regards to governance is not granted and that they demand a way to show their political wishes by some form of referendum. This, of course, is likely to create serious problems in retaliation by the authorities and has led to escalating violence. India tries to keep this away from the international community by threats to the local media and by continuing to 'polish' Mr. Modi's image." (International Educational Development, Inc, 3. September 2015, S. 2-3)

Im Oktober 2015 berichtet die indische Tageszeitung The Tribune, dass der oben genannte Polizeichef Punjabs, Sumedh Singh Saini, von der Provinzregierung versetzt worden sei. Die Versetzung sei Berichten zufolge nach Intervention von Indiens Innenminister erfolgt, der sich die Woche davor mit Sumedh Singh Saini getroffen habe. Bei dem Treffen des Innenministers und des ehemaligen Polizeichefs von Punjab seien die Entwicklungen nach den bereits beschriebenen Vorfällen, bei denen die heilige Schrift der Sikhs (Guru Granth Sahib) geschändet worden sei, besprochen worden:

"Punjab Police chief Sumedh Singh Saini was on Sunday shunted out of the position by the state government. He was replaced by Suresh Arora as Director-General of Police, Punjab. The move has reportedly come at the intervention of the Union Home Minister, who had last week spoken to Chief Minister Parkash Singh Badal about the developments in Punjab in the wake of incidents of desecration of 'birs' of Guru Granth Sahib [heilige Schrift der Sikhs]. 'Saini has been transferred,' Punjab Home Secretary Jagpal Sandhu said, adding that he was given the new charge as Chairman of the Police Housing Corporation." (The Tribune, 25. Oktober 2015)

(ACCORD Anfragebeantwortung zu Indien: Lage der Sikhs, 21. September 2016)

2. Beweiswürdigung:

Die Identität des Beschwerdeführers kann festgestellt werden, er reiste nach Österreich mit seinem indischen Reisepass mit der Nummer XXXX , den er nunmehr verloren haben

will - eine Verlustmeldung des Fundamtes des Magistrats XXXX und eine Kopie des Reisepasses liegen im Akt -, ein. Weiters hat er seinen indischen Führerschein vorgelegt, welcher ebenfalls in Kopie im Akt liegt.

Der Sachverhalt zur Situation des Beschwerdeführers in Indien ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Verfahren. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer Schutz vor der behaupteten Bedrohung finden kann, sowie, dass er den behaupteten Bedrohungen bereits ausgewichen war und im Falle einer Rückkehr wiederum ausweichen könnte, ergibt sich aus seinen Angaben sowie aus den Feststellungen zur allgemeinen Situation in Indien.

Die allgemeine Lage ergibt sich aus den schon vom Bundesamt zugrunde gelegten Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers. Die Feststellungen fassen eine Vielzahl von verschiedenen Berichten zusammen und zeigen daher ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Indien, wobei diese vom Beschwerdeführer nicht bestritten wurde.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keinerlei Familienangehörige verfügt und wenig Deutsch spricht, beruhen auf seinen Angaben im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Ebenso die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers.

Maßgebliche Ermittlungslücken oder Verfahrensfehler sind nicht erkennbar und wurden von vom Beschwerdeführer auch nicht substantiiert behauptet. Soweit die Beschwerde ausführt, Glaubhaftmachung bedeute "in anderen Worten, gut möglich, es" genüge "die Beachtlichkeit der Wahrscheinlichkeit, um die Glaubwürdigkeit meines Sachverhaltes anzunehmen", tut sie hiemit nicht konkret dar, worin die behauptete Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahren gelegen sein soll. Soweit die Beschwerde ausführt, das Bundesamt hätte ermitteln müssen, ob in der Heimatregion des Beschwerdeführers Sikh-Priester tatsächlich mit einer Gefahr für Leib und Leben zu rechnen hätten, ist festzuhalten, dass es das durch die Zugrundelegung der Anfragebeantwortung vom 16.12.2015 und 21.09.2016 in ausreichender Weise getan hat.

Auch sind die Beschwerdeausführungen, wonach das Bundesamt die einbezogenen Länderinformationen nicht ausreichend in seiner Beweiswürdigung berücksichtigt hätte, nicht geeignet, eine Mangelhaftigkeit aufzuzeigen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A):

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. Z B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; 09.04.1997, 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl. VwGH 16.02.2000, 99/01/0397). Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, 94/19/0183).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Schon das Bundesamt zeigte zutreffend auf, dass aus den Schilderungen des Beschwerdeführers hervorgeht, dass die örtliche Bevölkerung und die staatlichen Behörden sich für den Schutz des Beschwerdeführers eingesetzt haben, indem sie das Eingangstor zur Wohnstätte des Beschwerdeführers bewachten, und somit fest steht, dass der indische Staat willens und in der Lage ist, dem Beschwerdeführer Schutz vor Übergriffen durch Private zu bieten, zumal der Beschwerdeführer keinerlei Umstände dargetan hat, dass er dennoch Verfolgungshandlungen danach ausgesetzt gewesen wäre. Auch trifft zu, dass die Forderung nach einem lückenlosen Schutz gegen Übergriffe nichtstaatlicher Akteure oder Einzelpersonen an einer wirklichkeitsnahen Einschätzung der Effizienz staatlicher Schutzmöglichkeiten vorbeigeht und auch in Österreich nicht vollends gewährleistet ist. Da sohin effektiver Schutz vor den behaupteten Bedrohungen besteht, kommt schon von daher die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht in Betracht.

Es bestehen auch keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe. Wenngleich nicht verkannt wird, dass es in Indien zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann, ist hiebei auch die Anzahl der dort lebenden Personen in Betracht zu ziehen (über eine Milliarde Menschen), womit sich aber die Anzahl der berichteten Übergriffe relativiert, sodass auch unter Berücksichtigung dieser Berichte über Menschenrechtsverletzungen keine asylrelevante Verfolgungsgefahr betreffend den Beschwerdeführer auf Grund der allgemeinen Situation allein mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erkannt werden kann.

Zudem ergibt sich aus den nicht konkret bestrittenen Feststellungen zur allgemeinen Situation sowie aus den Ausführungen des Beschwerdeführers selbst, dass es dem Beschwerdeführer möglich wäre, etwaigen Repressionen auszuweichen, zumal sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht ergibt, dass er selbst eine exponierte Persönlichkeit wäre, die landesweit gesucht würde, sondern vielmehr, dass der Beschwerdeführer in der Lage gewesen ist, einer allfälligen Bedrohung seiner Person und seiner Familie durch die Übersiedelung zu den Eltern seiner Ehefrau auszuweichen, was ihm bei einer Rückkehr wieder möglich wäre. Es ist sohin von einer innerstaatlichen Fluchtalternative (§ 11 AsylG) auszugehen.

Da es nach den vom Bundesamt herangezogenen Feststellungen Existenzmöglichkeiten für den Beschwerdeführer außerhalb seiner engeren Heimat gibt, ist es ihm zumutbar, sich in einen anderen Teil Indiens, etwa zu seinen Schwiegereltern oder nach Delhi, zu begeben. Dafür, dass es ihm problemlos möglich ist, in viele Teile seines Heimatlandes zu reisen, ohne in seine engere Heimat zurückkehren zu müssen, besteht für Indien keinerlei Zweifel. Auch hatte der Beschwerdeführer keine nachvollziehbare Begründung dafür gegeben, wieso ihm die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht zumutbar wäre. Er brachte lediglich vor, dass er nur die Tätigkeit als Priester habe und es für ihn nicht leicht sei, woanders als Priester zu arbeiten. Es wäre schon möglich eine Arbeit zu finden aber es wäre schwer. Zutreffend zeigte daher das Bundesamt auf, dass der Beschwerdeführer - nachdem in Indien volle Bewegungsfreiheit gewährleistet ist - allfälligen Konflikten durch Übersiedelung in einen anderen Landesteil in zumutbarer Weise, wie er es mit seiner Übersiedlung zu seinen Schwiegereltern bereits getan hatte, (wieder) ausweichen kann.

Es sind sohin die Voraussetzungen für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative gegeben, weswegen auch aus diesem Grunde weder die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten noch die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Betracht kommt (vgl. VwGH 24.01.2008, 2006/19/0985).

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid

v. United Kingdom; VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443).

Im vorliegenden Zusammenhang ist ebenfalls der Umstand einschlägig, dass der Beschwerdeführer seitens der indischen Behörden Schutz vor der behaupteten Bedrohung finden kann, sodass schon von daher die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht in Betracht kommt. Auf die diesbezüglichen auch hier einschlägigen Ausführungen zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird verwiesen.

Zudem ist im gegebenen Zusammenhang die innerstaatliche Fluchtalternative ebenfalls einschlägig, sodass auf die bereits oben zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides getätigten diesbezüglichen Ausführungen verwiesen wird. Es kommt daher auch aus dem Grunde des Vorliegens der sogenannten innerstaatlichen Fluchtalternative die Zuerkennung des Status eine subsidiär Schutzberechtigten nicht in Betracht.

Aus der allgemeinen Situation allein ergeben sich aber auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des § 8 AsylG bedroht wäre. Auf die bereits oben zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides getätigten und auch hier einschlägigen Ausführungen wird ebenfalls verwiesen.

Im Hinblick auf die Feststellungen zur allgemeinen Situation, derzufolge die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist, kann auch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der in Indien aufgewachsen ist, im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geriete. Der Beschwerdeführer ist ein Mann im arbeitsfähigen Alter, sodass es ihm zumutbar ist, sich in seiner Heimat, wie auch schon vor seiner Ausreise, den notwendigen Unterhalt zu sichern, was sich auch schon aus den Ausführungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative ergibt. Es steht im Lichte der Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat über soziale Anknüpfungspunkte verfügt, weshalb auch von daher nicht angenommen werden kann, der Beschwerdeführer geriete im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des § 8 AsylG nicht.

Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Heimatland im Sinne des § 8 AsylG bedroht wäre, ist die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Ende April 2016 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Indien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I 1955/189) erreicht wird.

Nach § 55 Abs. 2 AsylG, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff. Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar2 (1996) Art. 8 Rz 16; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Die Ausweisung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon zehn Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Ende April 2016 ist als relativ kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass der Aufenthalt seit der Antragstellung bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein.

Anhaltspunkte, wonach fortgeschrittene Deutschkenntnisse bestünden, der Beschwerdeführer in Vereinen oder sonstigen Organisationen tätig wäre und über Familienangehörige im Bundesgebiet verfüge, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Demgegenüber hat der Beschwerdeführer nahezu sein ganzes Leben in Indien verbracht und er hat dort familiäre Anknüpfungspunkte.

Es ist daher davon auszugehen, dass im Falle des Beschwerdeführers bloß ein geringer Grad an Integration im Bundesgebiet erreicht worden ist, die Integration des Beschwerdeführers nicht in einer Weise fortgeschritten ist, dass bei einer Abwägung die Ausweisung des Beschwerdeführers unzulässig wäre. So ist die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nach Ablauf seines Visums am 29.05.2016 nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, hingegen die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet dazu als relativ kurz zu bezeichnen ist, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal Familienangehörige des Beschwerdeführers dort leben und der Beschwerdeführer auch eine Sprache des Herkunftsstaates beherrscht. Er ist mit den Gegebenheiten im Bundesgebiet nicht derart verwurzelt, dass ihm eine Rückkehr in seine Heimat nicht mehr zugemutet werden könnte.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

Daher sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG nicht gegeben.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. I 1955/55, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. I 1974/78), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Gründen der vorliegenden Entscheidung keine Umstände vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Zum Entfall der Beschwerdeverhandlung:

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind im gegenständlichen Fall erfüllt (vgl. VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017 und 0018; 22.11.2006, 2005/20/0406, u. v. a.), zumal vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausgegangen wurde.

Zu B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte